Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristeter Arbeitsvertrag. fremdfinanzierte Lehrgänge

 

Leitsatz (redaktionell)

Befristete Arbeitsverträge einer gemeinnützigen Schulungseinrichtung mit einer Lehrkraft, die in Lehrgängen eingesetzt wird, die von der Bundesanstalt für Arbeit finanziert werden

 

Normenkette

BGB § 620; ArbGG § 74; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 22.05.1991; Aktenzeichen 19 Sa 1501/90)

ArbG Paderborn (Urteil vom 19.09.1990; Aktenzeichen 2 Ca 312/90)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 22. Mai 1991 – 19 Sa 1501/90 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

Die Klägerin, eine ausgebildete Realschullehrerin für die Fächer Deutsch und Sozialkunde, war seit 23. Januar 1989 aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge bei der Beklagten beschäftigt, deren Zweck nach § 2 ihrer Satzung die Förderung der beruflichen Bildung ist und durch das Betreiben von Einrichtungen sowie die Durchführung von Maßnahmen der Berufsbildung, vornehmlich von Arbeitnehmern, verwirklicht wird. Die Beklagte unterhält mehrere regionale Bezirksgeschäftsstellen, denen verschiedene örtliche Einrichtungen unterstehen.

Mit Arbeitsvertrag vom 21. Februar 1989 wurde die Klägerin für die Zeit vom 23. Januar 1989 bis einschließlich 21. November 1989 mit 14 Unterrichtsstunden pro Woche für das Fach Deutsch eingestellt. Die Parteien erhöhten mit Arbeitsvertrag vom 21./29. August 1989 die wöchentlichen Unterrichtsstunden für die Zeit vom 21. August 1989 bis einschließlich 4. Oktober 1989 auf 28. Der Arbeitsvertrag vom 21. Februar 1989 sollte während dieser Zeit ruhen und am 5. Oktober 1989 wieder in Kraft treten. Am 4. Oktober 1989 vereinbarten die Parteien ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis für die Zeit vom 22. November 1989 bis einschließlich 27. Juli 1990 mit 14 Unterrichtsstunden pro Woche. Mit Vertrag vom 18./21. Dezember 1989, der als „Vertragsumstellung per 01.01.1990” überschrieben war, ersetzten sie „den/die am 31.12.1989 bestehenden Arbeitsvertrag/Arbeitsverträge einschließlich evtl. Änderungsverträge”. Eine Änderung des Inhalts der Lehrverpflichtung, der wöchentlichen Unterrichtsstundenzahl und des Beendigungszeitpunkts des Arbeitsverhältnisses war damit nicht verbunden. Nachdem die Klägerin am 9. April 1990 die vorliegende Feststellungsklage erhoben hatte, schlossen die Parteien den „Aufhebungsvertrag” vom 30. Mai/25. Juni 1990, der Auszugsweise wie folgt lautete:

  1. „Die Parteien sind sich darin einig, daß das gesamte Beschäftigungsverhältnis von Frau D. zum b. in beiderseitigem … Einverständnis ohne besondere Kündigung zum 04.06.90 aufgehoben wird.
  2. Aufgrund dieses Aufhebungsvertrages sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis, gleich welchen Rechtsgrund sie haben, abgegolten, ausgenommen Ansprüche aus unerlaubter Handlung.

    Sollte Frau D. in dem anhängigen Rechtsstreit obsiegen, ist dieser Aufhebungsvertrag gegenstandslos.”

Unter dem gleichen Datum unterzeichneten die Parteien zwei weitere Verträge, nämlich einen „zeitbefristeten Arbeitsvertrag vom 05.06.90–27.07.90”, wonach die Klägerin im Fach Deutsch regelmäßig 20 Stunden wöchentlich unterrichten sollte, und einen „zeitbefristeten Arbeitsvertrag vom 28.07.90–04.10.90” über 14 Unterrichtsstunden je Woche im Fach „Deutsch für Aussiedler”. Anschließend vereinbarten die Parteien im Arbeitsvertrag vom 8./15. Oktober 1990, daß die Klägerin vom 8. Oktober 1990 bis 15. Februar 1991 mit ebenfalls 14 Unterrichtsstunden pro Woche im Fach „Deutsch für Aussiedler” beschäftigt werden sollte. Im Februar 1991 schlossen die Parteien einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 18. Februar 1991 bis einschließlich 17. Mai 1991, wobei die Stundenzahl und das Unterrichtsfach unverändert blieben. Ziffer 19 dieses Vertrages enthielt die „Nebenabrede”, daß er „nur dann Gültigkeit erlangt, wenn nicht in dem anhängigen Rechtsstreit entschieden wird, daß bereits der Vertrag vom 22. November 1989 bzw. der Vertrag vom 8. Oktober 1990 unbefristet ist”. Im Mai 1991 vereinbarten die Parteien in einem weiteren befristeten Arbeitsvertrag, daß die Klägerin in der Zeit vom 18. Mai 1991 bis einschließlich 18. Juli 1991 mit … 14 Unterrichtsstunden wöchentlich im Bereich „Sozialintegrativer Unterricht, Soziale Betreuung” beschäftigt werde. Bei Abschluß dieses Vertrages überreichte die Klägerin der Beklagten einen maschinenschriftlichen Zusatz, dessen Inhalt der Ziffer 19 des vorangegangenen Arbeitsvertrages entsprach.

Die Klägerin war von Anfang an für die Bezirksgeschäftsstelle W. 1 tätig, die u.a. Lehrgänge im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit durchführte. Die Bundesanstalt für Arbeit erstattete der Beklagten sämtliche Personalkosten für die im Rahmen derartiger Lehrgänge eingesetzten Mitarbeiter. Die zwischen der Beklagten und der Bundesanstalt für Arbeit abgeschlossenen Verträge „über die Durchführung einer beruflichen Bildungsmaßnahme” enthielten u.a. folgende Regelungen:

„1.1

Der Träger führt in seinen Unterrichtsräumen in … für … Arbeitnehmer eine berufliche Bildungsmaßnahme durch.

1.2

Der Träger vermittelt während der Maßnahmedauer folgende Kenntnisse und Fertigkeiten (Bezeichnung des Lehrgangs): …

Die beigefügte Maßnahmeübersicht und das vorliegende Angebot sind Bestandteil dieses Vertrages.

1.3

Die Bildungsmaßnahme beginnt am … und endet am ….

Es werden insgesamt … Stunden Unterricht erteilt. Wöchentlich werden … Stunden Unterricht erteilt.

2.1

Der Träger sorgt für eine gewissenhafte Ausbildung. Insbesondere verpflichtet er sich, den Teilnehmern die in dem Lehrplan aufgeführten Fertigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln und die Maßnahme sorgfältig zu überwachen.

3.3

Der Träger überwacht laufend die Leistungen der Teilnehmer. …

4.1

Für die Durchführung der Bildungsmaßnahme vergütet die Bundesanstalt dem Träger folgende Kosten:

a) Lehrgangsgebühren: …

Lernmittel je Teilnehmer …

7.1

Der Vertrag wird für die Dauer der o.a. Bildungsmaßnahme geschlossen.

7.3

Kann die Maßnahme aufgrund von Gesetzesänderungen oder wegen zu geringer Teilnehmerzahl nicht durchgeführt werden, entfallen finanzielle Verpflichtungen des Arbeitsamtes.

…”

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, für die Befristung ihres Arbeitsvertrages vom 4. Oktober 1989 habe kein sachlicher Grund bestanden. Schon zu Vertragsbeginn sei absehbar gewesen, daß die Beklagte auch über den 27. Juli 1990 hinaus Deutsch-Lehrgänge für Aussiedler durchführen werde. Ein Absinken der Zahlen der Aussiedler und eine entsprechende Verringerung der durchzuführenden Deutschkurse sei nicht zu erwarten gewesen. Die Beklagte unterscheide sich nicht von einem sonstigen privaten Arbeitgeber, der sich weitgehend auf Aufträge der öffentlichen Hand eingerichtet habe. Sie habe wie jeder Arbeitgeber das Risiko zu tragen, daß die von ihr angebotene Dienstleistung nicht mehr ausreichend nachgefragt werde. Die Ungewißheit der weiteren Auftragsvergabe rechtfertige eine Befristung nicht. Die Beklagte könne nicht ihr Personalkostenrisiko vollständig auf die Arbeitnehmer abwälzen.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen: Da die Parteien nach Erlaß des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils im Vertrag vom 8./15. Oktober 1990 ohne Vorbehalt ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis bis zum 15. Februar 1991 vereinbart hätten, sei das Interesse der Klägerin, die Wirksamkeit der Befristung des vorangegangenen Vertrages gerichtlich klären zu lassen, entfallen. Ein sachlicher Grund für die Befristung der Arbeitsverhältnisse der Klägerin habe bestanden. Die Bezirksgeschäftsstelle W. 1 führe nahezu ausschließlich von der Bundesanstalt für Arbeit geförderte Lehrgänge durch. Zum 1. November 1990 seien in dieser Geschäftsstelle 84,3 % aller Bildungsmaßnahmen auf derartige Lehrgänge entfallen. Diese Ausrichtung des Bildungsangebotes auf Maßnahmen der Arbeitsverwaltung rechtfertige die Befristung der Arbeitsverträge. Als gemeinnütziges Unternehmen sei die Beklagte auf die Erstattung der Personalkosten zwingend angewiesen. Die Vergabe der einzelnen Maßnahmen liege jedoch im Ermessen der Arbeitsverwaltung und erfolge nur für eine bestimmte Zeitdauer, so daß bei Lehrgangsbeginn die Zuweisung von Anschlußmaßnahmen völlig ungewiß sei. Da zudem die künftige Entwicklung der Aussiedlerzahlen unsicher sei, könne der künftige Bedarf an Lehrkräften nicht zuverlässig prognostiziert werden. Eine langfristige, über die Dauer der jeweiligen Maßnahme hinausgehende Planung sei nicht möglich.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben Zwischen den Parteien besteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis über 14 Unterrichtsstunden pro Woche.

A. Die Revision der Beklagten ist zulässig.

Die Klägerin meint, der Revision fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Beklagte der Klägerin während des Revisionsverfahrens für die Zeit ab 28. März 1992 einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag angeboten habe, die Klägerin diesen Vertrag nicht unterzeichnet habe, aber dennoch weiterbeschäftigt worden sei und hierdurch jedenfalls nach § 625 BGB ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden sei.

Entgegen der Ansicht der Klägerin besteht ein Rechtsschutzbedürfnis der Beklagten für die Revision. Ist eine Partei durch den der Rechtskraft fähigen Inhalt der angegriffenen Entscheidung beschwert, so fehlt nur ausnahmsweise bei einer besonderen Sachlage das Rechtsschutzbedürfnis für ein Rechtsmittel (vgl. BGHZ 57, 224, 225; BGH Beschluß vom 13. Mai 1974 – VIII ZB 12/74 – WM 1974, 665; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 51. Aufl., Grundzüge § 511 Anm. 3 B, C; Thomas/Putzo, ZPO, 18. Aufl., Vorbem. § 511 Rz 17; Zöller/Schneider, ZPO, 17. Aufl., vor § 511 Rz 9). Der Streitgegenstand der vorliegenden Feststellungsklage erfaßt lediglich das Bestehen oder Nichtbestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Es wird nicht rechtskräftig darüber entschieden, ob zu einem späteren Zeitpunkt ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet wurde. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Revision der Beklagten wäre allenfalls dann entfallen, wenn die Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses während des Revisionsverfahrens zwischen den Parteien unstreitig oder gerichtlich festgestellt wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Ob die Klägerin den Tatbestand des § 625 BGB überhaupt schlüssig vorgetragen hat, kann dahingestellt bleiben.

B. Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht stattgegeben.

I. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die Feststellungsklage als zulässig angesehen.

1. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse an der Feststellung des unbefristeten Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses (§ 256 ZPO). Es ist unschädlich, daß die Klägerin nicht gleichzeitig den Vertragsinhalt festgestellt wissen will. Abgesehen davon, daß es aus Gründen der Prozeßökonomie und im Hinblick auf § 301 ZPO zulässig ist, die Klage zunächst auf die Feststellung des Bestehens eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zu beschränken (vgl. u.a. BAG Urteil vom 29. Juli 1976 – 3 AZR 7/75 – AP Nr. 41 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu I 2 der Gründe; BAG Urteil vom 22. Juni 1977 – 5 AZR 753/75 – AP Nr. 22 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu I 2 a der Gründe, und BAGE 41, 247, 251 = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu A der Gründe), sind die Arbeitsbedingungen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses nicht streitig. Entscheidend ist der Inhalt des letzten maßgeblichen Arbeitsvertrages. Danach beträgt der zeitliche Umfang der Tätigkeit 14 Unterrichtsstunden.

2. Die Klägerin vertritt zwar die Ansicht, ihr Arbeitsverhältnis sei spätestens im Laufe des Revisionsverfahrens nach § 625 BGB auf unbestimmte Zeit verlängert worden. Dies führt jedoch schon deshalb nicht zum Wegfall ihres Feststellungsinteresses, weil die Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses nach § 625 BGB zwischen den Parteien nicht außer Streit ist und ein nach der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz liegender Sachverhalt nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist (§ 561 ZPO).

II. Die Feststellungsklage ist auch begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß für die Befristung des maßgeblichen Arbeitsvertrages kein sachlicher Grund bestand.

1. Wie das Landesarbeitsgericht richtig ausgeführt hat, ist der Befristungskontrolle der Arbeitsvertrag vom 4. Oktober 1989 in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag vom 18./21. Dezember 1989 zugrunde zu legen.

a) In Fällen mehrfacher Befristung ist grundsätzlich nur auf den zuletzt abgeschlossenen Arbeitsvertrag abzustellen (ständige Rechtsprechung des Senats seit dem Urteil vom 8. Mai 1985, BAGE 49, 73, 79 f. = AP Nr. 97 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II der Gründe, unter Aufgabe der früheren gegenteiligen Rechtsprechung). Der Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages neben einem schon bestehenden unbefristeten Arbeitsvertrag ist nur dann sinnvoll, wenn die Vertragsparteien über die Wirksamkeit der Befristung des früheren Vertrages im Zweifel sind und sie infolgedessen einen weiteren befristeten Vertrag nur für den Fall abschließen, daß sie nicht bereits auf Grund des vorangegangenen Vertrages in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen (Urteil des Senats vom 8. Mai 1985, a.a.O.).

b) Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß der Arbeitsvertrag vom 4. Oktober 1989 in Verbindung mit der „Vertragsumstellung” vom 18./21. Dezember 1989 als letzter, maßgeblicher Arbeitsvertrag anzusehen ist.

Der Vertrag vom 18./21. Dezember 1989, der keine Änderung des Befristungsgrundes, der wöchentlichen Unterrichtsstundenzahl und des Beendigungszeitpunktes des Arbeitsverhältnisses enthielt, war ein unselbständiger Annexvertrag (vgl. hierzu BAGE 65, 16, 21 = AP Nr. 1 zu § 57 b HRG, zu I 2 der Gründe; BAG Urteil vom 21. Januar 1987 – 7 AZR 265/85 – AP Nr. 4 zu § 620 BGB Hochschule, zu I 2 der Gründe).

Den „Aufhebungsvertrag” vom 30. Mai/25. Juni 1990 schlossen die Parteien unter dem Vorbehalt, daß in dem bereits anhängigen Rechtsstreit nicht das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses festgestellt werde. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, daß auch die gleichzeitig abgeschlossenen beiden befristeten Arbeitsverträge unter diesem Vorbehalt standen, läßt keinen Rechtsfehler erkennen.

Der nach Verkündung, aber vor Zustellung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils geschlossene befristete Arbeitsvertrag vom 8./15. Oktober 1990 enthielt zwar keinen derartigen ausdrücklichen Vorbehalt mehr. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch angenommen, die Beklagte habe in diesem Verfahrensstadium davon ausgehen müssen, daß die Klägerin an ihrem Vorbehalt festhalte. Dabei handelt es sich um die Auslegung einer nichttypischen Vertragsbestimmung, die nur daraufhin überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln, Erfahrungssätze oder Denkgesetze verletzt oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (vgl. u.a. BAGE 27, 218, 227 = AP Nr. 1 zu § 105 BetrVG 1972, zu II 3 der Gründe; BAG Urteil vom 2. März 1989 – 2 AZR 280/88 – AP Nr. 101 zu § 626 BGB, zu I 2 a aa der Gründe; BAG Urteil vom 20. Februar 1991 – 7 AZR 81/90 – AP Nr. 137 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 2 a der Gründe). Ein derartiger Rechtsfehler ist dem Landesarbeitsgericht nicht unterlaufen. Im übrigen enthielt der anschließende schriftliche Arbeitsvertrag vom Februar 1991 den ausdrücklichen Vorbehalt, daß die Befristung dieses Arbeitsvertrages „nur dann Gültigkeit erlangt, wenn nicht in dem anhängigen Rechtsstreit entschieden wird, daß bereits der Vertrag vom 22. November 1989 bzw. der Vertrag vom 8. Oktober 1990 unbefristet ist”. Am 22. November 1989 hatten die Parteien keinen Arbeitsvertrag unterzeichnet. Gemeint war das auf dem Arbeitsvertrag vom 4. Oktober 1989 beruhende befristete Arbeitsverhältnis, das am 22. November 1989 beginnen und am 27. Juli 1990 enden sollte. In der „Nebenabrede” vom Februar 1991 vereinbarten die Parteien, daß die Klägerin, falls sie bereits am 22. November 1989 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis gestanden hatte, nicht nur befristet, sondern weiterhin unbefristet beschäftigt werden sollte.

Bei der Unterzeichnung des im Mai 1991 geschlossenen befristeten Arbeitsvertrages überreichte die Klägerin der Beklagten den gleichen schriftlichen Vorbehalt, wie er im vorausgegangenen Arbeitsvertrag enthalten war. Diese abändernde Annahmeerklärung galt nach § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung verbunden mit einem Vertragsangebot, das die Beklagte annahm. Sie war mit dem Vorbehalt einverstanden und beschäftigte die Klägerin auf Grund des modifizierten Arbeitsvertrages weiter.

2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht einen sachlichen Grund für die Befristung des Arbeitsvertrages vom 4. Oktober 1989 verneint.

a) Die Befristung läßt sich nicht damit rechtfertigen, daß es ungewiß ist, ob die Beklagte auch künftig von der Bundesanstalt für Arbeit mit der Durchführung von Lehrgängen beauftragt wird. Ebensowenig reicht es aus, daß der künftige Arbeitskräftebedarf nicht zuverlässig prognostizierbar ist. Die Unsicherheit der künftigen Entwicklung des Arbeitsanfalls und Arbeitskräftebedarfs gehört grundsätzlich zum unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers. Er kann sich bei nicht oder nur schwer vorhersehbarem quantitativen Bedarf nicht darauf berufen, mit befristeten Arbeitsverträgen könne er leichter und schneller auf Bedarfsschwankungen reagieren (BAGE 56, 241, 249 = AP Nr. 5 zu § 620 BGB Hochschule, zu II 3 b der Gründe; BAG Urteil vom 13. November 1991 – 7 AZR 31/91 – AP Nr. 60 zu § 611 BGB Abhängigkeit, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt, zu V 1 der Gründe).

aa) Die Beklagte erfüllt nach ihrem eigenen Vorbringen in der Bezirksgeschäftsstelle W. 1 ihre satzungsmäßige Aufgabe der Berufsbildung nahezu ausschließlich dadurch, daß sie Lehrgänge durchführt, die von der Bundesanstalt für Arbeit finanziert werden. Sie tritt insoweit in Wettbewerb zu anderen Schulungseinrichtungen und trägt das Risiko, inwieweit sie sich künftig gegenüber ihren Konkurrenten durchsetzt. Die Bundesanstalt für Arbeit, die nach ihrem Ermessen auf Grund einer Ausschreibung die Kurse vergibt, hat für die Beklagte die gleiche Bedeutung wie ein Großabnehmer für ein Unternehmen, das Waren und Dienstleistungen anbietet.

bb) Es ist unerheblich, daß der Arbeitskräftebedarf der Beklagten davon abhängig ist, in welchem Umfang die Bundesanstalt für Arbeit aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel, der Nachfrage und der Teilnehmerzahlen Lehrgänge anbietet und wie oft die Beklagte den Zuschlag erhält. Auch die künftigen Aufträge eines Großkunden richten sich nach seiner Finanzkraft und dem von ihm zu deckenden Bedarf; ihm steht es grundsätzlich frei, künftig seine Aufträge anderweitig zu vergeben. Die Situation der Beklagten unterscheidet sich demnach nicht von anderen Dienstleistungsunternehmen, die ihre Leistung ausschließlich oder überwiegend an einen Abnehmer erbringen.

cc) Die Gemeinnützigkeit der Beklagten ändert nichts daran, daß die Möglichkeit des Ausbleibens von Anschlußaufträgen zum üblichen Arbeitgeberrisiko zählt, das grundsätzlich nicht auf die Arbeitnehmer abgewälzt werden kann. Soweit sich die Beklagte um Aufträge der Bundesanstalt für Arbeit bemüht, nimmt sie als Konkurrentin am Wirtschaftsleben teil. Kostendeckende Preise strebt nicht nur die Beklagte, sondern jedes Unternehmen an. Falls die Beklagte Aufträge ohne kostendeckende Gegenleistung übernimmt, ist das ihre unternehmerische Entscheidung, die zu keiner Verlagerung des Arbeitgeberrisikos führt. Die Beklagte ist steuerrechtlich auch nicht gehindert, bei den einzelnen Aufträgen Überschüsse zu erzielen, mit denen sie die finanziellen Belastungen ausgleichen kann, die durch einen Personalabbau beim Ausbleiben von Anschlußaufträgen entstehen können. Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Der Begriff der Selbstlosigkeit setzt nach § 55 Abs. 1 AO u.a. voraus, daß nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt werden Nach Nr. 2 Satz 2 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO des Anwendungserlasses zur AO 1977 vom 24. September 1987 (BStBl I S. 664), zuletzt geändert durch BMF-Schreiben vom 20. Juli 1992 (BStBl I S. 430), darf auch der Gewinn aus Zweckbetrieben nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden, d.h. die Erzielung von Gewinnen schließt die Selbstlosigkeit im Sinne des § 55 AO noch nicht aus.

b) Allein die Abhängigkeit von Zahlungen der Bundesanstalt für Arbeit und von deren Haushaltsmitteln rechtfertigt die Befristung nicht. Das Haushaltsrecht kann nicht unmittelbar in die Rechte Dritter und damit auch nicht unmittelbar in das Arbeitsverhältnis eingreifen. Wegen der zeitlichen Begrenzung des Haushaltsplans durch das Haushaltsjahr ist zwar ungewiß, ob ein künftiger Haushaltsplan noch Mittel vorsieht. Aber auch in der Privatwirtschaft ist nicht gesichert, daß entsprechende Mittel in Zukunft zur Verfügung stehen. Die Unsicherheit der finanziellen Entwicklung gibt noch keinen sachlichen Grund für die Befristung ab (BAGE 36, 229, 233 = AP Nr. 61 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu 4 der Gründe; BAG Urteil vom 27. Januar 1988 – 7 AZR 292/87 – AP Nr. 116 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu I 3 b aa der Gründe, m.w.N.). Dementsprechend reicht auch die allgemeine Unsicherheit über das Weiterlaufen von Drittmitteln nicht aus (BAG Urteil vom 25. Januar 1980 – 7 AZR 69/78 – AP Nr. 52 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu 3 der Gründe; BAGE 41, 110, 115 f. = AP Nr. 72 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 3 der Gründe; BAG Urteil vom 21. Januar 1987 – 7 AZR 265/85 – AP Nr. 4 zu § 620 BGB Hochschule, zu II 3 der Gründe; BAG Urteil vom 13. Mai 1992 – 7 AZR 178/91 –, n. v., zu III 2 der Gründe).

c) Die Abhängigkeit sowohl von der künftigen Nachfrage als auch von den Zahlungen der Bundesanstalt für Arbeit und den ihr zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln führt noch nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Zwar kann ein sog. Mischtatbestand geeignet sein, eine Befristung sachlich zu rechtfertigen, weil es sich bei den von der Rechtsprechung anerkannten Befristungsgründen um keine abschließende Aufzählung handelt. Die als Befristung vorgetragene Fallgestaltung muß jedoch rechtserhebliche Besonderheiten aufweisen, die eine nahtlose Einordnung in die bisher anerkannten Typen unmöglich machen. Die erforderliche eigene rechtliche Bewertung derartiger Fallgestaltungen verändert jedoch nicht den Prüfungsmaßstab. Auch bei ihnen muß nach den Wertmaßstäben der bisherigen Rechtsprechung ein sachlicher Grund für eine Befristung anzuerkennen sein (vgl. BAGE 42, 203, 208 = AP Nr. 76 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 3 der Gründe; BAG Urteil vom 22. März 1985 – 7 AZR 487/84 – AP Nr. 89 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu III 2 a der Gründe; BAG Urteil vom 24. September 1986 – 7 AZR 669/84 – AP Nr. 12 zu § 72 ArbGG 1979, zu II 2 b aa der Gründe; BAG Urteil vom 13. Mai 1992 – 7 AZR 178/91 –, n. v., zu III 3 der Gründe).

d) Die Beklagte kann sich zur Rechtfertigung der Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berufen.

aa) Das Urteil vom 26. Januar 1977 (– 5 AZR 796/75 – AP Nr. 13 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten) betraf einen freischaffenden Künstler auf dem Gebiet der Graphik, der an einer Volkshochschule nebenberuflich als Kursleiter für Graphik, Design, Fotographik und graphische Drucktechnik befristete Lehraufträge erhielt. Die Befristung seines Arbeitsverhältnisses bezog sich auf ein bestimmtes Projekt, nämlich eine konkrete Lehrveranstaltung. Das Zustandekommen weiterer derartiger Kurse hing von den Wünschen der Hörer ab.

Der vorliegende Sachverhalt ist damit nicht vergleichbar. Dem satzungsmäßigen Zweck der Beklagten entsprach es, weiterhin zu versuchen, von der Bundesanstalt für Arbeit mit der Durchführung von Lehrgängen beauftragt zu werden. Die Abhängigkeit von der künftigen Auftragsentwicklung ist aber keine Besonderheit, die eine Befristung rechtfertigt

bb) In den Urteilen vom 28. Mai 1986 (BAGE 52, 122, 128 ff. = AP Nr. 101 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 2 b der Gründe, und BAGE 52, 133, 143 und 145 ff. = AP Nr. 102, a.a.O., zu I 3 sowie II 2 a und b der Gründe), vom 24. September 1986 (– 7 AZR 669/84 – AP Nr. 12 zu § 72 ArbGG 1979, zu II 2 b aa der Gründe) und vom 15. März 1989 (– 7 AZR 264/88 – AP Nr. 126 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 2 der Gründe) hat der Senat bei den im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit durchgeführten und von ihr im wesentlichen auch finanzierten „Maßnahmen zur Berufsvorbereitung und sozialen Eingliederung junger Ausländer” (MBSE) die Befristung der zwischen den Lehrkräften und den Maßnahmeträgern geschlossenen Arbeitsverträge für wirksam erachtet. Der projektbedingt erhöhte personelle Mehrbedarf ist wegen der weitgehend durch die Bundesanstalt für Arbeit bestimmten Personalvorgaben sowie wegen der für den einzelnen Maßnahmeträger bestehenden Unsicherheit über die Durchführung weiterer überbetrieblicher Ausbildungsmaßnahmen im Rahmen des Benachteiligtenprogramms als sachlicher Grund dafür angesehen worden, die Arbeitsverhältnisse der projektbezogen beschäftigten Arbeitnehmer für die Dauer des jeweiligen Ausbildungsjahres zu befristen. In den MBSE-Urteilen ist vor allem auch darauf abgestellt worden, daß diese Berufsbildungsmaßnahmen für den einzelnen Maßnahmeträger jeweils befristet übertragene (= ausbildungsjahrbezogene) sozialstaatliche Sonderaufgaben von begrenzter Dauer darstellen. Diese Erwägungen treffen auf den vorliegenden Fall nicht zu.

cc) Die von der Bundesanstalt für Arbeit finanzierten Lehrgänge sind für die Beklagte keine sozialstaatlichen Sonderaufgaben von begrenzter Dauer und keine jeweils gesondert zu betrachtenden, eigenständigen Projekte. Mit der Durchführung derartiger Lehrgänge nimmt die Beklagte eigene satzungsmäßige Daueraufgaben wahr.

Die Bezirksgeschäftsstelle W. 1 hat sich seit längerer Zeit auf derartige Lehrgänge konzentriert und will an diesem Bildungsangebot auch in Zukunft festhalten.

dd) Im Gegensatz zu den MBSE-Maßnahmen führt die Beklagte die von der Bundesanstalt für Arbeit finanzierten Lehrgänge nicht weitgehend fremdbestimmt durch. Weder die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch das Vorbringen der Parteien enthalten Anhaltspunkte dafür, daß die Bundesanstalt für Arbeit der Beklagten einen bedarfsabhängigen, nach quantitativen und qualitativen Merkmalen ausgestalteten Personalschlüssel vorgab und die personelle Planungskompetenz der Beklagten einschränkte. Die Beklagte beruft sich in ihrer Revision darauf, daß sie eine Gesamt- und Wochenstundenzahl einhalten mußte, zur gewissenhaften Ausbildung verpflichtet war und die Leistungen der Teilnehmer laufend zu überwachen hatte. Diese vertraglich zwischen der Beklagten und der Bundesanstalt für Arbeit vereinbarten Vorgaben stellen jedoch lediglich eine nähere Konkretisierung des Umfangs und des Inhalts der geschuldeten Dienstleistung dar. Eine Fremdbestimmung der Lehrgangsdurchführung ergibt sich daraus noch nicht. Die Bundesanstalt für Arbeit hat nach dem Vortrag der Parteien die Organisation der Lehrgänge und den Personaleinsatz der Schulungsträger nicht in Richtlinien näher geregelt. Vielmehr konnte die Beklagte selbst hierüber eigenverantwortlich entscheiden. Dies ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht unerheblich. Vielmehr war die weitgehende Fremdbestimmtheit bei den MBSE-Urteilen des Senats von entscheidender Bedeutung. Übernimmt ein Schulungsträger die Durchführung einer andersartigen, fremden Aufgabe und stellt er nach den Vorgaben seines Auftraggebers Personal ein, das speziell hierfür qualifiziert ist, so ist ein anderweitiger Einsatz dieser Mitarbeiter erheblich schwieriger als im vorliegenden Fall.

III. Die Revision der Beklagten war demnach mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Dr. Steckhan, Kremhelmer, Metzinger, Prof. Dr. Knapp

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1081362

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