Entscheidungsstichwort (Thema)

Entwicklungsklausel in Chefarztverträgen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die für Chefarztverträge typischen Entwicklungs- und Anpassungsklauseln sind wirksam. Die Ausübung des Weisungsrechts aufgrund einer Entwicklungsklausel darf jedoch nicht zu einer grundlegenden Störung des Gleichgewichts zwischen Leistung und Gegenleistung und damit zu einer Umgehung des zwingenden Kündigungsschutzrechts führen.

2. Eine aufgrund einer Entwicklungsklausel vorgenommene Beschränkung des Aufgabenbereichs eines Chefarztes führt nicht schon deshalb zu einer Umgehung des Kündigungsschutzrechts, weil dadurch seine Einnahmen für die Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich auf etwa 75% und die Gesamteinnahmen aus dienstlicher und genehmigter Nebentätigkeit auf 60 bis 65% seiner bisherigen Einnahmen sinken.

 

Orientierungssatz

Arbeitnehmer in Spitzenpositionen mit entsprechenden Verdiensten müssen Änderungen ihrer Arbeitsbedingungen und eine Verringerung ihrer Bezüge aufgrund wirksamer vertraglicher Anpassungsklauseln eher hinnehmen als der durchschnittliche Arbeitnehmer mit durchschnittlicher Vergütung.

 

Normenkette

BGB §§ 305, 315, 611

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 27.09.1995; Aktenzeichen 14 Sa 350/95)

ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 08.12.1992; Aktenzeichen 5 Ca 1118/92)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt nach Umstrukturierung seines Aufgabenbereichs die Wiedereinräumung seiner vorherigen Zuständigkeiten.

Der am 13. Dezember 1934 geborene Kläger ist Facharzt für Chirurgie und kraft Vertrages vom 17. Mai 1978 seit dem 1. Oktober 1978 als Leitender Abteilungsarzt ("Chefarzt") der Chirurgie bei der Beklagten tätig. Der Kläger führt die Teilgebietsbezeichnungen der Gefäßchirurgie und der Unfallchirurgie. Die beklagte GmbH betrieb seinerzeit zwei Krankenhäuser mit jeweils voll ausgestatteten chirurgischen Abteilungen, nämlich das ehemalige Kreiskrankenhaus L -H und das ehemalige Städtische Krankenhaus P straße. Der Dienstvertrag des Klägers lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 1

Dienstverhältnis

(1) Herr Dr. med. L , ... wird mit

Wirkung vom 01.10.1978 als Leitender Abteilungs-

arzt der chirurgischen Abteilung des Klinikberei-

ches P straße des Kreiskrankenhauses L -

eingestellt.

(2) Neben der Allgemeinen Chirurgie werden in der

Abteilung schwerpunktmäßig die Spezialgebiete Ge-

fäß- und Thoraxchirurgie sowie Kinderchirurgie

betrieben.

...

§ 16

Entwicklungs- und Anpassungsklausel

(1) Dem Ltd. Arzt ist bekannt, daß der Träger be-

absichtigt, in absehbarer Zeit einen Krankenhaus-

neubau zu errichten.

(2) Der Krankenhausträger kann nach Anhörung des

Ltd. Arztes strukturelle und organisatorische Än-

derungen im Krankenhaus vornehmen. Insbesondere

kann er, wenn dieses sachlich geboten ist

1. den Umfang der Chirurgischen Abteilung im Kli-

nikbereich P straße sowie die Zahl und

Aufteilung der Betten in dieser Abteilung än-

dern;

2. die Ausführung bestimmter Leistungen von der

Chirurgischen Abteilung ganz oder teilweise

abtrennen und anderen Fachabteilungen, Funkti-

onsbereichen, Instituten, Untersuchungs- oder

Behandlungseinrichtungen oder Ärzten zuweisen;

3. weitere selbständige Fachabteilungen, Funkti-

onsbereiche oder Institute - auch gleicher

Fachrichtung - im Krankenhaus neu einrichten,

unterteilen, abtrennen oder schließen;

4. weitere Ärzte - auch gleicher Fachrichtung -

als Ltd. Abteilungsärzte einstellen oder Be-

legärzte zulassen.

(3) Wenn durch Gesetze oder Verordnungen des Bun-

des oder des Landes neue Vorschriften im Bereich

des Gesundheitswesens, des Krankenhauswesens oder

des Sozialleistungswesens erlassen werden, die

die Rechte oder Pflichten einer Vertragspartei

berühren, kann jeder Vertragsteil diesen Vertrag

außerhalb der Vereinbarungen in § 18 mit einer

Frist von 3 Monaten, frühestens jedoch zum Tag

des Inkrafttretens der neuen Rechtsnorm, zum

Zwecke der Anpassung des Vertrages an das neue

Recht kündigen.

(4) Dem Ltd. Arzt stehen bei Maßnahmen nach den

Absätzen 1 und 2 keine Entschädigungsansprüche

zu, wenn seine Vergütung für die Tätigkeit im

dienstlichen Aufgabenbereich (§§ 3 bis 5) wenig-

stens 60 % der durchschnittlichen Vergütung gemäß

§ 7 Abs. 1 Ziffer 2 in den letzten 60 Monaten er-

reicht. ...

§ 17

Tätigkeit außerhalb der Dienstaufgaben

(1) Dem Ltd. Arzt wird die Erlaubnis erteilt, au-

ßerhalb der Dienstaufgaben (§§ 3 bis 5) folgende

Nebentätigkeiten auszuüben:

1a. Tätigkeit als Durchgangsarzt;

1b. Ambulante Beratung und Behandlung

(Sprechstundentätigkeit);

...

(5) Die Erlaubnis nach Abs. 1 kann widerrufen

oder beschränkt werden, wenn wichtige Gründe vor-

liegen, insbesondere wenn

1. durch diese Tätigkeit die Dienstaufgaben des

Ltd. Arztes oder der allgemeine Dienstbetrieb

im Krankenhaus wesentlich beeinträchtigt wer-

den; ..."

Zu den dienstlichen Aufgaben des Klägers nach § 3 Abs. 1 des Dienstvertrages gehört insbesondere die stationäre Behandlung aller Kranken einschließlich der Wahlleistungspatienten. § 7 des Arbeitsvertrages sieht als feste Vergütung für die Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich eine solche nach VergGr. I BAT (Endstufe) vor sowie als variable Vergütung bestimmte näher definierte Liquidationsrechte.

Während der Kläger als Chefarzt die Chirurgie des Krankenhauses P straße leitete, unterstand die chirurgische Abteilung des Krankenhauses H dem aufgrund Vertrages vom 18. September 1977 beschäftigten Chefarzt Dr. Z . Dr. Z führt keine chirurgische Teilgebietsbezeichnung. Im Jahre 1984 legte die Beklagte beide Krankenhäuser zusammen. In der Folgezeit wurden zwei getrennte chirurgische Abteilungen mit jeweils vollem chirurgischen Spektrum betrieben, wobei die Gefäßchirurgie allerdings ausschließlich vom Kläger betreut wurde. Anläßlich eines Krankenhausneubaus in H im Jahre 1986 wurde Dr. Z die Leitung der chirurgischen Abteilung I und dem Kläger die der chirurgischen Abteilung II übertragen. Die Aufgabenverteilung war unverändert, beide Abteilungen hatten anfangs je 90, später je 100 Betten.

Mit Änderungsvertrag vom 30. April 1986 vereinbarten die Parteien, daß der Kläger die bisher schon von ihm wahrgenommene Tätigkeit als Durchgangsarzt nach § 557 Abs. 2 Satz 1 RVO (seit dem 1. Januar 1997 § 34 Abs. 1 SGB VII) künftig "im Kollegialsystem mit dem Ltd. Arzt der chirurgischen Abteilung I" wahrnehmen sollte. Mit Dr. Z traf die Beklagte eine entsprechende Änderungsvereinbarung. Beide Ärzte waren fortan im Kollegialsystem als Durchgangsarzt zur berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung zugelassen.

Bis 1987 waren in den Bescheiden des Regierungspräsidenten für die Chirurgie des Krankenhauses der Beklagten insgesamt 180 Betten ohne Festsetzungen für chirurgische Unterdisziplinen ausgewiesen. Mit bestandskräftigem Bescheid des Regierungspräsidenten vom 29. Dezember 1987 wurde auf Antrag der Beklagten vom 1. Dezember 1986 für die Chirurgie eine Bettenzahl von 200 festgesetzt, davon 40 für Gefäßchirurgie und 60 für Unfallchirurgie. Zugleich wurde das Krankenhaus in die Versorgungsstufe 3 (Maximalversorgung) eingestuft.

Mit weiterem Bescheid vom 6. Dezember 1990 wurde das Krankenhaus L -H in den laufend fortgeschriebenen Krankenhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen aufgenommen und die Strukturierung des Krankenhauses im Zusammenhang mit Änderungen in anderen Abteilungen neu festgelegt. Ausgehend von einem Ist-Stand am 1. Juli 1990 von 200 Gesamtbetten für die Chirurgie, davon 40 für Gefäß- und 60 für Unfallchirurgie, wurde das Bettensoll in unveränderter Weise festgesetzt.

Beide Bescheide beruhten auf dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und dem Krankenhausgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen - KHG NW -. Nach § 13 Abs. 1 KHG NW stellt "der zuständige Minister ... einen Krankenhausplan gemäß § 6 KHG auf und schreibt ihn fort". Nach § 13 Abs. 2 KHG NW weist der Plan "den Standort und die vorgesehene Entwicklung der für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung erforderlichen ... Krankenhäuser, insbesondere nach Standort, Träger, Abteilungen mit der Bettenzahl, Versorgungsgebiet ... aus". Gemäß § 16 Abs. 1 KHG NW wird nach Aufstellung des Krankenhausplanes die Aufnahme oder Nichtaufnahme in den Plan durch schriftlichen Bescheid der zuständigen Behörde festgestellt. Der Feststellungsbescheid über die Aufnahme muß u.a. enthalten das Versorgungsgebiet, die Gesamtzahl der im Krankenhaus im Ist und Soll anerkannten Betten, die Zahl und Art der Abteilungen sowie ihre Bettenzahl. In dem Krankenhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung des Runderlasses des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 29. November 1990 (MBl NW 1991, S. 8) heißt es unter 3.24, daß "im Disziplinenspiegel ... Teilgebiete mit den dazugehörigen Bettenzahlen als solchen nur dann auszuweisen (sind), wenn sie auf ärztlichem Gebiet von einem nicht weisungsgebundenen, zur Führung der Teilgebietsbezeichnung ermächtigten Arzt geleitet werden sollen".

Mit Schreiben vom 14. Dezember 1990 bat der Regierungspräsident um den Nachweis, daß für das Teilgebiet der Gefäßchirurgie ein weisungsungebundener ermächtigter Arzt zur Verfügung stehe. Mit Schreiben vom 26. März 1991 bat der Regierungspräsident darum, möglichst kurzfristig dafür Sorge zu tragen, daß für diese Subdisziplinen entsprechende nicht weisungsgebundene Abteilungsärzte mit einschlägiger Teilgebietsbefähigung bestellt würden, anderenfalls eine entsprechende Änderung im Festsetzungsbescheid erfolgen müsse. Weiter heißt es in dem Schreiben, es sei festgestellt worden, daß die Leitenden Ärzte in beiden chirurgischen Abteilungen keine Teilgebietsbefähigung für die im Feststellungsbescheid ausgewiesenen Subdisziplinen Gefäßchirurgie und Unfallchirurgie besäßen. Tatsächlich war der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits im Besitz der Teilgebietsbefähigungen für Unfall- und Gefäßchirurgie. Dr. Z hingegen führte und führt keine Teilgebietsbezeichnung.

Zwecks Vorbereitung der Umstrukturierung ließ die Beklagte zwei Gutachten erstellen, und zwar durch Dr. U , Chefarzt einer gefäßchirurgischen Abteilung, und durch die Deutsche Krankenhausmanagement GmbH (DKI). Dr. U empfahl aufgrund der Vorgaben des Regierungspräsidenten die Einrichtung dreier vollständig getrennter chirurgischer Abteilungen unter Leitung je eines Chefarztes sowie zum Zwecke der Leitung der Gesamtchirurgie die Einrichtung eines chirurgischen Zentrums mit geschäftsführendem Direktor, Chefarztkonferenz und Zentrumskonferenz. Abgedeckt werden sollte durch die Chirurgie I die Allgemeinchirurgie (70 Betten), durch die Chirurgie II die Gefäß- und die Thoraxchirurgie (60 Betten) und durch die Chirurgie III die Unfallchirurgie mit Durchgangsarztverfahren (70 Betten).

In dem DKI-Gutachten heißt es, daß sich aus der Existenz zweier nahezu aufgabengleicher chirurgischer Abteilungen Nachteile ergäben, nämlich eine personelle und organisatorische Abschottung der Abteilungen, Konkurrenz um Patienten, fehlende Spezialisierung, das Vorliegen von Doppelinvestitionen und ein unwirtschaftlicher Personaleinsatz. Die Gefäßchirurgie in Abteilung II sei umfangreich und anspruchsvoll. Angesichts der vorhandenen Abteilung Nephrologie und der Dialyseabteilung sei allerdings erstaunlich, daß nicht in größerem Umfang Shunt-Anlagen im Hause selbst vorgenommen würden. Hierbei handelt es sich um die Verbindung einer Arterie mit einer Vene; aus dem Verbindungsstück, in welchem ein höherer Druck herrscht als in der Vene, aber ein geringerer als in der Arterie, wird das Blut zum Zwecke der Dialyse entnommen. Gefäßchirurgisch bedingt seien 35 Betten im Jahresdurchschnitt belegt. Negativ sei das Fehlen von Weiterbildungsermächtigungen für die Teilgebiete Unfallchirurgie und Gefäßchirurgie am Krankenhaus der Beklagten. Bei der künftigen Gestaltung seien Unklarheiten bei der Zuständigkeitsabgrenzung und Zuständigkeitsüberschneidungen zu vermeiden. Das DKI-Gutachten empfahl ebenfalls eine Dreiteilung und sah eine Abteilung Allgemeine Chirurgie (80 Betten), eine Abteilung Gefäß- und Thoraxchirurgie (60 Betten) und eine Abteilung Unfall- und Wiederherstellungschirurgie mit 60 Betten vor; es sei zu erwarten, daß die Zulassung zum Durchgangsarzt-Verfahren in Zukunft lediglich der Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie übertragen werde.

Im Laufe der Jahre 1991 und 1992 wurden zwischen den Parteien langwierige Verhandlungen über die geplante Umstrukturierung geführt. Seinen von der Beklagten abgelehnten Vorschlag, ihm zusätzlich zu den vorgesehenen Gebieten der Thorax- und Gefäßchirurgie die Kinderchirurgie sowie die Proktologie zu überlassen, hat der Kläger im weiteren Verfahrensverlauf nicht mehr weiterverfolgt. Der Kläger schlug dann vor, die gesamte Allgemeinchirurgie der Abteilung Chirurgie I unter Dr. Z und die Gebiete Gefäß-, Thorax- und Unfallchirurgie der Abteilung Chirurgie II unter seiner Leitung zuzuordnen. Für den Bereich der Unfallchirurgie sollte ein weisungsungebundener (leitender) Oberarzt mit entsprechender Teilgebietsbezeichnung zuständig sein. Dieser hätte die stationäre, der Kläger die ambulante Unfallchirurgie einschließlich der Durchgangsarztverfahren betreuen sollen. Die Unfallchirurgie wäre nach Auffassung des Klägers stationär und ambulant letztlich "in seinem Organisationsbereich" geblieben, ambulanter und stationärer Bereich nicht auseinandergerissen worden. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß auch mit diesem Modell den Anforderungen des Bescheides vom 6. Dezember 1990 - weisungsungebundene Leitung der jeweiligen Teilgebiete - genügt worden wäre. Eine Einigung kam nicht zustande. Die Beklagte war bereit, eine solche Lösung bis zum 31. Dezember 1995 zu akzeptieren, während der Kläger darauf bestand, darüber hinaus für weitere vier Jahre bis zu seinem Ausscheiden Ende des Jahres 1999 so zu verfahren. Die Beklagte hatte dem Kläger u.a. noch angeboten, ihn nach der Umstrukturierung für die ersten zwei Jahre zum Geschäftsführenden Direktor zu ernennen sowie Verhandlungen und Vereinbarungen über den Ausbau der Gefäßchirurgie zu beginnen.

Nach dem Scheitern der Verhandlungen beschloß der Aufsichtsrat der Beklagten die Umstrukturierung zum 1. Oktober 1992 in drei Chirurgische Abteilungen: Chirurgie I (Allgemeine Chirurgie) unter Dr. Z mit 70 Planbetten, Chirurgie II (Gefäß- und Thoraxchirurgie sowie Schrittmacherimplantationen und -revisionen, 60 Betten) unter Leitung des Klägers, sowie Chirurgie III (Unfallchirurgie) unter dem Chefarzt Dr. G (60 Planbetten) mit der Subdisziplin Plastische und Wiederherstellende Chirurgie unter einem Leitenden Arzt (10 Planbetten). Die Chirurgischen Abteilungen wurden in Form eines Chirurgischen Zentrums organisatorisch zusammengefaßt.

Mit Schreiben vom 30. März 1992 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß er ab 1. Oktober 1992 nur noch für die Gefäß- und Thoraxchirurgie (60 Betten) nach Maßgabe der Abgrenzung der Teilgebiete im Chirurgischen Zentrum zuständig sei. Durch die Neustrukturierung mit Einrichtung einer eigenständigen Unfallchirurgie entfalle die Teilnahme am Verletzungsartenverfahren, da die weitere Genehmigung seiner durchgangsärztlichen Tätigkeit durch die Berufsgenossenschaften voraussichtlich nicht mehr erfolgen werde. Mit weiterem Schreiben vom 28. August 1992 widerrief die Beklagte die dem Kläger gem. § 17 Abs. 1 Nr. 1 a des Dienstvertrages eingeräumte Genehmigung der Tätigkeit als Durchgangsarzt.

Die Umstrukturierung wurde entsprechend den Planungen der Beklagten per 1. Oktober 1992 durchgeführt. Geschäftsführender Direktor des Chirurgischen Zentrums wurde Dr. Z . Der Kläger, der Anfang 1992 von der Ärztekammer die volle Weiterbildungsermächtigung für das gesamte Gebiet der Chirurgie erhalten hatte, ist jetzt im Besitz einer Weiterbildungsermächtigung für das Teilgebiet der Gefäßchirurgie für die Dauer von zwei Jahren. Während vor der Umstrukturierung bei der Beklagten lediglich eine Weiterbildung zum Arzt für Chirurgie möglich war, ist nunmehr eine Weiterbildung zum Arzt für Chirurgie, zum Teilgebietsarzt für Gefäßchirurgie und zum Teilgebietsarzt für Unfallchirurgie möglich.

Mit Wirkung zum 1. Januar 1995 stellte der Regierungspräsident für die Gefäßchirurgie ein Bettensoll von 60 gegenüber bisher 40 fest.

Das Einkommen des Klägers verringerte sich nach der Umstrukturierung. In den Jahren 1987 bis 1991 hatte er durchschnittlich pro Jahr eine feste Vergütung nach BAT in Höhe von 106.073,23 DM erhalten, ferner stationäre Privatliquidationen - nach Abzug der an die Beklagte abzuführenden Anteile - in Höhe von nach eigenen Angaben 468.600,00 DM, nach Angaben des Beklagten 434.204,00 DM, für seine Nebentätigkeit im ambulanten Bereich (private Liquidationen, KV-Liquidationen und BG-Liquidationen) nach eigenen Angaben 222.041,00 DM, nach Angaben der Beklagten 247.496,00 DM, jeweils wiederum nach Abzug der an die Beklagte abzuführenden Anteile. 1993 erhielt der Kläger eine Vergütung nach BAT in Höhe von 125.768,00 DM; er erzielte weiter - nach Abzug der an die Beklagte abzuführenden Anteile - 294.838,00 DM stationäre Privatliquidationen und etwa 60.900,00 DM für seine Nebentätigkeiten im ambulanten Bereich (private und KV-Liquidationen). 1994 betrug das BAT-Gehalt des Klägers 124.381,00 DM; seine stationären Privatliquidationen beliefen sich nach eigenen Angaben auf 327.458,02 DM, nach Angaben der Beklagten auf 321.759,72 DM. Hinzu kamen etwa 69.800,00 DM für seine Nebentätigkeiten im ambulanten Bereich. In den Jahren 1995 und 1996 erhöhten sich nach Angaben der Beklagten die stationären Privatliquidationen auf 343.263,98 DM bzw. 333.568,45 DM und die Einnahmen aus den Nebentätigkeiten im ambulanten Bereich auf 75.200,27 DM bzw. 72.098,31 DM. Der Kläger hat dazu erklärt, die Angaben für 1995 und 1996 seien in der Größenordnung richtig.

Der Kläger wendet sich gegen die Umstrukturierung der Chirurgie. Er hält sie, soweit sie sich auf ihn bezieht, für unwirksam. Er hat dazu vorgetragen: Die Entwicklungsklausel seines Dienstvertrages (§ 16 Abs. 2) sei wegen Umgehung zwingender Kündigungsschutzvorschriften nichtig. Die Umstrukturierung sei auch nicht sachlich geboten und entspreche nicht billigem Ermessen. Von vier arbeitsvertraglich genannten chirurgischen Gebieten seien ihm drei genommen und ein weisungsbefugtes Zentrum geschaffen worden. Auch das Privatliquidationsrecht sowie die Arbeitszeit gehörten zum Kernbereich des Arbeitsverhältnisses. Dieser Kernbereich sei betroffen, da seine tatsächliche Beanspruchung erheblich gesunken sei und Thoraxchirurgie in Spezialkliniken betrieben werde. Die Gefäßchirurgie erfordere bei einem Krankenhaus dieser Größe allenfalls 30 Betten.

Der Kernbereich des Kündigungsschutzes sei ferner deshalb betroffen, weil die Zahl seiner Privatpatienten und die Gesamtzahl der Eingriffe auf weniger als die Hälfte gefallen seien. Die Umstrukturierung verstoße im Hinblick auf das von ihm entworfene, weniger einschneidende Modell gegen das Übermaßverbot. Er werde trotz seiner höheren Qualifikation gegenüber Dr. Z ungleich behandelt. Ihm werde ein Sonderopfer auferlegt. Wegen Unwirksamkeit der Umstrukturierung sei er auch weiterhin berechtigt, das Durchgangsarztverfahren ambulant zu betreiben, was auch seitens der Berufsgenossenschaft gestattet worden wäre.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihm weiterhin in

einer Abteilung von 100 Betten zu gestatten,

Patienten aus allen Bereichen der Chirurgie zu

versorgen, sowie

2. festzustellen, daß der Widerruf seiner Neben-

tätigkeit als Durchgangsarzt im Kollegialsy-

stem mit dem Leitenden Arzt der Chirurgischen

Abteilung I unwirksam sei.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat § 16 Abs. 2 des Arbeitsvertrages für wirksam gehalten und vorgetragen: Die Umstrukturierung sei geboten gewesen und habe billigem Ermessen entsprochen. Die Thoraxchirurgie sei ausbaufähig auch wegen Einrichtung des Zentrums für Innere Medizin; es sei auf mangelndes Engagement des Klägers zurückzuführen, wenn er die Schließung der nur 25 km entfernten Thoraxklinik Ha nicht in steigende Fallzahlen habe umsetzen können. Ausbaufähig sei auch die Gefäßchirurgie, die bereits vor der Umstrukturierung im Jahresdurchschnitt 35 Betten belegt habe.

Die Billigkeit der Umstrukturierung ergebe sich ferner aus den 1994 und 1995 gestiegenen Einnahmen des Klägers aus Privatliquidationen. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß der Kläger u.a. deswegen weniger verdiene, weil sich die an die Beklagte abzuführenden Anteile der Privatliquidationen durch das Gesundheitsstrukturgesetz erhöht hätten. Die höhere Abführung sei, was die Beurteilung der Umstrukturierung angehe, den tatsächlichen Einnahmen des Klägers als fiktive Einnahme hinzuzurechnen. Das Strukturkonzept des Klägers sei wegen Trennung der ambulanten Unfallchirurgie von der stationären Unfallchirurgie nicht durchführbar gewesen. Die Berufsgenossenschaften hätten nicht akzeptiert, die durchgangsärztliche Tätigkeit beim Kläger zu belassen, da dieser nicht mehr unfallchirurgisch tätig sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Beklagten war erfolglos. Nachdem der Senat auf die Revision des Klägers das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zurückverwiesen hatte, hat das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts erneut zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiedereinräumung seines vorherigen Aufgabenbereichs. Auch der Widerruf der Genehmigung zur Ausübung der Nebentätigkeit als Durchgangsarzt ist nicht zu beanstanden.

A. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht entschieden, daß die Neustrukturierung der Chirurgie von der Entwicklungsklausel des § 16 Abs. 2 des Dienstvertrages gedeckt ist und billigem Ermessen entspricht.

I. § 16 Abs. 2 des Dienstvertrages ermöglicht der Beklagten weitgehende strukturelle und organisatorische Maßnahmen. Damit werden die Grenzen des Direktionsrechts festgelegt. Es handelt sich dabei um eine für Chefarztverträge übliche Entwicklungs- und Anpassungsklausel, dessen Auslegung durch das Landesarbeitsgericht der Senat voll nachprüfen kann.

1. Zu Unrecht meint die Revision, die sich hieraus ergebenden Entwicklungs- und Anpassungsrechte seien deshalb eingeschränkt, weil die Klausel nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit Abs. 1 stehe, und der dort erwähnte Krankenhausneubau inzwischen bereits erfolgt sei. Diese Auffassung überzeugt nicht: Es war sinnvoll, die zur Zeit des Vertragsschlusses bereits geplante Maßnahme des Krankenhausneubaus im Vertrag zu erwähnen. Die erst 1992 erfolgte Neustrukturierung der Chirurgie war im Zeitpunkt des Abschlusses des Dienstvertrages (1978) noch nicht absehbar und konnte daher auch nicht erwähnt werden. § 16 Abs. 1 des Dienstvertrages kann demnach die Auslegung der Entwicklungsklausel des Abs. 2 nicht beeinflussen.

2. Entgegen der Auffassung der Revision war die Beklagte nicht gehalten, das Arbeitsverhältnis nach § 16 Abs. 3 des Dienstvertrages zu kündigen, um die geplante Änderung der Arbeitsbedingungen des Klägers durchzusetzen. Diese Bestimmung betrifft nur Änderungen der Rechtslage durch neue Gesetze oder Verordnungen, und nicht Änderungen, die aufgrund von Verwaltungsakten erforderlich werden.

§ 16 Abs. 2 des Dienstvertrages ist wirksam. Die Rechtsprechung ist bisher von der Zulässigkeit dieser und ähnlicher Entwicklungsklauseln in Chefarztverträgen ausgegangen (vgl. nur BAGE 32, 249; 42, 336; 62, 11 = AP Nr. 6, 12, 20 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag). Daran ist festzuhalten.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Vereinbarung, die dem Arbeitgeber vertraglich das Recht zur einseitigen Änderung einzelner Vertragsbedingungen einräumt, grundsätzlich zulässig. Sie ist nur dann nichtig, wenn sie zur Umgehung des zwingenden Kündigungsschutzes führt. Das ist in der Regel dann der Fall, wenn wesentliche Elemente des Arbeitsvertrages einer einseitigen Änderung unterliegen sollen, durch die das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung grundlegend gestört würde (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 21. April 1993 - 7 AZR 297/92 - AP Nr. 34 zu § 2 KSchG 1969; Urteil vom 15. November 1995 - 2 AZR 521/95 - AP Nr. 20 zu § 1 TVG Tarifverträge: Lufthansa). Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteilen vom 13. Mai 1987 (BAGE 55, 275 = AP Nr. 4 zu § 305 BGB Billigkeitskontrolle) und vom 21. April 1993 (aaO) eine solche grundlegende Störung des Leistungsgleichgewichts und damit einen Eingriff in den kündigungsschutzrechtlich geschützten Kernbereich in Fällen verneint, in denen sich das Widerrufsrecht bei unveränderter Tätigkeit auf Zulagen in Höhe von 25 bis 30 % bzw. 15 % der Tarifvergütung erstreckte. Weiter hat das Bundesarbeitsgericht Widerrufsklauseln für zulässig gehalten, die sich auf 15 bzw.20 % der Gesamtbezüge bezogen und im Zusammenhang mit Klauseln standen, mit denen sich der Arbeitgeber die Änderung des Verkaufsbereichs von Außendienstmitarbeitern bzw. den Entzug einer Zusatzaufgabe vorbehalten hatte (Urteil vom 15. November 1995, aaO; BAGE 40, 199 = AP Nr. 5 zu § 620 BGB Teilkündigung). Als wichtig angesehen wurde in diesem Zusammenhang nicht nur, wieviel Prozent der Vergütung widerruflich waren, sondern auch, welche Vergütung dem Arbeitnehmer unwiderruflich zustand. In den genannten Fällen blieb dem Arbeitnehmer jeweils zumindest die tarifliche Vergütung.

Im übrigen kann bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Vertragsklauseln, die dem Arbeitgeber das Recht zur Änderung einzelner Vertragsbestimmungen einräumen, die Stellung des Arbeitnehmers in der betrieblichen Hierarchie und die Höhe seiner Vergütung nicht außer Betracht bleiben: Gegenüber Arbeitnehmern in Spitzenpositionen mit Spitzenverdiensten kann sich der Arbeitgeber vertraglich weitergehende einseitige Bestimmungsrechte vorbehalten als gegenüber anderen Arbeitnehmern. Der Kläger gehört als Chefarzt einer größeren chirurgischen Krankenhausabteilung mit einem Gehalt, das sich auch noch nach der Umstrukturierung auf ein Mehrfaches des höchsten Tarifgehalts beläuft, zu dieser herausgehobenen Kategorie von Arbeitnehmern.

b) Hieran gemessen erweist sich § 16 Abs. 2 des Dienstvertrages als wirksam. Die Klausel berücksichtigt berechtigte Belange des Krankenhausträgers und der Allgemeinheit. Chefarztverträge sind auf eine lange Laufzeit angelegt. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht auf die wechselnden gesetzlichen Vorgaben im Gesundheits- und Krankenhauswesen, auf die damit häufig im Zusammenhang stehenden Änderungen der finanziellen Mittel und auf die sich ständig fortentwickelnde medizinische Wissenschaft und Technik und die immer weitergehende Spezialisierung hingewiesen. Die Entwicklungsklausel ermöglicht die Anpassung der Chefarztverträge an diese Entwicklungen. Sie nimmt auf gewichtige praktische Bedürfnisse Rücksicht.

Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, erlaubt die Klausel der Beklagten nicht, die Art der Dienstleistung (Leitung einer chirurgischen Fachabteilung) zu ändern und ihm andere seiner beruflichen Qualifikation nicht entsprechende oder unterwertige Tätigkeiten zuzuweisen. Sie ermöglicht es ihr auch nicht, den Umfang der Tätigkeit so einzuschränken, daß der Kläger nur noch teilzeitbeschäftigt ist. Die Tatsache allein, daß derartige Anpassungs- und Entwicklungsklauseln mittelbar auch das Privatliquidationsrecht und damit die Vergütung des Chefarztes betreffen, macht sie nicht unwirksam. Sie erlaubt es im übrigen dem Krankenhausträger auch nicht, dem Chefarzt die ihm eingeräumten Liquidationsrechte gänzlich zu nehmen.

3. Das der Beklagten durch § 16 Abs. 2 des Dienstvertrages eingeräumte Ermessen ist nicht etwa von vornherein durch § 1 Abs. 2 des Dienstvertrages begrenzt. Dort werden zwar neben der Allgemeinchirurgie als schwerpunktmäßig betriebene Spezialgebiete Gefäß- und Thoraxchirurgie sowie Kinderchirurgie genannt. Damit wird jedoch nur der damalige Aufgabenkreis des Klägers beschrieben. Eine vertragliche Zusicherung einer dauerhaften Erhaltung dieser Tätigkeitsbereiche liegt darin nicht. Die Abteilungsstruktur ist nicht fest vereinbart. Wäre dies der Fall, verbliebe für auf § 16 Abs. 2 des Dienstvertrages gestützte Maßnahmen allenfalls ein minimaler Anwendungsbereich.

II. Die Umstrukturierung war sachlich geboten im Sinne von § 16 Abs. 2 des Dienstvertrages und entsprach billigem Ermessen. Die Beklagte hat damit ihr Weisungsrecht in zulässiger Weise ausgeübt. Das hat das Landesarbeitsgericht mit im wesentlichen zutreffender Begründung richtig erkannt. Es hat dabei den gesamten Vortrag des Klägers berücksichtigt. Es war nicht verpflichtet, jedes einzelne Argument des Klägers wiederzugeben. Weder Art. 103 Abs. 1 GG noch die §§ 313, 286 ZPO sind verletzt. Die von der Revision geltend gemachten zahlreichen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Von einer Begründung sieht der Senat ab (§ 565a ZPO).

1. Das Weisungsrecht ermöglicht dem Arbeitgeber, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht zu konkretisieren. Es darf nur nach billigem Ermessen im Sinne von § 315 BGB ausgeübt werden. Das ist dann der Fall, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen berücksichtigt worden sind (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BAG Urteil vom 11. Oktober 1995 - 5 AZR 1009/94 - AP Nr. 45 zu § 611 BGB Direktionsrecht). Hier ist das Recht zur Umstrukturierung dadurch eingeschränkt, daß die in § 16 Abs. 2 Satz 2 des Dienstvertrages genannten Maßnahmen nur dann zulässig sind, wenn sie "sachlich geboten" sind.

Die Ausübung des Weisungsrechts darf auch im Einzelfall nicht zu einer grundlegenden Störung des Gleichgewichts zwischen Leistung und Gegenleistung und damit zu einer Umgehung des zwingenden Kündigungsschutzrechts führen. In diesem Falle ist zur Änderung der Arbeitsbedingungen eine Änderungskündigung erforderlich.

Im Hinblick auf vertragliche Entwicklungsklauseln in Chefarztverträgen hat der Senat ausgesprochen, daß die Spaltung einer chirurgischen Abteilung in zwei gleich große Abteilungen und die Halbierung der für Privatpatienten zur Verfügung stehenden Betten (von 10 auf 5) billigem Ermessen entsprechen kann (BAG Urteil vom 7. September 1972 - 5 AZR 12/72 - AP Nr. 2 zu § 767 ZPO; Urteil vom 9. Januar 1980 - 5 AZR 111/78 - AP Nr. 7 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag). Er hat ferner ausgesprochen, daß eine leitende Anästhesistin, die durch die Schließung und Verkleinerung von Krankenhausabteilungen entstehende Verringerung ihrer Privatliquidationen auf weniger als die Hälfte hinnehmen muß, ohne dafür eine Entschädigung beanspruchen zu können (BAG Urteil vom 15. Januar 1992 - 5 AZR 50/91 - ArztR 1993, 148).

Bei Anlegung dieser Maßstäbe erweist sich die Umstrukturierung als wirksam.

2. Die Umstrukturierung war, wie das Landesarbeitsgericht richtig ausgeführt hat, sachlich geboten. Der Kläger ist, wie es § 16 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vorschreibt, vorher angehört worden. Es kann hier zugunsten des Klägers unterstellt werden, daß das Gebotensein der Maßnahme von den Gerichten voll nachzuprüfen ist.

Nach den bestandskräftigen Bescheiden des Regierungspräsidenten Arnsberg war die Beklagte verpflichtet, die Leitung der drei Bereiche Allgemeine Chirurgie, Unfall- und Gefäßchirurgie drei weisungsunabhängigen leitenden Ärzten zu übertragen. Andernfalls hätte sie mit der Versagung oder Einschränkung der staatlichen Förderung rechnen müssen (§ 17 KHG NW). Die leitenden Ärzte der beiden letztgenannten Bereiche mußten im Besitz der entsprechenden Teilgebietsbefähigungen sein. Das ergibt sich aus dem Landeskrankenhausplan in der Fassung des Runderlasses des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 29. November 1990 (MBl NW 1991, S. 8, Nr. 3.24) und wird auch vom Kläger nicht in Abrede gestellt. Da nur der Kläger im Besitz der Teilgebietsbezeichnung für Gefäßchirurgie war, konnte nur ihm und nicht Dr. Z dieser Bereich übertragen werden. Daß ihm die Unfallchirurgie hätte übertragen werden müssen, für die er ebenfalls die Teilgebietsbezeichnung führt, hat der Kläger nicht geltend gemacht.

Der Kläger ist jedoch der Auffassung, die Beklagte hätte sein Konzept verwirklichen müssen, das - unstreitig - ebenfalls den Vorgaben der genannten Bescheide genügt. Danach hätte es weiter zwei chirurgische Abteilungen gegeben; die Unfallchirurgie wäre wie bisher der vom Kläger geleiteten Abteilung zugeordnet gewesen. Jedoch hätte sie unter die Leitung eines weisungsunabhängigen Oberarztes gestellt werden sollen. Dann hätte der Kläger weiter die ambulante Unfallchirurgie einschließlich des Durchgangsarztverfahrens betreut und entsprechend liquidieren können. Die Beklagte war aber nicht verpflichtet, hierauf einzugehen. Die von ihr verwirklichte Lösung entsprach den Vorschlägen beider Gutachten.

Die Revision weist allerdings zutreffend auf einen Fehler in dem Gutachten des Dr. U hin. Entgegen dessen Annahme führte der Kläger bereits die Teilgebietsbezeichnung für die Gefäßchirurgie. Damit sind aber die Schlußfolgerungen des Gutachtens nicht infrage gestellt. Im Gegenteil: Der Vorschlag, dem Kläger den Bereich der Gefäßchirurgie zu übertragen, drängte sich für den Fall, daß dieser bereits die entsprechende Fachgebietsbezeichnung führte, erst recht auf.

Es liegt auf der Hand, daß für die Stelle eines leitenden Abteilungsarztes (Chefarztes) für Unfallchirurgie mit umfassenden Liquidationsrechten mehr qualifizierte Bewerber zur Verfügung standen als es bei der Stelle eines leitenden Oberarztes mit auf den stationären Bereich eingeschränkten Liquidationsrechten der Fall gewesen wäre. Die Beklagte war nicht gehalten, die für den Kläger schonendste Lösung zu verwirklichen. Sie war berechtigt, das eigene Interesse und das der Allgemeinheit an optimaler Krankenversorgung höher zu stellen, als das Interesse des Klägers an einer möglichst weitgehenden Beibehaltung seines bisherigen Aufgabenbereichs mit den dazugehörigen Liquidationsmöglichkeiten. Auf die Frage, ob der vom Kläger vorgeschlagene Arzt für die Stelle des leitenden Oberarztes "geeignet" wäre, kommt es nicht an.

3. Die Umstrukturierung entspricht billigem Ermessen. Sie führt nicht zu einer Umgehung zwingenden Kündigungsschutzrechts. Das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung ist nicht grundlegend gestört.

Der Senat verkennt nicht, daß der Aufgabenbereich des Klägers nicht unwesentlich verkleinert und sich die Bettenzahl seiner Abteilung und seine Einnahmen aus Privatliquidationen deutlich verringert haben. Dennoch hält sich die Maßnahme im Rahmen der Billigkeit. Zu den bei der Abwägung zu berücksichtigenden wesentlichen Umständen gehört auch die herausgehobene Stellung des Klägers. Arbeitnehmer in Spitzenpositionen mit entsprechenden Verdiensten müssen Änderungen ihrer Arbeitsbedingungen und eine Verringerung ihrer Bezüge aufgrund wirksamer vertraglicher Anpassungsklauseln eher hinnehmen als der durchschnittliche Arbeitnehmer mit durchschnittlicher Vergütung. Im einzelnen gilt folgendes:

a) Der Tätigkeitsbereich des Klägers wurde auf die Gefäß- und Thoraxchirurgie beschränkt. Im Bereich der Allgemeinen und der Unfallchirurgie kann er nicht mehr tätig sein; auch die Notfallchirurgie obliegt ihm nicht mehr. Gleichwohl ist eine Änderung in der Wertigkeit seiner Tätigkeit nicht eingetreten. Der Kläger ist weiter leitender Abteilungsarzt. Er ist dies nunmehr in einem Krankenhaus der Versorgungsstufe 3 (Maximalversorgung).

Zu berücksichtigen sind auch die - 1992 voraussehbaren - Entwicklungsmöglichkeiten der Abteilung. Der Kläger hat diese zwar pauschal in Abrede gestellt. Die Beklagte hat aber in diesem Zusammenhang auf das DKI-Gutachten verwiesen, in dem u.a. ausgeführt ist, es sei "erstaunlich", daß in der Abteilung des Klägers nicht in größerem Umfang Shunt-Anlagen für Dialyse-Patienten vorgenommen würden. Der Kläger ist dem nicht entgegengetreten. Daher ist zumindest von Entwicklungsmöglichkeiten in diesem Bereich auszugehen. Daß die damaligen Annahmen nicht unberechtigt waren, wird schließlich auch durch die Erhöhung des Bettensolls für die Gefäßchirurgie zum 1. Januar 1995 auf 60 Betten durch Bescheid des Regierungspräsidenten Arnsberg vom 31. Januar 1995 bestätigt.

Ein Eingriff in den kündigungsschutzrechtlich geschützten Kernbereich des Arbeitsvertrages ergibt sich auch nicht aus der Verringerung der Zahl der Eingriffe auf 1.100 pro Jahr. Bei 220 Operationstagen bedeutet dies durchschnittlich fünf Operationen pro Tag. Damit ist nicht dargetan, daß der Kläger nun nicht mehr ausgelastet ist, zumal da er selbst in weitem Umfang Art und Anzahl der von ihm durchzuführenden Operationen bestimmen kann.

Das Vorbringen des Klägers, die Beklagte gestatte anderen Chefärzten fachfremde Operationstätigkeit, etwa die Durchführung von Leistenbruchoperationen in der Urologie und von Krampfaderoperationen in der Dermatologie, ist unerheblich. Die Beklagte hat dies dahin erläutert, es handele sich um etwa 27 einfachere Eingriffe jährlich, die eigentlich eine Belastung der Chirurgie darstellten und deren Durchführung außerhalb der Chirurgie teilweise üblich sei. Der Kläger ist dem nicht entgegengetreten. Im übrigen würde in der gelegentlichen Zulassung derartiger Operationen durch andere Chefärzte keine über das Schreiben vom 30. März 1992 hinausgehende strukturelle und organisatorische Änderung im Sinne von § 16 Abs. 2 des Arbeitsvertrages liegen.

Die Bettenzahl der vom Kläger geleiteten Abteilung hat sich zwar von 100 auf 60 verringert. Es handelte sich aber immer noch um eine chirurgische Abteilung zumindest mittlerer Größe. Im übrigen kann nicht außer Betracht bleiben, daß die Bettenzahl seiner Abteilung früher geringer war. Der Kläger hat die damalige Vergrößerung hingenommen; er hat nun auch eine Verringerung der Bettenanzahl durch Umstrukturierung hinzunehmen.

Die Einrichtung des Chirurgischen Zentrums beeinträchtigt die Stellung allenfalls in unerheblichem Ausmaß. Der Kläger hat nicht dargetan, welche Nachteile ihm daraus erwachsen. Nach der vorläufigen Geschäftsordnung obliegen dem Zentrum nur koordinierende Aufgaben; zudem gehört der Kläger zur Leitung des Zentrums.

Der Wegfall der vollen Weiterbildungsermächtigung für Chirurgie hat nur geringes Gewicht. Der Kläger hatte sie ohnehin erst Anfang 1992, also wenige Monate vor der Umstrukturierung erhalten. Hätte die Beklagte sie früher durchgeführt, was zulässig gewesen wäre, wäre sie ihm erst gar nicht erteilt worden. Im übrigen hat der Kläger nun die Weiterbildungsermächtigung für die Gefäßchirurgie.

b) Die Umstrukturierung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil der Kläger nunmehr stationär weniger liquidiert. Es handelt sich um Zusatzeinnahmen, hinsichtlich derer die Parteien von vornherein keine bestimmte oder bestimmbare Größe vereinbart haben. Die Höhe der Liquidationen hängt nicht nur mittelbar von der Struktur der Abteilungen ab, sondern auch in erheblichem Umfang vom Kläger selbst.

Die Einnahmen allein aus stationären Privatliquidationen beliefen sich nach den Zahlenangaben des Klägers schon 1993 auf 62,9 % der in den Jahren 1983 bis 1991 durchschnittlich pro Jahr erzielten Einnahmen, und bereits 1994 wieder auf 69,9 %, nach Angaben der Beklagten 1993 auf 67,9 % und 1994 auf 74,1 %. Dabei sind etwaige fiktive Zusatzeinnahmen des Klägers, die dieser dann erzielt hätte, wenn ihm nicht durch das Gesundheitsstrukturgesetz höhere Abgaben an die Beklagte auferlegt worden wären, nicht berücksichtigt.

Bei einer Gesamtbetrachtung, in die entgegen der Auffassung des Klägers die feste BAT-Vergütung mit einzubeziehen ist, zeigt sich folgendes Bild: Die gesamten Einnahmen für die Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich, d.h. die feste BAT-Vergütung und die stationären Privatliquidationen, beliefen sich nach den Zahlenangaben des Klägers 1993 auf 73,2 % und 1994 auf 78,6 % der durchschnittlich in den Jahren 1987 bis 1991 pro Jahr erzielten Einnahmen. Nach den Zahlenangaben der Beklagten waren es 77,9 % bzw. 82,6 %. In den Jahren 1995 und 1996 ist zumindest keine weitere Verringerung der Einnahmen gegeben. Legt man die Zahlenangaben des Klägers zugrunde, so sind seine Gesamteinnahmen aus dienstlicher Tätigkeit sicher nach der Umstrukturierung merklich gesunken. Seine Bezüge belaufen sich aber weiter auf erheblich mehr als das dreifache des höchsten Tarifgehaltes (BAT-Vergütungsgruppe I). Eine derartige Absenkung durch Umstrukturierung muß der Kläger nach § 16 Abs. 4 des Dienstvertrages entschädigungslos hinnehmen.

c) Die Umstrukturierung erweist sich auch nicht deshalb als unbillig, weil Dr. Z aus diesem Anlaß geringere Einbußen hat hinnehmen müssen. Zwar ist bei der Ausübung billigen Ermessens der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten (vgl. z.B. BAG Urteil vom 21. Dezember 1970 - 3 AZR 510/69 - und vom 22. November 1970 - 3 AZR 52/70 - AP Nr. 1, 2 zu § 305 BGB Billigkeitskontrolle). Voraussetzung ist jedoch, daß eine Gleichbehandlung überhaupt möglich ist. Das war hier nicht der Fall. Da Dr. Z keine Teilgebietsbezeichnung führt, konnte ihm nur die Allgemeinchirurgie übertragen werden. Auch der Kläger hat eingeräumt, daß Dr. Z weder die Unfall- noch die Gefäß- und Thoraxchirurgie hätte übernehmen können. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, der die Krankenhausträger verpflichtet, gegenüber Chefärzten vertraglich vorbehaltene Rechte zur Umstrukturierung nur in der Weise auszuüben, daß die finanziellen Einbußen nahezu gleich hoch sind oder, wenn dies nicht der Fall ist, diese zu entschädigen. Es kommt also nicht darauf an, wie hoch die Einbußen des Dr. Z sind. Im übrigen verdient der Kläger, was er nicht bestreitet, auch jetzt nicht weniger als Dr. Z .

B. Auch der Widerruf der Nebentätigkeit des Klägers als Durchgangsarzt war wirksam.

Der nach § 17 Abs. 5 des Dienstvertrages erforderliche wichtige Grund war gegeben. Er liegt in der durchgeführten Umstrukturierung. Zwar ist für die Tätigkeit als Durchgangsarzt nicht zwingend erforderlich, daß der Betreffende als Unfallchirurg tätig ist. Es liegt jedoch auf der Hand, daß es zu organisatorischen Schwierigkeiten führen würde, wenn der Kläger neben dem Chefarzt für die Unfallchirurgie als Durchgangsarzt tätig wäre. Auch der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, gegen den Widerruf sei nichts einzuwenden, wenn die Umstrukturierung wirksam wäre.

Der Widerruf ist auch nicht wegen der mit dem Verbot der durchgangsärztlichen Tätigkeit verbundenen Einnahmeausfälle unwirksam. Betrachtet man die Liquidationen aus ambulanter Nebentätigkeit für sich, so verringerten sich diese nach den Zahlenangaben des Klägers 1993 auf 27,4 % und 1994 auf 31,4 %, nach Angaben der Beklagten 1993 auf 24,6 % und 1994 auf 28,2 % des Jahresdurchschnitts der Jahre 1987 bis 1991, und nicht - wie es im Berufungsurteil irrtümlich heißt - jeweils um die genannten Prozentsätze.

Der Dienstvertrag sieht für Einnahmeausfälle, die durch Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigung entstehen, keine Entschädigungspflicht vor. Auch wenn man die Umstrukturierung und den Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigung als einheitliche Maßnahme ansähe und die Entschädigungsklausel des § 16 Abs. 4 des Dienstvertrages hinsichtlich aller dadurch herbeigeführten Einnahmeausfälle für anwendbar hielte, ergäbe sich nach dieser Vorschrift keine Entschädigungspflicht. Denn der gesamte Jahresverdienst (feste BAT-Vergütung, stationäre Privatliquidationen sowie Liquidationen für die Nebentätigkeiten im ambulanten Bereich) belief sich 1993 nach Angaben des Klägers auf 60,4 % und nach Angaben des Beklagten auf 61,1 % und 1994 nach den Angaben beider Parteien auf etwa 65,5 %. Bei dieser Berechnung ist zugunsten des Klägers unterstellt, daß sämtliche Einnahmeausfälle auf der Umstrukturierung und den Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigung beruhen.

Griebeling Mikosch Reinecke

Heel Kähler

 

Fundstellen

BAGE 00, 00

BAGE, 61

BB 1997, 2224 (Leitsatz 1-2)

DB 1997, 2620-2622 (Leitsatz 1-2 und Gründe)

NJW 1998, 1812

NJW 1998, 1812 (Leitsatz)

EBE/BAG Beilage 1997, Ls 215/97 (Leitsatz 1-2)

ARST 1997, 262 (Leitsatz 1-2)

FA 1997, 24-25 (Leitsatz 1-2)

NZA 1997, 1160

NZA 1997, 1160-1165 (Leitsatz 1-2 und Gründe)

RdA 1997, 381 (Leitsatz 1-2)

AP § 611 BGB Direkitonsrecht (Leitsatz 1-2), Nr 53

AP § 611 BGB, Nr 36

AR-Blattei, ES 250 Nr 47 (Leitsatz 1-2 und Gründe)

ArbuR 1997, 404 (Leitsatz 1-2)

ArztR 1997, 241-247 (red. Leitsatz 1 und Gründe)

EzA-SD 1997, Nr 17, 11 (L-2)

EzA § 611 BGB Krankenhausarzt, Nr 7 (Leitsatz 1-2 und Gründe)

EzBAT § 11 BAT Ärzte, Nr 5 (Leitsatz 1-2 und Gründe)

KH 1997, 634-636 (Leitsatz und Gründe)

MedR 1997, 513-515 (Leitsatz und Gründe)

PERSONAL 1997, 644 (Leitsatz 1-2)

KHuR 1998, 28

KHuR 1998, 34

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