Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsversammlung außerhalb der Arbeitszeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Weicht die persönliche Arbeitszeit einer bestimmten Arbeitnehmergruppe (zB der Teilzeitarbeitnehmer) von der Arbeitszeit eines wesentlichen Teils der Belegschaft ab, so liegen keine sich aus der Eigenart des Betriebes ergebenden zwingenden Erfordernisse iS des § 44 Abs 1 BetrVG vor, die den Betriebsrat dazu berechtigen, eine regelmäßige Betriebsversammlung außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit einzuberufen.

2. Für die Teilnahme an einer vom Betriebsrat zu Unrecht außerhalb der Arbeitszeit einberufenen regelmäßigen Betriebsversammlung steht dem Arbeitnehmer nach § 44 Abs 1 Satz 3 BetrVG ein Vergütungs- und ein Aufwendungsersatzanspruch jedenfalls dann nicht zu, wenn der Arbeitgeber vorher der Belegschaft gegenüber der Einberufung der Betriebsversammlung außerhalb der Arbeitszeit widersprochen hat.

 

Orientierungssatz

Frage, unter welchen Voraussetzungen die Eigenart des Betriebs die Durchführung einer regelmäßigen Betriebsversammlung außerhalb der Arbeitszeit zwingend erfordert; Frage, ob einem Arbeitnehmer bei Nichtvorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 44 Abs 1 Satz 3 BetrVG aus anderen Rechtsgründen (zB Vertrauenshaftung, Schadenersatz) ein Anspruch auf Vergütung und Fahrtkostenersatz für die Teilnahme an einer außerhalb der Arbeitszeit durchgeführten regelmäßigen Betriebsversammlung zusteht.

 

Normenkette

BetrVG § 43 Abs. 1, § 44 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 05.11.1986; Aktenzeichen 2 Sa 1359/86)

ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 23.04.1986; Aktenzeichen 1 Ca 3751/85)

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit mehreren Jahren bei der Beklagten, die eine Großbäckerei betreibt, als Verkaufsfahrer beschäftigt. Er gehört zu der Gruppe von 110 vollbeschäftigten Verkaufsfahrern, die dienstags, mittwochs, freitags und samstags arbeiten. Nach einer Betriebsvereinbarung vom 7. Februar 1984 ist für diese Arbeitnehmergruppe am Dienstag und Mittwoch um 7.30 Uhr sowie am Freitag und Samstag um 5.30 Uhr Arbeitsbeginn. Die lediglich jeden Donnerstag eingesetzten 66 teilzeitbeschäftigten Verkaufsfahrer nehmen ihre Tätigkeit um 5.30 Uhr (Männer) bzw. 6.00 Uhr (Frauen) auf. Das Arbeitsende richtet sich nach Art und Umfang der Tour und liegt zwischen 15.30 und 21.00 Uhr. Für den überwiegenden Teil der Verkaufsfahrer endet die Arbeitszeit zwischen 18.00 und 18.30 Uhr. Daneben gibt es 16 "Tourenleiter", deren Arbeitszeit sich nach der der Verkaufsfahrer richtet. Die Bäcker, die von samstags bis freitags zu unterschiedlichen Zeiten arbeiten, beginnen in der Regel zwischen 23.00 Uhr und 24.00 Uhr und beenden ihre Arbeit zwischen 8.00 und 9.00 Uhr. Die Arbeitszeit der in der Werkstatt beschäftigten sieben Arbeitnehmer reicht von 6.00 bis 15.30 Uhr. In der Verwaltung, in der zwölf Mitarbeiter beschäftigt werden, wird von 7.00 bis 15.30 Uhr gearbeitet.

Bereits Ende 1976 war es zwischen der Geschäftsleitung der Beklagten und dem Betriebsrat zum Streit über den Zeitpunkt und den Ort der regelmäßigen Betriebsversammlung gekommen. Dieser führte zu einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Gelsenkirchen (- 3 BV Ga 14/76 - und - 4 BV Ga 15/76 -). Im Anschluß daran einigten sich Geschäftsführung und Betriebsrat darauf, die regelmäßigen Betriebsversammlungen außerhalb der Arbeitszeit ab 19.30 Uhr in einer Gaststätte durchzuführen. Für die Zeit der Teilnahme einschließlich Wegezeit und Fahrkosten vergütete die Beklagte jedem Teilnehmer pauschal 30,-- DM netto. Diese Übung wurde in der Folgezeit jahrelang praktiziert.

Nachdem das Finanzamt die Nettozahlung aus steuerlichen Gründen beanstandet hatte, kam es anläßlich einer auf den 6. März 1985 um 19.00 Uhr anberaumten Abteilungsversammlung für die Verkaufsfahrer wiederum zum Streit zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat. Mit Schreiben vom 12. Februar 1985 wies die Beklagte den Betriebsrat darauf hin, daß die Versammlung entsprechend der betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften während der Arbeitszeit stattzufinden habe. Den Vorschlag, die Abteilungsversammlung um 7.30 Uhr beginnen zu lassen, lehnte der Betriebsrat ab. Auch der weiteren Aufforderung der Beklagten, den Zeitpunkt der Abteilungsversammlung in die Arbeitszeit zu verlegen, kam der Betriebsrat nicht nach. Daraufhin gab die Beklagte durch Aushang vom 6. März 1985 bekannt, daß sie die Zeit der Teilnahme an der Abteilungsversammlung nicht vergüten werde. Die Teilnehmer an dieser Abteilungsversammlung, darunter auch der Kläger, haben deswegen am 18. September 1985 beim Arbeitsgericht Gelsenkirchen Klage erhoben und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 30,-- DM netto begehrt (5 Ca 2488/85 - 2534/85). In der Güteverhandlung vom 16. Oktober 1985 schlossen die Parteien sodann einen Vergleich, der unter Ziff. 1 wie folgt lautet:

"Die Beklagte zahlt ohne Anerkennung einer

Rechtspflicht für die Betriebsversammlung

am 06.03.1985 an den Kläger 20,-- DM

brutto und 15,-- DM netto (Aufwendungsersatz)."

Bereits am 23. Mai 1985 hatte der Betriebsrat der Beklagten eine Betriebsversammlung für Mittwoch, den 5. Juni 1985 um 19.00 Uhr in einer Gaststätte angekündigt. In einem Schreiben vom 23. Mai 1985 vertrat die Beklagte die Auffassung, daß es keinen zwingenden Grund gebe, die Betriebsversammlung außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen und schlug deshalb als Zeitpunkt 7.30 Uhr vor. Dessen ungeachtet fertigte der Betriebsrat unter dem 29. Mai 1985 nachstehende Einladung:

"Liebe Kolleginnen und Kollegen,

unsere nächste Betriebsversammlung findet, wie

bereits angekündigt, am

Mittwoch, dem 5. Juni 1985 - 19.00 Uhr

in der Gaststätte M -,

statt.

Tagesordnung:

1. Eröffnung und Begrüßung M. I.

2. Tarifliche Absicherung der

Arbeitnehmer W. N.

3. Verschiedenes

4. Aussprache

Für die Teilnahme an der Betriebsversammlung

erfolgt Vergütung."

In einem Anschlag des Betriebsrats vom 4. Juni 1985 heißt es:

"AN ALLE ARBEITNEHMER:

---------------------

Liebe Kolleginnen,

liebe Kollegen,

wie wir bereits angekündigt haben, findet am

05. Juni um 19.00 Uhr die fällige Betriebsversammlung

statt.

Herrn J haben wir dies ordnungsgemäß mitgeteilt

und eine Einladung zukommen lassen.

Es ist zu erwarten, daß Herr J durch eine

Flugblattaktion versuchen wird, Euch von einer

Teilnahme an dieser Betriebsversammlung abzuhalten.

Der Betriebsrat hat selbstverständlich eingehend

geprüft, ob eine Durchführung in den Räumen der

Firma während der Arbeitszeit möglich ist.

Nach Abwägung der betrieblichen Gegebenheiten und

sonstigen Umständen ist der Betriebsrat der Auffassung,

daß, um eine Teilnahme a l l e r Arbeitnehmer

zu ermöglichen, die Betriebsversammlung,

wie in den vergangenen Jahren, außerhalb des

Betriebes stattfinden soll.

Wir hoffen auf rege Teilnahme

Mit freundlichen Grüßen

Der Betriebsrat"

Daraufhin veröffentlichte die Beklagte die "Information" vom 5. Juni 1985, die wie folgt lautet:

"Der Betriebsrat hat für heute 19.00 Uhr zu einer

Betriebsversammlung eingeladen.

Das Betriebsverfassungsgesetz bestimmt, daß Betriebsversammlungen

während der Arbeitszeit stattfinden.

Es gibt keinen zwingenden betrieblichen

Grund, die Betriebsversammlung außerhalb der Arbeitszeit

abzuhalten. Mit Schreiben vom 23.5.85 habe

ich den Betriebsrat darauf hingewiesen und aufgefordert,

die vorgesehene Versammlung entsprechend

den gesetzlichen Vorschriften als ordnungsgemäße

Betriebsversammlung während der Arbeitszeit abzuhalten.

Mein Schreiben hängt zu Ihrer Information am schwarzen

Brett.

Die Versammlung heute abend um 19.00 Uhr entspricht

nicht den gesetzlichen Bestimmungen einer Betriebsversammlung

und ist deshalb keine Betriebsversammlung

im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes.

Ich weise ausdrücklich darauf hin, daß die Zeit

einer Teilnahme an der Versammlung heute um 19.00 Uhr

nicht vergütet wird."

Gleichzeitig hängte sie ihr Schreiben vom 23. Mai 1985 am Schwarzen Brett aus.

Die Betriebsversammlung fand am 5. Juni 1985 von 19.00 Uhr bis 21.30 Uhr in einer dem Betrieb benachbarten Gaststätte statt und wurde laut Anwesenheitsliste von 66 Arbeitnehmern besucht.

Die Beklagte verweigerte die Zahlung einer Vergütung. Die von der Gewerkschaft NGG für ihre Mitglieder, darunter auch den Kläger, geltend gemachte "Bezahlung der Betriebsversammlung vom 5. Juni 1985 von 19.00 bis 21.30 Uhr auf der Basis der jeweils geltenden vertraglichen Vergütung, sowie die Bezahlung der Wegezeit und des Fahrgeldes" blieb erfolglos.

Mit der am 8. Januar 1986 zugestellten Klage hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 30,-- DM netto nebst 4 v.H. Zinsen seit Klagezustellung begehrt. Hierzu hat er vorgetragen, die Durchführung der Betriebsversammlung am 5. Juni 1985 ab 19.00 Uhr sei wegen der besonderen Eigenart des Betriebes der Beklagten dringend erforderlich gewesen. Denn innerhalb der normalen Arbeitszeit von 8.00 bis 16.00 Uhr müsse damit gerechnet werden, daß die Mehrheit der Verkaufsfahrer nicht teilnehmen könne und werde, weil bei einer Unterbrechung der Tour die Kundschaft nicht beliefert werden könne und sich deshalb anderweitig eindecke. Dabei sei auch zu berücksichtigen, daß die Verkaufsfahrer bei einem 9.800,-- DM übersteigenden Umsatz eine Prämie erhielten. Da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung einer regelmäßigen Betriebsversammlung außerhalb der Arbeitszeit gegeben seien, stehe ihm für die Teilnahme ein Betrag von 30,-- DM netto zu, den die Beklagte in der Vergangenheit für die Teilnahme an Betriebsversammlungen gezahlt habe. Hieran ändere sich auch nichts dadurch, daß die Betriebsversammlung möglicherweise zu Unrecht außerhalb der Arbeitszeit anberaumt worden sei, weil es insoweit an einem groben Verstoß des Betriebsrates gegen seine Amtspflichten fehle. Denn mit Beschluß des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 24. November 1976 - 4 BV Ga 15/76 sei der Antrag der Beklagten auf Untersagung einer Betriebsversammlung am 24. November 1976 um 19.30 Uhr im einstweiligen Verfügungsverfahren zurückgewiesen worden. Ferner sei die Beklagte durch den Beschluß des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 4. Mai 1977 - 3 BV Ga 2/77 - zur Duldung einer Betriebsversammlung am 4. Mai 1977 um 19.30 Uhr verpflichtet worden. Aufgrund beider Verfahren habe der Betriebsrat der Beklagten davon ausgehen können, daß eine Betriebsversammlung um 19.00 Uhr nicht außerhalb der Arbeitszeit liege, zumindest aber wegen der Eigenart des Betriebes zulässig sei. Er - der Kläger - habe daher auf die Rechtmäßigkeit der anberaumten Betriebsversammlung vertrauen dürfen, zumal er sich nicht daran erinnern könne, den Aushang der Beklagten am 5. Juni 1985 zur Kenntnis genommen zu haben.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 30,-- DM

netto nebst 4 v.H. Zinsen ab 8. Januar 1986

(Tag der Klagezustellung) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat erwidert, dem Kläger stehe der geltend gemachte Betrag nicht zu. Nach § 44 Abs. 1 BetrVG habe eine Betriebsversammlung grundsätzlich während der Arbeitszeit stattzufinden, wenn nicht die Eigenart des Betriebes eine andere Regelung zwingend erfordere. Mit dieser Vorschrift werde den überwiegenden Interessen der Arbeitnehmer Rechnung getragen; der Arbeitnehmer solle für die Teilnahme an Betriebsversammlungen keine Freizeit opfern müssen. Dementsprechend könne eine Betriebsversammlung nur dann außerhalb der Arbeitszeit anberaumt werden, wenn die Durchführung während der Arbeitszeit technisch unmöglich oder wirtschaftlich unzumutbar sei. Derartiges sei nicht ersichtlich und werde auch weder vom Kläger noch vom Betriebsrat behauptet. Der Kläger habe auch gewußt, daß die Betriebsversammlung unter Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz außerhalb der Arbeitszeit anberaumt worden sei. Wenn und soweit er auf die Richtigkeit der vom Betriebsrat vertretenen Rechtsauffassung vertraut habe, habe er "auf eigene Gefahr" gehandelt. Er könne nicht darauf vertrauen, für die Teilnahme an einer zu Unrecht außerhalb der Arbeitszeit durchgeführten Betriebsversammlung eine Vergütung zu erhalten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Dem Kläger steht weder nach § 44 Abs. 1 Satz 3 BetrVG noch aus anderen Rechtsgründen (Vertrauenshaftung, Schadenersatz wegen schuldhafter Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten) ein Anspruch auf Vergütung und Fahrkostenersatz für die Teilnahme an der zu Unrecht außerhalb der Arbeitszeit durchgeführten regelmäßigen Betriebsversammlung vom 5. Juni 1985 zu.

I. Das Landesarbeitsgericht ist mit Recht zu der Auffassung gelangt, daß im Streitfall die Eigenart des Betriebes nicht die Durchführung einer regelmäßigen Betriebsversammlung außerhalb der Arbeitszeit zwingend erforderte und daß deshalb die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG für die Zulässigkeit einer solchen Betriebsversammlung nicht vorlagen.

1. Zur Begründung seiner Würdigung hat das Landesarbeitsgericht im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Die vom Betriebsrat am 5. Juni 1985 als Vollversammlung einberufene regelmäßige Betriebsversammlung habe, obwohl dies durch die Eigenart des Betriebes nicht zwingend erforderlich gewesen sei, außerhalb der Arbeitszeit stattgefunden und damit gegen das Betriebsverfassungsgesetz verstoßen. Unter Arbeitszeit im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sei nicht die individuelle, sondern die betriebliche Arbeitszeit zu verstehen. Es sei demnach auf die Zeit abzustellen, in der ein wesentlicher Teil der Arbeitnehmer, nicht notwendigerweise die Mehrzahl, beschäftigt sei. Der Zeitpunkt sei so zu wählen, daß möglichst viele Arbeitnehmer an der Vollversammlung teilnehmen könnten. Der Begriff des "zwingenden Erfordernisses" beziehe sich auf die technische Seite des Betriebes. Demgemäß müsse sich die Eigenart des Betriebs aus der technischen Organisation oder dem Betriebszweck ergeben. Am 5. Juni 1985 habe die Arbeitszeit der 110 vollbeschäftigten Verkaufsfahrer sowie der 16 Tourenleiter um 7.30 Uhr begonnen. Anwesend seien zu diesem Zeitpunkt auch noch die 25 Bäcker gewesen, deren Arbeitszeit erst zwischen 8.00 und 9.00 Uhr ende, sowie die um 6.00 bzw. 7.00 Uhr beginnenden Werkstattmitarbeiter und Bürokräfte. Damit hätte eine auf 7.30 Uhr anberaumte Betriebsversammlung für 170 Betriebsangehörige während der Arbeitszeit stattfinden können. Lediglich für die 66 teilzeitbeschäftigten und nur donnerstags eingesetzten Verkaufsfahrer hätte sie außerhalb der Arbeitszeit gelegen, so daß gegen einen Beginn der Betriebsversammlung um 7.30 Uhr keine Bedenken bestanden hätten. Vielmehr wäre den meisten Betriebsangehörigen eine besondere Fahrt zum Betrieb erspart geblieben. Der Beschluß des Betriebsrats, die Versammlung erst um 19.00 Uhr beginnen zu lassen, bedeute nicht nur Verlust von Freizeit, sondern habe die Teilnehmer außerdem dazu genötigt, am Abend erneut zur Arbeit zu fahren. Nachteile aufgrund einer Teilnahme an einer um 7.30 Uhr beginnenden Betriebsversammlung seien nicht ersichtlich. Dabei könne dahinstehen, ob eine später angetretene Verkaufstour zu geringerem Absatz geführt hätte. Maßgeblich sei vielmehr, daß den Versammlungsteilnehmern kein finanzieller Nachteil enstanden wäre, da die Zeit der Teilnahme an Betriebsversammlungen während der Arbeitszeit zu vergüten sei. Zu Unrecht verweise der Kläger auch auf das wirtschaftliche Risiko der Beklagten, da sie selbst auf 7.30 Uhr als geeigneten Zeitpunkt verwiesen habe, so daß der Betriebsrat keinen Anlaß gehabt habe, hieraus Bedenken herzuleiten. Nach alledem habe der Betriebsrat grob gegen die ihm aus § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG obliegende Pflicht verstoßen, die regelmäßige Betriebsversammlung während der Arbeitszeit anzuberaumen. Für eine hiervon abweichende Regelung habe es vorliegend keinen Grund gegeben. Dem Betriebsrat sei dieses Problem auch nicht unbekannt gewesen, nachdem es bereits wegen der auf den 6. März 1985 anberaumten und durchgeführten Abteilungsversammlung zu Streitigkeiten gekommen sei. Zudem habe die Beklagte auf die Vorankündigung des Betriebsrats vom 23. Mai 1985 sofort reagiert und erklärt, es gebe für eine Versammlung außerhalb der Arbeitszeit kein zwingendes Erfordernis. Verstoße aber die Versammlung vom 5. Juni 1985 gegen zwingendes Recht, liege keine Betriebsversammlung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes vor, so daß dem Kläger nach § 44 Abs. 1 Satz 3 BetrVG kein Anspruch auf Vergütung sowie Fahrkostenersatz zustehe.

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts hält jedenfalls im Ergebnis einer rechtlichen Prüfung stand.

a) Das Landesarbeitsgericht ist aufgrund der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen davon ausgegangen, daß die vom Betriebsrat für den 5. Juni 1985 um 19.00 Uhr einberufene regelmäßige Betriebsversammlung an diesem Tage außerhalb der Arbeitszeit stattgefunden hat. Da die Revision gegen die dieser Würdigung zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen keine Verfahrensrügen erhoben hat und auch nicht ersichtlich ist, daß das Landesarbeitsgericht den Begriff der Arbeitszeit i.S. des § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG (vgl. BAG Beschluß vom 9. März 1976 - 1 ABR 74/74 - AP Nr. 3 zu § 44 BetrVG 1972) verkannt hat, handelt es sich im Streitfall um eine außerhalb der Arbeitszeit durchgeführte regelmäßige Betriebsversammlung.

b) Dem Arbeitnehmer ist die Zeit der Teilnahme an einer außerhalb der Arbeitszeit stattgefundenen regelmäßigen Betriebsversammlung einschließlich der Wegezeit nur dann wie Arbeitszeit zu vergüten, wenn die Eigenart des Betriebes eine Betriebsversammlung außerhalb der Arbeitszeit zwingend erfordert (§ 44 Abs. 1 Satz 3, 1. Halbsatz BetrVG). Dies gilt ebenso für die Erstattung von Fahrkosten, die dem Arbeitnehmer durch die Teilnahme an einer derartigen Versammlung entstehen (§ 44 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz BetrVG). Diese gesetzlichen Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

aa) Die in § 43 Abs. 1 BetrVG bezeichneten regelmäßigen Betriebs- und Abteilungsversammlungen haben nach § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG grundsätzlich während der Arbeitszeit stattzufinden. Von dieser Regel macht das Gesetz nur dann eine Ausnahme, wenn die Eigenart des Betriebes die Durchführung einer regelmäßigen Betriebs- oder Abteilungsversammlung außerhalb der Arbeitszeit zwingend erfordert. Unter der Eigenart des Betriebs ist in erster Linie die organisatorisch-technische Besonderheit des konkreten Einzelbetriebs zu verstehen und nicht die eines ganzen Gewerbezweiges (BAG Beschluß vom 9. März 1976, aaO, unter 3 der Gründe; BAG Beschluß vom 26. Oktober 1956 - 1 ABR 26/54 - AP Nr. 1 zu § 43 BetrVG, zu II der Gründe; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 44 Rz 17; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., Bd. I, § 44 Rz 15; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 44 Rz 6). Wirtschaftliche Zumutbarkeitserwägungen stellen dagegen grundsätzlich keine zwingenden Erfordernisse i.S. des § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dar (BAG Beschluß vom 9. März 1976, aaO; a.A. Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., Bd. 1, § 44 Rz 6). Eine Ausnahme hiervon hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts im Beschluß vom 9. März 1976 (aaO) für den Fall einer absoluten wirtschaftlichen Unzumutbarkeit gemacht (krit. hierzu Meisel Anm. zu BAG AP Nr. 3 zu § 44 BetrVG 1972, insbesondere unter 8). Der Streitfall erfordert keine abschließende Stellungnahme zu der Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen über den vom Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts (aa0) anerkannten Fall der absoluten wirtschaftlichen Unzumutbarkeit hinaus sonstige wirtschaftliche Gründe als zwingendes Erfordernis i.S. des § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG anzuerkennen sind (vgl. Dietz/Richardi, aaO, § 44 Rz 6 sowie Meisel, aa0).

bb) Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, an die der Senat gemäß § 561 Abs. 2 ZPO gebunden ist, hat der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger keine Umstände aufgezeigt, die auf das Vorhandensein von technisch-organisatorischen Schwierigkeiten oder auf das Vorliegen einer absoluten oder sonstigen wirtschaftlichen Unzumutbarkeit für die Beklagte hindeuten. Im einzelnen gilt folgendes:

cc) Soweit der Kläger dargelegt hat, eine innerhalb der Arbeitszeit durchgeführte Betriebsversammlung hätte bei den Verkaufsfahrern zu einem Rückgang des Umsatzes und damit zu einer Minderung der umsatzabhängigen Vergütung geführt, stellt dies kein zwingendes Erfordernis i.S. des § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dar. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit zutreffend ausgeführt, daß dem Kläger nach § 44 Abs. 1 Satz 2 BetrVG für die Zeit der Teilnahme an einer innerhalb der Arbeitszeit stattfindenden regelmäßigen Betriebsversammlung ein Anspruch auf Vergütung zusteht. Etwaige Berechnungsschwierigkeiten bei der Vergütungshöhe stellen keine Umstände dar, die sich aus der Eigenart des Betriebes ergeben. Es handelt sich hierbei vielmehr um unabhängig von der jeweiligen Eigenart eines Betriebs auftretende Umstände, die sich in jedem Betrieb mit erfolgsabhängigen Vergütungsformen ergeben können. Eine absolute oder sonstige wirtschaftliche Unzumutbarkeit muß sich aber aus der Eigenart des Betriebes zwingend ergeben. Dafür, daß dem Beklagten die Durchführung einer innerhalb der Arbeitszeit stattfindenden Betriebsversammlung wirtschaftlich unzumutbar (z.B. wegen unverhältnismäßig hoher und nicht mehr auszugleichender Umsatzverluste etwa in Form einer nicht möglichen Absetzbarkeit wesentlicher Teile der Tagesproduktion) gewesen wäre, hat der Kläger keinerlei Tatsachen vorgetragen. Als Indiz für eine fehlende wirtschaftliche Unzumutbarkeit kann im übrigen der Umstand gewertet werden, daß die Beklagte selbst die Einberufung einer regelmäßigen Betriebsversammlung innerhalb der Arbeitszeit, nämlich am 5. Juni 1985 um 7.30 Uhr angeregt hatte.

dd) Für die Annahme einer sich aus der Eigenart des Betriebes zwingend ergebenden organisatorisch-technischen Schwierigkeit oder gar Unmöglichkeit fehlt es ebenfalls an einem schlüssigen Vortrag des Klägers. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger insoweit lediglich dargetan, nach dem Ende der von der Beklagten innerhalb der Arbeitszeit gewünschten Betriebsversammlung wäre es nicht möglich gewesen, alle Verkaufsfahrzeuge gleichzeitig rasch zu beladen, um die Touren antreten zu können. Dieser Vortrag läßt nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit erkennen, worin eine technisch oder organisatorisch unzumutbare Störung des Arbeitsablaufes liegt, die es zwingend erfordert, die regelmäßigen Betriebsversammlungen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen. Es fehlt bereits an den erforderlichen Angaben über die Art und das Ausmaß der zu erwartenden Störungen im Arbeitsablauf (z.B. höchstmögliche Anzahl der gleichzeitig beladbaren Verkaufsfahrzeuge) sowie über die zu erwartenden zeitlichen Verzögerungen. Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich auch nicht annähernd, daß die angeblichen Schwierigkeiten bei einer gleichzeitigen Beladung der Verkaufsfahrzeuge zu einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit für die Beklagte (z.B. Nichtabsetzbarkeit eines wesentlichen Teils der Tagesproduktion) hätten führen können.

ee) Entgegen der Ansicht der Revision stellt auch der Umstand, daß bei Durchführung der regelmäßigen Betriebsversammlung zu dem von der Beklagten gewünschten Zeitpunkt (am 5. Juni 1985 um 7.30 Uhr) die an diesem Werktag (Mittwoch) nicht arbeitenden 66 Teilzeitarbeitnehmer nicht im Betrieb anwesend gewesen wären, kein zwingendes Erfordernis i.S. des § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dar. Die Revision verkennt, daß das Vorhandensein dieser nur jeweils am Donnerstag beschäftigten Teilzeitarbeitnehmer es nicht zwingend gebot, die regelmäßige Betriebsversammlung vom 5. Juni 1985 um 19.00 Uhr und damit außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen.

Mit der Revision ist zwar davon auszugehen, daß auch Besonderheiten der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung (z.B. im Mehrschichtbetrieb oder die Beschäftigung einer Vielzahl von Teilzeitarbeitnehmern) zur Eigenart eines Betriebes gehören können, die die Durchführung einer regelmäßigen Betriebsversammlung außerhalb der Arbeitszeit zwingend erfordern. Dies setzt aber voraus, daß kein Zeitpunkt gefunden werden kann, der innerhalb der Arbeitszeit eines wesentlichen Teils der Belegschaft liegt (BAG Beschluß vom 9. März 1976, aaO, unter 5 der Gründe). Eine derartige Auslegung des § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist deshalb geboten, weil es sich bei dieser Vorschrift um eine Schutzbestimmung zugunsten der Belegschaft handelt. Die als gesetzliche Regel angeordnete Durchführung von regelmäßigen Betriebsversammlungen während der Arbeitszeit soll die Belegschaft in die Lage versetzen, ohne zusätzlichen Zeit- und Kostenaufwand an den regelmäßigen Betriebsversammlungen teilzunehmen. Weicht die persönliche Arbeitszeit einer bestimmten Arbeitnehmergruppe (z.B. der Teilzeitarbeitnehmer) von der Arbeitszeit eines wesentlichen Teils der übrigen Belegschaft ab, so liegen keine zwingenden Erfordernisse vor, eine regelmäßige Betriebsversammlung außerhalb der Arbeitszeit von sämtlichen Arbeitnehmern des Betriebes durchzuführen (BAG Beschluß vom 9. März 1976, aaO; Dietz/Richardi, aaO, § 44 Rz 4; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 44 Rz 11; Galperin/Löwisch, aaO, § 44 Rz 4). Der Betriebsrat hat bei einer derartigen betrieblichen Arbeitszeitgestaltung den Zeitpunkt für eine regelmäßige Betriebsversammlung so zu wählen, daß möglichst viele Arbeitnehmer während ihrer persönlichen Arbeitszeit teilnehmen können.

Die Anwendung dieser Grundsätze führt im Streitfall zu dem Ergebnis, daß die Besonderheiten der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung es nicht zwingend erforderten, die regelmäßige Betriebsversammlung vom 5. Juni 1985 außerhalb der Arbeitszeit der gesamten Belegschaft durchzuführen. Nach den von der Revision mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wären zu dem von der Beklagten angeregten Zeitpunkt (am 5. Juni 1985 um 7.30 Uhr) 170 von 236 Arbeitnehmern und damit ca. 72 % der Belegschaft im Betrieb anwesend gewesen. Für den überwiegenden Teil der Belegschaft wäre somit bei diesem Zeitpunkt die Notwendigkeit einer gesonderten Anreise zur Betriebsversammlung entfallen. Der Umstand, daß zu diesem Zeitpunkt 66 Teilzeitarbeitnehmer und damit ca. 28 % der Belegschaft nicht im Betrieb anwesend gewesen wären, berechtigte den Betriebsrat nicht dazu, die regelmäßige Betriebsversammlung außerhalb der Arbeitszeit von allen Arbeitnehmern durchzuführen. Eine gesonderte Anreise zur Betriebsversammlung wäre für diese Arbeitnehmergruppe am 5. Juni 1985 unabhängig davon erforderlich gewesen, ob die regelmäßige Betriebsversammlung an diesem Tage während oder außerhalb der Arbeitszeit stattgefunden hätte.

c) Fehlt es somit im Streitfall an den gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung einer außerhalb der Arbeitszeit liegenden regelmäßigen Betriebsversammlung, so steht dem Kläger nach § 44 Abs. 1 BetrVG kein Anspruch auf Vergütung und Fahrkostenersatz für die Teilnahme an der am 5. Juni 1985 um 19.00 Uhr stattgefundenen regelmäßigen Betriebsversammlung zu. Maßgeblich für die Frage, ob es wegen der Eigenart des Betriebes zwingend erforderlich ist, eine regelmäßige Betriebsversammlung außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen, sind nicht die subjektiven Vorstellungen des Betriebsrates; es gilt insoweit vielmehr ein objektiver Maßstab (vgl. Galperin/Löwisch, aaO, § 44 Rz 15). Zu den anspruchsbegründenden Merkmalen des gesetzlichen Vergütungs- und Aufwendungsersatzanspruchs nach § 44 Abs. 1 Satz 3 BetrVG gehört, daß die regelmäßige Betriebsversammlung "wegen der Eigenart des Betriebs" außerhalb der Arbeitszeit stattfindet. Fehlt es - wie hier - an diesem Tatbestandsmerkmal, entfällt ein gesetzlicher Vergütungs- und Aufwendungsersatzanspruch. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine vom Betriebsrat zu Unrecht außerhalb der Arbeitszeit einberufene regelmäßige Betriebsversammlung ihren Charakter als regelmäßige Betriebsversammlung i.S. des § 43 Abs. 1 BetrVG verliert. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, es habe sich bei der vom Betriebsrat für den 5. Juni 1985, 19.00 Uhr einberufenen Versammlung um eine regelmäßige Betriebsversammlung i.S. des § 43 Abs. 1 BetrVG gehandelt, steht ihm gleichwohl kein gesetzlicher Vergütungs- und Aufwendungsersatzanspruch nach § 44 Abs. 1 Satz 3 BetrVG zu, weil es die Eigenart des Betriebes nicht zwingend gebot, eine regelmäßige Betriebsversammlung außerhalb der Arbeitszeit einzuberufen.

II. Dem Kläger kann auch aus sonstigen Rechtsgründen (Vertrauenshaftung, Schadenersatz wegen schuldhafter Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten) von der Beklagten nicht die Zahlung des mit der Klage geltend gemachten Betrages von 30,-- DM netto verlangen.

1. Einen Anspruch des Klägers aus dem Gesichtspunkt der Rechtsscheins- oder Vertrauenshaftung hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht verneint.

Zur Begründung seiner Auffassung hat es im wesentlichen folgendes ausgeführt: Ein Anspruch auf Vergütung sowie Fahrkostenersatz komme unter dem Gesichtspunkt der Vertrauenshaftung nur dann in Betracht, wenn der teilnehmende Arbeitnehmer den Umständen nach darauf habe vertrauen können, daß die Versammlung nicht gegen das Betriebsverfassungsgesetz verstoße. Dies treffe jedoch im Streitfall nicht zu, da die Beklagte dem Kläger schon anläßlich der am 6. März 1985 von 19.00 bis 21.00 Uhr durchgeführten Abteilungsversammlung keine Vergütung gezahlt habe und dem Kläger die Rechtsauffassung der Beklagten spätestens durch den Aushang am 4. Juni 1985 bekannt gewesen sei. Insbesondere aufgrund der Information der Beklagten vom 5. Juni 1985 habe dem Kläger klar sein müssen, daß er die Versammlung "auf eigenes Risiko" besuche. Vom Inhalt dieses am Schwarzen Brett ausgehängten Schreibens habe der Kläger jedenfalls Kenntnis erlangen können, nachdem der Betriebsrat auf eine von der Beklagten zu erwartende Reaktion hingewiesen hatte und der Kläger am 5. Juni 1985 mindestens zweimal im Betrieb gewesen sei. Der Kläger könne auch nicht damit gehört werden, er habe sich, wie in der Vergangenheit, auf die Richtigkeit der Rechtsansicht des Betriebsrats verlassen. Denn gerade das habe die Beklagte wenige Monate zuvor ausdrücklich angezweifelt und dementsprechend die Ansprüche der Teilnehmer an der Abteilungsversammlung zurückgewiesen.

2. Diese Ausführungen halten jedenfalls im Ergebnis einer rechtlichen Prüfung stand.

Aus dem Gesichtspunkt der Vertrauenshaftung kann ein Arbeitnehmer grundsätzlich nur dann einen Anspruch auf Vergütung und Fahrkostenersatz für die Teilnahme an einer zu Unrecht außerhalb der Arbeitszeit durchgeführten regelmäßigen Betriebsversammlung verlangen, wenn er im einzelnen Umstände darlegt, die dem Arbeitgeber objektiv zuzurechnen sind und aus deren Vorliegen die Belegschaft folgern konnte und durfte, daß er gleichwohl dazu bereit sei, den teilnehmenden Arbeitnehmern die Vergütung zu zahlen sowie die anfallenden Fahrkosten zu erstatten (vgl. zur Vertrauenshaftung insbesondere Dietz/Richardi, aaO, § 44 Rz 39 m.w.N.).

Im Streitfall fehlt es an derartigen Umständen. Der insoweit darlegungsbelastete Kläger hat nicht dargetan, aufgrund welchen Verhaltens oder aufgrund welcher Erklärungen der Beklagten er davon ausgehen konnte und durfte, daß die Beklagte trotz Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen mit einer Durchführung der regelmäßigen Betriebsversammlung außerhalb der Arbeitszeit einverstanden sei. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß dem Kläger bereits anläßlich der am 6. März 1985 außerhalb der Arbeitszeit stattgefundenen Abteilungsversammlung die Rechtsauffassung der Beklagten sowie deren Zahlungsverweigerung bekannt gewesen ist. Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, daß er die am Schwarzen Brett ausgehängten Schreiben der Beklagten vom 23. Mai 1985 und vom 5. Juni 1985 nicht vor Durchführung der hier streitigen Betriebsversammlung zur Kenntnis genommen haben sollte, so ergibt sich doch aus dem Informationsschreiben des Betriebsrates vom 4. Juni 1985 mit der erforderlichen Eindeutigkeit, daß die Beklagte mit einer Durchführung der Betriebsversammlung außerhalb der Arbeitszeit nicht einverstanden war. Dies folgt aus der Bemerkung des Betriebsrats, es sei zu erwarten, daß die Beklagte versuchen werde, durch eine Flugblattaktion die Belegschaft von einer Teilnahme an der Versammlung abzuhalten. Bereits in dieser Äußerung des Betriebsrats liegt ein deutlicher Hinweis auf einen erkennbaren Protest der Beklagten gegen die Abhaltung der Versammlung außerhalb der Arbeitszeit. Bei einer derartigen Sachlage ist kein Raum für eine Vertrauenshaftung, zumal dem Kläger bereits seit dem Zeitpunkt der Abteilungsversammlung vom 6. März 1985 bekannt war, daß die Beklagte nicht mehr bereit war, an der seitherigen langjährigen Übung festzuhalten.

3. Die Klageforderung ist schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes gerechtfertigt, denn es fehlt an der erforderlichen Darlegung seitens des Klägers, daß die Beklagte es schuldhaft unterlassen habe, die Belegschaft auf die Rechtswidrigkeit der vom Betriebsrat außerhalb der Arbeitszeit einberufenen Betriebsversammlung hinzuweisen (vgl. zu den Erfordernissen eines Schadenersatzanspruchs in den Fällen der vorliegenden Art Säcker, DB 1965, 1856, 1858 sowie Dietz/Richardi, aaO, § 44 Rz 39).

III. Die Revision des Klägers war daher als unbegründet mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Dr. Seidensticker Schliemann Dr. Becker

Kleeschulte Neuroth

 

Fundstellen

Haufe-Index 441195

DB 1988, 810-810 (LT1-2)

AiB 1988, 85-86 (LT2)

NZA 1988, 661-662 (LT1-2)

RdA 1988, 127

SAE 1988, 169-172 (LT1-2)

AP § 44 BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 7

AR-Blattei, Betriebsverfassung XI Entsch 23 (LT1-2)

AR-Blattei, ES 530.11 Nr 23 (LT1-2)

EzA § 44 BetrVG 1972, Nr 8 (LT1-2)

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