Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusatzversorgung – Ausschluß geringfügig Beschäftigter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Soweit der Versorgungstarifvertrag für Arbeitnehmer kommunaler Verwaltungen und Betriebe Teilzeitkräfte, die rentenversicherungsrechtlich mehr als nur geringfügig beschäftigt werden, aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes ausgenommen hat, ist diese Einschränkung der Versorgungsverpflichtungen wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs 1 GG) unwirksam.

2. Dies gilt auch für den Ausschluß von Teilzeitkräften, die erst aufgrund der Zusammenrechnung mehrerer geringfügiger Beschäftigungen der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterfallen (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung des Senats, vgl Urteil vom 16. März 1993 - 3 AZR 389/92 = BAGE 72, 345, 349 f = AP Nr 6 zu § 1 BetrAVG Teilzeit, zu 3c der Gründe; Urteil vom 7. März 1995 - 3 AZR 282/94 = AP Nr 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu B II der Gründe; Urteil vom 16. Januar 1996 - 3 AZR 767/94 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt, zu C der Gründe).

3. Soweit die Tarifvertragsparteien jedoch Teilzeitkräfte, die nur geringfügig beschäftigt werden und deshalb nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegen, von der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst ausgenommen haben, gibt es dafür einleuchtende Gründe. Dieser Ausschluß trägt insbesondere der Ergänzungsfunktion der Zusatzversorgung Rechnung. Die Verzahnung mit dem Rentenversicherungsrecht entspricht dem Sinn und Zweck des Gesamtversorgungssystems. 4. Auch für Beschäftigungszeiten bis zum 31. März 1991 kommt es auf die Rentenversicherungspflicht an, obwohl die Versorgungsregelungen damals noch nicht auf die rentenversicherungsrechtliche Geringfügigkeitsgrenze (nunmehr § 8 SGB IV) abstellten, sondern weitergehend Teilzeitbeschäftigte bis zu einer Arbeitszeit von 18 Wochenstunden von der Zusatzversorgung ausnahmen. Die Unwirksamkeitsfolge ist bei Tarifnormen unter Berücksichtigung des zum Ausdruck gebrachten Regelungszwecks auf das rechtlich Gebotene zu begrenzen.

5. Solange die Wartezeit von 60 Umlagemonaten (§ 20 Abs 1 VersTV-G) nicht erfüllt ist, besteht kein Anspruch auf Verschaffung einer Zusatzversorgung.

 

Normenkette

BGB § 139; EWGVtr Art. 119 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3; SGB IV § 8; TVG § 1; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1; BetrAVG § 1

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 29.06.1994; Aktenzeichen 2 Sa 391/92)

ArbG Köln (Entscheidung vom 05.12.1991; Aktenzeichen 11a Ca 8645/90)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf Zusatzversorgung erworben hat.

Der am 2. Januar 1956 geborene Kläger ist seit dem 1. September 1987 bei der Beklagten als Musikschullehrer beschäftigt. Bis Juli 1988 erteilte er wöchentlich drei Stunden Unterricht zu je 45 Minuten und seit dem August 1988 nur noch eine Stunde pro Woche. Außerdem war er an drei weiteren Musikschulen anderer Gemeinden tätig. Spätestens seit dem 1. Juli 1989 waren diese Beschäftigungen bereits allein betrachtet mehr als geringfügig im Sinne des § 8 SGB IV.

Beide Parteien sind tarifgebunden. Nach dem Tarifvertrag über die Versorgung der Arbeitnehmer kommunaler Verwaltungen und Betriebe (VersTV-G) in den bis zum 31. März 1991 geltenden Fassungen waren Arbeitnehmer mit weniger als der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bzw. weniger als 18 Wochenstunden Arbeitszeit von der Geltung des Tarifvertrags ausgenommen. Die Satzung der für die Beklagte zuständigen Rheinischen Zusatzversorgungskasse (Rheinischen ZVK) enthielt hierauf abgestimmte Vorschriften. Der 25. Änderungstarifvertrag zum Versorgungstarifvertrag der Arbeitnehmer kommunaler Verwaltungen und Betriebe vom 24. April 1991 senkte die Versicherungspflicht mit Wirkung vom 1. April 1991 bis auf die Grenze der geringfügigen Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB IV ab. Die Beklagte hat sich auf diese tariflichen Regelungen berufen und den Kläger nicht bei der Rheinischen ZVK angemeldet.

Der Kläger hat gemeint, es gebe keinen sachlichen Grund, geringfügig Beschäftigte von den Leistungen der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst auszuschließen.

Der Kläger hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger so zu stellen, als wenn er mit Wirkung ab 1. September 1987 bei der Rheinischen Zusatzversorgungskasse für Gemeinden und Gemeindeverbände zum Zwecke einer zusätzlichen Altersversorgung entsprechend seiner jeweils geleisteten Wochenstundenzahl versichert worden wäre.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die tarifvertragliche Einschränkung der Zusatzversorgung für wirksam gehalten.

Die Vorinstanzen haben den noch anhängigen Feststellungsantrag abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger dieses Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die noch anhängige Feststellungsklage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Verschaffungsanspruch nicht zu.

A.

Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die Feststellungsklage für zulässig erachtet.

I.

Sowohl aus der Formulierung des Klageantrags selbst als auch aus dem gesamten Klagevorbringen ergibt sich, daß der Kläger von der Beklagten die Verschaffung der Versorgungsleistungen verlangt, die ihm zustünden, wenn er seit dem 1. September 1987 bei der Rheinischen ZVK versichert gewesen wäre. Wie die Beklagte dies verwirklicht, ist für das Klagebegehren nicht wesentlich. Dem Kläger kommt es nicht darauf an, wer die Rente zahlt.

II.

Mit diesem Inhalt ist der Antrag hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die für den geltend gemachten Anspruch maßgeblichen Umstände hat der Kläger angegeben. Er hat den Zeitraum sowie Art und Umfang der Tätigkeit, für die er zusätzliche Altersversorgung beansprucht, genau bezeichnet.

III.

Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt.

1. Bei dem vom Kläger geltend gemachten Verschaffungsanspruch handelt es sich um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Ein betriebsrentenrechtliches Rechtsverhältnis wird nicht erst mit Eintritt des Versorgungsfalles, sondern bereits mit dem Entstehen einer Versorgungsanwartschaft begründet (BAG Urteil vom 7. März 1995 - 3 AZR 282/94 - AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu A III 1 der Gründe).

2. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Inhalts seiner Versorgungsrechte. Da die Beklagte die von ihm geltend gemachten Versorgungsrechte bestreitet, ist das betriebsrentenrechtliche Rechtsverhältnis durch eine tatsächliche Unsicherheit gefährdet. Ein Bedürfnis für eine alsbaldige Klärung besteht. Der Kläger kann nicht darauf verwiesen werden, erst nach Eintritt des Versorgungsfalles einen zeitraubenden Prozeß gegen seinen Arbeitgeber über Inhalt und Umfang seiner Versorgungsrechte zu führen. Für die Versorgungsberechtigten ist es wichtig, daß Meinungsverschiedenheiten über Bestand und Ausgestaltung der Versorgungsrechte möglichst vor Eintritt des Versorgungsfalles geklärt werden (BAG Urteil vom 7. März 1995 - 3 AZR 282/94 -, aaO, zu A III 2 a der Gründe). Vom Inhalt der Versorgungsrechte hängt es ab, in welchem Umfang Versorgungslücken entstehen. Den Arbeitnehmern muß die Möglichkeit eröffnet werden, sich möglichst frühzeitig auf bestehende Versorgungslücken einzustellen.

B.

Die noch anhängige Feststellungsklage ist jedoch derzeit unbegründet. Die Beklagte muß dem Kläger noch keine Zusatzversorgung verschaffen.

I.

Weder nach dem Arbeitsvertrag noch nach dem Wortlaut der tarifvertraglichen Versorgungsregelungen steht dem Kläger der geltend gemachte Versorgungsanspruch zu. Der Arbeitsvertrag des Klägers enthält keine eigenen Bestimmungen für eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung. Die tarifvertraglichen Vorschriften sehen für die zwischen den Parteien vereinbarte Teilzeitbeschäftigung keine Versorgungsansprüche vor.

II.

Soweit die teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer zu Unrecht von der Zusatzversorgung ausgeschlossen wurden, steht ihnen nicht lediglich ein Schadenersatzanspruch, sondern ein tarifvertraglicher Erfüllungsanspruch zu. Abgesehen von der unzulässigen Ausschlußvorschrift bleiben die übrigen Bestimmungen des Versorgungstarifvertrages wirksam und damit auch die Grundregel, die den Versorgungsanspruch begründet. Dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG kann nur dadurch entsprochen werden, daß auch den zu Unrecht ausgeschlossenen Teilzeitkräften für die Vergangenheit die vorenthaltene betriebliche Altersversorgung verschafft wird. Weder die in Maastricht beschlossene Protokollerklärung zu Art. 119 EG-Vertrag noch das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) stehen einer rückwirkenden Anwendung des Gleichheitssatzes entgegen. Eine Überforderung der Beklagten durch eine uneingeschränkte Beachtung des Gleichheitssatzes ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Im Urteil vom 7. März 1995 (- 3 AZR 282/94 -, aaO) hat der Senat diese Rechtsprechung nochmals eingehend begründet. Daran hat er im Urteil vom 16. Januar 1996 (- 3 AZR 767/94 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt) festgehalten und sich mit den neu vorgebrachten Bedenken auseinandergesetzt. Da sich die Beklagte auf keine weiteren Argumente berufen hat, wird insoweit auf die Ausführungen in den Urteilen vom 7. März 1995 und 16. Januar 1996 verwiesen.

III.

Dem Kläger steht jedoch noch keine Zusatzversorgung zu. Beim Ausschluß von Teilzeitkräften ist zwischen den im rentenversicherungsrechtlichen Sinne geringfügig Beschäftigten und den mehr als geringfügig Beschäftigten zu unterscheiden. Jedenfalls beim vorliegenden Gesamtversorgungssystem ist nur der Ausschluß der mehr als geringfügig Beschäftigten unwirksam. Die geringfügig Beschäftigten brauchten nicht in die Zusatzversorgung einbezogen zu werden.

1. Soweit Teilzeitkräfte, die nach § 8 SGB IV oder den früheren rentenversicherungsrechtlichen Vorschriften mehr als nur geringfügig beschäftigt wurden, von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ausgeschlossen worden sind, verstößt die Einschränkung der Versorgungsverpflichtung gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Dies hat der Senat schon mehrfach entschieden (vgl. u.a. BAGE 71, 29, 35 = AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu B I 2 der Gründe; Urteil vom 7. März 1995 - 3 AZR 282/94 - AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu B II der Gründe, m.w.N.; Urteil vom 16. Januar 1996 - 3 AZR 767/94 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt, zu C der Gründe). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.

2. Ebensowenig ist der Ausschluß von Arbeitnehmern, die aufgrund der Zusammenrechnung mehrerer geringfügiger Beschäftigungen der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegen, sachlich gerechtfertigt. Die Tarifvertragsparteien können sich über die Zusammenrechnungsvorschrift des § 8 Abs. 2 SGB IV nicht hinwegsetzen (BAGE 72, 345, 349 f. = AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Teilzeit, zu 3 c der Gründe). Auch daran ist festzuhalten.

3. Soweit jedoch die Tarifvorschriften geringfügig Beschäftigte im Sinne des § 8 SGB IV aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes ausschließen, verstößt die Einschränkung der Versorgungspflichten nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, sondern ist wirksam.

a) Tarifverträge sind nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht, insbesondere das Grundgesetz oder zwingendes Gesetzesrecht verstoßen (vgl. u.a. BAG Urteil vom 29. Januar 1991 - 3 AZR 44/90 - AP Nr. 23 zu § 18 BetrAVG, zu I 3 a der Gründe; Urteil vom 12. Februar 1992 - 7 AZR 100/91 - AP Nr. 5 zu § 620 BGB Altersgrenze, zu III 1 der Gründe; Urteil vom 7. März 1995 - 3 AZR 282/94 -, aaO, zu B II 2 a der Gründe). Sie unterliegen keiner Billigkeitskontrolle. Es ist nicht Sache der Gerichte, darüber zu wachen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen haben.

b) Der allgemeine Gleichheitssatz ist auch von den Tarifvertragsparteien zu beachten, denn er ist eine zentrale Gerechtigkeitsnorm und Teil der objektiven Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung beansprucht (vgl. u.a. BVerfGE 21, 362, 372 = AP Nr. 9 zu § 1542 RVO; BAG Urteil vom 7. März 1995 - 3 AZR 282/94 -, aaO, zu B II 2 a der Gründe, m.w.N.). Soweit jedoch Teilzeitkräfte, die nur geringfügig beschäftigt werden und deshalb nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegen, von der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst ausgeschlossen worden sind, gibt es dafür sachlich einleuchtende Gründe.

aa) In der Literatur ist umstritten, ob bei geringfügig Beschäftigten tragfähige Ausschlußgründe vorliegen (bejahend u.a. Höfer, BetrAVG, 4. Aufl., Stand: September 1995, ART Rz 530.2; Kiefer, ZTR 1989, 91, 95; verneinend u.a. Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung 1. Teil: Arbeitsrechtliche Grundlagen der betrieblichen Altersversorgung, Rz 77 d; kritisch Griebeling in AR-Blattei 460.2 Rz 107). Der Senat konnte dies in den bisher entschiedenen Fällen offen lassen (vgl. u.a. BAGE 72, 345, 349 = AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Teilzeit, zu 3 b der Gründe; Urteil vom 7. März 1995 - 3 AZR 282/94 -, aaO, zu B II 2 der Gründe; Urteil vom 16. Januar 1996 - 3 AZR 767/94 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt, zu C der Gründe). Jedenfalls eine als Gesamtversorgungssystem ausgestaltete Zusatzversorgung muß den im rentenversicherungsrechtlichen Sinne geringfügig Beschäftigten nicht gewährt werden.

bb) Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung besteht, wenn sich aus dem tarifvertraglichen Leistungszweck Gründe herleiten lassen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, daß eine bestimmte Arbeitnehmergruppe, hier die geringfügig Beschäftigten, die Leistung des Arbeitgebers nicht erhalten (vgl. u.a. BAGE 33, 57, 60 = AP Nr. 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu II 2 der Gründe; BAGE 73, 343, 347 = AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu 2 c der Gründe; BAG Urteil vom 20. Juni 1995 - 3 AZR 684/93 -, zur Veröffentlichung bestimmt, zu II 2 a der Gründe). Diese Voraussetzung ist erfüllt.

(1) Bei der Zwecksetzung haben die Tarifvertragsparteien einen weiten Gestaltungsspielraum. Sie entscheiden eigenverantwortlich darüber, welches Versorgungssystem sie wählen und welche Ziele sie damit im einzelnen verfolgen.

Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst wird im Rahmen eines Gesamtversorgungssystems gewährt. Die Renten wegen Alters oder verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung und entsprechende Versorgungsbezüge werden bei der Berechnung der Gesamtversorgung berücksichtigt. § 18 BetrAVG ermöglicht dies. Nach § 5 Abs. 2 BetrAVG dürfen auch in der Privatwirtschaft Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, soweit sie auf Pflichtbeiträgen beruhen, sowie sonstige Versorgungsbezüge, die mindestens zur Hälfte auf Beiträgen oder Zuschüssen des Arbeitgebers beruhen, auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung angerechnet werden. Die als Gesamtversorgungssystem ausgestaltete Zusatzversorgung ergänzt die gesetzliche Rentenversicherung. Sie steht nicht losgelöst neben ihr, sondern ist mit ihr verzahnt.

(2) Da die Gesamtversorgung aufgrund ihrer Zwecksetzung zwangsläufig das gesetzliche Rentenversicherungsrecht mitberücksichtigt, dürfen die Tarifvertragsparteien auf die sozialversicherungsrechtliche Rechtslage abstellen. Sie sind nicht verpflichtet, sozialversicherungsrechtliche Wertentscheidungen durch teilweise Umgestaltung der betrieblichen Altersversorgung zu korrigieren. § 8 SGB IV und die vorausgegangenen Vorschriften haben geringfügige Beschäftigungen von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht ausgenommen. Diese sozialversicherungsrechtlichen Regelungen enthalten keine europarechtlich unzulässige mittelbare Diskriminierung der Frauen; denn sie sind zur Erreichung sozial- und beschäftigungspolitischer Ziele erforderlich, die objektiv nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben (EuGH Urteil vom 14. Dezember 1995 - Rs C 317/93 - DB 1996, 44 f. = NZA 1996, 129 ff. = NJW 1996, 445 f.).

(3) Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, daß die betriebliche Altersversorgung nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht nur Versorgungs-, sondern auch Entgeltcharakter hat (vgl. u.a. BAGE 22, 92, 95 f. = AP Nr. 2 zu § 242 BGB Ruhegehalt - VBL, zu I 2 der Gründe; Urteil vom 16. März 1993 - 3 AZR 389/92 -, aaO; Urteil vom 7. März 1995 - 3 AZR 282/94 -, aaO, zu B II 2 d cc (2) der Gründe). Entgeltcharakter ist nicht gleichbedeutend mit Proportionalität. Die Versorgungsleistungen müssen nicht dem Umfang der Arbeitsleistung und der Dauer des Arbeitsverhältnisses entsprechen. Die Versorgungsordnung kann die Versorgungsverhältnisse des einzelnen Arbeitnehmers in den Vordergrund stellen. Auch die Deckung eines bestimmten Versorgungsbedarfs ist ein Entgelt für erbrachte Arbeitsleistung. Welches Gewicht den Versorgungsverhältnissen des einzelnen Arbeitnehmers zukommt, hängt von der Ausgestaltung der jeweiligen Versorgungsordnung ab. Bei dem im öffentlichen Dienst bestehenden Gesamtversorgungssystem hat die Rentenbiographie des einzelnen Arbeitnehmers entscheidende Bedeutung. Bereits im Urteil vom 16. März 1993 (- 3 AZR 389/92 - BAGE 72, 345, 349 = AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Teilzeit, zu 3 b der Gründe) hat der Senat darauf hingewiesen, daß die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst eine Grundsicherung, wie sie die gesetzliche Rentenversicherung darstellt, ergänzt. An einer solchen Grundsicherung fehlt es jedoch in den Fällen des § 8 SGB IV. Der Ausschluß geringfügig Beschäftigter aus der Zusatzversorgung widerspricht nicht der Ergänzungsfunktion der betrieblichen Altersversorgung im öffentlichen Dienst, sondern trägt ihr Rechnung. Der Arbeitgeber ist insbesondere nicht verpflichtet, die fehlende Sozialversicherungsrente durch eine betriebliche Altersversorgung zu ersetzen.

(4) Obwohl der Kläger zutreffend darauf hinweist, daß sozialversicherungsrechtliche Wertungen nicht unbesehen auf das arbeitsrechtliche Betriebsrentenverhältnis übertragen werden können, ändert dies nichts daran, daß beide Versorgungssysteme miteinander verknüpft werden dürfen. Insoweit kann sich die vom Sozialgesetzgeber angenommene geringere Schutzbedürftigkeit auch auf die betriebliche Altersversorgung auswirken, zumal bei geringfügig Beschäftigten arbeitsvertragliche Gesichtspunkte hinzukommen und bei Versorgungsordnungen eine generalisierende Betrachtung zulässig ist. Geringfügig Beschäftigte stellen ihrem Arbeitgeber typischerweise lediglich einen so kleinen Teil ihrer Arbeitskraft zur Verfügung, so daß die Arbeitsleistung sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber wirtschaftlich von lediglich untergeordneter Bedeutung ist. Bei geringfügigen Beschäftigungen im Sinne des § 8 SGB IV stehen Verwaltungsaufwand und Abwicklungskosten einer Zusatzversorgung zu den zu erwartenden Versorgungsleistungen in keinem ausgewogenen Verhältnis mehr. Verwaltungs- und Kostenargumente hat der Senat bereits im Urteil vom 5. Oktober 1993 (- 3 AZR 695/92 - BAGE 74, 309, 316 f. = AP Nr. 20 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung, zu B II 1 a der Gründe) berücksichtigt.

c) Unerheblich ist es, daß die Versorgungsregelungen im öffentlichen Dienst bis zum 31. März 1991 nicht auf die Geringfügigkeit der Beschäftigung im rentenversicherungsrechtlichen Sinne abstellten, sondern auch umfangreichere Teilzeitbeschäftigungen mit einer Arbeitszeit bis zu 18 Wochenstunden von der Zusatzversorgung ausnahmen. Es spielt auch keine Rolle, daß § 139 BGB auf Tarifverträge jedenfalls nicht uneingeschränkt anzuwenden ist. Für Tarifnormen gelten die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht zur Teilnichtigkeit von Gesetzen entwickelt hat. Danach kommt es darauf an, ob der gültige Teil des Tarifvertrages noch eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält (vgl. u.a. BAGE 23, 399, 405 = AP Nr. 8 zu § 4 TVG Effektivklausel; BAGE 51, 178, 182 = AP Nr. 12 zu § 4 TVG Ordnungsprinzip; BAG Urteil vom 7. März 1995 - 3 AZR 282/94 -, aaO, zu B III 1 a der Gründe, m.w.N. aus der Literatur).

Die Unwirksamkeitsfolge ist bei Tarifnormen unter Berücksichtigung des zum Ausdruck gebrachten Regelungszwecks auf das rechtlich Gebotene zu begrenzen. Dem Sinn und Zweck der von den Tarifvertragsparteien geschaffenen Zusatzversorgung entspricht es, den Ausschluß der Teilzeitkräfte insoweit aufrechtzuerhalten, als sie im rentenversicherungsrechtlichen Sinne geringfügig beschäftigt wurden. Diese Einschränkung entspricht dem objektiven Regelungsziel und wurde von den Tarifvertragsparteien mit Wirkung zum 1. April 1991 auch ausdrücklich vereinbart. Eine weitergehende Unwirksamkeitsfolge, die zu einer teilweisen Umgestaltung der Zusatzversorgung führen würde, wäre mit der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) nicht zu vereinbaren.

IV.

Der Kläger hat derzeit auch noch keinen Anspruch auf Verschaffung einer Zusatzversorgung für die Zeiten, in denen er mehr als geringfügig beschäftigt war.

1. Der Kläger übte spätestens seit dem 1. Juli 1989 bei der Beklagten nur eine geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 8 SGB IV aus. Nach diesem Zeitpunkt kommt eine Zusammenrechnung mit anderen Beschäftigungen nach § 8 Abs. 2 SGB IV nicht mehr in Betracht. Jedenfalls für die Beschäftigungszeit ab 1. Juli 1989 steht ihm keine Zusatzversorgung zu.

2. Der Kläger kann auch aus seiner bisherigen rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit für die Beklagte keinen Anspruch auf Verschaffung einer Zusatzversorgung herleiten. Zwischen den Parteien bestand zwar vom 1. September 1987 bis längstens 30. Juni 1989 ein rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Später handelte es sich um ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 8 SGB IV, das keine Versorgungsansprüche auslöst. Da der Kläger mit seiner sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit die Wartezeit von 60 Umlagemonaten (§ 20 Abs. 1 VersTV-G) nicht erfüllt hat, kann er noch keine Zusatzversorgung verlangen.

V.

Ebenso wie im Urteil vom 20. Juni 1995 (- 3 AZR 684/93 -, zur Veröffentlichung bestimmt, zu II 2 der Gründe) kann auch im vorliegenden Fall offen bleiben, ob sich das Verbot des § 2 Abs. 1 BeschFG nur an den einzelnen Arbeitgeber oder auch an die Tarifvertragsparteien richtet. Jedenfalls gibt es für die unterschiedliche Behandlung, wie ausgeführt, einen sachlichen Grund.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Kremhelmer, Bepler, Schoden, Kaiser

 

Fundstellen

BAGE 00, 00

BAGE, 193

BB 1996, 1561

BB 1996, 1561-1563 (LT1-5)

BB 1996, 593

DB 1996, 1827-1829 (LT1-5)

EBE/BAG 1996, 118-120 (LT1-5)

AiB 1997, 122-123 (LT1-5)

WiB 1996, 795 (L)

BetrAV 1996, 261 (L1-5)

NZA 1996, 992

NZA 1996, 992-994 (LT1-5)

Quelle 1996, Nr 10, 24 (L1-3)

RdA 1996, 322 (L1-5)

ZAP, EN-Nr 361/96 (S)

ZTR 1996, 406-407 (LT1-5)

AP, Teilzeit (L1-5)

AP, Gleichbehandlung

AP, Zusatzversorgung

AR-Blattei, ES 460.5 Nr 20 (LT1-5)

ArbuR 1996, 322 (L1-3)

EzA-SD 1996, Nr 15, 22 (L1-5)

EzA, Gleichbehandlung Nr 10

EzA, (L1-5)

EzA, (L1-5)

EzBAT, (L1-5)

MDR 1996, 1157-1158 (LT1-5)

PERSONAL 1997, 212 (L1-3)

ZfPR 1996, 129 (S)

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