Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitpunkt des Betriebserwerbs. Betriebserwerb im Konkurs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Betriebserwerb i.S.d. § 613 a Abs. 1 BGB liegt vor, sobald der Betriebserwerber aufgrund rechtsgeschäftlicher Übereinkunft in die Lage versetzt worden ist, die Leitungsmacht im Betrieb mit dem Ziel der Betriebsfortführung auszuüben. Es ist nicht entscheidend, daß die Betriebsleitungsmacht zu diesem Zeitpunkt bereits tatsächlich ausgeübt worden ist.

2. Der Umstand, daß alle für den Betriebsübergang erforderlichen Rechtsgeschäfte bereits vor Konkurseröffnung abschließend verhandelt waren, kann ein Indiz dafür sein, daß die tatsächliche Leitungsmacht übertragen worden ist, der Betriebserwerber also rechtlich nicht mehr gehindert ist, die betriebliche Leitungs- und Organisationsgewalt anstelle des Betriebsveräußerers auszuüben.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 1 S. 1; BetrAVG § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 2; ZPO §§ 67, 69, 74 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Nürnberg (Urteil vom 08.09.1994; Aktenzeichen 8 (6) Sa 232/93)

ArbG Nürnberg (Urteil vom 14.01.1993; Aktenzeichen 11 Ca 3864/92)

 

Tenor

1. Die Revision des Streithelfers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 8. September 1994 – 8 (6) Sa 232/93 – wird zurückgewiesen.

2. Der Streithelfer hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Klägers. Diese hat der Kläger selbst zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte oder der Streithelfer für die betriebliche Altersversorgung einstehen muß, die dem Kläger dessen frühere Arbeitgeberin zugesagt hatte.

Der am 10. Dezember 1932 geborene Kläger war seit dem 7. November 1955 bei der E. K. KG … (im folgenden: K. KG) in D. beschäftigt. Nach der Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung vom 15. Dezember 1977 mit einem Nachtrag vom 19. Dezember 1980 wurde er dort „in eine Versorgung aufgenommen”. Ihm wurde ein Versorgungskapital in Höhe des Jahresbruttoeinkommens des letzten Kalenderjahres vor dem Versorgungsfall multipliziert mit einem sich aus der Zahl der bei der Beklagten zurückgelegten Dienstjahre ergebenden Dienstzeitfaktor versprochen. Das Versorgungskapital beträgt nach der Betriebsvereinbarung höchstens 17.000,– DM.

Die K. KG geriet im Jahre 1988 in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Beklagte wurde gegründet und am 13. Juni 1988 in das Handelsregister eingetragen. Dabei handelten für die Beklagte die Herren Dr. I. und F., die auch Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der K. KG waren. Gesellschafter der Beklagten und deren Komplementär-GmbH waren Mitglieder der Familie K., die auch an der K. KG beteiligt waren. Aufgrund eines von der K. KG gestellten Konkursantrags wurde Herr Dr. Horst P. durch Beschluß des Amtsgerichts F. vom 24. Juni 1988 als Gutachter bestellt. In seinem Gutachten vom 5. Juli 1988 führt Herr Dr. P. u.a. aus:

„…

4. Wie dem Gericht bekannt und insbesondere in der Presse sehr viel steht, laufen nun seit Mai Verhandlungen mit beteiligten Gruppen und zwar:

  1. Pool Banken, bestehend aus Deutsche Bank als Sprecher, Hypobank, Bayerische Vereinsbank und Taxis-Bank,
  2. Landesanstalt für Aufbaufinanzierung München, zusammen mit Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsministerium,
  3. Belegschaft in D., vertreten durch den Betriebsrat und der sehr aktiv mitarbeitenden Frau Senatorin B.,
  4. Lieferanten, insbesondere als Sprecher die Kreditversicherungen AKV, Herr O., und Gerling-Konzern, Herr S.,
  5. zu bildende Auffanggesellschaft, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. D.,
  6. ich als vorläufiger Vergleichsverwalter und nunmehr Gutachter.

In langen und schwierigen Verhandlungen ist es soweit gekommen, daß unter diesen beteiligten Gruppen eine Einigung dahingehend erzielt werden konnte und zwar zunächst ohne die Belegschaft, daß nämlich die mittlerweile gegründete Auffanggesellschaft E. GmbH & Co. KG dem bei Eröffnung des Verfahrens zu bestellenden Konkursverwalter ein Kaufangebot macht, wonach diese Auffanggesellschaft folgende wesentliche Bedingungen erklärt:

  1. Sie kauft sofort die gesamte Betriebseinrichtung zum Preis von DM 2 Mio. zuzüglich Mehrwertsteuer. Davon sind allerdings DM 1 Mio. für Vermieterpfandrecht abzusetzen.
  2. Sie kauft die Warenbestände und Debitoren sofort von den Banken ab, unter besonders modifizierten Bedingungen.
  3. Sie übernimmt praktisch den Betrieb und damit die Arbeitsverhältnisse, so daß sich daraus keine Masseschuldansprüche oder nur relativ geringfügige Beträge ergeben können.

Die Warenbestände wurden den Banken bereits aus Sicherungsvertrag übertragen, so daß sich das Problem der Massekostenansprüche voraussichtlich nicht ergeben dürfte. …

5. Mit Konkurseröffnung wird das Kaufangebot, mit Zustimmung von bereits vier Herren, die im vorläufigen Gläubigerausschuß sind und ihre Zustimmung zu diesem Gremium gegeben haben, gültig. …

9. …

Aufgrund der vorliegenden Zahlen und mit Annahme des Kaufangebots durch den Konkursverwalter, ist nach meiner Meinung eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse vorhanden, so daß das Konkursverfahren eröffnet werden kann. Aufgrund der Marktsituation bitte und beantrage ich, über den Konkursantrag umgehend zu entscheiden.

…”

Unter dem 6. Juli 1988 unterbreitete die Beklagte dem künftigen Konkursverwalter über das Vermögen der K. KG ein unwiderrufliches schriftliches Angebot, das im wesentlichen dem entsprach, über das Herr Dr. P. dem Amtsgericht berichtet hatte.

Durch Beschluß des Amtsgerichts F. vom 11. Juli 1988 wurde dann um 6.25 Uhr der Konkurs über das Vermögen der K. KG eröffnet. Die Arbeitnehmer begannen an diesem Tag planmäßig um 6.30 Uhr ihre Arbeit. Nach der Frühstückspause fand eine Betriebsversammlung statt, in der den Arbeitnehmern die Konkurseröffnung und die geplante Betriebsübernahme durch die Beklagte mitgeteilt wurden. Aufgrund der geführten Vorgespräche mit dem Betriebsrat als Vertreter der Belegschaft widersprachen 70 der insgesamt 470 Mitarbeiter der Beklagten dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Betriebserwerberin, indem sie vorbereitete schriftliche Widerspruchserklärungen unterschrieben zurückreichten. Im Anschluß daran wurde die Produktion von der Beklagten fortgeführt. Den widersprechenden Arbeitnehmern wurde vom Konkursverwalter betriebsbedingt gekündigt. Sie erhielten Sozialplanabfindungen.

Am 13. Juli 1988 unterzeichnete der Konkursverwalter einen dem Kaufangebot vom 6. Juli 1988 im wesentlichen entsprechenden Vertrag.

Der Kläger, der bei der Beklagten weitergearbeitet hatte, schied aufgrund Invalidität am 28. Februar 1990 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Nach der Berechnung der Beklagten steht ihm aufgrund der Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung eine Einmalzahlung in Höhe von 17.000,– DM zu, wovon die Beklagte aufgrund gerichtlichen Vergleichs in erster Instanz einen Teilbetrag von 680,– DM gezahlt hat.

Der Kläger hat ebenso wie der Streithelfer den Standpunkt vertreten, die Beklagte hafte als Betriebserwerberin auch für den bei der K. KG anteilig erdienten Versorgungsbetrag von 16.320,– DM. Der Betriebsübergang habe bereits vor Konkurseröffnung stattgefunden. Bereits vor dem 11. Juli 1988 seien die Verträge unterschriftsreif ausgehandelt gewesen. Der Beklagten sei es objektiv möglich gewesen, die betriebliche Leitungsmacht auszuüben. Dazu hat der Kläger behauptet, die Annahme des schriftlichen Kaufangebotes durch den Konkursverwalter sei bereits vor Konkurseröffnung sichergestellt gewesen. Auch mit den Banken, Lieferanten, dem Zwangsverwalter des Grundstücks und dem Freistaat Bayern sei bereits vor Konkurseröffnung in den wesentlichen Punkten eine Einigung erreicht und ein vollständiges Sanierungskonzept erarbeitet worden. Die Beklagte habe von der ihr eröffneten betrieblichen Leitungsmacht auch tatsächlich Gebrauch gemacht. Das mit Sicherungsrechten der Gläubigerbanken belegte Warenlager sei bereits vor Konkurseröffnung auf die Beklagte übertragen worden, die dann im Auftrag der Banken einzelne Waren veräußert habe. Außerdem hätten Vertreter der Beklagten mit den Arbeitnehmern der K. KG bzw. dem Betriebsrat bereits so weitgehende Verhandlungen über das Ausscheiden oder die Weiterbeschäftigung einzelner Arbeitnehmer geführt, daß bereits vor Konkurseröffnung festgestanden habe, wer dem Betriebsübergang widersprechen werde. Die den Arbeitnehmern ausgehändigten Vordrucke für den von ihnen erwarteten Widerspruch datierten vom 8. Juli 1988. Insgesamt stelle die Vorgehensweise der Beklagten einen Mißbrauch des § 7 BetrAVG dar.

Der Kläger und der Streitverkündete haben zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 16.320,– DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 1. März 1990 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Betrieb der K. KG sei erst nach Konkurseröffnung am 11. Juli 1988 auf sie übergegangen. Vorher habe sie weder die rechtliche noch die tatsächliche Möglichkeit gehabt, betriebliche Leitungsmacht auszuüben. Dazu hat die Beklagte behauptet, die Verfügungsmacht über die wesentlichen Betriebsmittel habe in den Wochen vor Konkurseröffnung in verschiedenen Händen, insbesondere denen der Banken, gelegen. Die für die Fortführung des Betriebes erforderlichen Verträge seien in wesentlichen Punkten bei Konkurseröffnung noch nicht abschließend ausgehandelt gewesen; sie seien zum Teil wesentlich später unterzeichnet worden. Erst nach Konkurseröffnung hätten etwa 70 Mitarbeiter die von ihnen geforderten Widerspruchserklärungen abgegeben. Am 13. Juli 1988 seien dann die erforderlichen Vereinbarungen mit den Banken und mit dem Konkursverwalter zustande gekommen. Erst danach hätten die Banken das Warenlager zur Verwertung freigegeben. Die Beklagte habe den Betrieb aus rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen bewußt erst nach Konkurseröffnung erwerben wollen. Schon wegen des erforderlichen Personalabbaus wären ansonsten unkalkulierbare, von den Kreditgebern nicht akzeptierte Risiken auf sie zugekommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Streithelfers gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Streithelfers, der den Zahlungsantrag weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Streithelfers hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

A. Die Revision des Streithelfers ist zulässig, ohne daß der von ihm unterstützte Kläger das Revisionsverfahren selbst betreibt.

In einem Rechtsstreit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, in welchem der Arbeitnehmer dem Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) wirksam den Streit verkündet hat, weil dieser für den Fall des Unterliegens des Arbeitnehmers als Insolvenzversicherer für dessen Versorgungsansprüche eintreten muß, ist der PSV streitgenössischer Nebenintervenient (BAGE 34, 146 = AP Nr. 9 zu § 7 BetrAVG; BAGE 50, 210 = AP Nr. 8 zu § 7 BetrAVG Widerruf; BAG Urteil vom 13. März 1990 – 3 AZR 245/88 – AP Nr. 57 zu § 7 BetrAVG). Er kann deshalb nach § 74 Abs. 1, §§ 69, 67 ZPO unabhängig von der unterstützten Partei Rechtsmittel einlegen.

B. Die Revision des PSV ist nicht begründet. Er und nicht die Beklagte muß für den bis zur Konkurseröffnung am 11. Juli 1988 bei der späteren Gemeinschuldnerin erdienten Teil der Altersversorgung des Klägers einstehen. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend entschieden.

I. Bei dem geltend gemachten Zahlungsanspruch handelt es sich um einen insolvenzgeschützten Anspruch auf eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG. Die Gemeinschuldnerin hatte dem Kläger aus Anlaß des Arbeitsverhältnisses eine Einmalzahlung versprochen, welche die Versorgung der Arbeitnehmer bei Alter und Invalidität bezweckte. Der Anspruch hierauf war bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der K KG am 11. Juli 1988 nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG insolvenzgeschützt. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt mehr als 32 Jahre lang bei der Gemeinschuldnerin beschäftigt gewesen.

II. Die Beklagte braucht für den auf die Beschäftigungszeit bis zur Konkurseröffnung entfallenden Teil der Einmalzahlung in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 16.320,– DM nicht einzustehen.

Sie hat den Betrieb der Gemeinschuldnerin nicht vor, sondern nach Konkurseröffnung erworben. Für die allein noch streitbefangene Teilforderung ist damit nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BetrAVG der PSV einstandspflichtig.

1. Wird ein Betrieb nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Betriebsinhabers übernommen, dann haftet der Betriebserwerber nur für den Teil der Betriebsrentenansprüche, der nach Konkurseröffnung erdient worden ist. Soweit bei Konkurseröffnung Betriebsrentenansprüche oder Betriebsrentenanwartschaften entstanden waren, nehmen sie am Konkursverfahren teil. Insoweit muß der Streithelfer als Träger der Insolvenzsicherung hierfür einstehen und sich mit den auf ihn nach § 9 Abs. 2 BetrAVG übergegangenen Ansprüchen am Konkursverfahren beteiligen. Nur dann, wenn der Betriebsübergang bereits vor Konkurseröffnung stattgefunden hatte, haftet der Betriebserwerber nach § 613 a Abs. 1 BGB für zuvor entstandene Betriebsrentenanwartschaften (BAGE 32, 326, 332 ff. = AP Nr. 18 zu § 613 a BGB, zu II 3 der Gründe; BAGE 55, 228, 234 f. = AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung, zu III 1 der Gründe; BAGE 62, 224, 230 f. = AP Nr. 10 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung, zu III 2 a der Gründe; BAGE 68, 160, 166 = AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung, zu II 2 der Gründe; BAG Urteil vom 16. Februar 1993 – 3 AZR 347/92 – AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung, zu 1 b der Gründe; Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 11. Aufl., § 1 Rz 80 r; Hess, Kommentar zur Konkursordnung, 4. Aufl., § 22 Rz 955).

2. Für die Ermittlung des Zeitpunkts, zu dem der Betrieb übergegangen ist, kommt es entscheidend darauf an, wann der Betriebserwerber aufgrund rechtsgeschäftlicher Übereinkunft in die Lage versetzt worden ist, die Leitungsmacht im Betrieb mit dem Ziel der Betriebsfortführung auszuüben. Es ist nicht entscheidend, daß die Betriebsleitungsmacht zu diesem Zeitpunkt bereits tatsächlich ausgeübt worden ist (BAG Urteil vom 16. Oktober 1987 – 7 AZR 519/86 – AP Nr. 69 zu § 613 a BGB, zu III 1 b und 2 der Gründe; BAGE 60, 118, 123 f. = AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung, zu I 2 der Gründe; BAGE 62, 224, 228 f. = AP Nr. 10 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung, zu II 2 der Gründe; BAGE 68, 160, 167 ff. = AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung, zu III 2 und 3 der Gründe; Senatsurteil vom 12. November 1991 – 3 AZR 559/90 – AP Nr. 12 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung, zu 3 der Gründe; Senatsurteil vom 11. Februar 1992 – 3 AZR 117/91 – AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung, zu III 2 b der Gründe). Dabei kann der Umstand, daß alle für den Betriebsübergang erforderlichen Rechtsgeschäfte bereits vor Konkurseröffnung abschließend verhandelt waren, Indiz dafür sein, daß die tatsächliche Leitungsmacht übertragen worden ist, der Betriebserwerber also rechtlich in der Lage war, die betriebliche Leitungs- und Organisationsgewalt anstelle des Betriebsveräußerers auszuüben (BAGE 68, 160, 167 ff. = AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG, zu III 2 und 3 der Gründe; Senatsurteil vom 16. Februar 1993 – 3 AZR 347/92 – AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung, zu 2 b der Gründe).

Geht es um die Feststellung des Zeitpunkts des Betriebsübergangs im Konkurs, hat der Betriebserwerber zunächst den nach seiner Auffassung maßgeblichen und von der Haftung entlastenden Erwerbstatbestand nach Konkurseröffnung nach Inhalt und Zeitpunkt darzulegen und im Streitfall zu beweisen. Danach muß derjenige, der sich auf die unbeschränkte Haftung des Erwerbers berufen will, Tatsachen vortragen, aus denen sich ergibt, daß bereits vor dem behaupteten Zeitpunkt dem Erwerber die rechtliche Möglichkeit eingeräumt worden war, betriebliche Leitungsmacht auszuüben. Hierfür genügt der Hinweis auf im wesentlichen abgeschlossene Vertragsverhandlungen nicht. Ist der Wechsel in der betrieblichen Leitungsmacht vor Eröffnung des Konkursverfahrens nicht nach außen hin deutlich geworden, kann gleichwohl ein Betriebsübergang vor Konkurseröffnung vorliegen, wenn der Prozeßgegner des Betriebserwerbers im einzelnen darlegt und – soweit erforderlich – beweist, daß es zu einer Vereinbarung gekommen ist, wonach die betriebliche Leitungsmacht vor dem konkreten Abschluß der einzelnen Erwerbsgeschäfte übergegangen ist.

3. Von diesen Rechtsgrundsätzen ist das Landesarbeitsgericht ausgegangen und hat zu Recht darauf erkannt, daß der Betriebsübergang auf die Beklagte erst nach der Konkurseröffnung am Morgen des 11. Juli 1988 erfolgt ist. Die Beklagte braucht deshalb für den noch offenstehenden, bis zu diesem Zeitpunkt erdienten Teil des Versorgungsanspruchs des Klägers nicht einzustehen.

a) Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Beklagte den Betrieb erst nach Konkurseröffnung, und zwar vom Konkursverwalter und nicht etwa von den bisherigen Betriebsinhabern, erwerben wollte. Vor Konkurseröffnung lag ein annahmefähiges Angebot der Beklagten auf Übernahme des Betriebes nicht vor. Der Kaufvertrag ist dann auch tatsächlich erst nach Konkurseröffnung abgeschlossen worden. Die Beklagte hat vor diesem Zeitpunkt auch unstreitig keinerlei Rechte zur Nutzung von Betriebsmitteln der Gemeinschuldnerin erworben. Damit bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagte durch ausdrückliche Vereinbarung die betriebliche Leitungsmacht vor Arbeitsbeginn am Morgen des 11. Juli 1988 übernommen hat.

b) Das Landesarbeitsgericht hat auch keine Umstände festgestellt, die den Schluß darauf zulassen, daß die Beteiligten mündlich entgegen den schriftlichen Vereinbarungen einen früheren Zeitpunkt des Übergangs der Leitungsmacht vereinbart haben.

Zwar hat die Beklagte bereits vor Konkurseröffnung Verhandlungen mit Vertretern der Belegschaft geführt, um einen Betrieb mit verringerter Arbeitnehmerzahl übernehmen zu können. Daraus kann man aber nicht schließen, daß die Beklagte die arbeitsteilige Betriebsorganisation ganz oder teilweise geleitet hat oder hätte leiten können. Die von der Beklagten geführten Verhandlungen bereiteten die Betriebsübernahme vor; sie deuten nicht auf einen bereits vollzogenen Betriebsübergang.

Es kommt entgegen der Auffassung des Streithelfers auch nicht darauf an, ob die vorbereiteten Erklärungen, mit denen bestimmte Arbeitnehmer dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte widersprochen haben, bereits am 8. Juli 1988, also vor Konkurseröffnung, von den betreffenden Arbeitnehmern unterzeichnet worden sind. Die schriftlichen Erklärungen sind erst in oder nach der Betriebsversammlung vom 11. Juli 1988, also nach Konkurseröffnung, der Beklagten übergeben worden.

Auch aus dem nach Behauptung des Streithelfers vor Konkurseröffnung übernommenen und ausgeführten Auftrag der Banken, den an diese sicherungsübereigneten Warenbestand zu veräußern, kann nicht auf eine vorzeitige Übernahme der betrieblichen Leitungsmacht geschlossen werden. Der Streithelfer hat nicht behauptet, daß die Beklagte sich zur Durchführung dieses Auftrages vor Konkurseröffnung der Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin bedient hätte. Nur wenn dies der Fall gewesen wäre, wäre sein Vortrag möglicherweise im geltend gemachten Sinne aussagefähig gewesen. Es kann deshalb auch dahinstehen, ob das Landesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang, wie der Streithelfer meint, die Darlegungs- und Beweislast verkannt hat.

4. Die Berufung der beklagten Auffanggesellschaft auf das Haftungsprivileg ist nicht rechtsmißbräuchlich. Das Verhalten der Beklagten verstößt insbesondere nicht gegen Sinn und Zweck von § 613 a Abs. 1 BGB und § 7 Abs. 5 BetrAVG (vgl. BAGE 62, 224, 229 = AP Nr. 10 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung, zu II 2 b der Gründe).

Die Haftungserleichterung bei einer Betriebsübernahme im Konkurs folgt den zwingenden Regeln des Konkursrechts. Sie ist geeignet, betriebliche Einheiten trotz der wirtschaftlichen Notlage des Betriebsinhabers zu erhalten, weil sie die Belastungen aus einem Betriebserwerb verringert und damit die Chancen für das wirtschaftliche Überleben eines Betriebes mehrt. Darüber hinaus verbessert sie die Chancen der Konkursgläubiger, daß zumindest ein Teil der ihnen gegen die Gemeinschuldnerin zustehenden Forderungen erfüllt wird.

Von diesen Wertungsgrundlagen geht die ständige Rechtsprechung des Senats aus. Sie gelangt zu einer Haftungserleichterung des Betriebserwerbers im Konkurs durch teleologische Reduktion des § 613 a BGB. Ein Erwerber, der sein rechtsgeschäftliches Verhalten an diesen Möglichkeiten orientiert, handelt nicht rechtsmißbräuchlich. Dies gilt auch, soweit sich daraus eine Belastung des Streithelfers ergibt. Es ist dessen Aufgabe, bei wirtschaftlicher Notlage des Gemeinschuldners für die ansonsten notleiden den Versorgungsansprüche der Arbeitnehmer und Betriebsrentner einzustehen. Der Einwand des Rechtsmißbrauchs kann nur unter besonderen Voraussetzungen berechtigt sein, etwa wenn das Konkursverfahren funktionswidrig zur unredlichen Übertragung von Verbindlichkeiten des Gemeinschuldners ausgenutzt wird. Für eine solche Annahme besteht vorliegend kein Anlaß.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Kremhelmer, Bepler, Dr. Offergeid, H. Frehse

 

Fundstellen

NJW 1997, 1027

JR 1997, 308

NZA 1997, 94

ZIP 1996, 1914

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