Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleichbehandlung bei Gratifikationen an Arbeitnehmer

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Zweck einer Weihnachtsgratifikation rechtfertigt es in der Regel nicht, hinsichtlich der Höhe zwischen Arbeitern und Angestellten zu differenzieren (Bestätigung von BAG Urteil vom 5.3.1980 5 AZR 881/78 = BAGE 33, 57 = AP Nr 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).

2. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes entfällt nicht schon deshalb, weil die ohne sachlichen Grund begünstigte Gruppe kleiner ist als die benachteiligte Gruppe.

3. Mit einer höheren Weihnachtsgratifikation für eine Gruppe von Arbeitnehmern kann auch der Zweck verfolgt werden, höhere übertarifliche Leistungen auszugleichen, die ohne besondere Zweckbindung an andere Gruppen von Arbeitnehmern gewährt werden.

4a. Verschieden hohe Ausfallzeiten wegen Krankheit sind kein sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungsmerkmal für unterschiedlich hohe Sonderzuwendungen an die entsprechenden Arbeitnehmergruppen.

b. Ebenso bildet ein unterschiedlicher Fluktuationsgrad von Arbeitern und Angestellten kein sachliches Unterscheidungsmerkmal für unterschiedlich hohe Sonderzuwendungen an diese Gruppen.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 611; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 17.12.1981; Aktenzeichen 10 Sa 729/81)

ArbG Bochum (Entscheidung vom 15.04.1981; Aktenzeichen 3 Ca 638/80)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Kläger als gewerbliche Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1980 in Höhe der an die Angestellten des Betriebes gewährten Leistungen haben.

Die Beklagte beschäftigt in ihrem Zweigwerk in W etwa 650 gewerbliche Arbeitnehmer und etwa 50 Angestellte. Die Kläger sind langjährig bei der Beklagten tätige gewerbliche Arbeitnehmer, die im Zeitlohn oder - wie die Klägerin zu 1) - im Leistungslohn beschäftigt werden. Der weit überwiegende Teil der gewerblichen Arbeitnehmer ist im Leistungslohn beschäftigt und wird nach den tariflichen Akkord- und Prämiensätzen entlohnt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens Anwendung. Nach dem danach maßgeblichen Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens vom 30. Oktober 1976 haben alle Arbeitnehmer der Beklagten Anspruch auf eine betriebliche Sonderzahlung. Nach § 2 des TV ist die Beklagte verpflichtet, je nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit zwischen 20 % und 50 % eines Monatsverdienstes bzw. einer Monatsvergütung am 1. Dezember eines jeweiligen Jahres zu gewähren. Nach § 2 Ziff. 4 des TV ist diese Leistung nach dem durchschnittlichen Stundenverdienst der vorangegangenen 13 Wochen einschließlich der Mehrarbeitsvergütung zu errechnen. Den Klägern wie den übrigen gewerblichen Arbeitnehmern des Betriebes wurden im Jahr 1980 diese tariflichen Leistungen gewährt.

An die Angestellten zahlte die Beklagte 1980 neben der tariflichen Sonderzuwendung ebenso wie in der Vergangenheit eine übertarifliche, freiwillige Weihnachtsgratifikation in Höhe der Differenz zu 100 % einer Monatsvergütung.

Auf Anfrage der Kläger teilte die Beklagte mit Schreiben vom 6. November 1980 als Gründe für die unterschiedliche Behandlung der Arbeiter und Angestellten mit, die Gruppe der Arbeiter habe im Gegensatz zu der der Angestellten einen Verdienst, der entweder im Durchschnitt erheblich über dem Tarifniveau liege oder aber durch entsprechende Arbeitsleistung in der Höhe beeinflußt werden könne. Darüber hinaus weise die Gruppe der Angestellten einen unverhältnismäßig niedrigen Krankenstand auf und leiste somit auch einen höheren Beitrag zum Betriebsergebnis. Im Laufe des Rechtsstreits hat die Beklagte - von den Klägern nicht bestritten - diese Angaben dahingehend konkretisiert, daß der übertarifliche Anteil der im Zeitraum 1980 beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer bei den Zeitlöhnern im W Zweigwerk 3,52 % des Tariflohns, im Gesamtunternehmen der Beklagten 11,18 % betrage. Demgegenüber erzielten die Angestellten im Zweigwerk W ein im Durchschnitt um 1,25 % über dem Tarifgehalt liegendes effektives Einkommen. Bei den Leistungslöhnen lägen die Akkord- und Prämienverdienste im Zweigwerk W bei 128,6 % des tariflichen Akkordrichtsatzes.

Der durchschnittliche Krankenstand im W Betrieb habe im Jahre 1980 bei den Arbeitern 11,13 %, bei den Angestellten 2,23 % betragen. Die Fluktuation habe sich unter den Arbeitern auf 23,88 %, unter den Angestellten auf 5,17 % belaufen.

Die Kläger haben sich darauf berufen, es bestehe kein sachlicher Grund, Angestellten und Arbeitern unterschiedlich hohe Gratifikationen zu gewähren. Sie haben behauptet, der höhere Effektivverdienst werde nicht im Arbeiter-, sondern im Angestelltenbereich erzielt. Auf den unterschiedlichen Krankenstand, der sich im übrigen allein durch die schlechten Arbeitsbedingungen der Arbeiter erklären lasse, könne die Beklagte eine unterschiedlich hohe Gratifikation nicht stützen.

Soweit die Beklagte im anhängigen Verfahren sich auf weitere Differenzierungsgründe berufen habe, könne sie damit nicht mehr gehört werden.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

an die Klägerin zu 1) 969,66 DM brutto,

an den Kläger zu 2) 866,73 DM brutto und

an den Kläger zu 3) 405,69 DM brutto,

jeweils mit 4 % Zinsen seit dem 23. De-

zember 1980, zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die in der Entlohnung, der Fluktuation und dem Krankenstand zum Ausdruck kommenden tatsächlichen Unterschiede zwischen den Angestellten und Arbeitern des Betriebes rechtfertigten die unterschiedliche Gratifikationshöhe. Der von den Klägern geltend gemachte Gleichbehandlungsgrundsatz sei hier schon deswegen nicht anzuwenden, weil die Mehrheit der gewerblichen Arbeitnehmer eine Gleichstellung mit den in der Minderheit befindlichen Angestellten verlange.

Das Arbeitsgericht hat den Klagen in vollem Umfang stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klagen abgewiesen. Mit ihren Revisionen begehren die Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind nicht begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch aus Gründen der Gleichbehandlung auf eine übertarifliche Weihnachtsgratifikation, denn die Beklagte hat die Leistungen an die Angestellten aus sachlichen Gründen höher bemessen.

I. 1. Die Kläger haben ebenso wie die Angestellten der Beklagten die ihnen nach dem Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens vom 30. Oktober 1976 in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens (Zuwendungs-TV Metall NW) für 1980 zustehende betriebliche Sonderzahlung erhalten. Die Beklagte hat allerdings als betriebliche Leistung ein Weihnachtsgeld gezahlt. Nach § 4 Zuwendungs-TV Metall NW gelten solche Leistungen als betriebliche Sonderzahlungen im Sinne des § 2 des Tarifvertrages und erfüllen den tariflichen Anspruch. Die Beklagte hat ihren Angestellten ein Weihnachtsgeld in Höhe eines vollen Monatseinkommens, wenn auch ohne Mehrarbeitsvergütung, gezahlt, das über dem tariflich festgelegten Betrag der Sonderzahlung lag. Die Kläger, die ebenfalls die tariflich vorgesehene Sonderzahlung, aber keinen vollen Monatsverdienst erhalten haben, können ein entsprechend hohes Weihnachtsgeld wie die Angestellten nur beanspruchen, wenn die Beklagte den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt hat.

2. In der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung wie im arbeitsrechtlichen Schrifttum ist seit langem anerkannt, daß der Arbeitgeber, der in seinem Betrieb nach von ihm gesetzten allgemeinen Regeln Leistungen gewährt, deren Voraussetzungen so abgrenzen muß, daß nicht einzelne oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund ausgenommen oder schlechtergestellt werden. Dabei ist die Frage, ob eine sachgerechte Abgrenzung erfolgt ist, danach zu beurteilen, welchem Zweck die freiwilligen Leistungen dienen sollen. Diesen kann der Arbeitgeber zwar frei bestimmen. Jedoch ist auch insoweit noch zu prüfen, ob der mit den Leistungen verfolgte Zweck nicht als solcher sachwidrig ist und deshalb die auf ihn gestützte Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen kann (vgl. zuletzt BAG 28, 14, 18 = AP Nr. 40 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu 2 a der Gründe; BAG Urteil vom 10. März 1982 - 4 AZR 540/79 - AP Nr. 47 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAG 39, 133 = AP Nr. 51 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu 2 der Gründe).

II. 1. Der Senat hält an dem in seiner Entscheidung vom 5. März 1980 (BAG 33, 57 = AP Nr. 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung) ausgesprochenen Grundsatz fest, daß der Arbeitgeber sachwidrig verfährt, wenn er bei einer freiwillig gewährten Weihnachtsgratifikation den Angestellten generell einen höheren Prozentsatz ihrer Bezüge zukommen läßt als den Arbeitern. Die Weihnachtsgratifikation soll, sofern nichts anderes verlautbart oder aus den Bedingungen, unter denen sie versprochen wird, zu entnehmen ist, dazu dienen, in der Vergangenheit geleistete Dienste zusätzlich zu vergüten und zu den anläßlich des Weihnachtsfestes entstehenden besonderen Aufwendungen der Arbeitnehmer beizutragen. Geht man von diesen Zwecken aus, so ist es nicht sachgerecht, die Angestellten gegenüber den Arbeitern in dem Bemessungsmaßstab zu begünstigen. Zusätzliche Aufwendungen fallen bei den Angehörigen beider Gruppen gleichermaßen an. Ebenso haben Arbeiter und Angestellte in der Vergangenheit in gleicher Weise ihre Arbeitsleistung erbracht. Deren unterschiedlicher Wert kann berücksichtigt werden. Doch geschieht dies schon, indem - wie üblich - ein bestimmter Prozentsatz des unterschiedlich hohen Arbeitsentgelts als Gratifikation gewährt wird. Diesen Wertungen des genannten Urteils ist im Schrifttum überwiegend zugestimmt worden (vgl. Mayer-Maly, Anm. zu AP Nr. 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; Herschel, AR-Blattei, D, Gratifikationen, Entscheidungen, Anm. zu Entscheidung Nr. 80; Reuter, SAE 1981, 1, 4; Falkenberg, Anm. zu EzA Nr. 21 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; Lipke, DB 1983, 111, 115; Farthmann, Festschrift für Hilger und Stumpf, S. 177 ff.).

2. Die von einigen Landesarbeitsgerichten (vgl. Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 11. November 1981 - 22 Sa 421/81 - EzA Nr. 27 zu § 242 BGB Gleichbehandlung) und von Zöllner (Arbeitsrecht, 3. Aufl., § 17 IV 2, S. 182) erhobenen Bedenken veranlassen den Senat nicht, für die Weihnachtsgratifikation mit den zuvor erörterten Zwecken eine Gruppenbildung für sachgerecht anzusehen, die nur darauf abstellt, ob es sich um Angestellte oder Arbeiter handelt.

a) Die genannten Kritiker halten eine solche Gruppenbildung für sachgerecht, weil auch der Gesetzgeber in so bedeutsamen Fragen wie den Kündigungsfristen und der Entgeltzahlung im Krankheitsfall unterschiedliche, die Angestellten besserstellende Regelungen getroffen habe. Deshalb sei nicht zu beanstanden, wenn die Rechtsunterworfenen diese Unterscheidungsmerkmale ebenfalls verwendeten. Das gelte um so mehr, als es sich um freiwillige Leistungen des Arbeitgebers handele.

b) Diese Auffassung geht von einer nicht gesicherten Grundlage aus; ihr kann schon deshalb nicht gefolgt werden. Richtig ist zwar, daß der Gesetzgeber etwa für die Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die gesetzlichen Kündigungsfristen sich bei längerer Betriebszugehörigkeit und höherem Lebensalter verlängern, für Angestellte und Arbeiter unterschiedliche Bestimmungen getroffen hat. Dabei sind die Angestellten in beiden Beziehungen begünstigt (vgl. § 2 AngKSchG einerseits, § 622 Abs. 2 BGB andererseits). Bevor hieraus Folgerungen für andere Bereiche gezogen werden können, ist jedoch zu fragen, ob diese Ungleichbehandlung mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 16. November 1982 entschieden, daß die Vorschrift des § 622 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BGB verfassungswidrig ist (NJW 1983, 617 = EzA Art. 3 GG Nr. 13). Nach dieser Vorschrift werden für die nach der Beschäftigungsdauer bei demselben Arbeitgeber bemessenen längeren Kündigungsfristen für Arbeiter Zeiten nicht berücksichtigt, die vor der Vollendung des 35. Lebensjahres liegen. Bei den Angestellten werden dagegen nach § 2 Abs. 1 Satz 3 AngKSchG nur Zeiten nicht berücksichtigt, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres liegen. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, der Status der Arbeitnehmer, der für die unterschiedliche Berechnung der maßgeblichen Beschäftigungszeiten allein maßgebend sei, sei als Merkmal im Hinblick auf den Gleichheitssatz nur so lange unbedenklich, als die damit verbundene Differenzierung auf sachgerechten Erwägungen beruhe. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, die historisch gewachsene Unterscheidung der Arbeiter und Angestellten allein könne die Verfassungsmäßigkeit der beurteilten unterschiedlichen Regelungen nicht rechtfertigen. Es sei vielmehr von dem Zweck auszugehen, der mit verlängerten Kündigungsfristen verbunden ist, nämlich möglichst aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus nach dessen Kündigung einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Insoweit sei aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse kein sachlicher Anhalt dafür zu finden, daß die Lage der älteren und länger beschäftigt gewesenen Arbeiter günstiger sei als die von Angestellten unter gleichen Umständen. Deshalb sei es nicht gerechtfertigt, sie jedenfalls bei der Berücksichtigung der Beschäftigungsdauer ungünstiger zu stellen.

Zu der weiteren Frage, ob die bei gleicher Beschäftigungsdauer für Arbeiter und Angestellte unterschiedlich lang bemessenen Kündigungsfristen und unterschiedlichen Kündigungstermine einer Überprüfung nach Art. 3 Abs. 1 GG standhalten, steht eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch aus. Hierzu sind ihm jedoch bereits Vorlagebeschlüsse unterbreitet.

Für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geht der Hinweis der kritischen Stimmen auf eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitern und Angestellten ebenfalls fehl. Seit der Geltung des Lohnfortzahlungsgesetzes vom 27. Juli 1969 werden vielmehr alle Arbeitnehmergruppen im wesentlichen gleichbehandelt. Aber auch für andere Fälle unverschuldeter Arbeitsverhinderung, wie der Pflege von erkrankten nahen Angehörigen, insbesondere von Kindern, hat der Senat ausgesprochen, daß von einer dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG genügenden einheitlichen Regelung für alle Arbeitnehmer auszugehen sei. Deshalb sei § 616 Abs. 1 Satz 1 BGB als Norm, die alle Arbeitnehmer erfaßt, verfassungskonform auch im Falle der Pflege erkrankter Kinder ausschließlich anzuwenden (BAG 32, 32 = AP Nr. 49 zu § 616 BGB). Eine weitere Gleichbehandlung hat der Senat auf der Grundlage der für Arbeiter in § 1 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 LohnFG getroffenen gesetzlichen Regelung zu der Frage für geboten angesehen, ob ein Fortsetzungszusammenhang zwischen zwei Krankheiten vorliegt. Die genannte gesetzliche Wertung nötige, um eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zu vermeiden, zu einer entsprechenden verfassungskonformen Auslegung des § 616 Abs. 1 Satz 1 BGB, des § 63 Abs. 1 Satz 1 HGB und des § 133 c Satz 1 GewO (BAG Urteil vom 29. September 1982 - 5 AZR 130/80 - AP Nr. 50 zu § 1 LohnFG, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

c) Schließlich kann nicht außer Betracht bleiben, daß das Arbeitsrecht gerade aus neuerer Zeit eine Vielzahl von Gesetzen kennt, die ohne die begriffliche Unterscheidung von Arbeitern und Angestellten auskommen. Beispielhaft wären zu nennen das Kündigungsschutzgesetz, das Bundesurlaubsgesetz, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung. Das Arbeitsgerichtsgesetz in der Fassung vom 2. Juli 1979 spricht zwar in § 5 die Arbeitnehmergruppen der Angestellten und Arbeiter an, die verfahrensrechtlichen Bestimmungen enthalten aber keine differenzierte Behandlung je nach Gruppenzugehörigkeit.

d) Nach alledem kann bei freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers eine Ungleichbehandlung zwischen der Gruppe der Angestellten und der der Arbeiter nicht von vornherein allein deshalb als sachgerecht angesehen werden, weil die Gruppenzugehörigkeit als solche eine Differenzierung rechtfertige. Vielmehr ist jeweils zu prüfen, ob der mit der Leistung verfolgte Zweck die unterschiedliche Behandlung sachlich rechtfertigt.

3. Der vorgenannte Grundsatz gilt auch dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, die begünstigte Gruppe der Angestellten kleiner ist als die Gruppe der Arbeiter.

a) Für derartige Verhältnisse wird die Ansicht vertreten, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung nicht gelte. Hierzu wird auf die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 3. April 1957 - 4 AZR 644/54 - AP Nr. 4 zu § 242 BGB Gleichbehandlung und vom 12. Juli 1957 - 1 AZR 129/56 - AP Nr. 5 zu § 242 BGB Gleichbehandlung verwiesen. In diesen Urteilen sei zum Ausdruck gebracht, von einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes könne nur dann gesprochen werden, wenn entgegen einer im Betrieb üblichen allgemeinen Regelung ein einzelner Arbeitnehmer oder einzelne Arbeitnehmer schlechter behandelt würden als die überwiegende Mehrzahl der Arbeitnehmer und dies auf unsachlichen Gründen beruhe. Daraus wird hergeleitet, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung nur dann verletzt sein könne, wenn einzelne Arbeitnehmer gegenüber der Mehrzahl ihrer Kollegen oder eine Minderheitsgruppe gegenüber einer größeren Gruppe benachteiligt würden.

b) Diese Ansicht wird dem Grundgedanken des Gleichheitsgebots nicht gerecht. Sie kann sich auch nicht auf die vorerwähnten Entscheidungen stützen. Richtig ist allerdings folgendes: Wenn der Arbeitgeber, was ihm die Vertragsfreiheit gewährleistet, einzelne Arbeitnehmer besserstellt, so können daraus andere Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Gleichbehandlung herleiten. Anders liegen die Dinge jedoch, wenn der Arbeitgeber die Leistungen nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, d. h. wenn er bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt. Dann muß er sich daran festhalten lassen und die Leistungen allen Arbeitnehmern gewähren, bei denen die von ihm gesetzten Kriterien zutreffen. Geschieht dies nicht, so steht den übergangenen Arbeitnehmern wegen willkürlicher Benachteiligung ein Anspruch aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung zu. Dabei spielt es dann keine Rolle, ob die Zahl der Arbeitnehmer, die der Arbeitgeber als begünstigt ansah, kleiner ist als die Zahl derjenigen, die die Kriterien ebenfalls erfüllen, aber übergangen worden sind (vgl. dazu auch Mayer-Maly, Das Recht der Arbeit 1980, 261, 267).

Der Senat verkennt nicht, daß dann, wenn die Mehrzahl der Arbeitnehmer aus Gründen der Gleichbehandlung anspruchsberechtigt ist, sich eine erhebliche finanzielle Belastung für den Arbeitgeber ergeben kann. Hierzu kann es jedoch nur kommen, wenn der Arbeitgeber die von ihm vorgegebene Regelung willkürlich nicht auf alle von ihr erfaßten Arbeitnehmer anwendet oder wenn die Regelung sachwidrige Differenzierungsmerkmale enthält. Beide Situationen kann der Arbeitgeber, der die Regeln aufstellt und anwendet, durch sein eigenes Verhalten jedoch vermeiden. Dabei kann sich allerdings ergeben, daß er Unterscheidungsmerkmale für zulässig angesehen hat, die, wie hier die Zugehörigkeit zu der Gruppe der Arbeiter einerseits und der Angestellten andererseits, jedenfalls seit der Erkenntnis des Senats vom 5. März 1980 nicht mehr als sachgerecht anerkannt werden können. Daraus folgenden Belastungen, mit denen der Arbeitgeber nicht zu rechnen brauchte und auf die er sich nicht einrichten konnte, kann jedoch durch eine der Sachlage angepaßte Übergangsregelung Rechnung getragen werden (vgl. dazu das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil des Senats vom 25. Januar 1984 - 5 AZR 44/82 -).

III. Geht man von den vorstehenden Grundsätzen aus, so steht den Klägern gleichwohl keine Gratifikation in Höhe der den Angestellten gewährten Leistungen zu. Die Beklagte hat die Leistungen an die Angestellten aus zu billigenden sachlichen Gründen höher bemessen.

1. a) Der Senat hat schon in seinem Urteil vom 5. März 1980 näher dargelegt, daß die sachliche Rechtfertigung einer Differenzierung oder Gruppenbildung am Zweck der freiwilligen Leistung zu messen sei. Dabei ist in bezug auf die sogenannten Weihnachtsgratifikationen ausgeführt worden, daß ein sachlicher Grund, sie für eine Gruppe von Arbeitnehmern höher zu bemessen, etwa darin liegen könne, wegen der Arbeitsmarktsituation diese Gruppe stärker an den Betrieb zu binden. Auch könnten besondere Belastungen einer Gruppe im abgelaufenen Jahr besonders anerkannt werden.

b) Hier hat die Beklagte nicht auf die Zwecke abgestellt, die üblicherweise mit einer Weihnachtsgratifikation verbunden werden. Die Bezeichnung der Sonderzahlung als Weihnachtsgratifikation sagt über die Zwecke noch nichts. Gerade mit der sogenannten Weihnachtsgratifikation werden seit langem Zwecke verfolgt, die von den in der Entscheidung vom 5. März 1980 angeführten Zielen abweichen. Das gilt insbesondere von den Rückzahlungsvorbehalten. Diese führen in dem von der Rechtsprechung entwickelten Rahmen zu einer zulässigen Bindung der Arbeitnehmer. Sie bewirken jedoch, daß, wenn die Voraussetzungen für die Rückzahlung erfüllt sind, der gesamte Betrag zu erstatten ist. Die anderen, an sich mit dieser Leistung ursprünglich verbundenen Zwecke (belohnte Betriebstreue, Beitrag zu den vermehrten Ausgaben) fallen dann ganz aus. Dem Senat sind in seiner Rechtsprechung auch Vertragsgestaltungen begegnet, in denen mit der als Weihnachtsgratifikation bezeichneten Leistung Zwecke einer Anwesenheitsprämie verknüpft waren (nicht veröffentlichtes Urteil vom 19. Mai 1982 - 5 AZR 1242/79 -). Im tariflichen Bereich ist folgendes festzustellen: Trotz Festhaltens an der Fälligkeit zum Jahresende hin werden die zusätzlichen Leistungen allgemein nicht als Weihnachtsgeld oder -gratifikation, sondern als Zuwendung, Sonderzahlung, Jahresvergütung, Jahressondervergütung, Jahresleistung oder 13. Monatseinkommen bezeichnet (vgl. dazu Senatsurteile vom 8. Februar 1978 - 5 AZR 756/76 - AP Nr. 94, vom 27. Oktober 1978 - 5 AZR 139/77 - AP Nr. 96, BAG 31, 131 = AP Nr. 98, vom 9. Oktober 1979 - 5 AZR 949/77 - AP Nr. 105 und vom 18. Mai 1983 - 5 AZR 133/81 - AP Nr. 115, jeweils zu § 611 BGB Gratifikation). Damit wird jedenfalls von der Bezeichnung her der Entgeltcharakter in den Vordergrund gestellt, mag auch die für die Qualifikation der Leistung entscheidende Ausgestaltung in mehr oder weniger großem Umfang noch die Merkmale einer Weihnachtsgratifikation aufweisen. Deshalb ist es naheliegend, daß auch in dem Bereich, in dem aufgrund betrieblicher Zusagen Leistungen unter der Bezeichnung Weihnachtsgratifikation gewährt werden, vielfach andere als die mit der Benennung an sich verbundenen Zwecke verfolgt werden. Allerdings sind diese, wenn sie eine unterschiedliche Bemessung an die Arbeitnehmer eines Betriebes rechtfertigen sollen, vom Arbeitgeber darzulegen.

2. a) Die Beklagte hat die übertarifliche Sonderzahlung an die Angestellten des Betriebes damit begründet, daß die im Zeitlohn beschäftigten Arbeiter im Durchschnitt erheblich höher über dem Tarifniveau entlohnt würden als vergleichbare Angestellte und sie diese Benachteiligung der Angestellten mit der übertariflichen Sonderzahlung ausgleichen wolle. Auch die im Leistungslohn beschäftigten Arbeitnehmer erzielten erheblich über dem Tariflohn liegende Verdienste, die wegen der Berechnung der tariflichen Sonderzahlung nach dem Durchschnittsverdienst sich auch auf deren Höhe auswirke, während den Angestellten diese Möglichkeit nicht eröffnet sei. Wie sie unbestritten dargelegt hat, liegen im W Zweigwerk die Durchschnittslöhne bei den Zeitlohnempfängern um 3,52 % über dem Tarifniveau, die Durchschnittseinkommen der Angestellten dagegen nur um 1,25 %. Bei den Leistungslöhnen liegen die Akkord- und Prämienverdienste im Zweigwerk W bei 128,6 % des tariflichen Akkordrichtsatzes.

Die Beklagte hat damit deutlich gemacht, daß sie mit der übertariflichen Leistung an die Angestellten nicht nur zu den anläßlich des Weihnachtsfestes entstehenden Mehraufwendungen einen Beitrag leisten will, sondern darüber hinaus auch das Ziel verfolgt, eine Benachteiligung der Angestellten im Entgeltbereich, die auf den unterschiedlichen Verdienstmöglichkeiten beruht, wieder auszugleichen. Dies sind sachliche Gründe, die rechtlich nicht zu beanstanden sind.

b) Die Beklagte hat weiter die wesentlich geringeren Ausfallzeiten wegen Krankheit der Angestellten gegenüber denen der Arbeiter als Grund für den Ausschluß der gewerblichen Arbeitnehmer bei der Gewährung der freiwilligen Sonderzahlungen angegeben und der von ihr gewährten Sonderleistung damit den Charakter einer Anwesenheitsprämie gegeben. Das rechtfertigt den Ausschluß schon deshalb nicht, weil nach der Rechtsprechung des Senats Anwesenheitsprämien nur wegen unentschuldigten Fehlens, nicht aber auch wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten, soweit für sie Lohn- bzw. Gehaltsfortzahlung geschuldet wird, gekürzt werden dürfen. Das berechtigte Interesse des Arbeitgebers, Mißbräuchen bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall entgegentreten zu können, berechtigt ihn weder, die Anwesenheitsprämie eines erkrankten Arbeitnehmers noch gar die der einen höheren Krankenstand aufweisenden Arbeitnehmergruppe im Betrieb zu streichen (BAG 39, 67 ff. = AP Nr. 12 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie). Entsprechendes gilt für den Fall, in dem der Arbeitgeber die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmergruppen bei der Zahlung freiwilliger Leistungen mit krankheitsbedingten Fehlzeiten im abgelaufenen Jahr begründet. Gerade auch hinsichtlich der von dem Berufungsgericht vorgetragenen Bedenken, daß der Arbeitnehmer in bestimmten Grenzfällen selbst mitbestimme, ob er krankgeschrieben werde oder nicht, steht - worauf der Senat in der Entscheidung vom 19. Mai 1982 (BAG 39, 67 ff. = AP Nr. 12 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie) bereits hingewiesen hat - dem Arbeitgeber ein sachgerechtes Mittel zur Verfügung, um Mißbräuche zu verhindern. Denn nach § 369 b RVO sind die Krankenkassen verpflichtet, "eine Begutachtung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Vertrauensarzt zu veranlassen, wenn es ... zur Beseitigung von begründeten Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit erforderlich erscheint". Diese Bestimmung soll dem Arbeitgeber die Gewähr geben, daß die Arbeitsunfähigkeit bei begründeten Zweifeln nachgeprüft wird.

c) Schließlich hat sich die Beklagte auf den unterschiedlich hohen Fluktuationsgrad berufen, der für das Jahr 1980 bei den gewerblichen Arbeitnehmern 23,88 % und bei den Angestellten 5,17 % betrage. Das Berufungsgericht hat den unterschiedlichen Fluktuationsgrad allein als sachlich rechtfertigenden Unterscheidungsgrund genügen lassen. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Die Beklagte hat hiermit ein Differenzierungsmerkmal herangezogen, das für die im Betrieb verbliebenen Arbeitnehmer - und nur diese können einen Anspruch auf die übertarifliche Jahressonderzahlung geltend machen - unabhängig von ihrer Gruppenzugehörigkeit keine Gültigkeit haben kann. Die Beklagte beruft sich allein mit dem Hinweis darauf, daß erheblich mehr Arbeiter als Angestellte aus dem Betrieb ausgeschieden seien, auf einen Umstand, der sachlich nur eine Unterscheidung hinsichtlich der Arbeitnehmer zuläßt, die aus dem Betrieb ausgeschieden sind, und denen, die sich betriebstreu verhalten haben. Den verbliebenen gewerblichen Arbeitnehmern kann jedoch unter Berufung darauf, daß innerhalb ihrer Gruppe eine besonders große Zahl von Arbeitskollegen den Betrieb verlassen haben, ein Verzicht auf eine freiwillige Leistung nicht zugemutet werden. Ebenso gebührt den Angestellten nicht schon deshalb eine Sonderzuwendung, weil die Zahl ihrer angestellten Mitarbeiter, die dem Betrieb die Treue nicht gehalten haben, relativ gering ist.

IV. Da nach allem die Gewährung der Jahressonderzahlung nur in Höhe der tariflichen Verpflichtung an die gewerblichen Arbeitnehmer sachlich jedenfalls deshalb gerechtfertigt ist, weil die Beklagte damit die unterschiedlichen übertariflichen Lohn- und Gehaltszahlungen ausgleichen wollte, können die Kläger eine Sonderleistung in gleicher Höhe nicht verlangen, wie sie die Angestellten der Beklagten erhalten haben.

Dr. Thomas Dr. Heither Schneider

Dr. Krems Schumacher

 

Fundstellen

BAGE 45, 86-91 (LT1-4)

BAGE, 86

DB 1984, 2355-2356 (LT1-4)

NJW 1985, 165-167 (LT1-4)

BlStSozArbR 1985, 22-22 (T)

JR 1985, 352

NZA 1984, 323-326 (LT1-4)

SAE 1985, 200-204 (LT1-4)

AP § 242 BGB Gleichbehandlung (LT1-4), Nr 68

AR-Blattei, ES 820 Nr 85 (LT1-4)

AR-Blattei, Gratifikation Entsch 85 (LT1-4)

EzA § 242 BGB Gleichbehandlung, Nr 39 (LT1-4)

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