Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristung aus Haushaltsgründen, tatsächliche Weiterbeschäftigung nach Zustellung des Feststellungsurteils

 

Normenkette

BGB §§ 620, 625; Haushaltsgesetz Nordrhein-Westfalen § 7 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 14.08.1996; Aktenzeichen 4 Sa 622/96)

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 19.12.1995; Aktenzeichen 6 Ca 4139/95)

 

Tenor

Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 14. August 1996 – 4 Sa 622/96 – aufgehoben.

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 19. Dezember 1995 – 6 Ca 4139/95 – abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die wirksame Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Die Klägerin war für den Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis zum 6. Oktober 1995 aufgrund mehrfach befristeter Arbeitsverträge als Zeitangestellte beim Finanzamt D. tätig. Auf die Arbeitsverhältnisse fand der BAT kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Als Befristungsgrund für das letzte Arbeitsverhältnis in der Zeit vom 7. Oktober 1994 bis 6. Oktober 1995 war zwischen den Parteien vereinbart: § 7 Abs. 3 HaushaltsG NRW (Stelle 80 B/1994 – 0,5). Die Klägerin war mit der Hälfte der wöchentlichen Arbeitszeit einer vollzeitbeschäftigten Angestellten beschäftigt. Ihre Bezahlung erfolgte aus Haushaltsmitteln, die durch die Ermäßigung der Arbeitszeit auf 0,5 der beim Finanzamt D. vollzeitbeschäftigten Angestellten V. freigeworden waren.

Die Klägerin hat die Befristung des letzten Arbeitsverhältnisses für unwirksam gehalten. Bereits im Zeitraum des Vertragsschlusses habe über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus beim Finanzamt D. ein Beschäftigungsbedarf bestanden; nach wie vor seien 10,5 Stellen nicht besetzt. Die Befristung könne nicht auf haushaltsrechtliche Gründe gestützt werden; die im Arbeitsvertrag enthaltenen Angaben stimmten nicht mit der Planstellenbezeichnung für Frau V. überein.

Die Klägerin hat zuletzt vor dem Landesarbeitsgericht beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund Befristung mit dem 6. Oktober 1995 sein Ende findet, sondern darüber hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter besteht und das beklagte Land zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens weiterzubeschäftigten.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei aus Gründen des Haushaltsrechts wirksam. Durch § 7 Abs. 3 HaushaltsG NRW und die namentliche Verknüpfung mit den durch Teilzeitbeurlaubung freigewordenen Planstellenanteilen sei gewährleistet, daß die Einstellung der Klägerin nur im Rahmen der vorübergehend zur Verfügung stehenden freien Haushaltsmittel erfolge.

Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag stattgegeben. Nach Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung ist die Klägerin ab dem 23. April 1996 bei ihrer bisherigen Beschäftigungsbehörde weiterbeschäftigt worden. Die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und dem Weiterbeschäftigungsantrag stattgegeben. Mit seiner Revision verfolgt das beklagte Land die Abweisung der Klageanträge, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, daß die Befristung des letzten Arbeitsvertrages der Parteien für die Zeit vom 7. Oktober 1994 bis zum 6. Oktober 1995 unwirksam ist.

1. Das Landesarbeitsgericht hat die Befristung für unwirksam gehalten, weil aufgrund der vorangegangen mehrfachen Befristungen der Arbeitsverhältnisse an die Befristungskontrolle strengere Anforderungen zu stellen seien. Haushaltsrechtliche Erwägungen könnten die Befristung nicht rechtfertigen, weil es an einer zeitlichen Bestimmung des Haushaltsgesetzgebers über den Wegfall der aus vorübergehend freien Mitteln zu schaffenden zusätzlichen Arbeitsplätze fehle und aus nicht in Anspruch genommenen Planstellen freie Mittel zur Vergütung von Aushilfkräften stets vorhanden seien.

2. Mit dieser Auffassung verkennt das Landesarbeitsgericht sowohl die Grundsätze zur Befristungskontrolle bei mehrfacher Befristung von Arbeitsverhältnissen als auch aufgrund haushaltsrechtlicher Erwägungen.

a) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts besteht keine Veranlassung, aufgrund der mehrfachen Befristung des Arbeitsverhältnisses die Anforderungen an die Befristungskontrolle zu erhöhen. Nach der Senatsrechtsprechung (zuletzt Urteil vom 22. November 1995 – 7 AZR 252/95 – AP Nr. 178 zu § 620 BGB Befrister Arbeitsvertrag, zu II 2 a der Gründe, m.w.N.) steigen mit der Dauer der Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber die Anforderungen an den Sachgrund. Diese Rechtsprechung beruht auf dem Gedanken einer mit zunehmender Dauer der arbeitsvertraglichen Beziehungen wachsenden Abhängigkeit und sozialer Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers. Das verlangt vom Arbeitgeber bei einer weiteren befristeten Beschäftigung eine besonders sorgfältige Prüfung eines nur vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs und der Möglichkeiten einer dauerhaften Übernahme in ein Arbeitsverhältnis (BAG Urteil vom 11. Dezember 1991 – 7 AZR 431/90 – AP Nr. 141 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 2 b der Gründe, m.w.N.). Diese Rechtsprechung wird maßgeblich bestimmt von der zeitlichen Dauer der arbeitsvertraglichen Beziehungen. Daher hat der Senat strengere Prüfungsanforderungen an den Sachgrund verneint, soweit die Befristung der vorangegangenen Arbeitsverträge nur ein Jahr betragen hatte und sie erst bei einer mehr als fünfjährigen Beschäftigung vor Abschluß des letzten Arbeitsvertrages in Erwägung gezogen, ohne eine feste zeitliche Grenze hierfür festzulegen (BAG Urteil vom 3. Dezember 1986 – 7 AZR 354/85 – AP Nr. 110 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II der Gründe, m.w.N.). Vorliegend war das Arbeitsverhältnis der Parteien zwar mehrfach kurzzeitig befristet. Die darauf bezogene Beschäftigungsdauer belief sich vor Abschluß des letzten Arbeitsvertrages auf ein Jahr und neun Monate. Diese Zeitspanne läßt nicht zwingend auf eine durch langjährige Beschäftigung bei einem Arbeitgeber eintretende Immobilität des Arbeitnehmers und damit steigende Schutzbedürftigkeit schließen.

b) Auch die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zum Sachgrund der Befristung aus haushaltsrechtlichen Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Nach der ständigen Rechtssprechung des Senats können zwar weder die zeitliche Begrenzung des Haushaltsplans auf das jeweilige Haushaltsjahr noch allgemeine Einsparungsanordnungen des Haushaltsgesetzgebers die Befristung von Arbeitsverhältnissen rechtfertigen. Etwas anderes gilt, wenn die Vergütung des befristet eingestellten Arbeitnehmers aus einer konkreten Haushaltsstelle erfolgt, die nur befristet bewilligt worden ist oder deren Streichung zum Ablauf der vereinbarten Befristung mit einiger Sicherheit zu erwarten ist. In diesen Fällen nimmt die Senatsrechtsprechung an, der Haushaltsgesetzgeber habe sich mit den Verhältnissen dieser Stelle befaßt und festgestellt, daß für die Beschäftigung des Arbeitnehmers nur ein vorübergehender Bedarf besteht (vgl. BAG Urteil vom 14. Januar 1982 – 2 AZR 254/80 – BAGE 37, 283 = AP Nr. 64 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu B II 1 der Gründe, m.w.N.). Dem steht die Entscheidung eines Haushaltsgesetzgebers gleich, zusätzlichen, durch die vorhandenen und einsetzbaren Arbeitskräfte nicht abzudeckenden Arbeitsbedarf nur befriedigen zu lassen, wenn und soweit hierfür durch vorübergehende Beurlaubung freigewordene Mittel aus vorhandenen Planstellen zur Verfügung stehen und bei Erschöpfung dieser Mittel einen vorhandenen Arbeitsbedarf unerledigt zu lassen. Dabei hat der Senat keine gesonderte Entscheidung des Haushaltsgesetzgebers zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs verlangt, sondern eine Verknüpfung mit den jeweils freigewordenen Planstellen oder Stellenanteilen genügen lassen. Darüber hinaus hat der Senat auch von dem Erfordernis einer Zuordnung zu einer konkreten vorübergehend freien Planstelle oder Planstellenteil abgesehen, sofern nur sichergestellt war, daß die Vergütung des befristet eingestellten Arbeitnehmers aus den Mitteln vorübergehend freier Planstellen oder Planstellenteile erfolgte (vgl. dazu Urteile vom 27. Februar 1987 – 7 AZR 376/85 – BAGE 55, 104 = AP Nr. 112 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; vom 28. September 1988 – 7 AZR 451/87 – BAGE 60, 1, 7 = AP Nr. 125 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; ferner die nichtveröffentlichten Urteile vom 22. Juni 1988 – 7 AZR 251, 259 u. 278/86 –; 31. August 1988 – 7 AZR 630/86 –; 8. Februar 1989 – 7 AZR 304/88 –; 31. Mai 1989 – 7 AZR 466/88 –; 13. September 1989 – 7 AZR 608/88 –; 15. November 1989 – 7 AZR 623/88 –; 13. März 1991 – 7 AZR 37/90 –).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die vorliegende Befristung entgegen der Auffassung der Vorinstanzen sachlich gerechtfertigt. Nach § 7 Abs. 3 HaushaltsG NRW können Planstellen und Stellen für Zeiträume, in denen Stelleninhabern vorübergehend keine oder keine vollen Dienstbezüge gewährt werden, im Umfang der nicht in Anspruch genommenen Planstellen oder Stellenanteile für die Beschäftigung von beamteten Hilfskräften oder von Aushilfskräften in Anspruch genommen werden. Dazu werden Planstellen und Stellen, bei denen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 erfüllt sind, listenmäßig erfaßt und die jeweilige Aushilfskraft namentlich zugeordnet. Damit hat der Haushaltsgesetzgeber für Aushilfskräfte keine neuen Stellen eingerichtet oder zusätzliche Mittel bewilligt, sondern die Landesverwaltung auf die vorhandenen Stellen und die dafür im Haushaltsplan eingestellten Mittel verwiesen und auf diese Weise die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für die Einstellung von Beschäftigten mit zeitlich befristeten Arbeitsverträgen geschaffen. Aushilfskräfte können demnach ungeachtet eines tatsächlichen Bedarfs nur in dem Umfang eingestellt werden, in dem Mittel aus vorübergehend nicht in Anspruch genommenen Planstellen oder Planstellenanteilen vorhanden sind. Durch die Verknüpfung mit einer nur vorübergehend freien Planstelle oder Stellenanteil wird sichergestellt, daß der Arbeitsplatz des aushilfsweise eingestellten Arbeitnehmers nur befristet zur Verfügung steht und mit der Inanspruchnahme dieser Mittel durch den eigentlichen Stelleninhaber entfällt.

Diese Verfahrensweise wurde auch im vorliegenden Fall praktiziert. Die befristete Einstellung der Klägerin ist aufgrund einer konkreten und zudem arbeitsvertraglich vereinbarten Zuordnung zu einer bestimmten Planstelle erfolgt. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es unerheblich, ob im Arbeitsvertrag die jeweilige Planstelle oder die jeweilige Listennummer bezeichnet war. Entscheidend ist allein, ob die Angabe im Arbeitsvertrag die Zuordnung zu einer bestimmten Planstelle erlaubt und damit eine Befristungskontrolle ermöglicht.

c) Auch die weiteren Erwägungen der Klägerin können der Feststellungsklage nicht zum Erfolg verhelfen. Ob bei ihrer Anstellungsbehörde im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein ungedeckter Beschäftigungsbedarf vorhanden war, ist zwar für die Befristung aus Vertretungsgründen erheblich, aber bei der Befristungskontrolle aufgrund nur befristet zur Verfügung stehender Haushaltsmittel unbeachtlich. Soweit sich die Klägerin mit Schriftsatz vom 19. September 1997 auf eine ab Mai 1997 geänderte Einstellungspraxis des beklagten Landes bei der Übernahme befristet eingestellter Aushilfskräfte in ein Dauerarbeitsverhältnis beruft, handelt es sich um neues Tatsachenvorbringen, das im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden kann. Abgesehen davon verweist die Klägerin damit auf Umstände, die erst nach Abschluß des letzten befristeten Arbeitsvertrags aufgetreten sind. Solche Umstände sind für die Prüfung des Sachgrundes, die sich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen haben, ohne Bedeutung.

II. Das Landesarbeitsgericht hat es von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig offengelassen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien infolge der tatsächlichen Beschäftigung der Klägerin ab dem 23. April 1996 nach § 625 BGB auf unbestimmte Zeit verlängert worden ist. Die Klägerin kann sich jedoch nicht auf diese Vorschrift berufen. Nach ihrem Vorbringen sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der nach dieser Norm eintretenden Verlängerung des Arbeitsverhältnisses nicht erfüllt.

Die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses i.S.d. § 625 BGB ist ein Tatbestand des schlüssigen Verhaltens kraft gesetzlicher Fiktion, dessen Besonderheit darin liegt, daß aufgrund einer unwiderleglichen gesetzlichen Vermutung ein Geschäftswille auf eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unterstellt wird (vgl. BAG Urteile vom 1. Dezember 1960 – 3 AZR 588/58 – AP Nr. 1 zu § 625 BGB; vom 13. August 1987 – 2 AZR 122/87 – n.v.). Das Eintreten der gesetzlichen Vermutung setzt auf Seiten des Arbeitnehmers eine tatsächliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unmittelbar nach Ablauf der Befristung voraus, soweit der Arbeitgeber der Erbringung dieser Arbeitsleistung nicht unverzüglich widerspricht. Im Gegensatz dazu hat die Klägerin nach ihrem Vorbringen nach Ablauf der Vertragslaufzeit ihre Tätigkeit bei dem beklagten Land zunächst eingestellt und damit nicht über das Vertragende hinaus faktisch fortgeführt. Vielmehr hat sie erst nach einer Unterbrechung von mehr als sechs Monaten im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber eine Arbeitsleistung erbracht, nachdem sie ihre Arbeitskraft von sich aus telefonisch angeboten hatte. Zwischenzeitlich war die Beendigung der Vertragsbeziehungen infolge einer wirksamen Befristung streitig gewesen. An dieser Rechtsauffassung hat das beklagte Land auch im Zeitpunkt der erneuten Arbeitsaufnahme der Klägerin festgehalten und durch die Einlegung der Berufung zum Ausdruck gebracht. In diesen Fällen geht der Wille der Parteien dahin, das durch Befristung beendete Vertragsverhältnis auflösend bedingt bis zur rechtskräftigen Abweisung der Feststellungsklage fortzusetzen (vgl. BAG Urteil vom 4. September 1986 – 8 AZR 636/84 – BAGE 53, 17 = AP Nr. 22 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, zu II 2 a der Gründe, m.w.N.). Entgegenstehende Anhaltspunkte sind dem Vortrag der Klägerin nicht zu entnehmen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Steckhan, Schmidt, Fischermeier, Schiele, Bea

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1127014

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