Entscheidungsstichwort (Thema)

Nahauslösung bei Feiertagslohnzahlung

 

Leitsatz (redaktionell)

Nahauslösungen nach § 7 Bundestarifvertrag vom 30. April 1980 für die besonderen Arbeitsbedingungen der Montagearbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie einschließlich des Fahrleitungs-, Freileitungs-, Ortsnetz- und Kabelbaues sowie der Tarifvertrag für Auslösungssätze und Erschwerniszulagen zum Bundesmontagetarifvertrag vom 22. April 1983 bis 5 km Entfernung sind Arbeitsverdienst im Sinne von § 1 Feiertagslohnzahlungsgesetz und daher auch für Feiertage fortzuzahlen.

 

Normenkette

TVG § 1; FeiertLohnzG § 1

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 03.07.1985; Aktenzeichen 5 Sa 185/84)

ArbG Hannover (Entscheidung vom 12.10.1984; Aktenzeichen 11 Ca 471/84)

 

Tatbestand

Der Kläger ist bei der Beklagten als Fernmeldemonteur beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung der Bundestarifvertrag vom 30. April 1980 für die besonderen Arbeitsbedingungen der Montagearbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie einschließlich des Fahrleitungs-, Freileitungs-, Ortsnetz- und Kabelbaues (BMTV) sowie der Tarifvertrag für Auslösungssätze und Erschwerniszulagen zum Bundesmontagetarifvertrag vom 22. April 1983 (TV-Auslösungssätze) Anwendung. Der Kläger erhielt die tariflich vorgesehene Nahauslösung für die Entfernungszone 1 (0 bis 5 km) nach § 1 Ziff. 1.2.2 TV-Auslösungssätze in Höhe von 7,15 DM pro Arbeitstag. Die Auslösung wurde versteuert.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Nahauslösung für Karfreitag, den 20. April 1984 und Ostermontag, den 23. April 1984 beansprucht. Er hat die Auffassung vertreten, daß die Nahauslösung ein Teil seines Arbeitsverdienstes sei, der ihm nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FeiertagslohnzahlungsG auch für gesetzliche Feiertage zustehe. Die Nahauslösung, die steuerpflichtig sei, sei nach den tariflichen Vorschriften wie Arbeitsentgelt zu behandeln und nicht als Aufwendungsersatz anzusehen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14,30 DM

brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 17. Juli 1984

zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß dem Kläger ein Anspruch auf Nahauslösung für die Feiertage nicht zustehe. Die Nahauslösung sei pauschaler Aufwendungsersatz und gehöre damit nicht zum Arbeitsverdienst, der für die durch einen Feiertag ausfallende Arbeitszeit zu zahlen sei. Dies gelte auch, soweit die Nahauslösung zu versteuern sei. Den Tarifvertragsparteien sei es auch verwehrt, eine andere Regelung zu treffen, da § 1 Abs. 1 FeiertagslohnzahlungsG keine Tariföffnungsklausel enthalte und sich die Tarifvertragsparteien nicht durch Bezugnahme auf das staatliche Steuerrecht ihrer Normsetzungsbefugnis begeben dürften. Außerdem seien im TV-Auslösungssätze Auslösungen nur für Arbeitstage, nicht aber für Feiertage vorgesehen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger nur noch Zinsen aus dem Nettobetrag verlangt. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und Zinsen auf den Bruttobetrag zugesprochen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß dem Kläger ein Anspruch auf die tarifliche Nahauslösung an Feiertagen zusteht.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden der Bundes- tarifvertrag vom 30. April 1980 für die besonderen Arbeitsbedingungen der Montagearbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie einschließlich des Fahrleitungs-, Freileitungs-, Ortsnetz- und Kabelbaues (BMTV), der Tarifvertrag für Auslösungssätze und Erschwerniszulagen zum Bundesmontagetarifvertrag vom 22. April 1983 (TV-Auslösungssätze) und der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der niedersächsischen Metallindustrie (ausschließlich nordwestliches Niedersachsen und Osnabrück) vom 15. Dezember 1983 kraft beiderseitiger Tarifbindung unmittelbar und zwingend Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Aus diesen tariflichen Bestimmungen ergibt sich zwar ein Anspruch des Klägers auf Nahauslösung. Sie enthalten aber keine Regelung darüber, ob die Nahauslösung auch an Feiertagen zu zahlen ist. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung der Lohnzahlung an Feiertagen (FeiertagslohnzahlungsG) in Betracht. Danach ist für die Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer der Arbeitsverdienst zu zahlen, den er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Die Lohnfortzahlung an Feiertagen beurteilt sich damit nach dem Lohnausfallprinzip. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Arbeitnehmer so zu stellen, wie dieser gestanden hätte, wenn die Arbeit nicht infolge des Feiertages ausgefallen wäre. Hieraus folgt, daß der Arbeitgeber alle Vergütungsbestandteile weiterzahlen muß, die der Arbeitnehmer aufgrund des feiertagsbedingten Ausfalls verlieren würde (BAG 44, 160, 162 = AP Nr. 41 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG). Wie sich aus der gesetzlichen Konkretisierung des Lohnausfallprinzips in § 2 Abs. 1 Satz 2 LohnFG (vgl. BAG Urteil vom 2. Oktober 1974 - 5 AZR 555/73 - AP Nr. 5 zu § 2 LohnFG) ergibt, rechnen zu diesen Vergütungsbestandteilen Auslösungen dann nicht, wenn der Anspruch auf sie im Falle der tatsächlichen Arbeitsleistung davon abhängt, ob und in welchem Umfange dem Arbeitnehmer Aufwendungen tatsächlich entstanden sind, die dem Arbeitnehmer wegen des feiertagsbedingten Arbeitsausfalls nicht entstehen.

Zur Beurteilung der Frage, ob die vom Kläger für die gesetzlichen Feiertage am Karfreitag, dem 20. April 1984 und am Ostermontag, dem 23. April 1984 beanspruchte Nahauslösung echten Aufwendungsersatz darstellt oder unabhängig von tatsächlichen Aufwendungen geleistet wird, sind die den Anspruch auf die Nahauslösung begründenden tariflichen Vorschriften heranzuziehen. Diese lauten:

§ 7 Nahmontage

7.1.1 Begriff

Nahmontage ist eine Montage, bei der dem Montage-

stammarbeiter die tägliche Rückkehr zum Ausgangs-

punkt zumutbar ist.

......

7.1.2 Ausgangspunkt

Ausgangspunkt können sein

der entsendende Betrieb oder

die Ortsmitte (1) des Betriebsortes oder

die Wohnung des Montagestammarbeiters.

.....

7.2 Fahrgeld

7.2.1 Notwendiges Fahrgeld (4) wird - auch bei Be-

nutzung eigener Verkehrsmittel - erstattet für

Fahrten zwischen dem gemäß § 7.1.3 festgelegten

Ausgangspunkt und der Montagestelle, ....

.....

7.2.3 Fahrgeld ist, auch soweit es zu versteuern ist,

kein Arbeitsentgelt und geht nicht in Durch-

schnittsabrechnungen jeglicher Art ein.

7.3 Nahauslösung

7.3.1 Die Nahauslösung ist eine Pauschalerstattung (6),

die den Mehraufwand bei auswärtigen Arbeiten

abdecken soll. Die Höhe der Nahauslösung soll

die Dauer der Abwesenheit berücksichtigen. Sie wird

für Zeitzonen (§ 7.3.2), für Entfernungszonen

(§ 7.3.5) und für Fahrer von werksseitig gestellten

Fahrzeugen (§ 7.3.6) festgesetzt.

.....

7.3.5 Für Montagestammarbeiter, die aufgrund schrift-

licher Vereinbarung mit dem Arbeitgeber gem.

§ 7.2.2 ein privates Fahrzeug führen oder die

aufgrund freiwilligen Einverständnisses zwischen

ihnen, Fahrer und Arbeitgeber in einem solchen

Fahrzeug mitfahren oder die auf Anordnung des

Arbeitgebers in einem werksseitig gestellten

Fahrzeug mitfahren, beträgt die Nahauslösung

in den 6 Entfernungszonen

1. Zone O bis 5 km 25 %

......

von 60 % der Fernauslösung für Montage in Ent-

fernungen bis 150 km während der ersten 60

Kalendertage.

.....

7.3.7 Die Auslösungen werden in dem Tarifvertrag

für Auslösungssätze und Erschwerniszulagen

festgelegt.

......

7.3.11 Soweit und solange Auslösungen zu versteuern

sind, werden sie nach Maßgabe der gesetzlichen

und tariflichen Bestimmungen wie Arbeitsentgelt

behandelt.

.....

Anmerkung 6:

Die Regelung über Nahauslösung trägt dem Umstand

Rechnung, daß die Beschäftigung auf einer außerbetrieb-

lichen Arbeitsstelle eine längere Abwesenheit des Mon-

tagestammarbeiters von zu Hause erfordert. Die längere

Abwesenheit bedingt Mehraufwendungen während des Er-

reichens der Montagestelle und auf der Montagestelle, die

pauschal erstattet werden. Eine Vergütung für den

Zeitaufwand erfolgt nicht.

Die Bestimmungen des TV-Auslösungsätze haben

folgenden Wortlaut:

§ 1

Auslösungstafel

.....

1.2 Nahauslösung

In der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie beträgt

die

1.2.2 Nahauslösung für die gem. § 7.3.5 BMTV festge-

legten Entfernungszonen je Arbeitstag (einschl.

Fahrleitungs-, Freileitungs- und Ortsnetzbau)

1. Zone O bis 5 km 7,15 DM.

Nach der tariflichen Zweckbestimmung ist die Nahauslösung eine Pauschalerstattung, die den Mehraufwand bei auswärtigen Arbeiten abdecken soll (§ 7.3.1 BMTV). Nach der Anmerkung 6 zu § 7.3.1 BMTV, die ebenfalls Tarifcharakter hat, wollen die Tarifvertragsparteien damit dem Umstand Rechnung tragen, daß die Beschäftigung auf einer außerbetrieblichen Arbeitsstelle eine längere Abwesenheit des Montagestammarbeiters von zu Hause erfordert. Sie gehen davon aus, daß die längere Abwesenheit Mehraufwendungen während des Erreichens der Montagestelle und auf der Montagestelle bedingt. Diese sollen pauschal erstattet werden. Eine Abgeltung des Zeitaufwands erfolgt nicht. Der Ersatz von Fahrgeld ist gesondert geregelt (§ 7.2.3 BMTV).

Die tariflichen Bestimmungen weisen die Nahauslösung damit als pauschalen Aufwendungsersatz aus. Nach dem Wortlaut und dem tariflichen Gesamtzusammenhang, die bei der Tarifauslegung maßgeblich zu berücksichtigen sind (vgl. BAG 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung) enthalten sie aber keine zwingende Regelung darüber, ob die Nahauslösung als Arbeitsentgelt anzusehen ist oder echten Aufwendungsersatz darstellt. Eine solche wäre zudem, sofern sie sich zuungunsten des Arbeitnehmers auswirken würde, nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FeiertagslohnzahlungsG rechtsunwirksam (BAG Urteil vom 23. Februar 1961 - 5 AZR 110/60 - AP Nr. 2 zu § 611 BGB Akkordkolonne).

Die Nahauslösung dient der pauschalen Erstattung von Aufwendungen, deren Erforderlichkeit von den Tarifvertragsparteien bei der Beschäftigung auf einer außerbetrieblichen Arbeitsstelle unterstellt wird. Die Tarifvertragsparteien stellen damit auf Aufwendungen ab, die zwar entstehen können, die aber nicht tatsächlich entstehen müssen. Es kann daher Fälle geben, in denen die Nahauslösung zum Ersatz echter Aufwendungen dient, aber auch Fälle, in denen die Möglichkeit naheliegt, daß sie nicht für Mehraufwendungen ausgegeben, sondern zur Verbesserung des Lebensstandards verwendet wird und damit als Arbeitsentgelt zu behandeln ist (BAG Urteil vom 8. November 1962 - 1 AZR 109/62 - AP Nr. 15 zu § 2 ArbKrankhG).

Die vom Kläger beanspruchte Nahauslösung ist unter diesem Gesichtspunkt seinem regelmäßigen Arbeitsverdienst im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 FeiertagslohnzahlungsG zuzurechnen. Der Kläger erhält die tarifliche Nahauslösung nach der Entfernungszone 1. Dies bedeutet, daß vom betrieblich festgelegten Ausgangspunkt (§ 7.1.2 BMTV) seine Arbeitsstelle bis zu 5 km entfernt liegt. Bei dieser geringen Entfernung wird deutlich, daß dem Kläger Mehraufwendungen während des Erreichens der Montagestelle und auf der Montagestelle, wobei der Zeitaufwand und die Fahrtkosten außer Betracht bleiben müssen, gar nicht entstehen können. Eine Arbeitsstelle, die innerhalb eines Umkreises von 0 bis 5 km vom Arbeitnehmer zu erreichen ist, bedingt keine "längere" als die im Arbeitsleben übliche Abwesenheit von zu Hause. Wird im Hinblick auf diese Entfernung eine Auslösung gewährt, so liegt es nahe, daß diese nicht dem Ersatz von Aufwendungen dient, sondern dem regelmäßigen Arbeitsverdienst zuzurechnen ist.

Dieses Ergebnis wird durch eine weitere tarifliche Regelung bestätigt. Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang folgt, daß die Tarifvertragsparteien durchaus dem Umstand Rechnung getragen haben, daß die pauschale Zahlung der Nahauslösung je nach den Umständen des Einzelfalles echten Aufwendungsersatz darstellen kann oder dem regelmäßigen Arbeitsentgelt zuzurechnen ist. So haben sie in § 7.3.11 BMTV bestimmt:

"Soweit und solange Auslösungen zu versteuern

sind, werden sie nach Maßgabe der gesetzlichen

und tariflichen Bestimmungen wie Arbeitsentgelt

behandelt."

Zur Auslegung dieser wortgleich für die Fernauslösung nach § 6.4.3 BMTV geltenden tariflichen Regelung haben der Sechste Senat und ihm folgend der Fünfte Senat die Auffassung vertreten, daß damit die ordnungsgemäße Abrechnung einer teilweise zu versteuernden Auslösung vorgeschrieben werden solle (BAG Urteil vom 28. Januar 1982 - 6 AZR 911/78 - AP Nr. 11 zu § 2 LohnFG; BAG 43, 87, 95 = AP Nr. 12 zu § 1 LohnFG; BAG 43, 95, 100 = AP Nr. 13 zu § 2 LohnFG). Diese Entscheidungen betrafen die Berechnung der Höhe des im Urlaubs- und Krankheitsfalle zu zahlenden Arbeitsentgeltes, die sich jeweils nach speziellen manteltarifvertraglichen Bestimmungen richtete. Für den vorliegenden Fall, in dem tarifliche Vorschriften zur Berechnung der Höhe des feiertagsbedingten Verdienstausfalles nicht bestehen und mangels Tariföffnungsklausel zuungunsten des Arbeitnehmers auch nicht vereinbart werden können, kommt der tariflichen Regelung - außer der Verpflichtung zur Erteilung einer ordnungsgemäßen Lohnabrechnung - die Bedeutung zu, daß sie eine praktikable und sachgerechte Abgrenzung von echtem Aufwendungsersatz zu solchen Auslösungen ermöglicht, die dem reinen Arbeitsentgelt nahekommen, weil sie zur Verbesserung des Lebensstandards führen.

Auslösungen, die einem Arbeitnehmer gewährt werden, der wie der Kläger täglich zu seiner Wohnung zurückkehrt, und die nicht als Fahrgeld, als Verpflegungszuschuß bei mehr als 10 Stunden oder 12 Stunden Abwesenheit von der Wohnung oder an Berufskraftfahrer bei mehr als 6 oder 12 Stunden Abwesenheit gezahlt werden, sind zu versteuern (vgl. Klein/Flockermann/Stühr, Einkommensteuergesetz, 3. Aufl. 1981, § 3 Anm. 268 ff.; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 5. Aufl. 1986, § 3 Stichwort: Auslösungen zu b ). Damit bieten die steuerrechtlichen Vorschriften klare Unterscheidungskriterien, inwieweit mit der Pauschalerstattung von Aufwendungen durch die Nahauslösung tatsächliche Aufwendungen ersetzt werden sollen oder nicht. Danach läßt sich beurteilen, inwieweit die Nahauslösung ganz oder teilweise als Arbeitsentgelt anzusehen ist.

In gleicher Weise hat auch der Fünfte Senat die gleichlautende tarifliche Regelung des § 7 Nr. 3 Abs. 13 BMTV in der Fassung vom 2. September 1970 hinsichtlich der Berechnung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle nach § 2 LohnFG ausgelegt (BAG Urteil vom 2. Oktober 1974 - 5 AZR 555/73 - AP Nr. 5 zu § 2 LohnFG). Diese Auslegung hat der Fünfte Senat beibehalten und danach die Frage beurteilt, ob Nahauslösungen nach § 7.3.1 BMTV in der Fassung vom 30. April 1980 im Krankheitsfalle nach § 15 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 30. April 1980 fortzuzahlen sind (BAG Urteil vom 14. August 1985 - 5 AZR 76/85 - AP Nr. 14 zu § 2 LohnFG; bestätigt durch Urteil vom 23. April 1986 - 5 AZR 353/85 -, nicht zur Veröffentlichung vorgesehen).

Entgegen der Auffassung der Revision bestehen gegen diese Auslegung auch keine rechtlichen Bedenken. Durch die tarifliche Regelung, daß Auslösungen nach Maßgabe der gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen wie Arbeitsentgelt behandelt werden, solange und soweit sie zu versteuern sind, haben die Tarifvertragsparteien darauf Bedacht genommen, daß sowohl im Falle der tatsächlichen Arbeitsleistung als auch im Falle der Entgeltfortzahlung ohne Arbeitsleistung zweifelhaft sein kann, ob und in welchem Umfange die pauschal zu zahlende Nahauslösung Aufwendungsersatz oder Arbeitsentgelt darstellt. Dies ist für die Erstellung einer ordnungsgemäßen Lohnabrechnung ebenso bedeutsam wie für die Entscheidung der Frage, ob ein Anspruch auf Zahlung ohne Arbeitsleistung besteht. Insoweit knüpfen die Tarifvertragsparteien an die staatlichen Vorschriften des Steuerrechts an. Damit begeben sie sich entgegen der Auffassung der Revision aber weder in gesetzeswidriger Weise ihrer Rechtssetzungsbefugnis (vgl. BAG 41, 47, 50 = AP Nr. 7 zu § 44 BAT, Urteil vom 16. Januar 1984 - 7 AZR 270/82 - AP Nr. 9 zu § 44 BAT) noch nehmen sie eine den Geboten der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit widersprechende Blankettverweisung vor (vgl. BAG Beschluß vom 3. Dezember 1985 - 4 ABR 7/85 -, zur Veröffentlichung bestimmt). Vielmehr nehmen die Tarifvertragsparteien mit der Bezugnahme auf das Steuerrecht nur eine praktikable und sachgerechte Abgrenzungsmöglichkeit wahr. Da es objektiv auf die Steuerpflichtigkeit der Nahauslösung und nicht auf die tatsächliche Zahlung in der Vergangenheit ankommt, sind steuerpflichtige Auslösungen nach Maßgabe zwingender gesetzlicher Vorschriften, die die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes ohne Arbeitsleistung bestimmen, wie vor- liegend § 1 Abs. 1 Satz 1 FeiertagslohnzahlungsG, als Arbeitsentgelt zu behandeln und damit fortzuzahlen. Im Falle tarifdispositiver gesetzlicher Bestimmungen, wie zum Beispiel § 2 LohnFG oder § 11 BUrlG, erfolgt die Zahlung steuerpflichtiger Nahauslösungen gem. § 7.3.11 BMTV nach Maßgabe der einschlägigen tariflichen Bestimmungen, wenn solche vorhanden sind. Ist eine Auslösung steuerfrei, so greift die Regelung des § 7.3.11 BMTV schon nach ihrem Wortlaut nicht ein.

Die tarifliche Regelung des § 7.3.11 BMTV führt auch im vorliegenden Falle zu einer zutreffenden Abgrenzung. Im Hinblick auf die vom Kläger zur Arbeitsstelle zurückzulegende Entfernung dient die Nahauslösung nicht dem Ersatz von Aufwendungen. Dem entspricht es, daß sie steuerpflichtig ist, demgemäß nach § 7.3.11 BMTV wie Arbeitsentgelt zu behandeln und somit nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FeiertagslohnfortzahlungsG auch für die beiden gesetzlichen Feiertage zu zahlen ist, für die sie vom Kläger beansprucht wurde.

Da das Landesarbeitsgericht über den in der Berufungsinstanz eingeschränkten Klageantrag hinaus Zinsen aus dem Bruttobetrag zugesprochen hat, war die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß dem Kläger nur Zinsen aus dem Nettobetrag zustehen (§ 308 ZPO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Neumann Dr. Etzel Dr. Freitag

Preuße Schmalz

 

Fundstellen

Haufe-Index 439442

DB 1987, 695-696 (LT1)

ARST 1987, 131-132 (LT1)

BR/Meuer SGB IV § 14, 24-09-86, 4 AZR 543/85 (ST1)

NZA 1987, 315-317 (LT1)

RdA 1987, 62

AP § 1 FeiertagslohnzahlungsG (LT1), Nr 50

EzA § 1 FeiertLohnzG, Nr 32 (LT1)

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