Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsstrafe

 

Orientierungssatz

Gegen ein einzelvertraglich vereinbartes Strafversprechen in einem Arbeitsverhältnis oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis bestehen keine Bedenken (vergleiche BAG Urteil vom 23.5.1984 - 4 AZR 129/82 = BAGE 46, 50).

 

Normenkette

BGB §§ 138, 339, 343 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 13.08.1985; Aktenzeichen 7 Sa 843/85)

ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 21.02.1985; Aktenzeichen 3 Ca 3223/84)

 

Tatbestand

Der Kläger unterhält ein Büro für Textverarbeitung und organisiert Prospektverteilungen. Am 9. Oktober 1984 hat er mit der damals 21 Jahre alten Beklagten einen Vertrag zur Verteilung von Prospektmaterial abgeschlossen, der im wesentlichen folgenden Inhalt hat:

"§ 1

Der Mitarbeiter verpflichtet sich gegenüber dem

Auftraggeber, ab sofort zur selbständigen Aushilfe

im Außendienst auf Abruf gemäß den nachfolgenden

Bedingungen tätig zu werden. Sein Arbeitsbereich

umfaßt dabei einen Umkreis mit 6 km

Radius um seinen Wohnort, kann nötigenfalls vom

Auftraggeber eingeschränkt, nicht aber ausgedehnt

werden.

§ 2

Der Mitarbeiter verpflichtet sich zur Verteilung

von mindestens 500 Stück Prospekten (0 - 20 g)

oder 400 (20 - 50 g) oder 300 (50 - 100 g) oder

200 (100 - 500 g) oder 100 Stück Prospekten

(über 500 g) pro Tag in seinem Arbeitsbereich.

Ein Anspruch auf eine bestimmte Mindestanzahl von

Prospekten zur Verteilung besteht seitens des

Mitarbeiters nicht. Der Mitarbeiter kann die

Verteilung zu beliebiger Zeit vornehmen, jedoch

muß die Verteilung innerhalb eines festgesetzten

Zeitraumes abgeschlossen sein. Bei Verteilung

bis zu einer festgesetzten Uhrzeit zählt ein

angebrochener Tag als ganzer Tag. Der endgültige

Zeitpunkt der Fertigstellung einer Verteilaktion

wird dem Mitarbeiter zu Beginn einer jeden Aktion

mitgeteilt.

§ 3

Zu Beginn einer Verteilaktion erhält der Mitarbeiter

ausführliche Informationsunterlagen,

Straßenkarten und Merkzettel. Der Nachweis der

ordnungsgemäßen Verteilung erfolgt durch Markierung

auf der dem Auftrag beigefügten Straßenkarte,

die vom Mitarbeiter an den Auftraggeber

nach Beendigung der Verteilaktion zurückgesandt

wird. Der Mitarbeiter hat die ihm übertragene

Arbeit sauber, unverzüglich und zuverlässig unter

Berücksichtigung der in diesem Vertrag genannten

Bedingungen und der näheren Angaben in der Empfangsbestätigung

und dem Merkzettel zu erledigen. Er

hat sich dabei an die Vorschriften des im HGB

verankerten Wettbewerbsverbots zu halten.

§ 4

Der Mitarbeiter unterrichtet den Auftraggeber

rechtzeitig von dem durch Urlaub, Krankheit oder

sonstige wichtige Verhinderungsgründe eintretenden

Wegfall der Abrufbereitschaft, ansonsten hat

sich der Mitarbeiter zur Erledigung der Tätigkeit

ständig zur Verfügung zu halten. Im Falle des Urlaubs

oder sonstiger vorhersehbarer Verhinderungen

hat die Unterrichtung zumindest einen Monat vor

ihrem Beginn zu erfolgen. Im Falle der Krankheit

erfolgt die Meldung unverzüglich. Der Auftraggeber

wird auch bei Wiederaufnahme der Bereitschaft

unverzüglich unterrichtet. Die Abrufbereitschaft

durch Urlaub darf im Jahr nicht mehr als 40 Werktage

zuzüglich der darin eingeschlossenen Sonn und

Feiertage betragen. Sonn- und Feiertage dürfen

im Urlaub nur eingeschlossen sein, wenn dieser

mehr als sechs Werktage beträgt. Die Änderung

der persönlichen Daten (Telefon, Anschrift,

Namensänderung etc.) teilt der Mitarbeiter unverzüglich

nach Bekanntwerden dem Auftraggeber

mit.

§ 5

Der Mitarbeiter erhält eine Vergütung für seine

Tätigkeit in Höhe von DM 0,03 pro verteiltem

Exemplar des Prospekt- oder Werbematerials bei

Lieferungen an jeden einzelnen Haushalt. Bei

Lieferung nach vorgegebener Kundenliste erhöht

sich die Vergütung um 100 %, die zu verteilende

Mindestanzahl senkt sich um 30 %. Der Mitarbeiter

stellt den Endbetrag dem Auftraggeber in

Rechnung. Der Mitarbeiter hat für die Versteuerung

und Krankenversicherung seiner Einnahmen

ebenso selbst Sorge zu tragen, wie für

die Abführung anderer eventuell vorgeschriebener

Abgaben. Der Auftraggeber verpflichtet sich bei

ordnungsgemäßer Verteilung seitens des Mitarbeiters

zur sofortigen und vollständigen Zahlung

der in Rechnung gestellten Leistungen nach

Beendigung der Überprüfung derselben. Dem Mitarbeiter

ist es ohne ausdrückliche Sondergenehmigung

des Auftraggebers nicht gestattet, neben der Tätigkeit

beim Auftraggeber für Dritte, in deren

Auftrag, auf deren Rechnung oder auf eigene

Rechnung Prospekt- oder Werbematerial zu verteilen.

§ 6

Dieser Vertrag beginnt am 09. Oktober 1984 und

wird unkündbar für die Dauer von zwölf Monaten

geschlossen...

§ 7

....

§ 8

Bei Nichteinhaltung der in dieser Vereinbarung genannten

Bedingungen wird zwischen dem Auftraggeber

und dem Mitarbeiter eine Konventionalstrafe in

Höhe von 1.000,-- DM vereinbart. Der Anspruch auf

Schadenersatz bleibt unberührt davon vorbehalten.

Die Geltendmachung einer Konventionalstrafe entfällt,

wenn diese nur aufgrund eines Wohnungswechsels

des Mitarbeiters geltend gemacht werden

soll, weil dieser seinen Wohnsitz so verlegt, daß

er sich nicht mehr im Wirkungsgebiet des Auftraggebers

befindet."

Die Beklagte hat zu keiner Zeit für den Kläger Prospektmaterial verteilt. Am 25. Oktober 1984 ließ sie dem Kläger fernmündlich mitteilen, sie möchte Prospekte nur im Sommer verteilen; sollte dies nicht möglich sein, werde sie den Vertrag kündigen und die entstandenen Kosten ersetzen. Mit Schreiben vom 2. November 1984 erwiderte der Kläger, bei einer sofortigen Auflösung des Vertrages werde er auf die Vertragsstrafe verzichten, wenn die Beklagte bis zum 9. November 1984 die ihm durch den Vertragsabschluß entstandenen Kosten in Höhe von 196,42 DM erstatte. Unter dem 7. November 1984 entgegnete die Beklagte, sie könne die Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nicht durchführen und sei auch nicht im Stande, den geforderten Betrag zu zahlen. Der Kläger bestand daraufhin auf Vertragserfüllung. In der Zeit vom 12. bis 30. November 1984 war die Beklagte wegen einer Sehnenscheidenentzündung arbeitsunfähig krank. Am 27. November 1984 kündigte sie den Vertrag fristlos mit der Begründung, aufgrund ihrer Krankheit könne sie die vertraglichen Pflichten nicht erfüllen.

Mit seiner Klage hatte der Kläger zunächst Schadenersatzansprüche geltend gemacht. Nunmehr begehrt er lediglich noch die in § 8 des Vertrags vereinbarte Vertragsstrafe.

Der Kläger hat, soweit in der Revision noch von Bedeutung, beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger

1.000,-- DM nebst 9,5 % Zinsen seit Klagezustellung

(29. Dezember 1984) zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Vertragsstrafenregelung sei sittenwidrig und deshalb nicht wirksam.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Vertragsstrafenabrede wirksam.

1. Die Parteien haben in § 8 des zwischen ihnen geschlossenen Vertrages vereinbart, daß bei Nichteinhaltung der in dem Vertrag genannten Bedingungen eine Konventionalstrafe in Höhe von 1.000,-- DM zu zahlen ist. Damit haben die Parteien eine Vertragsstrafenabrede i.S. des § 339 BGB getroffen. Sie haben für den Fall der Nichterfüllung oder nichtgehöriger Erfüllung der im Vertrag genannten Verbindlichkeiten die Zahlung einer Geldsumme als Strafe versprochen. Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß gegen ein solches einzelvertraglich vereinbartes Strafversprechen auch in einem Arbeitsverhältnis oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis keine Bedenken bestehen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAGE 46, 50 = AP Nr. 9 zu § 339 BGB).

2. Das Berufungsgericht hat weiter zutreffend angenommen, daß die Vertragsstrafenabrede nicht nach § 11 Nr. 6 des AGB-Gesetzes unwirksam ist, denn der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag fällt unter die Ausschlußklausel des § 23 Abs. 1 AGB-Gesetz. Danach findet dieses Gesetz keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts. Um einen solchen Vertrag handelt es sich vorliegend, gleichgültig, ob man die Beklagte als Arbeitnehmerin oder arbeitnehmerähnliche Person ansieht.

3. Entgegen der in dem angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung verstößt die Vertragsstrafenabrede nicht gegen die guten Sitten (§ 138 BGB).

Das Landesarbeitsgericht meint, durch die Vertragsstrafe werde die Beklagte in unzumutbarer Weise belastet und in ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Entfaltung derart eingeschränkt, daß von einem vernünftigen Verhältnis zwischen den Rechten der Beklagten und dem Interesse des Klägers nicht mehr gesprochen werden könne. Dieser Vertragsauslegung vermag der Senat nicht zu folgen. Sie ist nicht frei von Rechtsfehlern.

a) Das Vertragsstrafenversprechen enthält entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine ausschließliche Haftung der Beklagten, der keinerlei Verpflichtungen des Klägers gegenüberstehen.

In § 8 des Vertrags ist bestimmt, daß bei Nichteinhaltung der in der Vereinbarung genannten Bedingungen zwischen dem Auftraggeber und dem Mitarbeiter eine Konventionalstrafe in Höhe von 1.000,-- DM vereinbart wird. Der Vertrag enthält Verpflichtungen des Mitarbeiters (Beklagten) und des Auftraggebers (Klägers). Der Kläger hat sich u.a. verpflichtet, der Beklagten Prospektmaterial zum Verteilen zur Verfügung zu stellen, ihr zu Beginn der Verteilungsaktion Informationsunterlagen, Straßenkarten etc. auszuhändigen und ihr die vereinbarte Vergütung zu bezahlen. Die Beklagte ist zur Verteilung des Materials verpflichtet; sie hat diese Arbeit unverzüglich und zuverlässig auszuführen, sich auf Abruf bereitzuhalten und Verhinderungsgründe mitzuteilen. Der Vertrag enthält demnach Verpflichtungen für beide Seiten. Aus ihm ist nicht ersichtlich, daß die Vertragsstrafe nur bei einer Pflichtverletzung des Mitarbeiters verwirkt sein soll, nicht jedoch bei einer Pflichtverletzung des Auftraggebers.

b) Dem Berufungsgericht kann auch nicht in der Annahme gefolgt werden, die Vertragsgestaltung beziehe sämtliche Verletzungen von kleineren Nebenpflichten in das Vertragsstrafenversprechen ein.

Zwar ist nach § 8 des Vertrags die Vertragsstrafe bei Nichteinhaltung der "in dieser Vereinbarung genannten Bedingungen" verwirkt, formal sind also alle Pflichtverletzungen einbezogen. Dennoch löst nicht jede Verletzung einer Nebenpflicht die Vertragsstrafe aus. Geringfügige Pflichtverletzungen sind auch bei Vertragsstrafen nach § 242 BGB unerheblich (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 46. Aufl., Anm. 2 zu § 339, Anm. 4 C d zu § 242).

c) Die Beklagte wird durch die Vertragsstrafenabrede nicht in ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Entfaltung unzulässig eingeengt, wie das Landesarbeitsgericht annimmt.

Das Berufungsurteil führt zur Begründung die Verpflichtungen der Beklagten auf, z. B. die Verteilung der Prospekte innerhalb eines gesetzten Zeitraums, die saubere und unverzügliche und zuverlässige Ausführung der übertragenen Arbeiten, die Abrufbereitschaft, die Verhinderungsmeldungen im Krankheits- und Urlaubsfall sowie Einhaltung des Wettbewerbsverbots und meint, unter Berücksichtigung der gleichzeitig im Vertrag verankerten Rechte des Klägers stellten diese Bestimmungen eine unzulässige Behinderung der Beklagten dar. Bei den aufgeführten Pflichten handelt es sich um die vertraglich zu erledigenden Arbeiten. Im Rahmen eines solchen Aushilfsverhältnisses entsprechen diese einer normalen Vertragsgestaltung. So ist zum Beispiel nicht zu beanstanden, daß die Beklagte sich abrufbereit halten muß. Nach dem Vertrag ist die Beklagte lediglich als Aushilfskraft im Außendienst eingestellt. Sie hat keine ständige, täglich auf Stunden festgelegte Arbeit zu verrichten, sondern wird lediglich nach Bedarf für die Verteilung von Prospekten in Anspruch genommen. Die Arbeit fällt nur gelegentlich und unregelmäßig an. Dies bedingt, daß die Beklagte auf Abruf zur Erfüllung ihrer Pflichten bereit sein muß. Die Beklagte ist dadurch jedoch nicht in einem nicht zu vertretenden Übermaß zeitlich eingebunden, wie das Berufungsgericht meint. Die Verteileraktionen werden jeweils angekündigt. Der Kläger muß nach dem Vertrag die Informationsunterlagen zur Verfügung stellen und angeben, wo und wann die Prospekte verteilt werden sollen. Die Abrufbereitschaft ist also so eingerichtet, daß die Aushilfskraft sich auf die angekündigte Arbeit einstellen kann. Auch in der Verpflichtung, Verhinderungsgründe wie Urlaub, Krankheit usw. rechtzeitig anzugeben, ist keine Einengung oder Knebelung zu sehen. Diese Art der Arbeitsbereitschaft gehört bei Aushilfstätigkeiten wie der vorliegenden notwendig zum Vertragsinhalt. Der Auftraggeber selbst ist auch wiederum von seinen Kunden abhängig, die ihm Prospektmaterial zur Verteilung zur Verfügung stellen. So wird beispielsweise vor Festtagen (Weihnachten oder Ostern) eine verstärkte Werbung in der Lebensmittelbranche betrieben, ebenso fallen bei Winterschluß- oder Sommerschlußverkäufen oder bei Geschäftseröffnungen mehr Aufträge in der Werbung an. Es ist nicht ersichtlich, wo bei dieser Vertragsgestaltung die Mitarbeiter "in ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Entfaltung derart belastet" werden, daß "von einem vernünftigen Verhältnis zwischen den Rechten der Beklagten und dem Interesse des Klägers" nicht mehr gesprochen werden könne.

d) Die Vertragsstrafenabrede ist auch nicht deshalb als sittenwidrig anzusehen, weil die Beklagte nach dem Vertrag zu wenig verdiene und ihr eine zusätzliche anderweitige Prospektverteilung verboten sei.

Das Berufungsgericht meint, da die Beklagte keinen Anspruch auf eine bestimmte Anzahl des zu verteilenden Prospektmaterials habe, könne sie im Monat kaum einen Verdienst von 400,-- DM erreichen, eine gleichartige Nebentätigkeit sei ihr nicht gestattet und es sei zweifelhaft, ob sie bei der ständigen Abrufbereitschaft noch einer anderen Verdienstmöglichkeit nachgehen könne.

Es trifft zwar zu, daß der Vertrag der Beklagten keine monatlich zu verteilende Mindestanzahl von Prospekten und damit eine bestimmte Einkommensmindestgrenze einräumt. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß es sich bei der Tätigkeit nicht um eine Vollzeitbeschäftigung handelt, sondern die Klägerin nur zur Aushilfe im Außendienst auf Abruf beschäftigt werden sollte. Der Vertrag verbietet der Beklagten auch keine andere Tätigkeit schlechthin, sondern lediglich die Verteilung von Prospekten auf eigene Rechnung oder im Auftrag eines anderen Auftraggebers. Durch diese Vertragsklausel soll eine Konkurrenztätigkeit unterbunden werden. Der Vertrag sieht dazu noch ausdrücklich vor, daß eine solche Tätigkeit mit ausdrücklicher Sondergenehmigung des Auftraggebers gestattet ist. Eine Knebelung ist aus diesen Vertragsbestimmungen nicht ersichtlich.

e) Soweit das Landesarbeitsgericht eine Sittenwidrigkeit des Strafversprechens schon aus der Höhe der Strafe herleiten will, ist dies schon im Ansatz unrichtig. § 138 BGB ist nicht schon bei unverhältnismäßiger Höhe der Vertragsstrafe anwendbar (Palandt/Heinrichs, aaO, Anm. 2 a zu § 343 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs). Wenn die Vertragsstrafe unverhältnismäßig hoch erscheint, eröffnet § 343 BGB die Möglichkeit, die Strafe herabzusetzen.

II. Die Beklagte hat die Vertragsstrafe auch verwirkt.

Nach § 339 Satz 1 BGB ist eine Vertragsstrafe verwirkt, wenn der Schuldner mit seiner Leistungspflicht in Verzug gerät (§§ 284, 285 BGB).

Das Landesarbeitsgericht hat - ohne dies näher auszuführen - offenbar angenommen, die Pflichtverletzung der Beklagten liege in ihrer Weigerung, Prospekte zu verteilen. Damit die Beklagte der von ihr vertraglich übernommenen Pflicht, Prospekte auszuteilen, nachkommen konnte, war es erforderlich, daß der Kläger ihr diese Prospekte zur Verfügung stellte. Der Kläger hat nicht vorgetragen, daß er der Beklagten nach Vertragsschluß überhaupt jemals Prospekte zum Verteilen angeboten und übergeben hat. Bis zum 12. November 1984 konnte die Beklagte daher mit ihrer Leistungspflicht nicht in Verzug geraten. Vom 12. bis 30. November 1984 war die Beklagte nach den Feststellungen in dem angefochtenen Urteil arbeitsunfähig erkrankt. In dieser Zeit war sie von ihrer Leistungspflicht entbunden. Nach § 4 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages war die Beklagte gehalten, dem Kläger den Wegfall ihrer Verhinderung mitzuteilen, damit dieser ihr Prospektmaterial zum Verteilen übergeben konnte. Diese Mitwirkungshandlung des Klägers ist vorliegend jedoch deshalb entbehrlich, weil die Beklagte sich durch die von ihr ausgesprochene fristlose Kündigung endgültig geweigert hatte, ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen.

Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, daß die fristlose Kündigung unwirksam war. Die vorübergehende Erkrankung gab der Beklagten kein Recht, den Vertrag aufzukündigen. Die Beklagte war daher nach Beendigung der Erkrankung, die auf den 30. November 1984 festgestellt ist, gehalten, ihre Arbeitskraft dem Kläger wieder anzubieten. Der Kläger war dagegen nicht verpflichtet, der Beklagten auch ohne deren Anzeige der Leistungsbereitschaft nach dem 30. November 1984 Prospektmaterial zur Verteilung anzubieten. Die Beklagte befand sich somit nach § 285 BGB in Verzug, ohne daß es einer Mahnung des Klägers nach § 284 BGB bedurfte.

III. Darüber, in welcher Höhe die wirksam vereinbarte und von der Beklagten verwirkte Vertragsstrafe zur erfüllen ist, kann der erkennende Senat nicht selbst entscheiden.

Nach § 343 BGB kann eine verwirkte Strafe, wenn sie unverhältnismäßig hoch ist, auf Antrag des Schuldners auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden. Bei der Beurteilung, ob die verwirkte Strafe unverhältnismäßig hoch ist, sind die berechtigten Interessen beider Parteien zu berücksichtigen. Hierbei ist auf den Zweck der Vertragsstrafe im konkreten Falle, auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners und den Grad seines Verschuldens abzustellen (vgl. MünchKomm-Söllner, BGB, 2. Aufl., § 343 Rz 14). Da die Herabsetzung der Vertragsstrafe eine Würdigung all dieser Umstände im Einzelfall voraussetzt, ist sie grundsätzlich vom Tatrichter vorzunehmen (BGH Urteil vom 13. März 1953 - I ZR 136/52 - LM Nr. 2 zu § 339 BGB; ebenso MünchKomm -Söllner, aaO, § 343 Rz 18). Die Herabsetzung einer verwirkten Vertragsstrafe setzt einen Antrag voraus. Dieser muß nicht ausdrücklich gestellt werden, sondern ist bereits aus dem Hinweis abzuleiten, daß der Schuldner die Vertragsstrafe als unangemessen hoch empfindet und davon loskommen will (MünchKomm-Söllner, aaO, § 343 Rz 10). Die Beklagte hat die Höhe der Vertragsstrafe während des Prozesses mehrfach beanstandet, so daß deren Herabsetzung vom Landesarbeitsgericht zu prüfen ist. Dazu müssen die für die Interessenabwägung notwendigen Tatsachen noch festgestellt werden. Aus diesem Grunde war der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

Michels-Holl Dr. Peifer Ascheid

Rheinberger Dr. Walz

 

Fundstellen

Dokument-Index HI441701

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