Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristung des Arbeitsvertrages bei Ärzten in der Weiterbildung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Befristung nach § 1 Abs 1 ÄArbVtrG setzt nicht voraus, daß der Arzt ausschließlich zu seiner Weiterbildung beschäftigt wird. Es genügt, daß die Beschäftigung diesen Zweck fördert.

2. § 1 Abs 4 ÄArbVtrG gewährt einen Anspruch auf Abschluß eines Arbeitsvertrages für die Dauer der nach dieser Vorschrift anrechenbaren Unterbrechungszeiten eines nach § 1 Abs 3 ÄArbVtrG befristeten Arbeitsverhältnisses.

3. Dieser Anspruch kann auch dann bestehen, wenn der in der Weiterbildung stehende Arzt die nach der jeweiligen Weiterbildungsordnung vorgeschriebenen Beschäftigungszeiten bereits vor Beginn des Unterbrechungszeitraums zurückgelegt hat.

 

Normenkette

TVG § 1; HRG § 57b Abs. 5; ÄArbVtrG § 1 Abs. 4, 1

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 22.02.1995; Aktenzeichen 7 Sa 1204/94)

ArbG Aachen (Entscheidung vom 31.05.1994; Aktenzeichen 4 Ca 130/94)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit und die Dauer der Befristung eines Arbeitsverhältnisses.

Die Beklagte unterhält ein akademisches Lehrkrankenhaus der Hochschule mit einer Klinik für Neurologie. Die Klägerin ist Ärztin und strebte eine Facharztausbildung für Neurologie an. Dieses Ziel brachte sie in einem an die Beklagte gerichteten Bewerbungsschreiben vom 5. September 1990 zum Ausdruck. Daraufhin wurde sie aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 15. Oktober 1990 bis zum 3. Januar 1991 als Ärztin im Praktikum in der neurologischen Abteilung ausgebildet. Im Anschluß daran wurde sie als Assistenzärztin auf der Grundlage eines bis zum 31. Dezember 1993 befristeten Arbeitsvertrages vom 29. Januar 1991 beschäftigt. Nachdem die Klägerin im Frühjahr 1993 schwanger geworden war, beantragte sie unter dem 9. Juni 1993 ohne Erfolg die Verlängerung ihres Arbeitsvertrages entsprechend dem Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung (ÄArbVtrG). Im September 1993 wurde der Klägerin die Erfüllung ihrer neurologischen Ausbildungszeiten bescheinigt. Die am 9. November 1993 beginnende Mutterschutzfrist endete am 21. Februar 1994. Seit dem 1. Januar 1995 ist die Klägerin anderweitig beschäftigt.

Die Klägerin hält die Befristung des Arbeitsvertrages vom 29. Januar 1991 für rechtsunwirksam. Ein Befristungsgrund habe nicht vorgelegen. Ein solcher sei weder im Rahmen des Einstellungsgespräches erörtert noch im Arbeitsvertrag vereinbart worden. Die Befristung stehe auch nicht im Zusammenhang mit ihrer Weiterbildung zur Fachärztin für Neurologie. Ungeachtet dessen sei das Arbeitsverhältnis bei Anwendung des § 1 Abs. 4 Nr. 3 ÄArbVtrG um die Zeiten des Mutterschutzes verlängert worden. Es habe nicht vor Ablauf des 12. April 1994 enden können.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwi-

schen den Parteien über den 31. Dezember 1993

hinaus fortbesteht,

2. hilfsweise festzustellen, daß das Arbeitsver-

hältnis der Parteien bis zum 12. April 1994

bestanden hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Befristung des Arbeitsvertrages nach § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG für wirksam, weil der Vertrag einer Weiterbildung der Klägerin zur Fachärztin für Neurologie gedient habe. Dieses Weiterbildungsziel habe die Klägerin ungeachtet der Unterbrechung der tatsächlichen Beschäftigung durch den Beginn der Mutterschutzfrist bereits vor Ablauf der Vertragslaufzeit erreicht. Eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses um die Zeiten des Mutterschutzes komme nach Sinne und Zweck des § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG nicht in Betracht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht unter Zulassung der Revision zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter. Die Beklagte hat die Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Im Ergebnis zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist infolge wirksamer Befristung nach § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG mit Ablauf des 31. Dezember 1993 beendet worden (II). Die Vertragslaufzeit hat sich nicht nach § 1 Abs. 4 Nr. 3 ÄArbVtrG bis zum 12. April 1994 verlängert. Diese Vorschrift gewährt nur einen Anspruch auf Abschluß eines Verlängerungsvertrages (III). Einen darauf gerichteten Klageantrag hat die Klägerin nicht gestellt.

I. Der Antrag ist zulässig. Nach dem Vorbringen der Klägerin ist er seinem Inhalt nach auf die Feststellung eines über den 31. Dezember 1993 hinaus unbefristet fortbestehenden Arbeitsverhältnisses gerichtet. Damit wird der auf die Feststellung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 12. April 1994 gerichtete Hilfsantrag entbehrlich, weil durch den Hauptantrag alle nach dem 31. Dezember 1993 liegenden befristungsbedingten Beendigungszeitpunkte erfaßt sind.

Dem Antrag fehlt nicht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin seit dem 1. Januar 1995 eine anderweitige Beschäftigung gefunden und strebt die Rückkehr an ihren früheren Arbeitsplatz bei der Beklagten nicht mehr an. Das läßt ihr Interesse an der begehrten Feststellung nicht entfallen. Denn eine vergangenheitsbezogene Feststellungsklage ist zulässig, wenn sich aus dem Klageziel noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben können (BAG Urteil vom 12. Oktober 1994 - 7 AZR 745/93 - AP Nr. 165 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu 2 der Gründe, m.w.N.). Vorliegend hat die begehrte Feststellung unmittelbare Auswirkungen auf finanzielle Ansprüche der Klägerin aus Annahmeverzug, die sich nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zum Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz noch nicht vollständig beziffern ließen. Darüber hinaus waren auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Beklagte bei positiver Beurteilung der Feststellungsklage ihren Leistungspflichten nicht nachkommen werde.

II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Befristung des letzten Arbeitsvertrages für wirksam gehalten, weil ein sachlicher Grund für diese Befristung vorlag.

1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht den letzten Arbeitsvertrag der Parteien vom 29. Januar 1991, in dem eine Befristung bis zum 31. Dezember 1993 vereinbart war, der Befristungskontrolle unterzogen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG Urteil vom 10. August 1994 - 7 AZR 695/93 - AP Nr. 162 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu I 1 der Gründe, m.w.N.) ist bei mehreren aufeinander folgenden Arbeitsverhältnissen nur die Befristung des letzten Arbeitsvertrages auf ihre sachliche Rechtfertigung hin zu überprüfen. Durch den vorbehaltlosen Abschluß dieses Vertrages haben die Parteien ihr Arbeitsverhältnis auf diese Rechtsgrundlage gestellt, die künftig für ihre Rechtsbeziehungen maßgeblich sein soll.

2. Die Befristung des Arbeitsvertrages vom 29. Januar 1991 ist nicht aus formalen Gründen unwirksam.

a) Kraft einzelvertraglicher Vereinbarung ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Sonderregelung der SR 2y Nr. 2 zum Knappschafts-Angestellten-Tarifvertrag (KnAT) anzuwenden. Nach dieser Bestimmung ist im Arbeitsvertrag zu vereinbaren, ob der Angestellte als Zeitangestellter, als Angestellter für Aufgaben von begrenzter Dauer oder als Aushilfsangestellter eingestellt wird. Diese Angaben sind im Arbeitsvertrag vom 29. Januar 1991 enthalten. Dort ist neben dem Endtermin auch ausgeführt, daß die Klägerin als Zeitangestellte beschäftigt wird. Weitergehender Angaben zum Befristungsgrund bedarf es nicht.

Die tarifliche Bestimmung der SR 2y Nr. 2 KnAT ist wortgleich mit derjenigen der Nr. 2 SR 2y BAT. Für diese Bestimmung hat das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 20. Februar 1991 - 7 AZR 81/90 - AP Nr. 137 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 1 der Gründe; Urteil vom 6. Juni 1984 - 7 AZR 458/82 - AP Nr. 83 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu IV 2 der Gründe) entschieden, daß für den durch die tarifliche Vorschrift befolgten Zweck der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit die vertragliche Vereinbarung der Grundform ausreichend ist und weitergehende Angaben zum konkreten sachlichen Befristungsgrund entbehrlich sind. Diese Rechtsgrundsätze gelten auch für die wort- und damit inhaltsgleiche Nr. 2 zu SR 2y KnAT.

Einer konkreten Angabe des Befristungsgrundes im Arbeitsvertrag hat es auch aus anderen Gründen nicht bedurft. Entgegen der Ansicht der Revision kommt eine entsprechende Heranziehung des Rechtsgedankens des § 57 b Abs. 5 Hochschulrahmengesetz (HRG) nicht in Betracht. Die Voraussetzungen einer Analogie sind nicht gegeben, weil es an einer entsprechenden Gesetzeslücke fehlt. Die konkrete Angabe des Befristungsgrundes im Arbeitsvertrag gehört nicht zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen einer darauf gestützten Befristung. Davon macht lediglich § 57 b Abs. 5 HRG in seinem Anwendungsbereich eine Ausnahme. Das ÄArbVtrG vom 15. Mai 1986 (BGBl. I S. 742) ist im Zusammenhang mit den erweiterten Befristungsmöglichkeiten von Arbeitsverhältnissen nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz vom 26. April 1985 (BGBl. I S. 710) sowie nach dem Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen vom 14. Juni 1985 (BGBl. I S. 1065) entstanden und damit zeitlich nach § 57 b HRG in Kraft getreten. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber den im HRG geregelten Sonderfall auf alle gesetzlich geregelten Befristungsgründe übertragen wollte. Eine planwidrige Unvollständigkeit läßt sich danach nicht feststellen.

b) Die zwischen den Parteien getroffene Befristungsabrede ist nach § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG wirksam. Danach ist die Befristung eines Arbeitsvertrages mit einem Arzt unter anderem sachlich gerechtfertigt, wenn die Beschäftigung des Arztes seiner Weiterbildung zum Gebietsarzt dient. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Die Klägerin war zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Ärztin. Ihre Beschäftigung diente ihrer Weiterbildung zur Fachärztin für Neurologie. Für das Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzungen hat es das Landesarbeitsgericht genügen lassen, daß die Beschäftigung einem Weiterbildungszweck gedient hat, ohne ausschließlicher Beschäftigungsinhalt zu sein. Dieser Rechtsauffassung schließt sich der Senat an. Bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich, daß der Befristungstatbestand des § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG nicht verlangt, daß der Arzt ausschließlich zu seiner Weiterbildung beschäftigt wird, sondern es genügen läßt, daß die Beschäftigung diesen Zweck fördert. Dieses Ergebnis wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. Der Befristungstatbestand des § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG sollte die Befristungsmöglichkeiten für Ärzte in der Weiterbildung erleichtern und die mit der arbeitsgerichtlichen Kontrolle verbundenen Risiken und rechtlichen Unsicherheiten einer Befristung beseitigen (Heinze, NJW 1987, 2278). Das Landesarbeitsgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, daß die Förderung der Weiterbildung zur Fachärztin im Sinne eines Mitzwecks der Beschäftigung grundsätzlich ausreicht. Nicht zu beanstanden ist ferner die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Weiterbildungszweck sei Grundlage des Vertragsabschlusses der Parteien gewesen, weil die Klägerin ein solches Ziel in ihrem Bewerbungsschreiben eindeutig zum Ausdruck gebracht habe und daraufhin ihre Einstellung erfolgt sei. Rechtsfehler bei der tatrichterlichen Würdigung der bei Vertragsabschluß gegebenen Umstände sind weder ersichtlich und werden auch von der Revision nicht aufgezeigt.

III. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat sich nicht über den vereinbarten Befristungszeitraum hinweg bis zum 12. April 1994 fortgesetzt. Das hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt und deshalb die Klage insgesamt abgewiesen.

1. Nach § 1 Abs. 4 Nr. 3 ÄArbVtrG sind auf die jeweilige Dauer eines nach den Vorschriften des ÄArbVtrG befristeten Arbeitsverhältnisses im Einvernehmen mit dem Arzt Zeiten eines Beschäftigungsverbotes nach den §§ 3, 4, 6 und 8 des Mutterschutzgesetzes nicht anzurechnen, soweit eine Beschäftigung nicht erfolgt ist. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, diese Vorschrift verlange eine teleologische Reduktion. Eine Verlängerung der Vertragslaufzeit sei nur erforderlich, soweit die vorgeschriebene Ausbildungszeit bis zum vereinbarten Vertragsende nicht absolviert worden sei. Daher komme bei der Klägerin eine Vertragsverlängerung nach § 1 Abs. 4 Nr. 3 ÄArbVtrG nicht in Betracht, weil sie die nach der Weiterbildungsordnung vorgeschriebenen Zeiten bereits vor Beginn der Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz zurückgelegt habe.

Diese Rechtsauffassung teilt der Senat nicht. § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG bedarf keiner Einschränkung in Fällen, in denen vor Unterbrechung der tatsächlichen Beschäftigung aufgrund der in dieser Norm geregelten Tatbestände der sich in der Weiterbildung befindliche Arzt die nach der jeweiligen Weiterbildungsordnung vorgeschriebenen Ausbildungszeiten bereits zurückgelegt hat. Für eine dementsprechende Verkürzung des Beschäftigungsanspruchs gibt der Wortlaut der Vorschrift nichts her. Er wird auch von Sinn und Zweck der Norm nicht verlangt. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts dient das ÄArbVtrG nicht der Erleichterung der Befristungsmöglichkeiten zur Verbesserung der Weiterbildungssituation der in der Facharztausbildung stehenden Ärzte. Das ÄArbVtrG steht im Zusammenhang mit dem Vierten Gesetz zur Änderung der Bundesärzteordnung (BÄO), in dem der Gesetzgeber eine zweijährige Praxisphase (Arzt im Praktikum) als Teil der ärztlichen Ausbildung eingeführt hat. Die Durchführung der Praxisphase sollte kostenneutral an den Krankenhäusern erfolgen. Dazu mußten die Krankenhäuser in die Lage versetzt werden, einen Teil der für die Weiterbildung zur Verfügung stehenden Arztstellen in Stellen für Ärzte im Praktikum umzuwandeln. Dieses Ziel sollte durch eine erhöhte Fluktuation von Ärzten im Krankenhausbereich erreicht werden. Dazu bedurfte es des erleichterten Abschlusses befristeter Arbeitsverträge für Ärzte in der Weiterbildung. Dafür hat der Gesetzgeber für diesen Personenkreis in § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG einen gesetzlichen Sachgrund der Weiterbildung geschaffen, ohne jedoch die Befristungsdauer konkret an die in den landesgesetzlichen Ausbildungsordnungen geregelten Beschäftigungszeiten zu knüpfen (BT-Drucks. 10/3559, S. 3). Die nunmehr zeitlich begrenzte Beschäftigungsmöglichkeit der in der Weiterbildung stehenden Ärzte gestattete es diesem Personenkreis gegenüber dem früheren Rechtszustand nur noch in begrenztem Umfange, während der Weiterbildungsphase aufgrund praktischer Beschäftigung berufliches Erfahrungs- und Praxiswissen zu sammeln. Diese ohnehin begrenzten Beschäftigungszeiten sollten nicht zusätzlich verringert werden, weil durch die Übernahme besonderer gesellschaftlicher Lasten oder familiärer Pflichten die gesamte Zeit des befristeten Arbeitsverhältnisses nicht beschäftigungsrelevant genutzt werden kann. Davor schützt § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG (BT-Drucks. 10/3559, aa0). Mit dieser beschäftigungsbezogenen Zweckbestimmung ist eine Auslegung nicht zu vereinbaren, die eine Anrechnung der in § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG aufgeführten Zeiten nur zuläßt, soweit vor Beginn des Unterbrechungszeitraums die nach der jeweiligen Weiterbildungsordnung vorgeschriebenen Beschäftigungszeiten nicht zurückgelegt worden sind. Eine teleologische Reduktion der Norm in dem vom Landesarbeitsgericht gemeinten Sinne kommt demnach nicht in Betracht.

2. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich jedoch aus anderen Gründen als zutreffend (§ 561 ZPO). Denn die Rechtsfolge des § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG besteht nicht darin, daß sich die vereinbarte Vertragszeit automatisch um die Zeiten eines in § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG geregelten Unterbrechungszeitraums hinausschiebt. Vielmehr bedarf es des Abschlusses eines entsprechenden Arbeitsvertrages, an dem es vorliegend fehlt. Die Feststellung des Zustandekommens eines solchen Vertrages hat die Klägerin mit ihren in den Vorinstanzen gestellten Anträgen auch nicht verlangt.

a) Nach § 1 Abs. 4 Nr. 3 ÄArbVtrG sind auf die jeweilige Dauer eines nach § 1 Abs. 3 ÄArbVtrG befristeten Arbeitsverhältnisses im Einverständnis mit dem zur Weiterbildung beschäftigten Arzt unter anderem nicht anzurechnen die Zeiten eines Beschäftigungsverbotes nach den Vorschriften des Mutterschutzgesetzes, soweit eine tatsächliche Beschäftigung nicht erfolgt ist. Zweck dieser Vorschrift ist es, die Beendigung des Arbeitsvertrages um die anzurechnende Zeit hinauszuschieben. Um dieses Ziel zu erreichen, ist der von dieser Vorschrift betroffene Personenkreis berechtigt, von dem Arbeitgeber den Abschluß eines weiteren Arbeitsvertrages begrenzt auf diesen Zeitraum zu verlangen. Der Arbeitgeber unterliegt bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG einem Kontrahierungszwang (vgl. Nagel, Anm. zu AP Nr. 1 zu § 57 a HRG). Dagegen führt der Antrag auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht dazu, daß sich die Vertragslaufzeit automatisch um die nach § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG anzurechnenden Zeiten hinausschiebt. Eine so weitgehende Rechtsfolge läßt sich dem Wortlaut dieser Vorschrift nicht entnehmen. Sie hätte - wie entsprechende Regelungen in § 78 a BetrVG oder § 10 Abs. 1 AÜG zeigen - durch entsprechende Formulierungen deutlich zum Ausdruck kommen müssen (vgl. BAG Urteil vom 30. März 1994, BAGE 76, 204, 213 = AP Nr. 1 zu § 57 a HRG, zu IV 3 a der Gründe). Auch der Zweck der Regelung legt eine derartig weitgehende Rechtsfolge nicht nahe. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, soll der angehende Facharzt davor geschützt werden, daß er durch die in § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG geregelten Unterbrechungszeiten eine befristete Beschäftigungszeit nicht ausschöpfen kann und dadurch gehindert wird, seine praktischen Kenntnisse und Fähigkeiten zu erproben und zu erweitern. Dieses Ziel ließe sich durch eine nahtlose Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Anschluß an die Vertragslaufzeit ohnehin nur erreichen, wenn der jeweilige Unterbrechungszeitraum vor Beendigung der ursprünglich vereinbarten Vertragszeit abgeschlossen ist und der Arbeitnehmer nicht aus einem der in § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG genannten Gründe an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert wird. Dauert der Unterbrechungszeitraum über das vertraglich vereinbarte Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus, ist eine tatsächliche Beschäftigung des Arztes nicht möglich. Der Gesetzgeber hat jedoch den Beschäftigungsanspruch nicht von der zeitlichen Lage des Unterbrechungszeitraums während der Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses abhängig machen wollen. Vielmehr erfolgt die Sicherung des Beschäftigungsanspruches nach § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG durch den Abschluß eines um die anrechenbare Zeit befristeten Arbeitsvertrages im Anschluß an die Vertragslaufzeit oder - bei einer darüber hinaus fortdauernden Unterbrechung - im Anschluß an den Unterbrechungszeitraum.

b) Auch im vorliegenden Falle hätte die von der Klägerin erstrebte automatische Verlängerung ihres bis zum 31. Dezember 1993 befristeten Arbeitsverhältnisses zu einem sinnwidrigen Ergebnis geführt, weil dann das Arbeitsverhältnis am 22. Februar 1994 und damit einen Tag nach Beendigung der Mutterschutzfrist des § 6 Abs. 1 MuSchG am 21. Februar 1994 geendet hätte. Daher hat die Klägerin eine automatische Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch erst nach Ablauf der Mutterschutzfrist im Umfange der nach § 1 Abs. 4 Nr. 3 ÄArbVtrG anrechenbaren Zeiten begehrt. Dafür fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Den Abschluß eines Arbeitsvertrages für die Zeit vom 22. Februar 1994 bis zum 15. April 1994 hat die Klägerin aber nicht verlangt. Ihrem Weiterbeschäftigungsverlangen vom 9. Juni 1993 kann ein solcher Erklärungswert auch nicht beigemessen werden. Die Klägerin ist ebenso wie die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß sich auf Grund ihres Weiterbeschäftigungsverlangens das Arbeitsverhältnis automatisch verlängert und es nicht des Abschlusses eines neuen Arbeitsvertrages bedarf.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Steckhan Düwell Schmidt

Schiele Jubelgas

 

Fundstellen

BAGE 83, 52-60 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

BAGE, 52

BB 1996, 2100 (Leitsatz 1-3)

DB 1996, 2338-2340 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

NJW 1997, 2473

NJW 1997, 2473 (Leitsatz 1-3)

EzB BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag, Nr 56 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

EzB HRG §§ 57 b, c, Nr. 16 (Leitsatz 1-3)

NZA 1997, 256

NZA 1997, 256-258 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

RdA 1996, 388 (Leitsatz 1-3)

RzK, I 9d Nr 43 (Leitsatz 1-3)

ZTR 1996, 563-565 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

AP § 57b HRG (Leitsatz 1-3 und Gründe), Nr 10

AP § 611 BGB, Nr 35

AR-Blattei, ES 250 Nr 44 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

ArbuR 1996, 455 (Leitsatz 1-3)

ArztR 1997, 296-298 (red. Leitsatz 1 und Gründe)

EzA § 620 BGB Hochschulen, Nr 8 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

EzBAT, Ärzte Nr 1 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

KH 1997, 30-31 (Leitsatz und Gründe)

MedR 1997, 364-366 (Leitsatz und Gründe)

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