Entscheidungsstichwort (Thema)

Freistellung am Rosenmontag. Betriebliche Übung

 

Leitsatz (redaktionell)

Parallelsache zu 5 AZR 16/92

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 242; ZPO § 256

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 20.01.1992; Aktenzeichen 14 Sa 794/91)

ArbG Köln (Urteil vom 06.06.1991; Aktenzeichen 11a Ca 846/91)

 

Tenor

1. Die Revisionen der Klägerinnen und Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 20. Januar 1992 – 14 Sa 794/91 – werden zurückgewiesen.

2. Die Klägerinnen und Kläger haben die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet war, den Klägerinnen und Klägern für den 7. Februar 1991 (Weiberfastnacht) und für den 11. Februar 1991 (Rosenmontag) Dienstbefreiung zu gewähren.

Die Klägerinnen und Kläger sind beim Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln beschäftigt. Seit mindestens 1966 gewährt die Beklagte den dort Beschäftigten Dienstbefreiung aus Anlaß des Karnevals. Es erging dazu alljährlich eine Hausverfügung. So hieß es darin im Jahre 1990 wie folgt:

„Haus Verfügung Nr. 1/90

Betr.:

Bereitschaftsdienst an Weiberfastnacht (22. Febr. 1990)

Dienstbefreiung am Rosenmontag (26. Febr. 1990)

Dienst am Karnevalsdienstag (27. Febr. 1990)

  1. Für Weiberfastnacht ist in jeder Abteilung zur Erledigung unaufschiebbarer Dienstgeschäfte eine ausreichende Anzahl an Beschäftigten einzuteilen. Das nicht eingeteilte Personal wird an diesem Tag vom Dienst freigestellt.
  2. zum Dienst eingeteilten Beschäftigten ist bis zum 30. April 1990 als Ausgleich entsprechend Dienstbefreiung zu gewähren. Die zum Dienst eingeteilten Beschäftigten sind dem Referat Z II 3 – Hauptbüro – bis zum 8. Februar 1990 schriftlich zu melden.
  3. Rosenmontag ist dienstfrei.
  4. Karnevalsdienstag beginnt der Dienst um 10.00 Uhr.”

Die Dienstbefreiung wurde nicht davon abhängig gemacht, ob die einzelnen Beschäftigten aktiv am Karneval teilnahmen, zu Hause blieben oder verreisten. Ein großer Teil der Belegschaft erkundigte sich noch vor der Bekanntgabe der Hausverfügung nach der Arbeitszeitregelung für den Karneval. Nach Ausbruch des Golfkrieges im Januar 1991 beschloß das Festkomitee des Kölner Karnevals, diesmal auf Veranstaltungen unter freiem Himmel zu verzichten. Das betraf insbesondere den Kölner Rosenmontagszug. Am 25. Januar 1991 erließ der Präsident des Bundesamtes eine Hausverfügung mit folgendem Wortlaut:

„Betr.: Arbeitszeitregelung zu Karneval 1991

Angesichts der andauernden Kampfhandlungen am Golf entfallen in diesem Jahr der eingeschränkte Dienstbetrieb an Weiberfastnacht und die allgemeine Dienstbefreiung an Rosenmontag. An beiden Tagen ist normaler Dienst zu leisten.

Ich bin mir sicher, daß Sie hierfür Verständnis haben und die Entscheidung, daß aus dem gleichen Grund karnevalistische Feiern im Amt nicht stattfinden können, voll mittragen.

Diese Regelung gilt für die Außenstellen entsprechend.”

Der Personalrat hat die Anordnung, an Weiberfastnacht und Rosenmontag 1991 normalen Dienst zu leisten, gebilligt. Am 6. Februar 1991 erwirkten die Klägerinnen und Kläger eine einstweilige Verfügung, mit der der Beklagten aufgegeben wurde, ihnen am 7. und am 11. Februar 1991 Dienstbefreiung zu gewähren. Auf den Widerspruch der Beklagten bestätigte das Arbeitsgericht die einstweilige Verfügung durch Urteil vom 8. Februar 1991. Auf die Berufung der Beklagten hob sodann das Landesarbeitsgericht durch Entscheidung vom 8. Februar 1991 die einstweilige Verfügung auf.

Nach Erlaß der einstweiligen Verfügung teilte der Präsident des Bundesamtes in einem Schreiben an die Mitarbeiter des Amtes unter anderem folgendes mit:

„Sollten die Antragsteller entgegen meiner Erwartung obsiegen, werde ich bei allen Bediensteten die an Weiberfastnacht und Rosenmontag geleisteten Arbeitsstunden als Mehrarbeit werten und durch entsprechende Freizeitgewährung ausgleichen.”

Die Klägerinnen und Kläger haben die Auffassung vertreten, aufgrund betrieblicher Übung habe ihnen auch im Jahre 1991 an Weiberfastnacht und am Rosenmontag Dienstbefreiung zugestanden. Die Situation am Golf habe hieran nichts ändern können.

Die Klägerinnen und Kläger haben beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet war, ihnen am 7. und am 11. Februar 1991 Dienstbefreiung zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Klägerinnen und Kläger hätten nicht darauf vertrauen können, daß die Dienstbefreiung auf Dauer gewährt werde. Es habe jährlich eine neue Prüfung und Entscheidung gegeben. Daher habe ein Anspruch aufgrund betrieblicher Übung nicht entstehen können.

Das Arbeitsgericht hat den Klagen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klagen abgewiesen. Dagegen richten sich die Revisionen, mit denen die Klägerinnen und Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstreben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässigen Klagen zu Recht abgewiesen.

Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß den Klägerinnen und Klägern ein Anspruch auf bezahlte Freizeit nur aus Vertrag entstanden sein könnte. Es hat einen solchen Anspruch zu Recht verneint.

1. Die Vertragsbeziehungen der Parteien könnten sich nur aufgrund betrieblicher Übung zu einem Anspruch auf bezahlte Freizeit an Weiberfastnacht und am Rosenmontag ausgestaltet haben. Unter einer betrieblichen Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Willenserklärung des Arbeitgebers, die von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen (vgl. nur BAGE 40, 126, 133 = AP Nr. 1 zu § 3 TVArb Bundespost; aus neuester Zeit BAGE 59, 73, 84 f. = AP Nr. 33 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu II 3 a der Gründe, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Bei der Anspruchsentstehung ist nicht entscheidend ein Verpflichtungswille des Arbeitgebers, sondern nur die Frage, wie die Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen durften (§§ 133, 157 BGB).

Für die Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes gelten diese Grundsätze jedoch nur mit Einschränkung. Hier ist davon auszugehen, daß der Arbeitgeber im Zweifel nur die von ihm zu beachtenden gesetzlichen und tarifvertraglichen Normen vollziehen will. Daher müssen selbst bei langjährigen Vergünstigungen besondere zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes über das gewährte tarifliche Entgelt hinaus weitere Leistungen einräumen will, die auf Dauer gewährt und damit Vertragsbestandteil werden sollen (vgl. statt vieler nur BAGE 59, 73, 85 = AP Nr. 33 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu II 3 a der Gründe, ebenfalls mit weiteren Nachweisen).

2. An derartigen für den Bereich des öffentlichen Dienstes zur Anspruchsentstehung aus betrieblicher Übung zu verlangenden besonderen Umständen fehlt es hier. Das Gegenteil folgt aus der Tatsache, daß die Dienstbefreiung in jedem Jahr ausdrücklich und mit besonderer Regelung des Bereitschaftsdienstes zur Erledigung unaufschiebbarer Dienstgeschäfte gewährt wurde. Die Hausverfügungen des Präsidenten des Bundesamtes ließen erkennen, daß hier jeweils eine besondere Regelung getroffen wurde. Unter diesen Umständen konnte daher kein Vertrauen der beteiligten Arbeitnehmer darauf entstehen, daß ihnen die Arbeitsbefreiung an Weiberfastnacht und am Rosenmontag auf Dauer und uneingeschränkt als besondere Vergünstigung mit Anspruchscharakter zugestanden werden solle.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Reinecke, Dr. Schlemmer, Blank-Abel

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1079613

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