Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergabe-Teilbetrieb

 

Orientierungssatz

Betriebsteil ist eine Teilorganisation, in der sächlich und organisatorisch abgrenzbare arbeitstechnische Teilzwecke erfüllt werden, bei denen es sich um bloße Hilfsfunktionen handeln kann. Auch ein Betriebsteil erfüllt die Voraussetzungen des vom EuGH geprägten Begriffs der auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit. Der Verwaltung eines Unternehmens kommt gegenüber anderen Bereichen nicht in jedem Falle die erforderliche Eigenständigkeit zu, um einen selbständig übergangsfähigen Betriebsteil annehmen zu können

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des

Landesarbeitsgerichts Köln vom 7. Mai 1998 - 5 Sa 162/98 -

wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen im Wege des Betriebsübergangs ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist, über rückständige Vergütungsforderungen des Klägers sowie über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen vorsorglichen Kündigung.

Der im Jahre 1951 geborene Kläger war seit 1979 zunächst als kaufmännischer Angestellter und später als Prokurist bei der Viehverwertung R eG, Schlachthof D , aufgrund eines mündlichen Arbeitsvertrages beschäftigt.

Am 2. April 1993 kauften die Gebrüder H und J W das Grundstück Schlachthof D sowie das Inventar und die Einrichtungsgegenstände des Schlachthofs. Mit dem Kläger schlossen sie - als Gesellschafter bürgerlichen Rechts - am 7. Mai 1993 einen schriftlichen Arbeitsvertrag. Hiernach wurde der Kläger ab dem 1. Mai 1993 als kaufmännischer Angestellter eingestellt.

Die Gebrüder W betrieben zur Zeit der Übernahme des Schlachthofs mehrere Unternehmen jeweils in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Sie gründeten sodann im Juli 1993 auf dem Schlachthofgelände die Tiernahrung Gebrüder W OHG (fortan: OHG). Geschäftsgegenstand dieses Unternehmens war die Herstellung und der Vertrieb von Tiernahrung in Dosen sowie die Schalenproduktion. Die Produktion erfolgte im Mehrschichtbetrieb. Beliefert wurde fast ausschließlich der Lebensmitteleinzelhandel. Die OHG beschäftigte nach den Behauptungen des Klägers ca. 80 bis 85 Arbeitnehmer, davon 30 bis 35 in der Produktion.

Der Kläger arbeitete auf dem Schlachthofgelände in einem von dem Produktionsgebäude räumlich getrennten Verwaltungsgebäude als Personalsachbearbeiter und Lohnbuchhalter. In diesem Gebäude wurden mindestens vier weitere Arbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger war im kaufmännischen Bereich für alle Unternehmen der Gebrüder W zuständig. Die Einzelheiten der tatsächlichen Arbeitsausführung, insbesondere der Zeitanteil der einzelnen Tätigkeiten sowie die Vergabe an einen externen Steuerberater, sind streitig. Von Mai 1993 bis Juli 1993 war der Kläger über eine der Gesellschaften bürgerlichen Rechts der Gebrüder W zur Sozialversicherung angemeldet und erhielt von diesen die Gehaltszahlungen. Ab August 1993 war er über die neu gegründete OHG angemeldet.

Im Jahre 1994 geriet die OHG in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Seit November 1994 erhielt der Kläger kein Gehalt mehr. Mit Datum vom 21. November 1994 wurde allen Mitarbeitern der OHG gekündigt, auch dem Kläger. In dem deswegen geführten Kündigungsschutzverfahren obsiegte der Kläger aufgrund eines rechtskräftigen Versäumnisurteils, mit dem er auch einen Titel über das Gehalt für November 1994 erstritt.

Spätestens ab dem 24. November 1994 verhandelte die Beklagte mit den Gebrüdern W über eine Veräußerung der OHG. Am 9. Dezember 1994 mietete die Beklagte die Produktionsräume der OHG mit Wirkung vom 15. Dezember 1994. Ebenfalls am 9. Dezember 1994 kaufte die Firma G GmbH, eine 100 %ige Tochter der Beklagten, im wesentlichen das gesamte Anlagevermögen der OHG betreffend die Produktionseinrichtung für 410.000,00 DM sowie die beim Deutschen Patentamt eingetragenen Warenzeichen Weycat und Weydog für zusammen 20.000,00 DM. Die G GmbH vermietete die erworbenen Gegenstände an die Beklagte weiter. Unter dem 15. Dezember 1994 erwarb die Beklagte von der OHG Restinventar, Etiketten und sonstige Gegenstände zum Preis von 41.000,00 DM. Von dem in der Produktion beschäftigten Personal übernahm die Beklagte den Betriebsleiter sowie neun weitere Arbeitnehmer. Personal aus der Verwaltung übernahm sie ebensowenig wie das Verwaltungsgebäude und das darin enthaltene Inventar. Ihre gesamten kaufmännischen Tätigkeiten wie Buchhaltung, Einkauf und Vertrieb führt sie an ihrem Unternehmenssitz in B aus.

Am 2. Januar 1995 nahm die Beklagte die Produktion am Standort Schlachthof Düren auf. Sie arbeitet nur im Einschichtsystem, setzt nur vorbereitete Rohstoffe ein und führt die Schalenproduktion nicht fort. Das zu dieser Zeit angestrebte Umsatzvolumen betrug jährlich ca. 1,5 Mio. DM im Vergleich zu ca. 6 Mio. DM Umsatz der OHG.

Am 29. März 1995 wurde über das Privatvermögen der Gebrüder W und am 26. Juni 1995 über das Vermögen der OHG das Konkursverfahren eröffnet.

Mit der am 12. Juni 1995 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten spätestens ab dem 1. März 1995 geltend gemacht. Mit mehreren Klageerweiterungen hat er Vergütung für die Monate November 1994 bis März 1996 sowie Zahlung von vermögenswirksamen Leistungen und Direktversicherungsbeiträgen verlangt. Auf die Bruttovergütungsansprüche läßt sich der Kläger das im streitigen Zeitraum bezogene Arbeitslosen- und Konkursausfallgeld anrechnen. Eine mit Schreiben vom 13. September 1995 vorsorglich zum nächstzulässigen Termin ausgesprochene Kündigung der Beklagten hat er mit dem am 25. September 1995 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 17. Oktober 1995 zugestellten Schriftsatz angegriffen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei kraft Betriebsüberganges von der OHG spätestens zum 1. März 1995 seine Arbeitgeberin geworden. Er sei sowohl Arbeitnehmer der Gebrüder W in deren gesamthänderischer Verbundenheit als Gesellschafter bürgerlichen Rechts als auch der OHG gewesen. Dies ergebe sich daraus, daß die OHG der GbR faktisch als Arbeitgeber beigetreten sei. Durch Betriebsanweisung sei er beiden Unternehmen einheitlich zugeordnet gewesen. Auch sei mit den Gebrüdern W besprochen worden, daß ab Juni/Juli 1993 das Arbeitsverhältnis auf die OHG übergehe. Dementsprechend sei ab August 1993 auch verfahren worden. Seine Arbeitsaufgabe habe in der Leitung des Rechnungswesens bestanden. Die Verwaltung der Unternehmen der Gebrüder W sei einheitlich erfolgt. Ab August 1993 habe er den kompletten Bereich Personal und die Buchhaltung für die OHG bearbeitet. Dies habe 90 % seiner Arbeitskraft in Anspruch genommen. Für die GbR sei er lediglich noch freitags zwischen vier und sechs Stunden tätig gewesen. Der Betriebsübergang von der OHG auf die Beklagte ergebe sich daraus, daß diese das gesamte Anlagevermögen übernommen habe und die Tiernahrungsproduktion fortführe. Durch die Übernahme der Produktion seien auch die Arbeitsverhältnisse der in der Verwaltung Beschäftigten mit übergegangen, da es sich um einen einheitlichen Betrieb handele. Zu diesem einheitlichen Betrieb der OHG habe neben der Verwaltung und dem eigentlichen Produktionsbereich die "Logistik" gezählt, der z. B. LKW-Fahrer, Reinigungskräfte, Elektriker usw. zuzuordnen seien. Der Betrieb sei auch nicht zwischenzeitlich stillgelegt gewesen. Die Kündigung der Beklagten vom 13. September 1995 sei sozialwidrig.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, daß zwischen dem Kläger und der Beklagten

spätestens seit März 1995 ein Arbeitsverhältnis bestehe,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 100.079,53 DM

brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden

Nettobetrag ab den jeweiligen (im einzelnen aufgeführten)

Fälligkeitsterminen abzüglich 31.892,50 DM erhaltenen

Arbeitslosengeldes und 4.855,75 DM Konkursausfallgeldes sowie

vermögenswirksame Leistungen von 884,00 DM netto und 3.400,00

DM netto Beiträge zur Direktversicherung zu zahlen,

3. festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende

Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 13. September 1995

nicht aufgelöst worden sei, sondern fortbestehe.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, der Kläger sei nicht Arbeitnehmer der OHG gewesen und habe im übrigen höchstens 25 % seiner Arbeitszeit für die OHG verwendet. Ein Betriebsübergang liege nicht vor, weil die OHG zum Zeitpunkt der Übernahme der Vermögensgegenstände und eines Teils des Personals bereits stillgelegt gewesen sei. Ihr Produktionsbetrieb sei mit dem der OHG nicht vergleichbar. Insbesondere produziere sie nur Tierkost in Dosen für den Tiernahrungsfachhandel, und zwar in weit geringerem Umfang als die OHG. Selbst wenn ein Betriebsübergang angenommen werde, handele es sich allenfalls um einen Teilbetriebsübergang, von dem der Verwaltungsbereich, dem der Kläger zuzuordnen sei, nicht erfaßt werde.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat einen Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Beklagte jedenfalls im Ergebnis zutreffend verneint. Deshalb schuldet die Beklagte keine Vergütung; ihre vorsorgliche Kündigung vom 13. September 1995 ist mangels eines Arbeitsverhältnisses gegenstandslos.

I. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts handelte es sich bei der Verwaltung der W -Gruppe um einen organisatorisch selbständigen Betriebsteil. Dieser Betriebsteil, dem der Kläger zuzuordnen sei, sei nicht auf die Beklagte übergegangen.

II. Ob die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Qualifizierung der "Verwaltung" als Betriebsteil im Sinne von § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB rechtfertigen, erscheint demgegenüber zweifelhaft. Betriebsteil ist eine Teilorganisation, in der sächlich und organisatorisch abgrenzbare arbeitstechnische Teilzwecke erfüllt werden, bei denen es sich um bloße Hilfsfunktionen handeln kann. Auch ein Betriebsteil erfüllt die Voraussetzungen des vom EuGH geprägten Begriffs der auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit (vgl. nur Senatsurteile vom 11. Dezember 1997 - 8 AZR 729/96 - BAGE 87, 303, 306 = AP Nr. 172 zu § 613 a BGB, zu B I 2 a der Gründe; vom 26. August 1999 - 8 AZR 718/98 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu B I II der Gründe). Der Verwaltung eines Unternehmens kommt gegenüber anderen Bereichen nicht in jedem Falle die erforderliche Eigenständigkeit zu, um einen selbständig übergangsfähigen Betriebsteil annehmen zu können. Ob das im Streitfalle etwa deshalb anders war, weil eine Zuständigkeit für die gesamte W -Gruppe bestand, kann dahingestellt bleiben. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob der Kläger Arbeitnehmer der OHG war. Ein Eintritt der Beklagten in das Arbeitsverhältnis des Klägers ergibt sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.

III. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist nicht aufgrund des Übergangs eines Teilbetriebs, in dem der Kläger beschäftigt war, gem. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangen.

1. Bestand ein Teilbetrieb "Verwaltung", kann die Klage keinen Erfolg haben. Der Kläger gehörte dann, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, zu diesem Teilbetrieb, da er in den Bereichen Personalverwaltung, Buchhaltung und Rechnungswesen arbeitete. Das wird von der Revision auch nicht in Frage gestellt. Ein etwaiger Teilbetrieb "Verwaltung" ist nicht auf die Beklagte übergegangen. Die Beklagte hat weder sächliche noch immaterielle Betriebsmittel noch wesentliches Personal aus diesem Bereich übernommen und die bisherige Verwaltung nicht fortgeführt, sondern ihre eigene bereits bestehende Verwaltungsorganisation zur kaufmännischen Steuerung und verwaltungsmäßigen Betreuung der Tiernahrungsproduktion eingesetzt. Die entsprechende Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist rechtsfehlerfrei und wird von der Revision nicht angegriffen.

2. Bestand ein Teilbetrieb "Tiernahrungsproduktion", kann dahingestellt bleiben, ob dieser auf die Beklagte übergegangen ist; denn der Kläger kann einem solchen Teilbetrieb nicht zugeordnet werden. Der Übergang eines Arbeitsverhältnisses setzt voraus, daß der Arbeitnehmer dem übertragenen Betriebsteil angehört. Nicht ausreichend ist es, wenn er, ohne dem Betriebsteil anzugehören, als Beschäftigter einer Verwaltungsabteilung des Unternehmens Tätigkeiten für den übertragenen Teil des Unternehmens verrichtet (Senatsurteile vom 11. September 1997 - 8 AZR 555/95 - BAGE 86, 271, 277 = AP Nr. 16 zu EWG-Richtlinie 77/187, zu B 3 a der Gründe; vom 13. November 1997 - 8 AZR 375/96 - BAGE 87, 120, 128 = AP Nr. 170 zu § 613 a BGB, zu II 3 der Gründe; vom 21. Januar 1999 - 8 AZR 298/98 - nicht veröffentlicht, zu II 1 b aa der Gründe; EuGH Urteil vom 7. Februar 1985 - Rs 186/83 - Slg. 1985, 519, 528 (Botzen), zu Nr. 16 der Gründe; EuGH Urteil vom 12. November 1992 - Rs C-209/91 - EuGHE I 1992, 5755 = AP Nr. 5 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187 (Rask), zu Nr. 16 der Gründe). Es kommt nicht darauf an, ob der verbleibende Restbetrieb fortgesetzt werden könnte (BAG Urteil vom 13. November 1997 - 8 AZR 375/96 - aaO, zu II 2 g der Gründe). Der Kläger macht selbst nicht geltend, er habe einem Teilbetrieb "Tiernahrungsproduktion" angehört. Vielmehr wendet er sich gerade gegen eine Aufteilung des Betriebs in Produktion, Logistik und Verwaltung.

IV. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist nicht aufgrund eines Übergangs des gesamten Betriebs auf die Beklagte übergegangen.

1. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt ein Betriebsübergang gem. § 613 a BGB die Bewahrung der Identität der betreffenden Einheit voraus. Der Begriff "Einheit" bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Er darf nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Ihre Identität ergibt sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (vgl. nur Senatsurteile vom 13. November 1997 - 8 AZR 375/96 - aaO, zu II 1 der Gründe; vom 11. Dezember 1997 - 8 AZR 426/94 - BAGE 87, 296, 299 = AP Nr. 171 zu § 613 a BGB, zu B I der Gründe, jeweils m.w.N.). Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebs ein. Der bisherige Inhaber muß seine wirtschaftliche Betätigung im Betrieb einstellen, der neue Inhaber sie im wesentlichen unverändert fortführen. Einer besonderen Übertragung der Leitungsmacht bedarf es daneben nicht (vgl. nur Senatsurteile vom 12. November 1998 - 8 AZR 282/97 - AP Nr. 186 zu § 613 a BGB, zu B I 1 der Gründe; vom 18. März 1999 - 8 AZR 159/98 -, zu II 1 der Gründe, beide auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

2. Ob die Identität der wirtschaftlichen Einheit gewahrt worden ist, hängt auch bei einem Produktionsbetrieb von einer Gesamtwürdigung unter Einbeziehung aller bezeichneten Umstände ab. Im Vordergrund stehen die materiellen, immateriellen und personellen Mittel sowie die organisatorischen Konzepte, die dem Zweck Produktion und Absatz der Waren in besonderer Weise dienen und für seine Fortführung von wesentlicher Bedeutung sind. Ohne eine im wesentlichen unveränderte Fortführung der wirtschaftlichen Betätigung im Betrieb kann aber von einem Erhalt der wirtschaftlichen Einheit regelmäßig keine Rede sein. Führt ein anderer Unternehmer einen erheblich eingeschränkten und grundlegend anders organisierten Betrieb mit den sächlichen Betriebsmitteln eines früheren Betriebsinhabers, so liegt nicht ohne weiteres ein Betriebsübergang in Verbindung mit einer Änderung des Betriebs durch den zweiten Unternehmer vor. Vielmehr ist die von vornherein auf Dauer eingeschränkte und anders organisierte Betriebstätigkeit auch bei der Prüfung des Übergangs eines Produktionsbetriebs zu würdigen.

3. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung kann nicht festgestellt werden, die Identität des Betriebs der OHG sei durch die Beklagte gewahrt worden.

a) Die Beklagte führt die betriebliche Tätigkeit auf Dauer in wesentlich eingeschränktem Umfang, mit verändertem Zweck und gänzlich anders organisiert fort. Sie fertigt nur noch Tiernahrung in Dosen, nicht mehr in Schalen, setzt nur vorbereitete Rohstoffe ein und läßt einschichtig statt mehrschichtig arbeiten, wobei der angestrebte Umsatz allenfalls noch ein Viertel des früheren Umsatzes beträgt. Die fehlende Übernahme von Verwaltung und "Logistik" bedingt eine andersartige Organisation der Produktion. Anstatt ursprünglich über 80 Arbeitnehmer sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nur noch 10 Arbeitnehmer tätig. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, die Beklagte habe zusätzliche Mitarbeiter eingestellt, um den bisherigen Betrieb in etwa aufrechterhalten zu können.

b) Das Anlagevermögen gem. Kaufvertrag vom 9. Dezember 1994, das in der Rechnung vom 15. Dezember 1994 nicht näher bezeichnete Restinventar, das Produktionsgebäude und die Warenzeichen sind speziell für eine Tiernahrungsproduktion wesentlich. Darin erschöpfte sich der Betrieb der OHG aber nicht. Vielmehr wurden auch Verwaltungsaufgaben, Elektrikerarbeiten, Reinigungs- und Fahrtätigkeiten erfüllt. Die hierzu gehörigen materiellen und immateriellen Betriebsmittel, z. B. die Computeranlage, hat die Beklagte nicht übernommen. Sie hat nicht das gesamte Grundstück Schlachthof D erhalten, zumindest das Verwaltungsgebäude ist bei der OHG verblieben. Die übernommenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel machen allenfalls die Identität des Teilbereichs Tiernahrungsproduktion aus.

c) Darüber hinaus machte die Herstellung der Tiernahrung nicht den Gesamtbetrieb der OHG aus, weil die OHG nach dem Vortrag des Klägers lediglich etwa 30 bis 35 Arbeitnehmer der Gesamtbelegschaft von über 80 Arbeitnehmern in diesem Bereich beschäftigte. Die übrigen Arbeitnehmer, mehr als die Hälfte der Belegschaft, waren mit Verwaltung, Reinigung, Transport, Elektrikerarbeiten und dergleichen beschäftigt. Diese Struktur ist von der Beklagten nicht übernommen worden.

d) Danach ergibt sich die Wahrung der Identität auch nicht aus der Übernahme der Hauptbelegschaft. Dies würde die Übernahme der nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Arbeitnehmer voraussetzen (vgl. hierzu nur Senatsurteile vom 22. Mai 1997 - 8 AZR 101/96 - BAGE 86, 20 = AP Nr. 154 zu § 613 a BGB; vom 11. September 1997 - 8 AZR 555/95 - aaO; vom 11. Dezember 1997 - 8 AZR 729/96 - aaO). Die Beklagte hat aber nicht einmal die Hauptbelegschaft in Bezug auf die Herstellung der Tiernahrung übernommen. Von den hier mindestens 30 bis 35 Arbeitnehmern werden bei der Beklagten unstreitig nur 10 - einschließlich des Betriebsleiters - weiterbeschäftigt. Es ist nicht ersichtlich, daß diese übernommenen Arbeitnehmer eine prägende Bedeutung für den Betrieb gehabt hätten.

e) Die Übernahme des gesamten Betriebs folgt nicht aus dem Umstand, daß die verbleibenden Teile nicht sinnvoll weitergeführt werden konnten. Das hat das Landesarbeitsgericht richtig erkannt (vgl. Senatsurteil vom 13. November 1997 - 8 AZR 375/96 - aaO, zu II 2 g der Gründe). Die Beklagte hat nach alledem allenfalls den Teilbereich Tiernahrungsproduktion übernommen. Ein Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Beklagte kann daraus, wie ausgeführt, nicht hergeleitet werden.

V. Danach bedarf es nicht der vom Kläger angeregten Vorlage an den EuGH. Zweifel über den Anwendungsbereich der EWG-Richtlinie 77/187 bestehen nicht. Die entscheidungserheblichen Fragen sind in der Rechtsprechung des EuGH hinreichend geklärt. Der EuGH hat die Kriterien für einen Betriebsübergang wiederholt ausführlich dargelegt (vgl. nur Urteile vom 11. März 1997 - Rs C-13/95 - EuGHE I 1997, 1259 = AP Nr. 14 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187 (Ayse Süzen); vom 10. Dezember 1998 - verb. Rs C-173/96 u. C-247/96 - (Hidalgo) NZA 1999, 189, zu Nr. 25, 30 - 32 der Gründe; EuGH Urteil vom 10. Dezember 1998 - verb. Rs C-127/96, C-229/96 u. C-74/97 - (Hernandez) NZA 1999, 253, zu Nr. 29 - 32 der Gründe). Dieser Rechtsprechung hat sich der Senat angeschlossen (Urteil vom 22. Mai 1997 - 8 AZR 101/96 - aaO). Die Würdigung, ob die tatsächlichen Umstände insgesamt die Annahme eines Betriebsübergangs rechtfertigen, obliegt den nationalen Gerichten. Zudem hat der EuGH bereits entschieden, das Arbeitsverhältnis gehe nicht schon dann über, wenn der Arbeitnehmer, ohne dem Betriebsteil anzugehören, bestimmte Tätigkeiten mit Betriebsmitteln des übertragenen Betriebsteils verrichtete (Urteile vom 7. Februar 1985 und 12. November 1992, jeweils aaO). Ob dies auch der Fall ist, wenn der gesamte Betrieb mit Ausnahme der Verwaltung übernommen wird, bedarf keiner Entscheidung. Der Betrieb der OHG ist nicht im Sinne der Richtlinie 77/187 auf die Beklagte übergegangen.

VI. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

Ascheid

Dr. WittMikosch Lorenz

Heydenreich

 

Fundstellen

Dokument-Index HI611120

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