Leitsatz (amtlich)

1. Die Gerichte für Arbeitssachen sind ausschließlich sachlich zuständig, wenn aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes Prozeßkosten geltend gemacht werden, die aus Anlaß einer Lohnpfändung dem Pfändungsgläubiger vom Drittschuldner verursacht werden.

2. Soweit Prozeßkosten aus materiellrechtlichen Gründen geltend gemacht werden können, sind nur solche Kosten zu ersetzen, die zur zweckentsprechenden Prozeßführung notwendig waren.

3. Auch aus materiellrechtlichen Gründen können Entschädigungen wegen Zeitversäumnis und Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten aus Anlaß eines erstinstanzlichen Rechtsstreits vor dem Arbeitsgericht nicht verlangt werden. Ob das auch dann gilt, wenn diese Unkosten vom Prozeßgegner nach § 826 BGB zu vertreten sind, bleibt dahingestellt.

 

Normenkette

ArbGG § 61 Abs. 1 S. 2, § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4, 4 S. 1, §§ 3, 64 Abs. 2 S. 1; ZPO § 840 Abs. 2 S. 2, §§ 91, 104 ff., § 271 Abs. 3 S. 2, § 528 S. 2, § 566; BGB §§ 242, 254 Abs. 2 S. 1, §§ 286, 823 Abs. 2, § 826

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf

 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf, 2. Kammer in Köln, vom 4. Juni 1959 – 2 Sa 39/59 – insoweit aufgehoben, als es die Klage wegen eines Betrages von 6,– DM abgewiesen hat. Insoweit wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

2. Im übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin hat aus, einem vollstreckbaren Titel wegen der Titelsumme von 1.500,– DM und 10%: Zinsen seit dem 1. Januar 1958 nebst Kosten die angeblichen Lohnforderungen ihres bei dem Beklagten als Koch tätigen Titelschuldners E… H… pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Nach der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses verschwieg der Beklagte in Beantwortung der an ihn gemäß § 840 Abs. 1 ZPO gestellten Fragen, daß bereits der Klägerin, vorgehende Pfändungen anderer Gläubiger H… vorlagen; er gab fälschlich an, beim Amtsgericht Düren sei ein Verteilungsverfahren anhängig, Zahlungen an die Klägerin leistete er nicht.

Die durch ihren jetzigen Prozeßbevollmächtigten vertretene Klägerin hat daraufhin unter Berufung auf die von ihr ausgebrachte Pfändung vom Beklagten im Wege der Klage Zahlung eines Teilbetrages von 300,– DM nebst 10% Zinsen ab dem 1. Januar 1958 verlangt. Das Arbeitsgericht hat den Beklagten durch Aufrechterhaltung eines gegen ihn ergangenen Versäumnisurteils antragsgemäß verurteilt mit der Begründung, er habe die zu seiner Verteidigung geltend gemachte Behauptung nicht beweisen können, daß der Klägerin vorgehende Pfändungen anderer Gläubiger ihn berechtigt hätten, nichts an die Klägerin zu zahlen. Als der Beklagte dann in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nachwies, daß der von der Klägerin ausgebrachten Pfändung solche anderer Gläubiger H… im Betrag von insgesamt 2.109,52 DM im Range vorgingen hat die Klägerin erklärt, daß sie aus dem erstinstanzlichen Urteil keine Rechte herleiten wolle. Im Wege der Klageänderung hat sie unter Berufung auf § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO von dem Beklagten Zahlung der ihr in erster Instanz unstreitig entstandenen Unkosten, nämlich 41,24 DM Anwaltsgebühren, ferner 6,– DM Fahrtkosten zum Zwecke der Information ihres Prozeßbevollmächtigten, sowie schließlich 15,– DM für Zeitversäumnis, insgesamt somit 62,24 DM verlangt. Der Beklagte hat ausdrücklich erklärt, er widerspreche der Klageänderung nicht; er hat beantragt, unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils auch die geänderte Klage abzuweisen. Beide Parteien haben sich dann mit einer Entscheidung im Verfahren einverstanden erklärt. In einem fristgerecht nachgereichten Schriftsatz hat der Beklagte gerügt, für den von der Klägerin jetzt verfolgten Klageantrag seien die ordentlichen Gerichte und nicht die Gerichte für Arbeitssachen zuständig.

Das Landesarbeitsgericht hat unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils einschließlich des Versäumnisurteils die Klage abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr bisheriges Klageziel weiter.

 

Entscheidungsgründe

1. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit der vom Beklagten erhobenen prozeßhindernden Einrede, für den von der Klägerin jetzt geltend gemachten Anspruch seien die ordentlichen Gerichte und nicht die Gerichte für Arbeitssachen sachlich zuständig, nicht auseinandergesetzt.

§ 64 Abs. 2 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit Satz 2 ZPO entband das Landesarbeitsgericht und entbindet das Revisionsgericht nicht, die Berechtigung dieser Einrede zu prüfen. Wie das Bundesarbeitsgericht mehrfach entschieden hat, schließen § 528 Satz 2 und § 566 ZPO nur dann eine Nachprüfung der sachlichen Zuständigkeit im Rechtsmittelverfahren aus, wenn die sachliche Zuständigkeit in erster Instanz für den geltend gemachten Anspruch nicht gerügt worden ist und das Arbeitsgericht seine Zuständigkeit bejaht hat (vgl. BAG vom 12. Februar 1959 – 1 AZR 354/58 – BAG 7, 223, [233, 234] = AP Nr. 1 zu § 419 BGB; BAG vom 17. April 1959 – 1 AZR 594/58 = AP Nr. 5 zu § 528 ZPO; BAG vom 16. November 1959 – 2 AZR 616/57 – AP Nr. 13 zu § 278 ZPO mit zustimmender Anmerkung von Pohle). Wenn ein Prozeß in erster Instanz nicht durch Zuständigkeitsstreitigkeiten der Parteien war und auch das erstinstanzliche Gericht gegen seine sachliche Zuständigkeit keine Bedenken von Amts wegen erhoben, sondern seine Zuständigkeit angenommen hat, soll nach der Sinngebung der §§ 528 Satz 2, 566 ZPO im Interesse der Prozeßbeschleunigung und zur Vermeidung einer Belastung der Parteien ein Zuständigkeitsstreit in zweiter und dritter Instanz von Amts wegen überhaupt nicht und auf Parteirüge hin in zweiter Instanz nur unter den in § 528 Satz 1 ZPO näher beschriebenen erschwerten Voraussetzungen ausgelöst werden können. Diese Sinngebung trifft aber nur zu, wenn in erster Instanz eine Partei die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit überhaupt hätte erheben können. Ist, wie im vorliegenden Verfahren, in erster Instanz ein Anspruch streitig gewesen, bei dem die sachliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen völlig unproblematisch war (§§ 2 Abs. 1 Ziffer 2, Abs. 4 Satz 1 ArbGG), und wird in der zweiten Instanz im Wege der Klageänderung ein anderer, neuer Anspruch verfolgt, so besteht kein sachlicher Grund in einem solchen Fall die Amtsprüfung bzw. die Zulässigkeit der Einrede der sachlichen Zuständigkeit nach näherer Maßgabe der §§ 528 Satz 2, 566 ZPO auszuschalten bzw. zu erschweren. Wollte man derartiges in Betracht ziehen, so könnten Parteien im Wege der einverständlichen Klageänderung in der Berufungsinstanz die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für Streitigkeiten in Anspruch nehmen, für die diese nicht zuständig sind; ein solches Ergebnis wäre mit § 3 ArbGG unvereinbar, weil die sachliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nur in den in § 3 ArbGG genannten Ausnahmefällen durch Parteivereinbarung erweitert werden kann. Hinzukommt, daß dann, wenn eine Partei im Wege der Klageänderung in der Berufungsinstanz einen neuen und völlig anderen als den bisherigen Klageanspruch geltend macht, sie der Sache nach mit Recht hinnehmen muß, wenn sich der Prozeßablauf durch Zuständigkeitserörterungen verzögert und darüber gestritten wird und sie dabei u.U. unterliegt. § 528 Satz 2 entband das Landesarbeitsgericht und § 566 entbindet den erkennenden Senat also nicht von der Pflicht, die sachliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für den allein jetzt noch von der Kläger verfolgten Anspruch von Amts wegen zu prüfen. Auch die Rüge des Beklagten zwingt dazu. Wie der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 8. Dezember 1959 – 3 AZR 323/56 (vgl. AP Nr. 18 zu § 2 ArbGG 1953 Zuständigkeitsprüfung) (mit zustimmender Anmerkung von Pohle) ausgeführt hat, genügt es, wenn die Rüge der sachlichen Zuständigkeit im Laufe der Instanz überhaupt erhoben wird. Sie brauchte nicht vor der Verhandlung zur Hauptsache erhoben werden. Nachdem sich im Berufungsverfahren die Parteien nach der am 9. April 1959 geschehenen ersten und einzigen mündlichen Verhandlung mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt hatten und ihnen vom Gericht nachgelassen worden war, bis zum 25. April 1959 noch Schriftsätze einzureichen, war der vom Beklagten beim Landesarbeitsgericht am 20. April 1959 eingereichte und auch der Klägerin zugegangene Schriftsatz bei der Rechtsfindung gemäß § 128 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen, wozu auch die darin vom Beklagten erhobene Rüge der sachlichen Unzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen gehört (vgl. in etwa auch Stein-Jonas, ZPO, 18. Aufl., § 128 Anm. X 4).

2. Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ist indessen zu bejahen.

a) Anerkanntermaßen kann der Anspruch auf Erstattung von Prozeßkosten unabhängig vom Prozeß den Inhalt eines materiellrechtlichen privatrechtlichen Anspruchs auf Schadenersatz bilden (vgl. Stein-Jonas, ZPO, 18 Aufl., Vorbem. III vor § 91; Rosenberg, Lehrbuch des DZPR, 8. Aufl., 1960, § 79 IV 3, S. 368, 369). Als Anspruchsgrundlagen kommen dann, neben anderen, häufig die Gesichtspunkte des Verzugsschadens (§ 286 Abs. 1 BGB), der unerlaubten Handlung (§§ 823 Abs. 2, 826 BGB) oder, wie hier, die Vorschrift des § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO in Betracht (vgl. Stein-Jonas, a.a.O., Vorbem. III vor § 91 ZPO).

b) Zum Hauptanspruch eines besonderen Rechtsstreits können solche auf materiellrechtlicher Grundlage beruhenden Kostenerstattungsansprüche jedenfalls erhoben werden, wenn es, wie hier, an einem richterlichen Kostenausspruch nach § 91 ZPO fehlt oder wenn lediglich eine Klagerücknahme und die damit verbundene gesetzliche Kostentragungspflicht nach § 271 Abs. 3 Satz 2 ZPO vorliegt (zu letzterem vgl. Stein-Jonas, a.a.O., Vorbem. III 1 zu N. 36 vor § 91). In einem solchen Fall ist das Rechtsschutzinteresse für eine Klage auf Kostenerstattung insbesondere deshalb nicht fraglich, weil es an einer einfacheren Möglichkeit, kraft richterlicher Kostenentscheidung im Wege des besonderen Kostenfestsetzungsverfahrens (§§ 104 ff. ZPO) zu den Kosten zu kommen, fehlt (Stein-Jonas, a.a.O., Vorbem. III 4 vor § 91).

c) Würde eine Partei aus ihrer Position als Pfändungsgläubigerin des Lohnanspruchs des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber als dessen Drittschuldner Kostenerstattungsansprüche aus dem Gesichtspunkt dessen Schuldnerverzugs und damit aus § 286 Abs. 1 BGB verfolgen können, so würde ein solcher Kostenstreit gemäß § 2 Abs. 1 Ziffer 2 und Abs. 4 ArbGG zur sachlichen Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen gehören, weil dann die Klägerin als Pfändungsgläubigerin befugterweise (2 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 ArbGG) Ansprüche im Sinne des § 2 Abs. 1 Ziffer 2 ArbGG geltend machen würde. Wenn nun, wie hier, Verzugsgesichtspunkte als Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren der Klägerin deshalb ausscheiden, weil die Pfändung der Klägerin in das Arbeitseinkommen ihres Schuldners wegen vorrangiger Pfändungen anderer Gläubiger ins Leere ging und der Beklagte gegenüber der Klägerin deshalb mit seinen Lohnzahlungspflichten auch nicht in Verzug geriet, so ist dem Landesarbeitsgericht Frankfurt (NJW 1956, 1334 Nr. 25 [1335]), das die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen in solchen Fällen verneint, zuzugeben, daß sie dann noch als Anspruchsgrundlagen für das Klagebegehren in Betracht kommenden Gesichtspunkte der §§ 823, 826 BGB, § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO sich in dem vom Gesetz abschließend geregelten Zuständigkeitsbereich der §§ 2, 3 ArbGG ohne weiteres nicht einordnen lassen. Das führt indessen für den vorliegenden Rechtsstreit nicht zu der Annahme der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Es müßte schon als ein befremdliches Ergebnis erscheinen, wenn der Pfändungsgläubiger, der wirksam Einkommen gepfändet hat, im Wege der Verzugsfolgen u.U. Prozeßkosten vor den Arbeitsgerichten verfolgen könnte, während das nicht der Fall wäre, wenn seine Pfändung fehl geht und er Prozeßkosten nur aus dem Gesichtspunkt der §§ 823, 826 BGB und des § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO verlangen kann. Solchen Gedankengängen zu folgen hieße, ohne sachlichen Grund juristische und dem Laien kaum oder nur schwer verständliche Anspruchsqualifikationen über vernünftige und praktische Erwägungen siegen zu lassen. Wenn, wie hier, eine Partei zunächst einen zur sachlichen Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitsrecht gehörigen Anspruch geltend macht und dann im Verlaufe des Rechtsstreites im Wege der Klageänderung nur noch die Kosten verfolgt, die aus dem bisherigen Arbeitsrechtsstreit entstanden sind, müßte es ausgesprochen unpraktisch erscheinen, wenn der Kläger dieserhalb nur die ordentlichen Gerichte im Wege einer neuen Klage oder Verweisung angeben dürfte und es ihm verwehrt wäre, bei den Arbeitsgerichten zu verbleiben und deren aus dem bis dahin gediehenen Prozeß gegebene Sachkunde sowie deren verbilligtes und beschleunigtes Verfahren für etwas in Anspruch zu nehmen, was bei richtiger Gesamtbetrachtung nur ein Anhängsel aus einem untergegangenen Arbeitsrechtsstreit ist. Es kann bei dem Gesamtkomplex daher nicht übersehen werden, daß in solchen Fällen ein der Regel des § 3 ArbGG verwandter Gesichtspunkt des Sachzusammenhanges und der Sachnähe gegeben ist, der dazu führen muß, im Wege der ergänzenden Rechtsfindung (Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 15. Aufl., Bd. I, 1959, § 58 S. 337) die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen anzunehmen. Ob ein Verhalten des Drittschuldners von gepfändetem Arbeitseinkommen die Merkmale des Schuldnerverzugs, der unerlaubten Handlung oder des § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO erfüllt und welche Folgerungen sich daraus für ein als Hauptanspruch geltend gemachtes Kostenerstattungsbegehren ergeben, hängt bei richtiger Gesamtbetrachtung meist von Fragen des materiellen Arbeitsrechts und, wie unten noch näher zu zeigen sein wird, im Hinblick auf § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG von einer richtigen Anwendung des Arbeitsgerichtsgesetzes und damit vom Arbeitsprozeßrecht ab. Es muß als hypothetischer Gesetzeswillen (vgl. Enneccerus-Nipperdey, a.a.O., § 58 III 42 S. 344) angenommen werden, daß dieser Komplex zur ausschließlichen Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gehört (so auch, wenn auch ohne weitere Begründung, Stein-Jonas, ZPO,18. Aufl., § 841 Anm. IV).

3. a) Materiellrechtlich hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Umfang einer aus einer Verletzung des § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO sich ergebenden Schadensersatzpflicht decke sich mit den Kosten, die im Falle einer Kostenentscheidung nach § 91 ZPO erstattungspflichtig sein würden. Dieser Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis beizutreten. Wenn § 91 Abs. 1 ZPO den Umfang der zu erstattenden Kosten auf die Kosten beschränkt, die zur zweckentsprechenden Prozeßführung notwendig waren, so ist das nur der Ausdruck eines allgemeinen Prinzips, das nicht nur für die prozessuale Kostenerstattungspflicht kraft Verurteilung zur Kostentragung in einem richterlichen Erkenntnis, sondern ganz allgemein für materielles Schadensersatzrecht gilt. Das ergibt sich aus der durch § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB erfolgten Konkretisierung des § 242 BGB, wonach ein Geschädigter von sich aus das ihm Zumutbare tun muß, um den ihm zugefügten oder drohenden Schaden klein zu halten. Auch wer infolge unrechtmäßiger Maßnahmen eines anderen zur Prozeßführung gezwungen wird, muß sich aus diesem Gesichtspunkt heraus daher darum bemühen nur die Kosten entstehen zu lassen, die zur zweckentsprechenden Prozeßführung notwendig waren. Tut er das nicht, so verschuldet er die darüber hinausgehenden Kosten selbst und muß er sie selbst tragen (so im Ergebnis auch Stein-Jonas, a.a.O., Vorbem. III 2 zu N. 39 zu § 91; vgl. auch RG JW 1926, 1542 Nr. 5; a.A. Rosenberg, a.a.O., § 79 IV 3 S. 368 und OLG Hamburg JW 1931, 182 Nr. 1).

b) Das Landesarbeitsgericht hat weiter ausgeführt, der Annahme, das vorliegend die von der Klägerin verfolgten Kosten notwendige Kosten in diesem Sinne gewesen seien, stehe § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG entgegen, wonach in ersten Instanz vor den Arbeitsgerichten Entschädigung für Zeitversäumnis und Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten nicht verlangt werden können. Auch diese Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist im Grundsatz nicht zu beanstanden. Die Vorschrift des § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG will, wenn sie überhaupt einen Sinn haben soll, aus wohl überlegten Gründen den Arbeitsgerichtsprozeß verbilligen. Abhängige Arbeitnehmer sollen – eben wegen ihrer oft gegebenen wirtschaftlichen Schwäche – auch dann, wenn sie im Arbeitsgerichtsprozeß unterliegen, nicht mit den in § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG genannten Kosten überzogen werden können. Damit wird vermieden, daß sie in künftigen Fällen, bei denen berechtigte und lebensnotwendige Ansprüche auf dem Spiel stehen, den Prozeß scheuen. Aus Gründen der durch das Wesen einer jeden Gerichtsbarkeit gebotenen Gleichbehandlung gilt diese Vorschrift auch für den Arbeitgeber oder eine sonstige Partei, die vor den Arbeitsgerichten unterliegt. Wenn man sich von den in der Vergangenheit gehegten Abneigungen des Arbeitsgerichtsgesetzes gegen Vertretungen einer Partei durch Rechtsanwälte in erster Instanz einmal löst, muß die heutige Regelung des § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG daher als eine Sonderregelung betrachtet werden, die für einen typischen sozialen Sachverhalt, das Prozessieren vor dem Arbeitsgericht erster Instanz, von jedem Rechtsgenossen das soziale Opfer verlangt, den damit verbundenen Zeitaufwand und die damit etwa verbundenen Kosten für einen Prozeßbevollmächtigten selbst zu tragen. Diese Sozialpflichtigkeit aus einem bestimmten sozialen und im Interesse des sozialen Friedens und der sozialen Sicherheit und Gerechtigkeit geschaffenen Sachverhalt kann zumutbarerweise in vielen Fällen jeder tragen. Er kann seinen Zeitaufwand, den die Prozeßführung notwendig macht, häufig ausgleichen oder ohne weiteres zusätzlich übernehmen und oftmals – freiwillig nicht immer – ohne Prozeßbevollmächtigten oder Beistand auskommen. Was darüber hinaus für ihn an Opfern bleibt, muß er aus Gründen der durch die Institution der Arbeitsgerichtsbarkeit gebotenen wechselseitigen sozialen Rücksichtnahme als Opfer hinnehmen. Letzten Endes ist das dann aber nicht anderes als eine durch soziale Gesichtspunkte und durch soziale Rücksichtnahme gebotene Pflicht, die wie die erörterte aus §§ 242, 254 Abs. 2 Satz 1 BGB, nicht nur für den prozessualen Erstattungsanspruch kraft richterlichen Kostenanspruchs, sondern auch für den materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch deshalb gelten muß, weil sozialwidriges Verhalten mit § 242 unvereinbar ist (vgl. so im Ergebnis auch Pohle, Anm. AP Nr. 15 zu § 61 ArbGG 1953; Dietz-Nikisch, ArbGG, 1954, § 61 Anm. 9 und Anm. 11; RAG ARS 9, 406 [412]).

c) Ob dieser Sozialschutz weichen muß, wenn arglistiges Verhalten im Sinne des § 826 BGB des Schadenersatzpflichtigen in Rede steht, braucht nicht entschieden zu werden. Es sind vom Landesarbeitsgericht keine Umstände festgestellt, daß der – kriegsblinde – Beklagte die falschen Auskünfte arglistig erteilt hat. Aus dem bei den Akten befindlichen und vom angefochtenen Urteil in Bezug genommenen Schriftwerk läßt sich nur der Schluß ziehen, daß er sich – wenn auch fahrlässig und daher schuldhaft – angesichts der Vielzahl der gegen H… ausgebrachten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geirrt hat. Prozessuale Rügen gegen das Fehlen weiterer, tatsächlicher Feststellungen hat die Revision nicht erhoben.

Ergibt sich somit, daß eine Verletzung des § 846 Abs. 2 Satz 2 ZPO durch den Beklagten diesen nur zum Ersatz der Kosten der Klägerin verpflichtet, die zur Prozeßführung „notwendig” i.S. des § 91 ZPO waren und daß auch diese nur dann zu erstatten sind, wenn es sich dabei nicht um Unkosten im Sinne des § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG handelt, so kann die Klägerin vom Beklagten die Erstattung von 41,24 DM Anwaltsgebühren und 25,– DM für Zeitversäumnis nicht verlangen. Insoweit ist die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.

e) Anders verhält es sich jedoch mit dem von der Klägerin verfolgten Betrag von 6,– DM an Kosten für die Fahrten zum Zwecke der Information ihres Prozeßbevollmächtigten.

Sie gehören eindeutig nicht zu den Unkosten, deren Erstattung § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG ausschließt (vgl. Dietz-Nikisch, ArbGG, § 61 Anm. 11; Dersch-Volkmar, ArbGG, 6. Aufl., § 61 Anm. 18; Wieczorek, ZPO, § 91 Anm. F II b 1, Stein-Jonas, a.a.O., § 91, Anm. X 1b, jeweils mit weiteren Hinweisen). Für sie haftet der Beklagte bei Verletzung des § 840 Abs. 2 ZPO dann, wenn es sich dabei um „notwendige” Kosten im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO handelt. Ob dabei § 840 Abs. 2 ZPO ein Verschulden des Beklagten voraussetzt (so RGZ 149, 251 [255]; RG HRR 1932 Nr. 1794; LAG Frankfurt, NJW 1956, 1334 Nr. 25 [1335]; OLG Hamm DR 1939, 1920 Nr. 10; Rosenberg, Lehrbuch, § 193 II 5b S. 1026; Wieczorek, ZPO, § 840 Anm. E) oder nicht (so Stein-Jonas, a.a.O. § 840 IV 1 zu N. 9a; Baumbach; ZPO, 25 Aufl., § 840 Anm. 3), kann hier dahinstehen, weil eine Fahrlässigkeit des Beklagten ohne weiteres anzunehmen ist. Ob es sich bei dem hier noch in Rede stehenden Reisekostenbetrag aber um „notwendige” Kosten im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO handelt, ist den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entnehmen. Da die Klägerin in Wollersheim bei Düren und ihr Prozeßbevollmächtigter in Düren wohnt, ist auch das nicht ohne weiteres ersichtlich. Das macht, da das Revisionsgericht die entsprechenden Feststellungen nicht treffen kann, gemäß §§ 549 Abs. 1, 550, 564 Abs. 1, 565 Abs. 1, Abs. 3 Ziffer 1 die teilweise Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung insoweit notwendig, als es um die Reisekosten in Höhe von 6,– DM geht.

 

Fundstellen

BAGE, 39

NJW 1961, 698

NJW 1961, 92

MDR 1961, 91

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