Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadenersatz für Insertionskosten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Arbeitgeber kann von einem vertragsbrüchigen Arbeitnehmer keinen Ersatz der durch Stellenanzeigen veranlaßten Kosten verlangen, wenn diese Kosten auch bei einer fristgemäßen ordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers zum arbeitsvertraglich nächsten Kündigungstermin entstanden wären (Bestätigung von BAG Urteil vom 26. März 1981 3 AZR 485/78 = BAGE 35, 179).

2. Die dem Arbeitnehmer arbeitsvertraglich eingeräumte Möglichkeit einer Kündigung berechtigt diesen, sich auf ein hypothetisches rechtmäßiges Alternativverhalten zu berufen mit der Folge, daß der Arbeitgeber nur dann Ersatz für die Kosten von Stellenanzeigen verlangen kann, wenn diese Kosten bei ordnungsgemäßer Einhaltung der arbeitsvertraglichen Kündigungsfrist vermeidbar gewesen wären.

3. Es bedarf keines Nachweises, daß der Arbeitnehmer von der vertraglich eingeräumten Kündigungsmöglichkeit fristgemäß Gebrauch gemacht hätte.

 

Orientierungssatz

Kein Anspruch auf Ersatz von Inseratskosten gegenüber dem vertragsbrüchigen Arbeitnehmer, wenn diese Kosten bei vertragsgemäßer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ebenfalls entstanden wären.

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 17.12.1980; Aktenzeichen 15 Sa 962/80)

ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 22.07.1980; Aktenzeichen 2 Ca 705/80)

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadenersatz wegen Vertragsbruchs und unerlaubter Handlung in Anspruch.

Die Parteien schlossen am 28. August 1979 einen schriftlichen "Anstellungsvertrag" ab, in dem sie u.a. vereinbarten:

"1. Herr N

wird unter der Voraussetzung, daß ärztlicherseits

keine Bedenken gegen die vorgesehene Tätigkeit

bestehen, als Außendienstmitarbeiter für das

Großküchengeschäft angestellt.

2. Eintritt 1. 1. 1980

...

6. Probezeit und Kündigungsfrist

Die ersten drei Monate gelten als Probezeit,

während der der Anstellungsvertrag von beiden

Seiten unter Einhaltung einer Frist von einem

Monat jeweils zum Schluß eines Kalendermonats

kündbar ist.

...

13. Führerscheinentzug

Beide Seiten sind sich darüber einig, daß zur

ordnungsgemäßen Ausübung der Außendiensttätig-

keit der uneingeschränkte Besitz des entspre-

chenden Führerscheins erforderlich ist. Dem-

gemäß ist T berechtigt, ohne Einhaltung

einer Kündigungsfrist den Vertrag aufzulösen,

falls dem Außendienstmitarbeiter der Führer-

schein entzogen wird. Der Außendienstmitar-

beiter hat einen Entzug oder auch die vorüber-

gehende Einbehaltung des Führerscheins unver-

züglich schriftlich zu melden."

Der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bei der Firma S-Versand beschäftigte Beklagte hatte dieses Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1979 gekündigt. Im Dezember 1979 bekundete die Firma S-Versand Interesse an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten und teilte ihm am 18. Dezember 1979 schriftlich mit, er könne über den Kündigungstermin hinaus weiter bei ihr beschäftigt werden. Mit Schreiben vom 20. Dezember 1979 erklärte der Beklagte der Klägerin daraufhin, er könne zu seinem Bedauern zum 1. Januar 1980 in ihr Unternehmen nicht eintreten, da ihm am 18. Dezember 1979 die Fahrerlaubnis entzogen worden sei. Die Klägerin antwortete am 2. Januar 1980 dem Beklagten, aufgrund der ihr gegebenen Information sei sie wunschgemäß bereit, das Arbeitsverhältnis vor seinem Beginn einverständlich aufzuheben. Zugleich forderte sie den Beklagten auf, ihr der guten Ordnung halber kurzfristig eine amtliche Bestätigung über den Entzug der Fahrerlaubnis zu übermitteln. Am 21. Januar 1980 gab die Klägerin eine Stellenanzeige in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung auf, in der sie einen Bezirksleiter im Außendienst für das Gebiet Dortmund suchte. Die Kosten für das am 26. Januar 1980 in der Wochenendausgabe erschienene Inserat betrugen 1.620,-- DM ohne Mehrwertsteuer. Am 28. Januar und erneut am 14. Februar 1980 forderte die Klägerin den Beklagten nochmals schriftlich auf, eine amtliche Bestätigung über den Entzug der Fahrerlaubnis vorzulegen. Daraufhin teilte der Beklagte mit Schreiben vom 22. Februar 1980 der Klägerin mit, der Entzug der Fahrerlaubnis sei nur kurzfristig gewesen. Da er wieder im Besitz seines Führerscheins sei, sei er zu einem Gespräch über seine Mitarbeit bei der Klägerin bereit und interessiert. Zur Vorlage der gewünschten amtlichen Bescheinigung über den Entzug der Fahrerlaubnis sei er jedoch nicht bereit, da es sich hierbei um seine private Angelegenheit handele. In der Folgezeit forderte die Klägerin den Beklagten vergeblich auf, die ihr entstandenen Inseratskosten zu zahlen. Gegen einen von der Klägerin erwirkten Mahnbescheid vom 2. April 1980 legte der Beklagte Widerspruch ein. In dem sich anschließenden Arbeitsgerichtsprozeß räumte der Beklagte mit Schriftsatz vom 24. Juni 1980 ein, die Geschichte mit dem Führerschein sei erfunden, da er das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin nicht habe aufnehmen wollen. Bereits in der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht am 6. Mai 1980 hatte die Klägerin ihr Einverständnis mit der Aufhebung des Arbeitsvertrags wegen Irrtums und arglistiger Täuschung angefochten.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte sei verpflichtet, die ihr aufgrund seines Vertragsbruchs entstandenen Inseratskosten zu ersetzen. Ein Schadenersatzanspruch folge ferner aus § 823 Abs. 2 BGB in Verb. mit § 263 StGB.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.620,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 31. März 1980 zu zahlen. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, er habe die Arbeit bei der Klägerin nicht aufnehmen wollen, nachdem er Ende November/Anfang Dezember 1979 von einem Kollegen sehr Nachteiliges über die bei der Klägerin bestehenden Arbeitsbedingungen erfahren habe. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die geltend gemachten Inseratskosten, da diese auch im Falle einer nach dem abgeschlossenen Arbeitsvertrag zulässigen ordentlichen Kündigung zum 31. Januar 1980 entstanden wären. Davon abgesehen sei das Arbeitsverhältnis einvernehmlich vor Vertragsbeginn aufgehoben worden, also ein Vertragsbruch überhaupt nicht gegeben.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, auch in dem hypothetischen Fall der rechtmäßigen Kündigung zum 31. Januar 1980 wären der Klägerin die geltend gemachten Inseratskosten entstanden. Das Verhalten des Beklagten erfülle auch nicht den Betrugstatbestand, so daß ein deliktischer Schadenersatzanspruch ebenfalls nicht gegeben sei. Die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren ursprünglichen Klageantrag weiter, während der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Beide Parteien haben sich gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Klägerin habe weder aus Vertrag noch aus Delikt einen Anspruch auf Ersatz der Inseratskosten gegen den Beklagten.

I. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, der Beklagte habe den Arbeitsvertrag vom 28. August 1979 rechtswidrig und schuldhaft gebrochen, da er seine Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter nicht am 2. Januar 1980 aufgenommen habe. Aus der vertraglichen Verpflichtung zur Arbeitsaufnahme sei der Beklagte auch nicht durch den zwischen den Parteien abgeschlossenen Aufhebungsvertrag entlassen worden, da die Klägerin ihn wirksam wegen arglistiger Täuschung aufgrund des vom Beklagten wahrheitswidrig behaupteten Entzugs der Fahrerlaubnis angefochten habe. Gleichwohl habe die Klägerin keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung nach § 325 Abs. 1 Satz 1 BGB, da der Klägerin die Inseratskosten auch ohne Vertragsbruch des Beklagten entstanden wären. Denn dem Schreiben des Beklagten vom 20. Dezember 1979 könne eine vorsorgliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum nächstzulässigen Termin, also zum 31. Januar 1980, entnommen werden. Angesichts der in Ziff. 6 des Arbeitsvertrags vereinbarten Probezeit und mangels einer entgegenstehenden Vereinbarung könne auch nicht von einem Ausschluß des Kündigungsrechts vor Dienstantritt ausgegangen werden. Entscheidend gegen einen Schadenersatzanspruch der Klägerin spreche, daß das von ihr aufgegebene und erst am 26. Januar 1980 erschienene Inserat nicht darauf abgezielt habe, eine Ersatzkraft für die Dauer des Vertragsbruchs, sondern für die Zeit nach dem ordentlichen Kündigungstermin zu finden. Es komme im Streitfall nicht darauf an, ob der Beklagte sich darauf hätte berufen können, die als Folge des Vertragsbruchs gemachten Aufwendungen wären der Beklagten ohnehin wenig später auch bei vertragsgemäßem Verhalten entstanden. Auch ein deliktischer Schadenersatzanspruch der Klägerin sei zu verneinen, da ihr durch den vom Beklagten vorgetäuschten Entzug der Fahrerlaubnis kein Schaden entstanden sei. Den aufgrund der Täuschung abgeschlossenen Aufhebungsvertrag habe die Klägerin wirksam angefochten, so daß insoweit kein Schaden gegeben sei. Ebensowenig habe die Täuschungshandlung die Aufgabe des Inserats verzögert und daher auch nicht das Scheitern des vertraglichen Schadenersatzanspruchs verursacht. Schließlich hätte die Klägerin das Inserat unabhängig von dem vom Beklagten geltend gemachten Hinderungsgrund für die unterlassene Arbeitsaufnahme aufgeben müssen, um den benötigten Außendienstmitarbeiter einstellen zu können.

II. Wie bereits der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 26. März 1981 - 3 AZR 485/78 - (BAG 35, 179 = AP Nr. 7 zu § 276 BGB Vertragsbruch) entschieden hat, kann der Arbeitgeber von einem vertragsbrüchigen Arbeitnehmer nur dann Ersatz der Inseratskosten verlangen, wenn diese Kosten bei ordnungsgemäßer Einhaltung der arbeitsvertraglichen Kündigungsfrist vermeidbar gewesen wären. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Entgegen der Auffassung der Revision unterscheidet sich der Streitfall auch nicht in rechtserheblicher Weise von dem der Entscheidung des Dritten Senats (aa0) zugrunde liegenden Sachverhalt. Im einzelnen gilt folgendes:

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, der Beklagte habe den mit der Klägerin abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 28. August 1979 rechtswidrig und schuldhaft gebrochen.

Da die von der Klägerin am 6. Mai 1980 erklärte und gemäß § 123 Abs. 1 BGB wirksame Anfechtung des Aufhebungsvertrags wegen arglistiger Täuschung gemäß § 142 Abs. 1 BGB zur Nichtigkeit des Aufhebungsvertrags von Anfang an führt, war der Beklagte nach Ziff. 2 des Arbeitsvertrags verpflichtet, am 1. bzw. 2. Januar 1980 seine Arbeit bei der Klägerin aufzunehmen. Der Beklagte hat auch schuldhaft seiner Verpflichtung zur Arbeitsaufnahme zuwider gehandelt. Da er den der Klägerin mitgeteilten Entzug der Fahrerlaubnis vorgetäuscht hatte, kannte er die Anfechtbarkeit des aus diesem Grunde abgeschlossenen Aufhebungsvertrags. Gemäß § 142 Abs. 2 BGB ist der Beklagte daher so zu behandeln, wie wenn er die Nichtigkeit des Aufhebungsvertrags gekannt hätte. Bei Kenntnis der Nichtigkeit des Aufhebungsvertrags mußte der Beklagte wissen, daß er bei Nichtaufnahme der Arbeit zu dem vertraglich vorgesehenen Zeitpunkt gegen die von ihm eingegangene vertragliche Verpflichtung zur Arbeitsleistung verstößt.

2. Die Klägerin kann dennoch von dem vertragsbrüchig gewordenen Beklagten den Ersatz der geltend gemachten Inseratskosten nicht verlangen, da der Beklagte diesen Schaden auch durch eine vertragsgemäße Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Januar 1980 hätte herbeiführen können, ohne der Klägerin gegenüber schadenersatzpflichtig zu sein. Dabei kommt es schadenersatzrechtlich nur darauf an, ob dieses rechtmäßige Alternativverhalten aufgrund der vertraglichen Abmachungen möglich gewesen wäre. Dagegen ist es unbeachtlich, ob der Beklagte das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt auf jeden Fall fristgemäß gekündigt hätte oder im Streitfall eine fristgemäße Kündigung zu diesem Zeitpunkt erklärt hat. Allein die hypothetische Möglichkeit eines rechtmäßigen Alternativverhaltens schließt bereits den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Ersatz der Inseratskosten aus.

a) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß der Beklagte aufgrund des Inhalts des Arbeitsvertrages dazu berechtigt gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 1980 durch ordentliche Kündigung zu beenden.

Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, die Parteien hätten in dem zwischen ihnen abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 28. August 1979 eine Kündigung vor Dienstantritt nicht ausgeschlossen, dafür spräche vor allem die Probezeitvereinbarung und das Fehlen entgegenstehender Anhaltspunkte, ist vom Revisionsgericht nur beschränkt nachprüfbar, da es sich bei dem Arbeitsvertrag um eine nichttypische Willenserklärung handelt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. etwa BAG 4, 354, 357). Revisionsgerichtlich beachtliche Rechtsfehler, etwa eine auf dem Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungsgrundsätze oder aus der Nichtberücksichtigung wesentlicher Umstände beruhende Verletzung der gesetzlichen Auslegungsregeln (vgl. BAG Urteil vom 27. Juni 1963 - 5 AZR 383/62 - AP Nr. 5 zu § 276 BGB Verschulden bei Vertragsabschluß), sind von der Revision nicht aufgezeigt worden und auch nicht ersichtlich. Aufgrund des zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrags konnte der Beklagte daher sein Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung zum 31. Januar 1980 beenden.

b) Wie der Dritte Senat in seiner Entscheidung vom 26. März 1981 (aa0) ausgeführt hat, muß die ihre vertraglichen Pflichten verletzende Partei nicht für alle in einem adäquaten Kausalzusammenhang stehenden Schäden aufkommen, sondern ihre Schadenersatzpflicht wird durch den Schutzzweck der verletzten Vertragsnorm begrenzt. Der Schutzzweck einer arbeitsvertraglichen Kündigungsfrist beschränke sich darauf, beiden Parteien einen ausreichenden Zeitraum zu gewährleisten, um die Voraussetzungen für einen Anschlußvertrag zu schaffen. Deshalb habe der vertragsbrüchige Teil nur den Schaden zu ersetzen, der der anderen Vertragspartei durch die überstürzte Vertragsbeendigung entstanden sei, jedoch bei vertragsmäßiger Einhaltung der Kündigungsfrist nicht entstanden wäre. Die Kosten für ein Zeitungsinserat zur Suche eines Nachfolgers seien daher zu ersetzen, wenn sie bei vertragsgerechtem Verhalten vermeidbar gewesen wären. Unter Aufgabe der Entscheidung des Fünften Senats vom 14. November 1975 (- 5 AZR 534/74 - AP Nr. 5 zu § 276 BGB Vertragsbruch) hat der Dritte Senat den Schutzzweck der Kündigungsfristen nicht darin erblickt, die beiden Vertragspartner für werbende Gespräche zusammenzuführen, um das Arbeitsverhältnis über den erstmöglichen Beendigungszeitpunkt hinaus fortzusetzen. Soweit der Zweite Senat in dem Urteil vom 18. Dezember 1969 (- 2 AZR 80/69 - AP Nr. 3 zu § 276 BGB Vertragsbruch) im Interesse der Vertragstreue dem Prinzip der zivilrechtlichen Prävention Vorrang gegenüber dem Einwand der überholenden Kausalität eingeräumt hatte, hat der Dritte Senat diese im Schrifttum einmütig abgelehnte Auffassung ebenfalls aufgegeben.

Die Entscheidung des Dritten Senats vom 26. März 1981 (aa0) ist im Schrifttum überwiegend zustimmend aufgenommen worden (vgl. Berkowsky, DB 1982, 1772; Hanau, AR-Blattei D, Arbeitsvertragsbruch, Anm. zur Entscheidung 22; Hirschberg, SAE 1981, 288). Die in der Literatur geübte Kritik gibt keine Veranlassung, von der Rechtsprechung des Dritten Senats abzuweichen. Soweit Beitzke (Anm. zu BAG AP Nr. 7 zu § 276 BGB Vertragsbruch) darauf hingewiesen hat, beim Arbeitsvertragsbruch durch Ablehnung der Arbeitsaufnahme gehe es nicht um den Schutzbereich der Kündigungsfristen, wie der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Anschluß an Grunsky (Anm. zu BAG AP Nr. 6 zu § 276 BGB Vertragsbruch, unter 2) angenommen habe, sondern um den Schutzzweck der verletzten Vertragspflicht zur Arbeitsleistung, wie Medicus (Anm. zu BAG AP Nr. 5 zu § 276 BGB Vertragsbruch) richtig hervorgehoben habe, mag diese Kritik zutreffend sein. Dies ändert jedoch nichts daran, daß die bei Arbeitsaufnahme für den Arbeitgeber gegebene Möglichkeit, bei dem Arbeitnehmer auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den erstmöglichen Beendigungszeitpunkt hinauszuwirken, nur eine rechtlich nicht geschützte Chance darstellt (so schon Medicus, aa0; BAG Urteil vom 22. Mai 1980 - 3 AZR 1103/77 - AP Nr. 6 zu § 276 BGB Vertragsbruch, unter III 2 c der Gründe). Dem läßt sich auch nicht entgegenhalten, der in der Verpflichtung zur Arbeitsleistung zum Ausdruck kommende Grundsatz der Vertragstreue räume dem Arbeitgeber die im Unternehmerinteresse schutzwürdige Möglichkeit ein, während des Laufs der Kündigungsfrist auf einen Sinneswandel des kündigenden Arbeitnehmers Einfluß zu nehmen (so Semerjibashian/Gilbeau, BB 1982, 1991, 1993). Denn auch die Vertragstreue verpflichtet nur, die eingegangenen vertraglichen Haupt- und Nebenleistungspflichten zu erfüllen, nicht aber, sich zu Gesprächen über eine mögliche Fortsetzung des kündbaren Vertragsverhältnisses zur Verfügung zu halten (ähnlich Hanau, aa0, unter 2 a). Auch der Grundsatz der Vertragstreue kann daher nichts daran ändern, daß bei Abschluß eines kündbaren Arbeitsvertrags stets damit gerechnet werden muß, daß der andere Teil von der Kündigungsmöglichkeit Gebrauch macht (vgl. H. Lange, Schadensersatz, 1979, S. 134).

Der weitere Einwand Beitzkes (aa0, unter 3),der Arbeitnehmer müsse beweisen, er hätte im Fall der Arbeitsaufnahme zum erstmöglichen Kündigungstermin gekündigt, könne aber diesen Beweis außer in dem Fall einer bei Ablehnung des Arbeitsantritts zugleich ausgesprochenen Kündigung praktisch nicht führen, läßt letztendlich die der Ausgleichsfunktion des Schadenersatzrechts entsprechende Möglichkeit der Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten leerlaufen. Damit wäre jedenfalls im Ergebnis doch, wie vom Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 18. Dezember 1969 (aa0) befürwortet, dem Prinzip der zivilrechtlichen Prävention grundsätzlich der Vorrang eingeräumt; das hat Beitzke aber selbst zu Recht abgelehnt (vgl. SAE 1970, 256, 257).

Schließlich berührt der Hinweis, der Schaden aus Vertragsbruch sei ein anderer als der aus rechtmäßiger Kündigung (vgl. Beitzke, aa0, unter 5), nicht die vom Dritten Senat im Urteil vom 26. März 1981 (aa0) vertretene Auffassung, der vertragsbrüchige Arbeitnehmer habe nur dann Ersatz für die Kosten von Stellenanzeigen zu leisten, wenn diese Kosten bei ordnungsgemäßer Einhaltung der arbeitsvertraglichen Kündigungsfrist vermeidbar gewesen wären. Der Arbeitgeber kann daher den von Medicus (aa0) als "Verfrühungsschaden" bezeichneten, d.h. den aus der überstürzten Vertragsbeendigung resultierenden Schaden, von dem vertragsbrüchigen Arbeitnehmer verlangen. Dazu k ö n n e n auch die Kosten für eine Stellenanzeige gehören, wenn der Arbeitgeber bei Einhaltung der Kündigungsfrist z.B. durch eine innerbetriebliche Stellenausschreibung oder Umfragen in Fachkreisen eine Ersatzkraft ohne Stellenanzeige gefunden hätte. Ein Indiz dafür, ob der Arbeitgeber während der Kündigungsfrist eine Ersatzkraft ohne Aufgabe einer Stellenanzeige hätte finden können, kann die Art und Weise sein, wie er danach den vertragsbrüchigen Arbeitnehmer angeworben hat. Soweit die Kosten für ein Zeitungsinserat auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum erstmöglichen Kündigungstermin entstanden wären, wird durch die bei Vertragsbruch zu einem früheren Zeitpunkt aufgegebene Anzeige ein Verfrühungsschaden nur in der Mehrbelastung durch Zinsen für Fremdmittel liegen (so zutreffend Medicus, aa0, unter 3 a.E.). Dies schließt nicht aus, daß im Falle des Vertragsbruchs u.U. anhand des gegebenen Zeitpunkts (z.B. Quartalsbeginn) für die Suche einer Ersatzkraft mehrere Zeitungsanzeigen erforderlich sind und damit höhere Kosten als bei einer vertragsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen. Diese Mehrkosten sind dann ebenfalls als "Verfrühungsschaden" ersatzfähig (vgl. Beitzke, aa0).

Nur der Vollständigkeit halber ist noch hinzuzufügen, daß der vertragsbrüchige Arbeitnehmer andere durch den Vertragsbruch entstandene Schäden (z.B. Gewinnminderung durch Produktionsausfall, Zuschläge für Mehrarbeit) zu ersetzen hat, die bei vertragsgemäßer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht entstanden wären.

c) Im Streitfall hat das Landesarbeitsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Ersatz der ihr entstandenen Inseratskosten nicht wegen des fehlenden Schutzzwecks der verletzten Norm bzw. wegen fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhangs verneint, sondern die Nichtaufnahme der Arbeit am 1. bzw. 2. Januar 1980 durch den Beklagten als nicht ursächlich für die erst am 26. Januar 1980 erschienene Zeitungsanzeige der Klägerin angesehen. Diesen Erwägungen, zu denen das Landesarbeitsgericht sich im Hinblick auf die in der Entscheidung des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Dezember 1969 (aa0) abgelehnte Möglichkeit der Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten veranlaßt sah, kann nicht zugestimmt werden. Die Klägerin kann nämlich bereits aufgrund des begrenzten Schutzbereichs der vom Beklagten verletzten Arbeitspflicht den Ersatz der Inseratskosten nicht verlangen (vgl. oben zu II 2 b der Gründe). Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen und gemäß § 561 Abs. 2 ZPO den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen ergeben nicht, daß die Klägerin bei vertragsgemäßer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Januar 1980 eine Ersatzkraft für den Beklagten ohne Aufgabe einer Stellenanzeige gefunden hätte. Die Klägerin kann daher den Ersatz der Inseratskosten auch nicht als Verfrühungsschaden vom Beklagten beanspruchen.

d) Die Angriffe der Revision geben keinen Anlaß zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung des Streitfalles:

Wie oben (unter II 2 c der Gründe) ausgeführt, ist für die Streitentscheidung nicht erheblich, zu welchem Zeitpunkt die Klägerin die Zeitungsanzeige aufgegeben hat. Aber auch unter Berücksichtigung der vom Landesarbeitsgericht vertretenen Auffassung kann der Revision nicht gefolgt werden, wenn sie geltend macht, die Klägerin habe aufgrund des vom Beklagten wahrheitswidrig behaupteten Entzugs der Fahrerlaubnis erst am 26. Januar 1980 die Stellenanzeige zur Suche einer Ersatzkraft für den vertragsbrüchigen Beklagten erscheinen lassen. Dem steht entgegen, daß nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Klägerin gerade wegen des angeblichen Entzugs der Fahrerlaubnis einer sofortigen Aufhebung des Arbeitsvertrags zugestimmt hat.

Da der Schadenersatzanspruch der Klägerin nicht davon abhängt, ob der Beklagte tatsächlich zum 31. Januar 1980 gekündigt hat, sondern die Möglichkeit einer rechtmäßigen Beendigung des Arbeitsvertrags zu diesem Zeitpunkt schon einen Anspruch auf Ersatz der Inseratskosten ausschließt, kann offenbleiben, ob das Landesarbeitsgericht in dem Schreiben des Beklagten vom 20. Dezember 1979 zu Recht den Ausspruch einer vorsorglichen ordentlichen Kündigung zum 31. Januar 1980 gesehen hat. Dies gilt ebenso für die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das Schreiben vom 20. Dezember 1979 sei der Klägerin vor dem 1. Januar 1980 zugegangen. Da nach der revisionsgerichtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des Landesarbeitsgerichts die Parteien eine Kündbarkeit des Arbeitsvertrags vor Dienstantritt nicht ausgeschlossen haben (vgl. oben zu II 2 a der Gründe), kann die Klägerin sich nicht auf einen gesteigerten Vertrauensschutz auf Vollzug des abgeschlossenen Arbeitsvertrags berufen.

3. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch einen Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Inseratskosten aus Delikt gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verb. mit § 263 StGB verneint. Schon der objektive Tatbestand des Betrugs ist im Streitfall nicht gegeben, da der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen Irrtum und Schädigung nicht vorliegt (vgl. Schönke/Schröder, StGB, 21. Aufl. 1982, § 263 Rz 77). Denn auch ohne den vom Beklagten durch die wahrheitswidrig behauptete Entziehung der Fahrerlaubnis bei der Klägerin erregten Irrtum, der Beklagte könne seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllen, hätte die Klägerin, wie auch von der Revision eingeräumt, in Kenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten ein Zeitungsinserat aufgegeben, um die Stelle des vertragsbrüchigen Klägers besetzen zu können.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Roeper Dr. Becker Dr. Steckhan

Dr. Blaeser Bea

 

Fundstellen

Haufe-Index 441261

DB 1984, 1731-1732 (LT1-3)

NJW 1984, 2846-2847 (LT1-3)

AuB 1985, 221-222 (T)

ARST 1984, 167-168 (LT1-3)

BlStSozArbR 1984, 309-309 (T)

NZA 1984, 122-123 (LT1-3)

SAE 1984, 217-220 (LT1-3)

WM IV 1984, 1353-1355 (LT1-3)

ZIP 1984, 873

ZIP 1984, 873-876 (LT1-3)

AP § 276 BGB Vertragsbruch, Nr 8

AR-Blattei, Arbeitsvertragsbruch Entsch 24 (LT1-3)

AR-Blattei, ES 230 Nr 24 (LT1-3)

EzA § 249 BGB, Nr 16 (LT1-3)

ZfA 1985, 597-597 (T)

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