Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergangsversorgung. Bestimmtheit. Streitgegenstand

 

Leitsatz (redaktionell)

Damit eine Teilklage bezogen auf mehrere Streitgegenstände zulässig ist, muss die Klagepartei genau angeben, in welcher Höhe sie aus den einzelnen Ansprüchen Teilbeträge einklagt.

 

Normenkette

ZPO § 253 Abs. 2, §§ 260, 308, 322, 850 Abs. 1, §§ 850c, 850e Nr. 2a; BGB § 366 Abs. 2, § 394 S. 1, § 396 Abs. 1 S. 2; Tarifvertrag Übergangsversorgung für Flugbegleiter i.d.F. vom 1. Juli 2003 §§ 2-3; Tarifvertrag Lufthansa-Betriebsrente für das Kabinenpersonal in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung § 14

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 30.03.2015; Aktenzeichen 17 Sa 948/14)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 26.03.2014; Aktenzeichen 17 Ca 7499/13)

 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 30. März 2015 – 17 Sa 948/14 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer Firmenrente im Rahmen der tariflichen Übergangsversorgung des Klägers.

Der am 30. November 1949 geborene schwerbehinderte Kläger war bei der Beklagten als Flugbegleiter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis unterlag kraft einzelvertraglicher Bezugnahme den für das Kabinenpersonal der Beklagten geltenden Tarifverträgen. Es endete am 30. November 2007 wegen Erreichens der tarifvertraglich vorgesehenen Altersgrenze. Der bei der Beklagten geltende „Tarifvertrag Übergangsversorgung für Flugbegleiter” idF vom 1. Juli 2003 (im Folgenden TV ÜV) regelt ua.:

㤠2 Firmenrente

(1) Flugbegleiter haben einen Anspruch auf Zahlung der Firmenrente, wenn sie wegen Erreichens der tarifvertraglichen Altersgrenze (§ 19 MTV Kabine) mit dem 55. oder ggf. einem späteren Lebensjahr aus dem fliegerischen Arbeitsverhältnis ausscheiden, ohne dass sie bereits Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Tarifvertrag Lufthansa-Betriebsrente haben.

(2) Die Zahlung der Firmenrente beginnt in dem Monat nach dem altersbedingten Ausscheiden aus dem fliegerischen Arbeitsverhältnis und endet im Zeitpunkt der frühestmöglichen Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente, spätestens mit dem vollendeten 63. Lebensjahr.

§ 3 Anrechnung

(1) Kann der Empfänger einer Firmenrente gesetzliche und/oder betriebliche Renten (einschließlich solche der VBL) wegen Erwerbsminderung beanspruchen, werden diese Rentenleistungen auf die Firmenrente gemäß § 2 angerechnet. Dies gilt auch im Fall der Altersrente für Frauen. Sofern Erwerbsminderungsrenten wegen Hinzuverdienst nicht in Höhe der Vollrente geleistet werden, werden – unabhängig von der tatsächlichen Rentenhöhe – die Renten in der Höhe angerechnet, wie sie ohne Hinzuverdienst bezogen würden. Renten der Berufsgenossenschaft sind insoweit anzurechnen, als sie die bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit zustehende Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz übersteigen. Entsprechendes gilt, wenn eine Abfindung der Berufsgenossenschaftsrente erfolgt ist; Anrechnungsgrundlage ist die Rente in der Höhe, in der sie gewährt worden wäre, wenn keine Abfindung erfolgt wäre. Wenn die vorstehend genannten Leistungen von Anträgen und/oder anderer Mitwirkung des/der unmittelbar Berechtigten abhängen, ist er/sie gehalten, die erforderliche Mitwirkung zu erbringen.

(2) Hat der Empfänger einer Firmenrente noch anderweitige Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis, werden diese zur Hälfte auf die Höhe der Firmenrente insoweit angerechnet, als die Summe dieser Einkünfte sowie der Firmenrente, der Zusatzrente aus der Versorgungskasse Kabine e.V. und der Versichertenrente das Eineinhalbfache der letzten monatlichen Gesamtvergütung (Grundvergütung, Purserzulage und Schichtzulage) des Berechtigten vor seinem Ausscheiden aus dem fliegerischen Arbeitsverhältnis übersteigt. Für die Berechnung wird die letzte Gesamtvergütung jeweils in Höhe ihrer tariflichen Fortentwicklung nach dem Ausscheiden berücksichtigt. Bezieht der Empfänger einer Firmenrente Arbeitslosengeld, ist dieses – soweit das Arbeitsverhältnis nicht gemäß § 20 MTV Kabine geendet hat – mit dem jeweiligen Zahlungsbetrag auf die Firmenrente anzurechnen.

…”

Die Protokollnotiz I des TV ÜV lautet:

„Bei Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente für Frauen vor dem vollendeten 63. Lebensjahr (§ 237a i.V.m. Anlage 20 SGB VI) wird die Firmenrente in Höhe der Differenz weitergezahlt, um die der volle Betrag der sonst zu zahlenden Firmenrente die Summe der gesetzlichen Altersrente und der betrieblichen Altersrente übersteigt (Aufstockungsbetrag).

Die Zahlung des Aufstockungsbetrages endet zum Zeitpunkt der frühestmöglichen Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente für langjährig Versicherte gemäß §§ 36, 236 Abs. (1) und (3) i.V.m. Anlage 21 SGB VI, spätestens mit Vollendung des 63. Lebensjahres.”

Der „Tarifvertrag Lufthansa-Betriebsrente für das Kabinenpersonal” in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung (im Folgenden TV BR) lautet auszugsweise:

㤠2 Betriebsrenten

(1) Nach Erfüllung der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen werden folgende Betriebsrenten gewährt:

a) betriebliche Altersrente

(§ 6)

b) vorgezogene betriebliche Altersrente

(§ 7)

§ 6 Betriebliche Altersrente

(1) Betriebliche Altersrente erhalten Mitarbeiter, wenn sie die Altersgrenze erreicht haben und das Arbeitsverhältnis mit der Gesellschaft beendet ist; Altersgrenze im Sinne dieses Versorgungstarifvertrages ist das vollendete 65. Lebensjahr.

(2) Die Höhe der jährlichen betrieblichen Altersrente ergibt sich gemäß § 4 aus der Summe der bis zum Versorgungsfall erworbenen Rentenbausteine.

§ 7 Vorgezogene betriebliche Altersrente

(1) Mitarbeiter, die vor Erreichen der Altersgrenze durch Vorlage des Rentenbescheides eines inländischen Sozialversicherungsträgers nachweisen, dass sie Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Vollrente beziehen, haben Anspruch auf vorgezogene betriebliche Altersrente.

§ 14 Beginn, Ende, Auszahlung und Abfindung der Betriebsrenten

(4) Die Betriebsrente wird monatlich mit 1/12 der Jahresleistung gezahlt. Sie wird nach Abzug etwaiger von der Gesellschaft einzubehaltender Steuern und anderer aufgrund gesetzlicher Regelungen einzubehaltender Abgaben zum gleichen Zeitpunkt ausgezahlt wie die Löhne und Gehälter der aktiven Beschäftigten der Gesellschaft.

…”

Die Beklagte zahlte dem Kläger ab dem 1. Dezember 2007 als Übergangsversorgung eine Firmenrente nach dem TV ÜV. Gemäß dem Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 15. November 2010 erhielt der Kläger ab dem 1. September 2010 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Die Beklagte zahlte ihm über den 1. September 2010 hinaus die ungekürzte Firmenrente.

Am 4. Dezember 2012 beantragte der Kläger eine Betriebsrente nach dem TV BR. Mit Schreiben vom 18. März 2013 teilte die Beklagte dem Kläger ua. mit, seine monatliche Betriebsrente betrage ab dem 1. September 2010 558,94 Euro brutto. Diese werde „auf die Leistungen aus der Übergangsversorgung angerechnet”. Die Beklagte erklärte mit weiterem Schreiben vom 18. März 2013, die seit dem 1. September 2010 von der Deutschen Rentenversicherung Bund erhaltene Altersrente für schwerbehinderte Menschen und die hieraus resultierende Betriebsrente sowie die VBL-Rente seien auf die Firmenrente anzurechnen. Sie berechnete die Leistungen der Firmenrente rückwirkend ab dem 1. September 2010 neu, bezifferte in einem Schreiben vom 25. Juli 2013 ihre Überzahlung auf 39.011,91 Euro und forderte den Kläger erfolglos auf, unter Berücksichtigung eines Einbehalts iHv. 601,27 Euro „mit der Vergütung Juli 2013” an sie 38.410,64 Euro zu zahlen.

Mit seiner der Beklagten am 30. Oktober 2013 zugestellten Klage hat der Kläger die Zahlung der iHv. 601,27 Euro einbehaltenen Betriebsrente sowie die Feststellung geltend gemacht, dass der Beklagten gegen ihn keine Forderung iHv. 38.410,64 Euro zusteht.

Er hat dazu ua. die Auffassung vertreten, die Regelung in § 2 Abs. 2 TV ÜV sei aufgrund einer Benachteiligung wegen seiner Behinderung unwirksam.

Nachdem die Parteien den negativen Feststellungsantrag des Klägers übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat der Kläger zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 601,27 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2013 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und widerklagend,

den Kläger zu verurteilen, an sie 38.410,64 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. März 2014 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die vom Kläger bezogene gesetzliche Altersrente für schwerbehinderte Menschen und die VBL-Rente seien auf die Übergangsversorgung anzurechnen. Zwar habe der Kläger im Zeitraum vom 1. September 2010 bis zum 30. November 2012 keine Zahlungen von der VBL erhalten, eine Anrechnung sei dennoch vorzunehmen. Daraus folge ein Rückzahlungsbetrag iHv. 52.050,51 Euro brutto. Hieraus mache sie eine Rückforderung iHv. 39.011,91 Euro netto geltend, von der die einbehaltenen 601,27 Euro netto abzuziehen seien.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass der Beklagten gegenüber dem Kläger kein Rückerstattungsanspruch zusteht, der einen Betrag iHv. 35.925,53 Euro übersteigt. Es hat die Klage abgewiesen, soweit der Kläger von der Beklagten die Zahlung von 601,27 Euro verlangt hat. Die Widerklage der Beklagten hat es abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat – soweit die Parteien den Rechtsstreit nicht teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt haben – die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und der Klage auf Zahlung von 601,27 Euro stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung sowie ihre Widerklage auf Verurteilung des Klägers zur Zahlung von 38.410,64 Euro weiter.

 

Entscheidungsgründe

A. Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die – nach übereinstimmender teilweiser Erledigungserklärung – zulässige Klage begründet ist. Die Widerklage ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bereits unzulässig.

I. Die Widerklage der Beklagten ist unzulässig. Sie ist streitgegenständlich nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

1. Nach dieser Bestimmung muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Die Klagepartei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt. Dazu hat sie den Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (§ 322 ZPO). Sowohl bei einer der Klage stattgebenden als auch bei einer sie abweisenden Sachentscheidung muss zuverlässig feststellbar sein, worüber das Gericht entschieden hat. Bei mehreren im Wege einer objektiven Klagehäufung gemäß § 260 ZPO in einer Klage verfolgten Ansprüchen muss erkennbar sein, aus welchen Einzelforderungen sich die „Gesamtklage” zusammensetzt. Werden im Wege einer „Teil-Gesamtklage” mehrere Ansprüche nicht in voller Höhe, sondern teilweise verfolgt, muss die Klagepartei genau angeben, in welcher Höhe sie aus den einzelnen Ansprüchen Teilbeträge einklagt (BAG 7. Juli 2015 – 10 AZR 416/14 – Rn. 12 mwN; 11. November 2009 – 7 AZR 387/08 – Rn. 11). Nach diesen Grundsätzen muss sie vortragen, wie sie die geltend gemachte Gesamtsumme ziffernmäßig auf die verschiedenen Ansprüche verteilt wissen will. Eine Klage, die verschiedene Streitgegenstände nicht individualisiert iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, ist unzulässig (vgl. BAG 24. März 2011 – 6 AZR 691/09 – Rn. 21 ff.; Zöller/Greger ZPO 31. Aufl. Vor § 253 Rn. 24).

2. Daran gemessen ist der Streitgegenstand nicht hinreichend bestimmt.

Bei der mit der Widerklage geltend gemachten Forderung handelt es sich um mehrere Ansprüche, welche die Beklage im Wege der objektiven Klagehäufung geltend macht, wobei diese Ansprüche nicht in voller Höhe Gegenstand der Widerklage sind, sondern nur teilweise. Es ist jedoch unklar, aus welchen Einzelforderungen sich diese „Teil-Gesamtklage” zusammensetzt. Das Vorbringen der Beklagten zu den mit der Widerklage geltend gemachten Forderungen und deren Berechnung ist widersprüchlich.

a) In ihrer Berufungsbegründung vom 23. September 2014 und in der Revision hat die Beklagte hinsichtlich der Berechnung der mit der Widerklage verfolgten Forderung zunächst auf die vom Kläger seit dem 1. September 2010 bezogene Altersrente sowie die VBL-Rente hingewiesen und sodann auf die Anlage B2 Bezug genommen. Daraus soll sich eine Überzahlung iHv. 52.050,51 Euro brutto ergeben. Der sich daraus ergebende Nettobetrag iHv. 39.011,91 Euro abzüglich der bereits beim Kläger in Abzug gebrachten 601,27 Euro netto – insoweit verweist die Beklagte auf die Anlage B3 – soll der mit der Widerklage geltend gemachte Betrag sein. Allerdings bleibt nach wie vor unklar, aus welchen Teilbeträgen und für welche Zeiträume sich der mit der Widerklage geltend gemachte Betrag ergibt. Die zur Erläuterung in Bezug genommenen Anlagen B2 und B3 stehen im Widerspruch sowohl zu den schriftsätzlichen Ausführungen als auch zueinander. Denn ausweislich der Anlage B2 ergeben sich die 52.050,51 Euro brutto nicht aus der Summe der für den Zeitraum von September 2010 bis November 2012 (27 Monate) erlangten Altersrente und VBL-Rente, sondern aus der Summe von Altersrente, VBL-Rente und Betriebsrente und dies auch nur für 25 Monate aus dem insgesamt 27 Monate umfassenden Zeitraum von September 2010 bis November 2012. Die Anlage B3 hingegen zeigt die Summe der Differenzbeträge aus der Nettofirmenrente nach alter Berechnung (ohne Anrechnung der Altersrente, VBL-Rente und Betriebsrente) und neuer Berechnung (unter Anrechnung der Altersrente, VBL-Rente und Betriebsrente). Die dort aufgeführte Summe iHv. 39.011,91 Euro netto ergibt sich hingegen aus den Differenzbeträgen für den Zeitraum von September 2010 bis einschließlich März 2013 (= 31 Monate). Unter Abzug der von der Beklagten einbehaltenen Betriebsrente iHv. 601,27 Euro soll sich nach der Anlage der Restbetrag iHv. 38.410,64 Euro netto ergeben, den die Beklagte mit der Widerklage geltend macht.

b) Zudem fehlt es auch an der hinreichenden Bestimmtheit der Widerklage, weil die Beklagte nicht dargelegt hat, welchen Teil ihrer grundsätzlich erhobenen Ansprüche sie mit der Widerklage geltend macht und welche sie durch die erklärte Aufrechnung als erledigt ansieht. Mithin wäre bei Ergehen eines Sachurteils nicht ermittelbar, über welchen Teil der von der Beklagten klageweise geltend gemachten Ansprüche rechtskräftig entschieden wurde. Wird – wie vorliegend – mit der Widerklage lediglich ein Teilbetrag einer Gesamtforderung geltend gemacht und im Übrigen (teilweise) die Aufrechnung erklärt, muss deshalb auch angegeben werden, wie sich die Gesamtforderung auf die Teilwiderklage und die Aufrechnung verteilt. Andernfalls ist die Teilwiderklage mangels hinreichender Individualisierung des Streitgegenstands unzulässig (BAG 17. September 2013 – 3 AZR 300/11 – Rn. 113).

II. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, an den Kläger 601,27 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2013 zu zahlen. Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten ist unbegründet.

1. Der der Höhe und dem Grunde nach unstreitige Anspruch des Klägers auf Zahlung der Betriebsrente folgt aus § 7 TV BR, der nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auf das Arbeitsverhältnis kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung findet. Er ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht durch die mit ihrem Schreiben vom 25. Juli 2013 gegenüber dem Kläger erklärte Aufrechnung erfüllt und damit zum Erlöschen gebracht worden (§ 389 BGB).

a) Die Aufrechnung der Beklagten verstößt schon gegen das Aufrechnungsverbot des § 394 Satz 1 BGB.

aa) § 394 Satz 1 BGB schließt eine Aufrechnung gegen eine Forderung aus, soweit diese nicht der Pfändung unterworfen ist. Bei Arbeitseinkommen bestimmt sich der pfändbare Teil gemäß § 850 Abs. 1 ZPO nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i ZPO. Zur Sicherung des Existenzminimums des Arbeitnehmers und seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen regelt § 850c Abs. 1 ZPO einen unpfändbaren Grundbetrag. Dieser ist entsprechend den Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers gestaffelt und nach oben begrenzt. Für den Teil des Arbeitseinkommens, der diesen Grundbetrag übersteigt, gelten die weiteren Pfändungsbeschränkungen des § 850c Abs. 2 ZPO (BAG 22. September 2015 – 9 AZR 143/14 – Rn. 10). Nach § 850e Nr. 2a Satz 1 ZPO sind mit Arbeitseinkommen auf Antrag auch Ansprüche auf laufende Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch zusammenzurechnen, soweit diese der Pfändung unterworfen sind. Dazu gehören auch gesetzliche Rentenansprüche (vgl. BGH 18. September 2014 – IX ZB 68/13 – Rn. 12). Der unpfändbare Grundbetrag ist, soweit die Pfändung nicht wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche erfolgt, in erster Linie den laufenden Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch zu entnehmen (§ 850e Nr. 2a Satz 2 ZPO).

bb) Gemessen daran verstößt die Aufrechnung der Beklagten gegen das Aufrechnungsverbot des § 394 Satz 1 BGB. Bei dem streitgegenständlichen Betriebsrentenanspruch handelt es sich nach § 850 Abs. 2 ZPO um Arbeitseinkommen iSd. § 850 Abs. 1 ZPO (vgl. BAG 18. März 1997 – 3 AZR 756/95 – zu III 2 a der Gründe, BAGE 85, 274; BGH 18. September 2014 – IX ZB 68/13 – Rn. 10). Rechnet der Arbeitgeber gegen Arbeitseinkommen auf, obliegt es ihm vorzutragen, dass die Aufrechnung unter Beachtung der Pfändungsschutzvorschriften erfolgt (BAG 22. September 2015 – 9 AZR 143/14 – Rn. 11). Die Beklagte hat nicht dargetan, dass sie die Pfändungsbeschränkungen bei der Aufrechnung ausreichend berücksichtigt hat. Dies gilt selbst dann, wenn zu ihren Gunsten unterstellt wird, dass der Kläger auch im Juli 2013 eine gesetzliche Altersrente iHv. 1.359,89 Euro brutto bezogen hat und es unter dem Gesichtspunkt der „Zweckgemeinschaft” eines Zusammenrechnungsbeschlusses des Vollstreckungsgerichts nach § 850e Nr. 2a ZPO nicht bedurfte (vgl. BAG 30. Juli 1992 – 6 AZR 169/91 – zu I 4 b der Gründe). Die Beklagte hat nicht dargelegt, welcher Nettobetrag sich daraus ergibt und ob Unterhaltspflichten des Klägers zu berücksichtigen waren.

b) Die Aufrechnung ist zudem mangels hinreichender Bestimmtheit der zur Aufrechnung gestellten Forderung unzulässig.

aa) Eine Aufrechnung setzt voraus, dass klar ist, mit welcher Forderung gegen die Hauptforderung aufgerechnet wird. Für die Geltendmachung einer Aufrechnung mit einer Gegenforderung gilt der Bestimmtheitsgrundsatz des § 253 Abs. 2 ZPO (vgl. BAG 17. September 2013 – 3 AZR 300/11 – Rn. 102). Nach § 322 Abs. 2 ZPO ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrags, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig. Der Umfang der Rechtskraft darf nicht unklar bleiben. Auch wenn die Klage aufgrund einer Aufrechnung abgewiesen werden soll, muss feststehen, welche der zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche in welcher Höhe erloschen sind (vgl. BAG 22. März 2000 – 4 AZR 120/99 – zu II der Gründe).

bb) Dies ist – selbst unter Berücksichtigung der Tilgungsreihenfolge aus § 396 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 366 Abs. 2 BGB (dazu BGH 9. Januar 2013 – VIII ZR 94/12 – Rn. 17) – vorliegend nicht der Fall. Es ist schon nicht erkennbar, wie sich die aus einer Vielzahl von Einzelansprüchen bestehende Gegenforderung, derer sich die Beklagte berühmt, zusammensetzt und wie sie sich auf ihre Gesamtforderung verteilt.

2. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 Nr. 1 BGB. Nach § 14 Abs. 4 Satz 2 TV BR iVm. § 614 BGB war der Anspruch auf Zahlung der Betriebsrente für Juli 2013 mit Ablauf des Kalendermonats Juli 2013 fällig.

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Brühler, Klose, Krasshöfer, Ropertz, M. Lücke

 

Fundstellen

Haufe-Index 9558981

NJW-Spezial 2016, 531

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