Entscheidungsstichwort (Thema)

Kosten der Berufsausbildung. Rückzahlung

 

Leitsatz (amtlich)

  • Die Kosten einer Berufsausbildung im Sinne der §§ 3 ff. BBiG hat der Ausbildende zu tragen.
  • Dazu zählen auch die Kosten für Verpflegung und Unterkunft des Auszubildenden, die dadurch entstehen, daß die praktische Berufsausbildung nicht im Ausbildungsbetrieb, sondern an einem anderen Ort vorgenommen wird. Dies gilt auch, wenn sich die gesamte praktische Ausbildung außerhalb des Ausbildungsbetriebs vollzieht (Ergänzung zu BAG Urteil vom 29. Juni 1988 – 5 AZR 450/87 – EzB BBiG § 5 Nr. 25).
 

Normenkette

BBiG § 5 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 2; GG Art. 12

 

Verfahrensgang

LAG Brandenburg (Urteil vom 15.09.1994; Aktenzeichen 3 Sa 362/94)

ArbG Eberswalde (Urteil vom 05.04.1994; Aktenzeichen 2 Ca 2528/93)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Erstattung von Kosten für dessen Unterkunft und Verpflegung, die dadurch entstanden sind, daß der Beklagte seine Berufsausbildung zum Bankkaufmann nicht bei der Klägerin in E… erhielt, sondern bei ihrer sogenannten Partnerbank in L….

Die Klägerin war anläßlich der ab 1. Juli 1990 in Kraft getretenen Währungs-, Wirtschaft- und Sozialunion mit der damaligen DDR als Genossenschaftsbank (Volksbank e.G.) mit Sitz in E… gegründet worden. Sie hatte mit der Volksbank R… e.G., die ihr beim Aufbau half, einen Partnerschaftsvertrag abgeschlossen.

Die Klägerin schloß am 24. September 1990 mit dem Beklagten einen Berufsausbildungsvertrag über dessen Ausbildung zum Bankkaufmann. Die monatliche Ausbildungsvergütung betrug im ersten Ausbildungsjahr 925,00 DM, im zweiten 1.010,00 DM und im dritten 1.105,00 DM brutto. Als der Ausbildungsvertrag abgeschlossen wurde, wohnte der Beklagte bei seinen Eltern in E…. Entsprechend einer besonderen Vereinbarung zwischen der Klägerin, dem Beklagten und der Volksbank R… e.G., die der Beklagte am 24. September 1990 in L… unterzeichnete, sollte die Ausbildung nicht in E… stattfinden, sondern bei der Volksbank R… e.G. in L…. In dieser Vereinbarung heißt es:

  • Die Ausbildung findet im Auftrag der Volksbank E… eG statt im Hause der Volksbank R… e.G. gemäß dem zwischen dieser und Herrn H… abgeschlossenen Ausbildungsvertrag vom 24.09.1990 und dem bei der Volksbank R… eG eingeführten Ausbildungsplan.
  • Nach Beendigung der Ausbildung wird Herr H… von der Volksbank R… eG nicht in ein Angestelltenverhältnis übernommen. Vielmehr verpflichten sich Herr H… und die Volksbank E… eG, danach einen unbefristeten Anstellungsvertrag für eine Tätigkeit des Herrn H… in E… einzugehen.
  • Während der Ausbildung ist Herr H… im Wohnheim des Christlichen Jugenddorfwerkes in L…, untergebracht. Zur Bestreitung der Kosten für Unterkunft und Verpflegung, soweit sie den Betrag von monatlich 190,00 DM übersteigen, gewährt die Volksbank E… eG ein zinsloses Darlehn, welches frühestens einen Monat nach Beendigung der Ausbildung fällig wird. Die Inanspruchnahme des Darlehns erfolgt in monatlichen Raten mit Fälligkeit der 190,00 DM übersteigenden Kosten für Unterkunft und Verpflegung.
  • Für den Fall, daß ein Anstellungsvertrag zwischen Herrn H… und der Volksbank E… eG nicht zustande kommt, ist das Darlehn fällig und spätestens einen Monat nach Beendigung der Ausbildung zurückzuzahlen. Wird ein Anstellungsvertrag abgeschlossen und vor Ablauf von drei Jahren durch Kündigung von Seiten des Herrn H… beendet, so ist das Darlehn ebenfalls zurückzuzahlen. Dabei vermindert sich der Rückzahlungsbetrag für jedes volle bis zum Wirksamwerden der Kündigung zurückgelegte Jahr um ein Drittel.

Zusätzlich vereinbarten dieselben Beteiligten unter dem 6. November/9. November 1990:

“In Ergänzung des Abs. 4. des Vertrages vom 24.09.1990 wird hiermit vereinbart, daß bei einer anderweitigen Unterbringung die Kosten hierfür ebenfalls von der Volksbank E… eG übernommen werden, maximal jedoch bis zur Höhe der Nettokosten für die Unterbringung im Wohnheim des Christlichen Jugenddorfwerkes in L…. Der Abzug von der Ausbildungsvergütung von monatlich 190,00 DM entfällt in diesem Fall.

Alle anderen Bestimmungen und Vereinbarungen des Vertrages vom 24.09.1990 behalten nach wie vor Gültigkeit.”

Der Beklagte, der zunächst in dem Wohnheim untergebracht war, zog nach etwa drei Monaten zusammen mit anderen Personen in eine andere Wohnung. Unter Anrechnung der Selbstkostenbeteiligung des Beklagten wandte die Klägerin für Unterkunft und Verpflegung des Beklagten insgesamt 17.650,00 DM auf.

Nach erfolgreicher Beendigung seiner Ausbildung zum Bankkaufmann am 27. Januar 1993 vereinbarten die Parteien im Anstellungsvertrag vom 28. Januar 1993 die Weiterbeschäftigung des Beklagten bei der Klägerin als Angestellter im Rechnungswesen. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit einem am 16. Februar 1993 überreichten Schreiben, in welchem es heißt:

“Mein mit der Übernahme durch Ihre Bank aufgenommenes Anstellungsverhältnis kündige ich hiermit fristgerecht zum Quartalsende auf. Mein letzter Arbeitstag wird demnach der 31.03.1993 sein. Grund ist das Angebot einer anderen Bank.

Dort werde ich in dem Gebiet eingesetzt, das mich mehr interessiert und auf das ich mich in meiner Ausbildung schon konzentrierte. Dazu kommt, daß meine tarifliche Einstufung mehr meinen Vorstellungen entspricht und, nach meinen ersten Eindrücken, ein wesentlich besseres Arbeitsklima zu erwarten ist.”

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte schulde ihr aus dem Darlehen für Unterkunft und Verpflegung noch 16.669,45 DM nebst Zinsen. Von den aufgewendeten Kosten von 17.650,00 DM habe sie für die zweimonatige Beschäftigung des Beklagten im Jahre 1993 3/36, mithin 980,55 DM abgezogen. Entsprechend der Vereinbarung sei der Beklagte zur Zahlung der restlichen Kosten verpflichtet. Dabei sei zu berücksichtigen, daß der Beklagte mit seiner Ausbildung in einer westdeutschen Bank eine erhebliche Qualifikation erworben habe, die er angesichts der damaligen Umstände in der ehemaligen DDR so nicht hätte erhalten können. Der Rückzahlungspflicht stehe § 5 BBiG nicht entgegen, weil der Beklagte seine Lebenserhaltungskosten selbst zu tragen habe.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 16.669,45 DM zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und erwidert, die Vereinbarung über die Rückzahlung der Kosten für Unterbringung und Verpflegung sei wegen Verstoßes gegen zwingende Bestimmungen des Berufsbildungsgesetzes unwirksam.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision will die Klägerin die Verurteilung des Beklagten in vollem Umfang erreichen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Als Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin kommen allein die Regelungen in den Ziffern 4 und 5 der Vereinbarungen zwischen der Klägerin, der Volksbank R… e.G. und dem Beklagten vom 24. September und 6./9. November 1990 in Betracht. Hierauf kann sich die Klägerin jedoch nicht stützen, denn diese Vereinbarung ist gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nichtig. Nach dieser Vorschrift ist eine Verpflichtung des Auszubildenden, für die Berufsausbildung eine Entschädigung zu zahlen, nichtig.

a) Die Bestimmungen des Berufsbildungsgesetzes sind auf das Rechtsverhältnis der Parteien anzuwenden. Das Berufsbildungsgesetz ist im Gebiet der ehemaligen DDR vor Abschluß des vorliegenden Vertrages durch das Gesetz über die Inkraftsetzung des Berufsbildungsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in der Deutschen Demokratischen Republik (vom 19. Juli 1990, GBl. DDR I S. 907) in Kraft gesetzt worden.

b) Durch die Verpflichtung, die Kosten für seine Unterkunft und Verpflegung während des Berufsausbildungsverhältnisses zurückzuzahlen, falls es nicht zum Abschluß eines Anstellungsvertrages kommt oder dieser vor Ablauf von drei Jahren gelöst wird, ist der Beklagte gegenüber der Klägerin eine Verpflichtung im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG eingegangen.

Im Berufsausbildungsvertrag hatte sich die Klägerin verpflichtet, den Kläger zum Bankkaufmann auszubilden. Die von der Klägerin übernommene Verpflichtung besteht darin, dem Kläger eine hinreichende praktische Ausbildung zum Bankkaufmann zu gewähren. Dieser Verpflichtung ist die Klägerin vereinbarungsgemäß nicht in ihrem eigenen Betrieb in E… nachgekommen, sondern dadurch, daß sie sich hierzu eines Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) bediente, nämlich der Volksbank R… e.G. in L…. Um die Ausbildung dort vollziehen zu können, mußte sich der Beklagte in L… aufhalten. Dies hat zusätzliche Kosten für Unterkunft und Verpflegung verursacht, wie sie die Klägerin – unter Anrechnung der vereinbarten Beiträge des Beklagten – zunächst getragen hat.

c) Grundsätzlich zählen zu den Kosten der Ausbildung zwar nicht die Kosten für Unterkunft und Verpflegung des Auszubildenden, wenn die Ausbildung im Betrieb des Ausbilders stattfindet (vgl. BAG Urteil vom 16. Oktober 1974 – 5 AZR 575/73 – AP Nr. 1 zu § 1 BBiG = EzA § 5 BBiG Nr. 2, unter II der Gründe). Anders verhält es sich dagegen, wenn die praktische Berufsausbildung nicht im Betrieb des Ausbildenden stattfindet, sondern an einem anderen Ort. Der Ausbildende hat dann die hierdurch verursachten Kosten für Verpflegung und Unterkunft des Auszubildenden zu tragen (BAG Urteil vom 29. Juni 1988 – 5 AZR 450/87 – EzB BBiG § 5 Nr. 25). Dem Auszubildenden dürfen keine Kosten übertragen werden, die dem Ausbildenden bei der Ausbildung entstehen (BAG Urteil vom 29. Juni 1988, aaO; auch schon BAG Urteil vom 25. April 1984 – 5 AZR 386/83 – BAGE 45, 349 = AP Nr. 5 zu § BBiG mit Anmerkung Natzel). Dementsprechend hatte der Ausbildende die einem Auszubildenden erwachsenen Kosten für Unterkunft und Verpflegung zu tragen, die auf der Teilnahme an Kursen einer privaten Berufsschule beruhten (BAG Urteil vom 29. Juni 1988, aaO).

d) Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht bemerkt hat, unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Fall, über den das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 29. Juni 1988 zu entscheiden hatte (aaO) dadurch, daß hier die gesamte praktische Ausbildung außerhalb des Ausbildungsbetriebs stattfand, während es in dem damals entschiedenen Fall nur um die wochenweise Teilnahme an auswärtigen Kursen ging. Dieser Unterschied ist jedoch zumindest im vorliegenden Fall nicht erheblich. Denn die praktische Berufsausbildung des Beklagten in L… beruhte allein darauf, daß die Klägerin die Berufsausbildung des Beklagten nicht in ihrem eigenen Betrieb in E… durchgeführt hat.

e) Daß der Beklagte mit der Durchführung der Berufsausbildung nicht im Betrieb der Klägerin, sondern im Betrieb ihrer Partnerbank in L… einverstanden war, ändert an der Verpflichtung der Klägerin nichts. Dieses Einverständnis steht nicht etwa dem Fall gleich, daß der Auszubildende sich einen Ausbildungsbetrieb aussucht, der nicht an seinem Wohnort liegt, so daß er aus diesem Grunde am Ausbildungsort für Unterkunft und Verpflegung sorgen muß. Der Beklagte war nicht ein Ausbildungsverhältnis mit der Partnerbank der Klägerin, sondern der Klägerin selbst eingegangen. Die Klägerin war daher selbst verpflichtet, dem Beklagten die praktische Berufsausbildung zu gewähren. Wenn sie sich hierzu eines auswärtigen Unternehmens bediente, ändert dies nichts an ihrer grundsätzlichen Verpflichtung, die Kosten der Ausbildung zu tragen.

f) Die besonderen damaligen Zeitumstände führen zu keinem anderen Ergebnis. Die im Gebiet der ehemaligen DDR mit Wirkung ab 1. Juli 1990 eingeführte Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion hat zwar die Gründung der Klägerin und das Berufsausbildungsverhältnis der Parteien erst möglich gemacht. Zugunsten der Klägerin kann auch unterstellt werden, der Beklagte habe durch die Ausbildung in der Partnerbank in L… eine bessere Berufsausbildung erfahren, als er sie damals in einem im Aufbau befindlichen Unternehmen hätte erhalten können. Diese Besonderheit ändert aber nichts an der Gültigkeit der zwingenden Regelung in § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG.

g) Der Senat hat erwogen, ob das Gesetz insoweit eine Lücke enthält, die dahin auszufüllen wäre, daß entgegen der Regelung in § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG in Fällen der vorliegenden Art die Kosten für Unterkunft und Verpflegung am auswärtigen Ort der betrieblichen Ausbildung von Auszubildenden zu tragen wären. Vielfach stellte sich nämlich die Frage, ob eine den Anforderungen genügende betriebliche (und schulische) Berufsausbildung in der ehemaligen DDR überhaupt möglich oder sinnvoll war. Dann hätte es möglicherweise nahegelegen, sowohl bei der Schaffung des Gesetzes über das Inkraftsetzen des Berufsbildungsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in der ehemaligen DDR vom 19. Juli 1990 durch die Volkskammer als auch bei der Regelung über das Inkrafttreten des Berufsbildungsgesetzes mit Maßgaben (Einigungsvertrag Art. 8 in Verbindung mit Anl. I Kap. XVI Sachg. C Abschn. III Nr. 1) den besonderen Umständen Rechnung zu tragen. Das ist nicht geschehen. Deshalb ist eine ausfüllungsbedürftige und ausfüllungsfähige Gesetzeslücke nicht zu erkennen. Sowohl der Gesetzgeber des Inkraftsetzungsgesetzes (Volkskammer der ehemaligen DDR) als auch die Verhandlungspartner des Einigungsvertrages haben zahlreiche andere Übergangsregelungen im Berufsbildungsrecht geschaffen, nicht aber für den hier relevanten Fragenkomplex.

 

Unterschriften

Griebeling, Schliemann, Reinecke, Kähler, Müller

 

Fundstellen

Haufe-Index 872281

BAGE, 62

BB 1996, 168

NJW 1996, 947

NZA 1996, 205

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