Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Anspruch auf Lohnfortzahlung gegen den Arbeitgeber des ersten (Haupt-)Arbeitsverhältnisses (LFZG § 1 Abs 1 S 1) kann auch dann entstehen, wenn die Arbeitsunfähigkeit die Folge eines Arbeitsunfalls ist, den der Arbeiter in einem zweiten Arbeitsverhältnis erlitten hat.

2. Ein den Lohnfortzahlungsanspruch ausschließendes Verschulden kann darin bestehen, daß der Arbeiter deutlich gegen Bestimmungen der Arbeitszeitordnung verstößt und damit seine Gesundheit gefährdet.

3. Allein mit den Tatumständen, die bei der Verschuldensprüfung zum Ergebnis führten, der Arbeiter habe nicht schuldhaft gehandelt, kann der Arbeitgeber den Einwand des Rechtsmißbrauchs nicht begründen.

 

Normenkette

AZO § 3; BGB § 242; AZO § 11; LFZG § 1 Abs. 1 S. 1; AZO § 4 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 31.07.1979; Aktenzeichen 7 Sa 353/79)

ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 14.02.1979; Aktenzeichen 1 Ca 2520/78)

 

Tatbestand

Die Klägerin fordert als Rechtsnachfolgerin des bei der Beklagten beschäftigten Arbeiters B von der Beklagten Lohnfortzahlung für die Zeit vom 14. Dezember 1976 bis zum 23. Januar 1977 (sechs Wochen). Herr B arbeitete bei der Beklagten, einem metallverarbeitenden Unternehmen, von montags bis freitags in Wechselschicht. Die Frühschicht begann um 7.00 Uhr und endete um 16.00 Uhr. In diese Schicht fiel eine Pause von 60 Minuten. Die Spätschicht ging von 16.00 Uhr bis 0.30 Uhr einschließlich einer Pause von 30 Minuten. Die tägliche Arbeitszeit in beiden Schichten betrug mithin acht Stunden; in der Fünf-Tage-Woche arbeitete Herr B 40 Stunden.

Ab 1. November 1976 war Herr B auch noch in einem holzverarbeitenden Betrieb, der Firma W tätig. Er hatte sich dort verpflichtet, wöchentlich vier Stunden zu arbeiten. In der Woche, in der er bei der Beklagten in Frühschicht tätig war, arbeitete er samstags; in der Woche, in der er bei der Beklagten in Spätschicht eingesetzt wurde, arbeitete er montags, jeweils von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr. Am 13. Dezember 1976, einem Montag, an dem er um 16.00 Uhr bei der Beklagten die Spätschicht hätte antreten müssen, arbeitete er vormittags bei der Firma W ab 8.00 Uhr. Gegen 10.30 Uhr erlitt er einen Arbeitsunfall. Die Unfallanzeige beschreib den Unfallhergang wie folgt:

"Herr B schnitt ein Brett von ca. 1,40 m quer durch. Nach seinen Angaben stieß er nach dem Schnitt mit dem rechten Arm gegen einen hinter ihm stehenden Bretterstapel und schlug mit der rechten Hand beim Verhalten in die Kreissäge."

Infolge dieses Unfalls war Herr B bis einschließlich 13. Februar 1977 arbeitsunfähig krank. Da die Beklagte die Lohnfortzahlung verweigerte, zahlte die Klägerin als zuständige Unfallversicherung Herrn B Übergangsgeld. Es betrug für die ersten sechs Wochen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit 1.446,48 DM. Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten Erstattung dieses Betrages nebst Zinsen. Sie hat den entsprechenden Zahlungsantrag gestellt.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Geltendmachung des Anspruchs auf Lohnfortzahlung sei rechtsmißbräuchlich. Herr B habe mit seiner Verpflichtung, an den Montagen, an denen er bei der Beklagten in Spätschicht eingesetzt wurde, noch vier Stunden für die Firma W zu arbeiten, gegen die Arbeitszeitordnung verstoßen. Allein wegen dieses Verstoßes entfalle der Lohnfortzahlungsanspruch. Es komme hinzu, daß bei dieser Verteilung der Arbeitszeit Herr B zwischen Beendigung der Nebentätigkeit um 12.00 Uhr und Aufnahme der Spätschicht die nach § 12 Abs. 1 AZO erforderliche Ruhezeit nicht einhalten könne. Vorsorglich hat die Beklagte geltend gemacht, Herr B habe den Unfall durch leichtsinniges und unbedachtes Verhalten herbeigeführt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen; es ist dabei der Rechtsauffassung der Beklagten zum Rechtsmißbrauch gefolgt. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin dieses Urteil abgeändert; es hat der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils fordert.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht hat der Klage mit Recht stattgegeben. Der Arbeiter B hatte nach § 1 Abs. 1 Satz 1 LohnFG gegen die Beklagte einen Anspruch auf Lohnfortzahlung für die Zeit vom 14. Dezember 1976 bis zum 23. Januar 1977. Dieser Anspruch ist nach § 561 Abs. 1 Satz 1 RVO in Verb. mit § 182 Abs. 10 RVO auf die Klägerin übergegangen.

1. Der Anspruch des Arbeiters B auf Lohnfortzahlung folgt aus § 1 Abs. 1 Satz 1 LohnFG. Nach dieser Bestimmung verliert der Arbeiter seinen Lohnanspruch nicht, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert wird, ohne daß ihn ein Verschulden trifft. Diese Bestimmung ist auch dann anzuwenden, wenn - wie hier - die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit die Folge eines Arbeitsunfalls ist, den der Arbeiter in einem zweiten Arbeitsverhältnis erlitten hat. Das hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt. Weder nach Wortlaut noch Sinn und Zweck der Regelung ist der Lohnfortzahlungsanspruch davon abhängig, wann und bei welcher Gelegenheit sich ein Arbeiter eine Krankheit zuzieht oder einen Unfall erleidet. Es kommt nicht darauf an, ob diese Krankheit oder der Unfall mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang steht, in dem der Arbeiter Lohnfortzahlung verlangt. Es ist deshalb unerheblich, ob sich der Arbeiter in der Freizeit, bei Erledigung von Arbeiten im eigenen Hause oder Garten oder bei nachbarschaftlichen Hilfeleistungen verletzt. Auch bei Unfällen, die ein Arbeiter in einem zweiten Arbeitsverhältnis erleidet, sind Lohnfortzahlungsansprüche gegen den ersten Arbeitgeber nicht ausgeschlossen. Das hat der Senat im Urteil vom 7. November 1975 (5 AZR 459/74 - AP Nr. 38 zu § 1 LohnFG (zu 4 der Gründe)) näher dargelegt und begründet. An dieser Rechtsprechung, die von der Beklagten im Grundsatz auch nicht angegriffen wird, hält der Senat fest.

2. Die Voraussetzungen, unter denen der Arbeiter B nach § 1 Abs. 1 Satz 1 LohnFG einen Anspruch auf Lohnfortzahlung erwerben konnte, lagen vor. Insbesondere ist der Anspruch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Arbeiter B die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit schuldhaft herbeigeführt hätte. Auch darin ist dem Berufungsgericht im Ergebnis beizupflichten.

a) Schuldhaft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 LohnFG handelt der Arbeiter, der gröblich gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt. Entsprechendes gilt für Angestellte, die Ansprüche auf Lohn- oder Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall nach § 616 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 63 Abs. 1 Satz 1 HGB oder § 133 c Satz 1 GewO geltend machen können. Der Sache nach handelt es sich um ein "Verschulden gegen sich selbst". Das Gesetz schließt den Anspruch bei eigenem Verschulden des Arbeitnehmers aus, weil es unbillig wäre, den Arbeitgeber mit der Lohnzahlungsverpflichtung zu belasten, wenn der Arbeitnehmer zumutbare Sorgfalt sich selbst gegenüber außer acht gelassen und dadurch seine Arbeitsunfähigkeit verursacht hat. Das ist ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und einhellige Ansicht der Literatur (vgl. BAG AP Nr. 8 zu § 1 LohnFG (Bl. 3) m. w. N.; BAG 24, 472 (474) = AP Nr. 25 zu § 1 LohnFG (B1. 1 R/2); BAG 31, 331 (332) = AP Nr. 44 zu § 1 LohnFG (zu I 1 der Gründe), zuletzt Urteil des Senats vom 7. Oktober 1981 - 5 AZR 1113/79 - (demnächst) AP Nr. 46 zu § 1 LohnFG (zu 1 der Gründe) - diese Entscheidung ist auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt).

b) Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat Herr B seine Arbeitsunfähigkeit nicht schon dadurch schuldhaft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 LohnFG herbeigeführt, daß er ein zweites Arbeitsverhältnis einging, das so wie die Vereinbarungen lauteten, wegen eines Verstoßes gegen die Arbeitszeitordnung nicht durchgeführt werden durfte.

Das Berufungsgericht hat zunächst dargelegt, daß Herr B, wenn er vereinbarungsgemäß arbeitete, nicht gegen die Vorschriften der AZO verstieß, die eine wöchentliche Höchstarbeitszeit vorschreiben (vgl. §§ 3, 4 Abs. 1 Satz 1 AZO). Soweit Arbeitsverhältnisse der Arbeitszeitordnung unterliegen, ist eine Beschäftigung nur bis zu einer Höchstarbeitszeit von 48 Stunden je Woche zulässig (zur Wochenarbeitszeit vgl. BAG Beschluß vom 28. Juli 1981 - 1 ABR 90/79 - (demnächst) AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (zu B II 2 der Gründe) - auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt). Haupt- und Nebentätigkeit werden dabei zusammengerechnet. Die Hauptbeschäftigung hat Vorrang. Eine Nebenbeschäftigung ist danach nur zulässig, soweit der Arbeitnehmer in der Hauptbeschäftigung unter 48 Stunden je Woche arbeitet. Hier hatte sich Herr B - beide Arbeitsverhältnisse zusammengerechnet - nur zu einer wöchentlichen Arbeitszeit von 44 Stunden verpflichtet. Insoweit bestehen gegen die Wirksamkeit der in diesem zweiten Arbeitsverhältnis eingegangenen Verpflichtung keine Bedenken.

Die Nebenbeschäftigung war aber insoweit unzulässig, als sich Herr B an den Montagen, an denen er bei der Beklagten in Spätschicht arbeitete, noch zu vier Stunden Arbeit im Betrieb der Firma W verpflichtet hatte. Die tägliche Arbeitszeit darf auch bei anderer Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit täglich zehn Stunden nicht überschreiten (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AZO, § 11 AZO). So wie vereinbart durfte der Arbeitsvertrag deshalb nicht durchgeführt werden (vgl. BAG AP Nr. 2 zu § 1 AZO); möglicherweise war er insoweit auch nichtig (vgl. Gitter, Anm. zu der eben genannten Entscheidung). Das Berufungsgericht hat trotz dieses Verstoßes gegen die Arbeitszeitordnung ein Verschulden des Arbeiters B verneint, weil der Verstoß unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht als besonders schwerwiegend zu werten sei.

Ob dieser rechtlichen Würdigung des Berufungsgerichts zu folgen ist, kann der Senat offen lassen. Er kann insoweit ein Verschulden des Arbeiters B unterstellen. Ein mögliches schuldhaftes Verhalten des Arbeiters B - die Eingehung eines zweiten gegen die Arbeitszeitordnung verstoßenden Arbeitsverhältnisses - ist nämlich für die eingetretene Arbeitsunfähigkeit nicht ursächlich geworden. Das aber wäre Voraussetzung dafür, daß der Anspruch auf Lohnfortzahlung wegen dieses Verschuldens entfiele. Wegen eines schuldhaften Verhaltens verliert ein Arbeitnehmer nur dann seinen Anspruch auf Lohn- oder Gehaltsfortzahlung, wenn und soweit die Arbeitsunfähigkeit Folge dieses schuldhaften Verhaltens ist (vgl. das bereits erwähnte Urteil des Senats vom 7. Oktober 1981 - 5 AZR 1113/79 - (demnächst) AP Nr. 46 zu § 1 LohnFG (zu 4 a der Gründe)). Deshalb muß festgestellt werden, ob der Unfall, der die Arbeitsunfähigkeit verursachte, auf dem Verhalten beruht, das dem Arbeiter B hier vorgeworfen wird.

Verstöße gegen die Arbeitszeitordnung können den Rückschluß zulassen, daß Unfälle, die sich nach Ende der zulässigen Arbeitszeit ereignen, auf den übermäßigen Verschleiß der Arbeitskraft zurückzuführen sind, dem die Bestimmungen der Arbeitszeitordnung gerade vorbeugen wollen. Nach der Lebenserfahrung kann ein Arbeiter eine derartige Beeinträchtigung nur verhindern, wenn er sich an die Bestimmungen über die tägliche und wöchentliche Höchstarbeitszeit hält. Im vorliegenden Fall jedoch läßt der Verstoß gegen die Arbeitszeitordnung einen solchen Rückschluß nicht zu. Als sich der Unfall ereignete, hatte der Arbeiter B nur 2 1/2 Stunden gearbeitet. Er konnte also nicht übermüdet oder überanstrengt sein. Vorausgegangen war ein arbeitsfreier Sonntag und damit eine ausreichende Ruhezeit. Es kann deshalb offenbleiben, wie der Fall zu beurteilen wäre, wenn Herr B sich verpflichtet hätte, an anderen Wochentagen - zwischen jeweils zwei Spätschichten - vormittags vier Stunden in einem zweiten Arbeitsverhältnis zu arbeiten. Möglicherweise wäre der Fall auch dann anders zu beurteilen, wenn sich ein Unfall am Montag nach einer insgesamt achtstündigen Arbeitszeit während der restlichen zwei Arbeitsstunden im ersten Arbeitsverhältnis ereignet hätte. Hier jedenfalls war der Verstoß gegen die Arbeitszeitordnung nicht ursächlich für den eingetretenen Unfall.

c) An dem die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Unfall trifft den Arbeiter B ebenfalls kein Verschulden.

Das Berufungsgericht hat seiner rechtlichen Würdigung den Geschehensablauf zugrunde gelegt, der sich aus der Unfallanzeige ergibt. Das ist entgegen der Ansicht der Revision nicht zu beanstanden. Die in diesem Zusammenhang von der Revision erhobenen Verfahrensrügen sind unbegründet. Zum Vorwurf, Herr B habe den Unfall durch leichtfertiges und unbedachtes Verhalten verursacht, brauchte das Berufungsgericht keinen Zeugen zu vernehmen. Dieses Vorbringen enthält nur eine rechtliche Bewertung des Unfallgeschehens. Tatsachen, die ein solches Werturteil rechtfertigen könnten, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Deshalb hatte das Berufungsgericht auch keine Veranlassung, einen Augenschein einzunehmen (§ 144 ZPO).

Dem Arbeiter B kann die Beklagte deshalb nur vorwerfen, daß er zu nahe an einem Bretterstapel arbeitete. Darin liegt aber kein Verschulden im Sinne der Lohnfortzahlungsbestimmungen. Möglicherweise hätte Herr B die Gefährdung erkennen können, die von der unsachgemäß aufgestellten Maschine ausging. Ein besonders leichtfertiges Verhalten oder ein besonders grober Verstoß gegen das im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten scheidet aber schon deshalb aus, weil in erster Linie der Arbeitgeber, hier der Inhaber der Firma W, für die Einrichtung des Betriebs und die Beachtung der Unfallverhütungsvorschriften verantwortlich ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - ein ordnungsgemäßes Arbeitsverhältnis vorliegt, der Arbeiter also keine Schwarzarbeit verrichtet.

d) Dafür, daß die Tätigkeit an der Kreissäge die Kräfte und Fähigkeiten des Arbeiters B überstieg, gibt es keine Anhaltspunkte. Jedenfalls hat die Beklagte in den Tatsacheninstanzen dazu nichts vorgetragen.

e) Damit hat der Arbeiter B den Unfall nicht schuldhaft im Sinne des Lohnfortzahlungsgesetzes herbeigeführt; soweit gegen ihn ein Schuldvorwurf in Betracht kommt, ist die eingetretene Arbeitsunfähigkeit nicht die Folge seines schuldhaften Verhaltens. Da auch alle anderen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, hatte Herr B einen Anspruch auf Lohnfortzahlung für den hier streitigen Zeitraum erworben.

3. Die Geltendmachung dieses Lohnfortzahlungsanspruchs ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht rechtsmißbräuchlich.

a) Es ist nicht vertretbar, die Geltendmachung von Lohnfortzahlungsansprüchen generell und ohne Bezug auf den Einzelfall dann als rechtsmißbräuchlich anzusehen, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf einem Unfall beruht, den der Arbeiter in einem zweiten Arbeitsverhältnis erleidet. Insofern gilt für diese Tätigkeit in einem zweiten Arbeitsverhältnis nichts anderes als für eine selbständige Tätigkeit oder für eine Betätigung in der Freizeit (vgl. auch insoweit das schon mehrfach erwähnte Urteil des Senats AP Nr. 38 zu § 1 LohnFG (zu 5 der Gründe)). Zwar hat der Senat, worauf die Beklagte mit Recht hinweist, Rechtsmißbrauch dann für möglich gehalten, wenn die Tätigkeit verboten war (aaO, zu 5 c der Gründe). Mit diesem Hinweis auf mögliche Fallgestaltungen sollte aber nicht der Grundsatz aufgegeben werden, daß vor Annahme eines Rechtsmißbrauchs alle Umstände des Einzelfalles gewürdigt werden müssen (aaO, zu 5 der Gründe).

b) Es ist ebenfalls rechtlich nicht vertretbar, allein mit den Tatumständen, die bei der Verschuldensprüfung zum Ergebnis führten, der Arbeitnehmer habe nicht schuldhaft gehandelt, Rechtsmißbrauch (§ 242 BGB) zu begründen. Dadurch, daß § 1 Abs. 1 Satz 1 LohnFG Lohnansprüche bei Verschulden des Arbeiters ausschließt, ist das Risiko der wirtschaftlichen Sicherung im Krankheitsfall sachgerecht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verteilt. Der Schutzzweck des § 1 LohnFG - auch hier gilt für § 616 Abs. 1 BGB, § 63 Abs. 1 Satz 1 HGB und § 133 c Satz 1 GewO entsprechendes - duldet keine über die gesetzliche Risikoabgrenzung hinausgehende Einschränkungen (vgl. BAG 31, 331 (337) = AP Nr. 44 zu § 1 LohnFG (zu II der Gründe)). Der Lohnfortzahlungsanspruch ist gesetzlich nach Voraussetzungen und Inhalt abschließend geregelt. Die erforderlichen Abwägungen sind bei der Verschuldensprüfung zu treffen. Ob und unter welchen Voraussetzungen daneben im Einzelfall der Einwand des Rechtsmißbrauchs in Betracht kommen kann, kann offenbleiben. Hier sind jedenfalls Umstände, die für einen Rechtsmißbrauch sprechen könnten, nicht ersichtlich.

Dr. Thomas Dr. Heither Michels-Holl Döring Flachsenberg

 

Fundstellen

Haufe-Index 439711

BAGE 38, 309-316 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

BAGE, 309

BB 1982, 1424-1425 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

DB 1982, 1729-1730 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

NJW 1983, 2900

NJW 1983, 2900-2901 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

BG 1983, 288-290 (red. Leitsatz 1,3 und Gründe)

BlStSozArbR 1982, 281-281 (Gründe)

JR 1983, 352

SAE 1984, 37-39 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

SAE 1984, 39-43 Hofmann, Paul

USK, 8248 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

AP § 1 LohnFG (Leitsatz 1-3 und Gründe), Nr 49

AP LohnFG § 1, Nr. 49 Gitter

AR-Blattei, ES 1000.3.1 Nr 116 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

AR-Blattei, Krankheit IIIA Entsch 116 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

EzA § 1 LohnFG, Nr 62 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

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