Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinstellungsanspruch. Verstoß gegen Art. 8 EMRK

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die nationalen Gerichte haben die Verpflichtung, die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zu berücksichtigen und in die nationale Rechtsordnung mittels einer konventionsfreundlichen Auslegung einzupassen.

2. Lässt sich aus dem nationalen Recht auch nach konventionsfreundlicher Auslegung unter Anwendung der anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und Verfassungsinterpretation kein Anspruch herleiten, dürfen die Gerichte keine Anspruchsgrundlage annehmen.

3. Die nationale Zivilrechts- und Zivilverfahrensrechtsdogmatik stehen der richterrechtlichen Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs trotz einer vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte festgestellten Konventionsverletzung durch ein rechtskräftiges klageabweisendes Urteil im Kündigungsschutzverfahren entgegen.

 

Orientierungssatz

1. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) steht innerhalb der deutschen Rechtsordnung „nur” im Rang eines Bundesgesetzes. Ihre Gewährleistungen haben verfassungsrechtliche Bedeutung, indem sie die Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes beeinflussen. Auf der Ebene des einfachen Rechts haben die nationalen Gerichte die Pflicht, die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention zu berücksichtigen und in die nationale Rechtsordnung mittels einer konventionsfreundlichen Auslegung einzupassen.

2. Diese Verpflichtung zur konventionsfreundlichen Auslegung nationalen Rechts endet dort, wo dies nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und Verfassungsinterpretation nicht mehr vertretbar erscheint. Deshalb dürfen die Gerichte keine Anspruchsgrundlage annehmen, wenn aus dem vorhandenen Gesetzesrecht der Anspruch nicht geschöpft werden kann und deshalb ein normativer Anknüpfungspunkt für die Rechtsfortbildung fehlt.

3. Die nationale Zivilrechts- und Zivilverfahrensrechtsdogmatik stehen der richterrechtlichen Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs trotz einer vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte festgestellten Konventionsverletzung durch ein rechtskräftiges klageabweisendes Urteil im Kündigungsschutzverfahren entgegen.

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 20 Abs. 2-3; EMRK Art. 8, 41, 53; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 580 Nr. 8, § 894 S. 1; AGG § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 6; KSchG § 1 Abs. 2; BGB §§ 242, 611a aF

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 05.06.2014; Aktenzeichen 11 Sa 1484/13)

ArbG Essen (Urteil vom 22.11.2013; Aktenzeichen 5 Ca 2480/13)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 5. Juni 2014 – 11 Sa 1484/13 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten seine Wiedereinstellung und Beschäftigung als Kirchenmusiker.

Der Kläger war seit 1983 bei der beklagten katholischen Kirchengemeinde als Organist und Chorleiter tätig. 1994 trennte er sich von seiner Ehefrau und teilte dies der Beklagten im Januar 1995 mit. Diese kündigte mit Schreiben vom 15. Juli 1997 das Arbeitsverhältnis zum 31. März 1998 mit der Begründung, er habe gegen den Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe verstoßen und seine Loyalitätsobliegenheiten ihr gegenüber grob verletzt. Das Arbeitsgericht gab mit Urteil vom 9. Dezember 1997 der Kündigungsschutzklage des Klägers statt. Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung der Beklagten zurück. Nachdem das zweitinstanzliche Urteil auf die Revision der Beklagten durch das Bundesarbeitsgericht wegen eines Verfahrensmangels aufgehoben worden war, wies das Landesarbeitsgericht die Klage nach neuer Verhandlung und Entscheidung mit Urteil vom 3. Februar 2000 ab. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wurde am 29. Mai 2000 durch Beschluss des Bundesarbeitsgerichts als unzulässig verworfen. Am 8. Juli 2002 beschloss das Bundesverfassungsgericht, die Verfassungsbeschwerde des Klägers nicht zur Entscheidung anzunehmen.

Am 11. Januar 2003 erhob der Kläger mit Blick auf die Entscheidungen über die Kündigung vom 15. Juli 1997 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Individualbeschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland. Mit Urteil vom 23. September 2010 (– 1620/03 –) stellte der Gerichtshof (Kammer der Fünften Sektion) einen Verstoß gegen Art. 8 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) fest. Er hat angenommen, die deutschen Arbeitsgerichte hätten nicht hinlänglich dargelegt, warum die Interessen der Beklagten die des Klägers bei Weitem übertroffen hätten und dass sie die Rechte des Klägers und die der Beklagten nicht in einer Weise abgewogen hätten, die in Einklang mit der Konvention stehe. Demnach habe der deutsche Staat dem Kläger nicht den notwendigen Schutz gewährt und somit Art. 8 EMRK verletzt (EGMR 23. September 2010 – 1620/03 – Rn. 74 f.). Mit Urteil vom 28. Juni 2012 (– 1620/03 –) erkannte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dem Kläger gemäß Art. 41 EMRK eine Entschädigung iHv. 40.000,00 Euro zu.

Die im Oktober 2010 vom Kläger beim Landesarbeitsgericht erhobene Restitutionsklage wurde am 4. Mai 2011 (– 7 Sa 1427/10 –) als unzulässig verworfen. Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts (22. November 2012 – 2 AZR 570/11 – BAGE 144, 59) wies die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts zurück. Gegen das Urteil des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts erhob der Kläger Verfassungsbeschwerde (anhängig beim BVerfG unter – 1 BvR 1595/13 –).

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe gegen die Beklagte ein Wiedereinstellungsanspruch sui generis iVm. der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 23. September 2010 (– 1620/03 –) zu. Der Anspruch ergebe sich aus der noch andauernden Verletzung seines Privatlebens gemäß Art. 8 EMRK. Diese sei zu beseitigen. Zumindest habe er einen Wiedereinstellungsanspruch ab dem 28. April 2015 oder ab dem 1. August 2015. Denn die Vollversammlung des Verbands der Diözesen Deutschlands habe auf ihrer Sitzung am 27. April 2015 eine Änderung der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse” beschlossen. Danach sei die erneute standesamtliche Heirat nach einer zivilen Scheidung oder das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zukünftig grundsätzlich nur dann als schwerwiegender Loyalitätsverstoß zu werten, wenn dieses Verhalten nach den konkreten Umständen geeignet sei, die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen. Er habe nicht wieder geheiratet.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, sein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags auf der Grundlage der kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) zu den Bedingungen des Arbeitsvertrags vom 15. November 1983 in seiner zuletzt bestehenden Fassung einschließlich des Dekanatskantorenvertrags (100 % Beschäftigungsumfang, Entgeltgruppe 10, Stufe 6) ab dem 23. September 2010 und hilfsweise ab Zustellung der Wiedereinstellungsklage anzunehmen;

    hilfsweise

    die Beklagte zu verurteilen, sein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags auf der Grundlage der kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) zu den Bedingungen des Arbeitsvertrags vom 15. November 1983 in seiner zuletzt bestehenden Fassung einschließlich des Dekanatskantorenvertrags (100 % Beschäftigungsumfang, Entgeltgruppe 10, Stufe 6) ab dem 28. April 2015,

    äußerst hilfsweise

    ab dem 1. August 2015 anzunehmen;

  2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den Bedingungen des zu Ziffer 1 beantragten Arbeitsvertrags als Kirchenmusiker tatsächlich zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, eine Wiedereinstellung des Klägers scheitere bereits an der Rechtskraft des – die weitere Kündigung vom 22. Dezember 1997 betreffenden – klageabweisenden Urteils vom 27. Mai 2013. Hierdurch sei auch ein Wiedereinstellungsanspruch für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist am 30. Juni 1998 ausgeschlossen. Zudem könne der Kläger sein Wiedereinstellungsbegehren schon deshalb nicht auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 23. September 2010 (– 1620/03 –) stützen, da nicht sie, sondern ausschließlich die Bundesrepublik Deutschland beklagte Partei dieses Verfahrens gewesen sei.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

A. Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiedereinstellung. Die Beklagte ist damit auch nicht verpflichtet, ihn zu beschäftigen.

I. Der Hauptantrag zu 1. und der erste Hilfsantrag sind zulässig, aber unbegründet.

1. Die Wiedereinstellungsanträge sind zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Annahme seines Angebots auf Abschluss eines Arbeitsvertrags und damit auf Abgabe einer Willenserklärung der Beklagten, die mit Rechtskraft eines dem Klageantrag stattgebenden Urteils gemäß § 894 Satz 1 ZPO als abgegeben gilt. Der Inhalt des begehrten Arbeitsvertrags ist in dem Klageantrag hinreichend bezeichnet (zu diesem Erfordernis: vgl. BAG 13. Juni 2012 – 7 AZR 647/10 – Rn. 19; 25. Oktober 2007 – 8 AZR 989/06 – Rn. 14). Der Vertrag soll ab dem im Hauptantrag zu 1. bzw. im ersten Hilfsantrag genannten Termin zu den Bedingungen zustande kommen, die laut Arbeitsvertrag vom 15. November 1983 in seiner zuletzt bestehenden Fassung einschließlich des Dekanatskantorenvertrags auf der Grundlage der kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) gegolten haben, insbesondere mit einem Beschäftigungsumfang von 100 % und einer Entlohnung nach Entgeltgruppe 10, Stufe 6.

2. Die Anträge sind unbegründet. Dem Kläger steht kein Wiedereinstellungsanspruch zu. Entgegen seiner Auffassung folgt der Anspruch nicht mittelbar aus der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte festgestellten Konventionsverletzung.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind bei der Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts die Europäische Menschenrechtskonvention und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als Auslegungshilfen heranzuziehen (zuletzt BVerfG 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 – Rn. 128, BVerfGE 137, 273; 18. August 2013 – 2 BvR 1380/08 – Rn. 26 ff.). Zwar steht die Europäische Menschenrechtskonvention innerhalb der deutschen Rechtsordnung „nur” im Rang eines Bundesgesetzes. Gleichwohl besitzen ihre Gewährleistungen verfassungsrechtliche Bedeutung, indem sie die Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes beeinflussen. Auf der Ebene des einfachen Rechts trifft die Fachgerichte nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Verpflichtung, die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention zu berücksichtigen und in den betroffenen Teilbereich der nationalen Rechtsordnung mittels einer konventionsfreundlichen Auslegung einzupassen (BVerfG 18. August 2013 – 2 BvR 1380/08 – Rn. 27). In diesem Rahmen sind als Auslegungshilfe auch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu berücksichtigen, und zwar auch dann, wenn sie nicht denselben Streitgegenstand betreffen. Dies beruht auf der Orientierungs- und Leitfunktion, die der Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention auch über den konkret entschiedenen Einzelfall hinaus zukommt (BVerfG 18. August 2013 – 2 BvR 1380/08 – Rn. 28).

b) Die Verpflichtung zur konventionsfreundlichen Auslegung nationalen Rechts endet jedoch dort, wo dies nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und Verfassungsinterpretation nicht mehr vertretbar erscheint (vgl. BVerfG 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 – Rn. 129, BVerfGE 137, 273; 18. August 2013 – 2 BvR 1380/08 – Rn. 30). Sie darf nicht dazu führen, dass der Grundrechtsschutz nach dem Grundgesetz eingeschränkt wird; das schließt auch die Europäische Menschenrechtskonvention durch Art. 53 EMRK ihrerseits aus. Dieses Rezeptionshemmnis kann vor allem in mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen relevant werden, in denen das „Mehr” an Freiheit für einen Grundrechtsträger zugleich ein „Weniger” für einen anderen bedeutet (BVerfG 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 – aaO). Im Übrigen ist auch im Rahmen der konventionsfreundlichen Auslegung des Grundgesetzes – ebenso wie bei der Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auf der Ebene des einfachen Rechts – die Rechtsprechung des Gerichtshofs möglichst „schonend” in das vorhandene, dogmatisch ausdifferenzierte nationale Rechtssystem einzupassen. Bei der insoweit erforderlichen wertenden Berücksichtigung durch die nationalen Gerichte kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass das Individualbeschwerdeverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, insbesondere bei zivilrechtlichen Ausgangsverfahren, die beteiligten Rechtspositionen und Interessen möglicherweise nicht vollständig abbildet (BVerfG 18. August 2013 – 2 BvR 1380/08 – Rn. 30).

c) Die Europäische Menschenrechtskonvention sowie das nationale Verfassungsrecht verlangen daher die Berücksichtigung eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Rahmen der Auslegung nationalen Gesetzesrechts dann, wenn eine erneute Entscheidung der Sache in „anderem Gewand” ansteht und damit trotz Rechtskraft der vorangegangenen Entscheidung aufgrund des anderen Streitgegenstands verfahrensrechtlich möglich ist. Nicht geboten ist es jedoch, ein materiell-rechtlich „neues Gewand erst zu schneidern”, um eine abermalige gerichtliche Entscheidung zugunsten des im rechtskräftig entschiedenen Vorprozess Unterlegenen zu ermöglichen. Dies gilt im Sinne der Gewaltenteilung zumindest dann, wenn aus dem „Stoff” des vorhandenen Gesetzesrechts der Anspruch nicht geschöpft werden kann und deshalb ein normativer Anknüpfungspunkt für die Rechtsfortbildung fehlt.

d) Dies ist vorliegend der Fall. Die nationale Zivilrechts- und Zivilverfahrensrechtsdogmatik stehen der richterrechtlichen Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs bei Konventionsverletzung durch ein rechtskräftiges klageabweisendes Urteil im Kündigungsschutzverfahren entgegen. Ein solcher Anspruch stellte einen Eingriff in die Vertragsabschlussfreiheit als Teil der verfassungsrechtlich verbürgten Privatautonomie dar. Er widerspräche der grundlegenden Wertentscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, der einen Vertragsschluss ohne willenslegitimatorische Basis auch im Arbeitsrecht grundsätzlich nicht anerkennt. Die Schaffung eines Wiedereinstellungsanspruchs bei Konventionsverletzung durch ein rechtskräftiges klageabweisendes Urteil im Kündigungsschutzverfahren würde darüber hinaus die Rechtskraft als tragenden Grundsatz des Zivilverfahrensrechts beeinträchtigen. Dieser Wiedereinstellungsanspruch würde sich daher nicht „schonend” in das nationale Rechtssystem einfügen. Die Grundsätze der Gewaltenteilung sowie der Gesetzesbindung gebieten es, ohne ausreichende gesetzliche Grundlage die richterrechtliche Schöpfung eines derartigen Anspruchs zu unterlassen.

aa) Die richterrechtliche Schaffung eines Wiedereinstellungsanspruchs im vorliegenden Verfahren würde einen Eingriff in die Vertragsfreiheit der Beklagten darstellen.

(1) Die Vertragsfreiheit als Teil der Privatautonomie wird grundsätzlich durch das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet. Betrifft eine gesetzliche Regelung jedoch die Vertragsfreiheit gerade im Bereich der beruflichen Betätigung, so ist Art. 12 Abs. 1 GG als spezielleres Grundrecht vorrangig (vgl. BVerfG 7. September 2010 – 1 BvR 2160/09, 1 BvR 851/10 – Rn. 32, BVerfGK 18, 14). Aus der negativen Vertragsfreiheit des Arbeitgebers folgt, dass dieser nach wirksamer Beendigung eines Arbeitsverhältnisses frei entscheiden kann, ob er dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer ein neues Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrags macht oder dessen entsprechendes Angebot annimmt (BAG 24. Februar 2011 – 6 AZR 626/09 – Rn. 77 mwN).

(2) In § 15 Abs. 6 AGG, wonach ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses begründet, kommt eine allgemeine gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck (vgl. BAG 21. September 2011 – 7 AZR 150/10 – Rn. 44). Nach dieser soll der Arbeitgeber selbst bei massivsten Diskriminierungen – etwa wegen des Geschlechts, der Rasse oder der Religion – nicht verpflichtet werden, ein Arbeitsverhältnis einzugehen. Der Anspruch des benachteiligten Arbeitnehmers ist auf Geldersatz beschränkt. Die Vorschrift schützt die grundrechtlich geschützte Auswahlfreiheit des Arbeitgebers. Aus der Gesetzesbegründung zu § 15 Abs. 6 AGG wird deutlich, dass die Norm nach Auffassung des Gesetzgebers eine Bestätigung des privatrechtrechtlichen Regelungssystems darstellt. Nach dieser Begründung greift § 15 Abs. 6 AGG die Vorgängerregelung § 611a Abs. 2 BGB aF auf (BT-Drs. 16/1780 S. 38). In der Gesetzesbegründung zum Zweiten Gleichberechtigungsgesetz vom 24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1406, 1411), durch das der Ausschluss des Kontrahierungszwangs erstmals ausdrücklich in § 611a BGB aF aufgenommen wurde, heißt es, dass es sich um eine bloße „Klarstellung” handelt, da ein „Einstellungsanspruch mit dem geltenden Arbeitsrecht nicht zu vereinbaren wäre” (BT-Drs. 12/5468 S. 44).

Es widerspräche der gesetzgeberischen Wertung, die in § 15 Abs. 6 AGG zum Ausdruck kommt, bei einer Kündigung, die bei Abwägung der widerstreitenden Interessen den Maßstäben von § 1 Abs. 2 KSchG nach konventionskonformem Verständnis möglicherweise nicht genügt, jedoch die Schwelle eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot aus § 7 Abs. 1 AGG bei Weitem nicht erreicht, eine Verpflichtung zur (Wieder-)Begründung eines Vertragsverhältnisses anzunehmen.

(3) Selbst wenn die Beeinträchtigung der Vertragsfreiheit in den Fällen grundsätzlich geringer zu gewichten wäre, in denen nicht die erstmalige Begründung, sondern lediglich die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses in Streit steht (so etwa Pallasch RdA 2015, 108, 113), führte dies zu keiner anderen Bewertung. Denn es geht vorliegend weder um die unmittelbare Fortsetzung noch um die Wiederbegründung eines Arbeitsverhältnisses nach einem unwesentlichen Unterbrechungszeitraum. Der Kläger verlangt den Neuabschluss eines Arbeitsvertrags entsprechend dem im Jahr 1998 beendeten Arbeitsverhältnis aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2010 im Wege einer im Jahr 2013 erhobenen Wiedereinstellungsklage. Dogmatisch ist nicht zu begründen, warum die Abschlussfreiheit des Arbeitgebers aufgrund eines seit vielen Jahren beendeten Arbeitsverhältnisses weiterhin eingeschränkt sein soll. Mit der einmal von der Beklagten ausgeübten Vertragsfreiheit – und damit systemkonform rechtsgeschäftlich – kann eine solche Einschränkung der Abschlussfreiheit nicht gerechtfertigt werden. Unabhängig davon, mit welchem Inhalt nachwirkende Vertragspflichten bestehen können, ist doch allgemein anerkannt, dass diese Pflichten nicht „ewig” nachwirken, sondern mit zunehmender Dauer schwächer werden und schließlich ganz erlöschen (vgl. Krüll Der Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers S. 124 mwN).

bb) Neben der Privatautonomie wäre auch die verfassungs- sowie konventionsrechtlich geschützte Rechtskraft als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips betroffen, wenn ein Anspruch auf Wiedereinstellung bei einer Konventionsverletzung trotz eines rechtskräftigen klageabweisenden Urteils im Kündigungsschutzverfahren anerkannt würde.

(1) Ein derartiger Wiedereinstellungsanspruch müsste die Fehlerhaftigkeit – namentlich die Konventionswidrigkeit – des rechtskräftigen Urteils im Vorverfahren gerade voraussetzen. Damit diente der materiell-rechtlich geschöpfte Anspruch letztlich nichts anderem als der – wenn auch nur partiellen – Beseitigung der Rechtskraft. Die materielle Rechtskraft im Sinne der vorgreiflichen Entscheidung einer Rechtsfrage wäre erheblich eingeschränkt, wenn – wie im Streitfall – die im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG vorgesehene, konventionswidrig erfolgte Interessenabwägung im Rahmen eines Wiedereinstellungsanspruchs korrigierend vorgenommen würde. Auch wenn in diese neuerliche Abwägung gegebenenfalls auch weitere, zwischenzeitlich entstandene Interessen einbezogen würden, so bliebe die legitimatorische Grundlage eines solchen Wiedereinstellungsanspruchs gleichwohl die Rechtswidrigkeit der im Vorverfahren erfolgten Interessenabwägung nach § 1 Abs. 2 KSchG. Diese Rechtswidrigkeit besteht jedoch nach dem rechtskräftigen Urteil im Kündigungsschutzverfahren gerade nicht. Denn bei einer klageabweisenden Entscheidung ist der aus der Begründung zu ermittelnde, die Rechtsfolge bestimmende, ausschlaggebende Abweisungsgrund Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes und nicht allein ein Element der nicht rechtskraftfähigen Entscheidungsbegründung (vgl. BGH 24. Juni 1993 – III ZR 43/92 – zu III 1 der Gründe). Da der Kläger im Vorprozess die Sozialwidrigkeit der verhaltensbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG gerügt hatte, nimmt die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bemängelte gerichtliche Interessenabwägung als ausschlaggebender Abweisungsgrund an der materiellen Rechtskraft des Urteils des Landesarbeitsgerichts teil (allgemein zur Rechtskraft von Urteilen im Kündigungsschutzprozess Schwab RdA 2013, 357).

(2) Dies ist ein wesentlicher Unterschied zum bislang anerkannten Wiedereinstellungsanspruch bei Prognoseänderung während des Laufs einer Kündigungsfrist. Dieser Anspruch basiert nicht auf der Rechtswidrigkeit der Kündigung, sondern auf der nach Kündigungszugang eingetretenen Prognoseänderung (vgl. etwa BAG 25. Oktober 2007 – 8 AZR 989/06 – Rn. 21 mwN). Er berührt damit die Rechtskraft eines klageabweisenden Urteils im Kündigungsschutzverfahren gerade nicht. Denn ein solches Urteil – das für den Wiedereinstellungsanspruch im Übrigen nicht zwingend ist – hatte nur die Prognose zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung zum Gegenstand. Der anerkannte Wiedereinstellungsanspruch korrigiert damit kein materiell-rechtliches Fehlurteil, sondern er stellt eine Reaktion auf einen geänderten Lebenssachverhalt und somit einen neuen Streitgegenstand dar. Insoweit besteht auch kein Wiedereinstellungsanspruch, wenn das Gericht die Kündigungsschutzklage lediglich aufgrund rechtsfehlerhafter Annahme einer negativen Prognose rechtskräftig abgewiesen hat, ohne dass nach Zugang der Kündigung und während des Laufs der Kündigungsfrist neue Umstände im Hinblick auf die Tragfähigkeit der Prognose aufgetreten sind (siehe etwa Schmidt Der Wiedereinstellungsanspruch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses S. 108 f.). Der bislang anerkannte Wiedereinstellungsanspruch tangiert daher anders als der vom Kläger geltend gemachte Wiedereinstellungsanspruch die Rechtskraft nicht.

cc) Auf die Bedeutung der Rechtskraft nicht nur nach nationalem Verfassungsrecht, sondern auch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention, hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 22. November 2012 (– 2 AZR 570/11 – Rn. 33 und 38 jeweils mwN, BAGE 144, 59) hingewiesen. Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 18. August 2013 (– 2 BvR 1380/08 – Rn. 41 mwN) hervorgehoben, dass die Beseitigung einer Konventionsverletzung grundsätzlich den Vertragsstaaten überlassen bleibt, die dieser Pflicht im Rahmen des nach der innerstaatlichen Rechtsordnung Möglichen nachzukommen haben. Danach gebietet die Konvention nicht, die Möglichkeit zur Wiederaufnahme von rechtskräftig abgeschlossenen Zivilverfahren zu schaffen. Art. 41 EMRK, der zugunsten der verletzten Partei eine gerechte Entschädigung für die Fälle vorsieht, in denen nur eine unvollständige Wiedergutmachung für die Folgen einer Konventionsverletzung geleistet werden kann, trägt dem Rechnung (BVerfG 18. August 2013 – 2 BvR 1380/08 – aaO).

dd) Nach alldem besteht keine Pflicht der Fachgerichte zur Schaffung einer systemfremden materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage kraft richterlicher Rechtsfortbildung zur (teilweisen) Wiedergutmachung einer Konventionsverletzung. Das Prinzip der Gewaltenteilung sowie der Grundsatz der Gesetzesbindung stehen dem entgegen. Um einer effektiveren Durchsetzung der einen Konventionsverstoß feststellenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte willen dürfen sich deutsche Gerichte im Wege der Auslegung nicht von der rechtsstaatlichen Kompetenzordnung und der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) lösen (vgl. BAG 22. November 2012 – 2 AZR 570/11 – Rn. 24, BAGE 144, 59 unter Verweis auf BVerfG 25. Januar 2011– 1 BvR 918/10 – Rn. 50, BVerfGE 128, 193). Ebenso wenig wie bei der unions-rechtskonformen Auslegung nationalen Rechts dürfen zur Wiedergutmachung einer Konventionsverletzung fundamentale Strukturprinzipien des nationalen Rechts revidiert (so Herresthal JuS 2014, 289, 293) und der innerstaatliche normative Anknüpfungspunkt aufgegeben werden (Kühling JuS 2014, 481, 485).

(1) Art. 20 Abs. 2 GG verleiht dem Grundsatz der Gewaltenteilung Ausdruck. Auch wenn dieses Prinzip im Grundgesetz nicht im Sinne einer strikten Trennung der Funktionen und einer Monopolisierung jeder einzelnen bei einem bestimmten Organ ausgestaltet worden ist, schließt es doch aus, dass die Gerichte Befugnisse beanspruchen, die von der Verfassung dem Gesetzgeber übertragen worden sind, indem sie sich aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben und sich damit der Bindung an Recht und Gesetz entziehen. Richterliche Rechtsfortbildung darf nicht dazu führen, dass der Richter seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt (BVerfG 16. Februar 2012 – 1 BvR 127/10 – Rn. 22).

(2) Diese Verfassungsgrundsätze verbieten es dem Richter zwar nicht, das Recht fortzuentwickeln. Angesichts des beschleunigten Wandels der gesellschaftlichen Verhältnisse und der begrenzten Reaktionsmöglichkeiten des Gesetzgebers sowie der offenen Formulierung zahlreicher Normen gehört die Anpassung des geltenden Rechts an veränderte Verhältnisse zu den Aufgaben der Dritten Gewalt. Der Aufgabe und Befugnis zur „schöpferischen Rechtsfindung und Rechtsfortbildung” sind mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung jedoch Grenzen gesetzt. Der Richter darf sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen. Er muss die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren und den Willen des Gesetzgebers unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung bringen. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder – bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke – stillschweigend gebilligt wird, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (BVerfG 16. Februar 2012 – 1 BvR 127/10 – Rn. 23).

(3) Ein normativer Anknüpfungspunkt zur systemkonformen Schöpfung eines materiellen Wiedereinstellungsanspruchs bei Konventionsverletzung durch ein rechtskräftiges klageabweisendes Urteil im Kündigungsschutzverfahren ist dem geltenden Arbeitsrecht nicht zu entnehmen.

(a) Insbesondere kommt – anders als beim Wiedereinstellungsanspruch bei Prognoseänderung während des Laufs einer Kündigungsfrist – eine vertragliche Nebenpflicht als Grundlage eines Wiedereinstellungsanspruchs nicht in Betracht.

(aa) Den Wiedereinstellungsanspruch bei Prognoseänderung während des Laufs der Kündigungsfrist leitet das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung aus einer vertraglichen Nebenpflicht gemäß § 242 BGB ab (vgl. etwa BAG 25. Oktober 2007 – 8 AZR 989/06 – Rn. 21 mwN). Die vertragliche Nebenpflicht zum erneuten Abschluss eines Arbeitsvertrags konkretisiert die Pflicht, auf die berechtigten Interessen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen. Auch dieser Anspruch greift in die Abschlussfreiheit ein (vgl. BAG 25. Oktober 2007 – 8 AZR 989/06 – Rn. 20). Auf der anderen Seite steht aber das berechtigte Interesse des Arbeitnehmers am Bestandsschutz nach den Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes und die staatliche Verpflichtung zum Schutz seiner Berufsausübungsmöglichkeit nach Art. 12 Abs. 1 GG (BAG 25. Oktober 2007 – 8 AZR 989/06 – Rn. 21). Ein Ausgleich dieser widerstreitenden Interessen ist anhand von § 1 KSchG sowie § 242 BGB möglich. Denn es gilt zu beachten, dass zunächst durch die zu § 1 KSchG entwickelte Rechtsprechung, der zufolge bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Kündigung auf den Zeitpunkt des Kündigungszugangs abzustellen ist, die genannten Rechte des Arbeitnehmers beeinträchtigt werden. Nach dieser Rechtsprechung genügt die hinreichend begründete Prognose zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit, die spätere tatsächliche Entwicklung bleibt grundsätzlich unberücksichtigt. Diese von der Rechtsprechung entwickelte „Vorverlagerung” des Prüfungszeitpunkts vom Ende des Arbeitsverhältnisses auf den oft viele Monate früher liegenden und nicht nur von der Dauer der Kündigungsfrist, sondern auch vom Willensentschluss des Arbeitgebers abhängigen Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung verlangt in den Fällen nach einem Korrektiv, in denen sich die maßgeblichen Umstände entgegen der ursprünglichen Prognose nachträglich während des Laufs der Kündigungsfrist ändern (vgl. etwa BAG 25. Oktober 2007 – 8 AZR 989/06 – Rn. 21 mwN).

(bb) Dabei ist es bereits im Ansatz weit weniger bedenklich, einen von der Rechtsprechung selbst entwickelten Grundsatz ebenfalls durch Richterrecht wieder einzuschränken. Entscheidend kommt hinzu, dass während des Laufs der Kündigungsfrist mit den vertraglichen Nebenpflichten gemäß § 242 BGB eine dogmatische Fundamentierung für den Wiedereinstellungsanspruch als Korrektiv des Prognoseprinzips im geltenden Recht vorhanden ist. Der Anspruch folgt aus den vertraglichen Nebenpflichten und ist damit nicht nur eine Einschränkung der Vertragsfreiheit, sondern Ausdruck derselben. Hieraus folgt die wesentliche Voraussetzung des Wiedereinstellungsanspruchs, nämlich die Änderung der Prognose, solange die vertraglichen Beziehungen noch bestehen (vgl. etwa BAG 25. Oktober 2007 – 8 AZR 989/06 – Rn. 19 ff.). Bei einer Prognoseänderung nach Ablauf der Kündigungsfrist kommt ein Wiedereinstellungsanspruch danach – systemkonform – grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. BAG 27. Juni 2001 – 7 AZR 662/99 – zu B II 1 der Gründe, BAGE 98, 141).

(cc) Im vorliegenden Fall sind die vertraglichen Nebenpflichten seit dem 1. April 1998 erloschen. Mit ihnen lässt sich mithin ein viele Jahre später entstandener Wiedereinstellungsanspruch dogmatisch nicht begründen.

(b) Aus nachwirkenden Vertragspflichten folgt kein Wiedereinstellungsanspruch des Klägers. Es bestehen bereits grundsätzliche Bedenken, ob die wesentlich schwächer ausgestalteten nachvertraglichen Pflichten einen Wiedereinstellungsanspruch überhaupt jemals begründen können (vgl. BAG 6. August 1997 – 7 AZR 557/96 – zu II 2 der Gründe, BAGE 86, 194 [keine „nachwirkende Fürsorgepflicht”]; vgl. auch BAG 27. Juni 2001 – 7 AZR 662/99 – zu B II 1 der Gründe, BAGE 98, 141 [„nur in besonderen Ausnahmefällen”]). Nachvertragliche Pflichten sind generell endbezogen auf die vollständige Abwicklung des Schuldverhältnisses ausgerichtet, dienen der Sicherung und dem Erhalt der durch den Vertrag gewährten Vorteile sowie seiner ungestörten Beendigung, nicht aber der Wiederbegründung des Vertrags (vgl. Krüll Der Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers S. 124 f. mwN). Jedenfalls erscheint es wegen des oben bereits beschriebenen zeitlichen Verblassens der nachvertraglichen Pflichten ausgeschlossen, dass sie viele Jahre nach Vertragsbeendigung noch Legitimationsgrundlage für die einschneidende Rechtsfolge eines Kontrahierungszwangs sein können.

(c) Auf den ebenfalls aus § 242 BGB abgeleiteten Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens als Ausfluss von Treu und Glauben kann der Kläger seinen Wiedereinstellungsanspruch nicht stützen (vgl. zum Kontrahierungszwang auf der Basis von § 242 BGB BAG 24. Februar 2011 – 6 AZR 626/09 – Rn. 77 ff.).

Bei einer verweigerten Wiedereinstellung im Falle der Prognoseänderung setzt sich der Arbeitgeber in Widerspruch zu seinem vorangegangenen Kündigungsverhalten, wenn er die Notwendigkeit der Vertragsbeendigung mit der – nicht fortbestehenden – negativen Beschäftigungsprognose zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist begründet hatte (in diese Richtung noch BAG 27. Februar 1997 – 2 AZR 160/96 – zu II 4 c der Gründe, BAGE 85, 194; Boewer NZA 1999, 1121, 1128). Hier haben sich die Umstände nicht geändert, auf die die Beklagte ihre Kündigung gestützt hat.

(4) Die Gesetzesmaterialien zu § 580 Nr. 8 ZPO in der ab dem 31. Dezember 2006 geltenden Fassung bestätigen, dass das materielle Arbeitsrecht vorliegend einen normativen Anknüpfungspunkt zur richterlichen Rechtsfortbildung nicht beinhaltet und daher die Beseitigung der Folgen eines konventionsverletzenden rechtskräftigen Urteils nicht ermöglicht. Der Gesetzgeber begründete die Einführung des besonderen Restitutionsgrunds gerade damit, dass es wegen den bis dato eingeschränkten Wiederaufnahmegründen dazu kommen könne, dass ein die Konvention verletzendes Urteil nicht aus der Welt geschaffen werde und in diesen Fällen der Beschwerdeführer sich grundsätzlich mit der Feststellung der Rechtsverletzung und einem etwaigen Entschädigungsanspruch gemäß Art. 41 EMRK begnügen müsse, selbst wenn hierdurch die Rechtsverletzung nicht vollständig ausgeglichen werde (siehe BT-Drs. 16/3038 S. 39). Er sah die explizite Durchbrechung der Rechtskraft mittels einer Restitutionsklage damit als notwendiges Mittel an, um die durch ein Urteil verursachte Konventionsverletzung zu beseitigen, und wählte damit eine verfahrensrechtliche Lösung des Rechtsproblems. Die Möglichkeit einer erweiterten Schaffung materiell-rechtlicher Anspruchsgrundlagen eigener Art durch die Rechtsprechung aufgrund der bestehenden Gesetze zur (partiellen) Beseitigung der Wirkungen eines rechtskräftigen, die Konvention verletzenden Urteils hat er nicht in Erwägung gezogen.

II. Die zulässigen weiteren Hilfsanträge sind ebenfalls unbegründet. Der Kläger stützt sich insoweit ohne Erfolg auf die zum 1. August 2015 beschlossene Änderung der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse”. Die Änderung betrifft die Abwägungsgrundsätze für künftige Kündigungsentscheidungen. Über die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung vom 15. Juli 1997 ist rechtskräftig entschieden.

III. Da die Beklagte nicht zur Wiedereinstellung des Klägers verpflichtet ist, besteht auch keine Pflicht zu seiner Beschäftigung.

B. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

 

Unterschriften

Brühler, Suckow, Krasshöfer, Wullhorst, Neumann-Redlin

 

Fundstellen

Haufe-Index 8889027

BAGE 2016, 62

BB 2016, 179

BB 2016, 315

DB 2016, 7

NJW 2016, 1034

NJW 2016, 8

FA 2016, 94

NZA 2016, 299

ZIP 2016, 236

AP 2016

EzA-SD 2016, 8

EzA 2016

MDR 2016, 217

NZA-RR 2016, 6

AUR 2016, 246

AUR 2016, 80

ArbRB 2016, 38

ArbR 2016, 74

NJW-Spezial 2016, 338

RdW 2016, 281

SPA 2016, 86

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