Entscheidungsstichwort (Thema)

Annahmeverzugslohn und tarifliche Ausschlußfrist

 

Orientierungssatz

1. § 14 des für allgemein verbindlich erklärten Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer des metallverarbeitenden Handwerks in Niedersachsen vom 1.5.1978 (MTV) enthält eine zweistufige Ausschlußfrist, nach der alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und, wenn sie von einer Partei schriftlich abgelehnt werden, innerhalb einer weiteren Frist von 3 Monaten nach Zugang der Ablehnung gerichtlich geltend zu machen sind.

2. Die erste Verfallfrist von 3 Monaten gemäß § 14 Satz 1 MTV wird durch die rechtzeitige Erhebung der Kündigungsschutzklage gewahrt.

3. Allein die Fortsetzung des Kündigungsverfahrens wahrt nicht die zweite Stufe der Ausschlußfrist. Erforderlich ist vielmehr gemäß § 14 Satz 2 MTV die Erhebung einer fristgerechten Zahlungsklage.

 

Normenkette

TVG § 1; BGB §§ 296-297, 615, 614, 295; TVG § 4 Abs. 5, § 5 Abs. 4; LFZG § 1 Abs. 1; KSchG § 11 Nr. 3 Fassung 1969-08-25

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 27.02.1985; Aktenzeichen 7 Sa 13/84)

ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Entscheidung vom 19.01.1984; Aktenzeichen 1 Ca 2601/82)

 

Tatbestand

Die Klägerin war seit dem 2. Oktober 1978 bei der Beklagten als Arbeiterin beschäftigt. Der Stundenlohn betrug 8,78 DM brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden (montags bis donnerstags jeweils 8,5 Stunden und freitags 6 Stunden). Darüber hinaus waren monatlich eine Anwesenheitsprämie von 20,-- DM brutto sowie 26,-- DM brutto vermögenswirksame Leistung und ferner ein jährliches Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld von jeweils 400,-- DM brutto vereinbart. Außerdem hatte die Beklagte von dem zu zahlenden Monatslohn monatlich 52,-- DM als vermögenswirksame Leistung auf ein Sparkonto der Klägerin zu überweisen. Am Morgen des 14. August 1981 kündigte die Beklagte der Klägerin vor Aufnahme der Arbeit fristlos und verwies sie vom Betriebsgelände. Am 3. September 1981 erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage. In der Klageschrift erklärte die Klägerin gleichzeitig, daß sie jedes im Laufe des Verfahrens fällig werdende Entgelt in Höhe von 1.518,94 DM brutto Monat für Monat geltend mache. Die Beklagte beantragte entsprechend ihrer Ankündigung im Schriftsatz vom 9. Oktober 1981 die Klage abzuweisen. Das Arbeitsgericht stellte durch Urteil vom 22. Juli 1982 fest, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht. Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 6. Mai 1983 zurück.

Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin unter dem Gesichtspunkt von Annahmeverzug und Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle die Nachzahlung des fällig gewordenen Lohnes einschließlich der Anwesenheitsprämien, Weihnachts- und Urlaubsgelder. In dem streitbefangenen Zeitraum vom 14. August 1981 bis zum 23. Mai 1983 wären insgesamt 3.694,50 Arbeitsstunden angefallen. In dieser Zeit war die Klägerin vom 30. Oktober 1981 bis 17. November 1981, vom 27. April 1982 bis 22. Mai 1982, vom 18. Juni 1982 bis 20. Juli 1982, vom 7. September 1982 bis 11. September 1982 und vom 12. Oktober 1982 bis 17. Oktober 1982 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Über die Arbeitsunfähigkeitszeiten und deren Beendigung unterrichtete die Kläger die Beklagte nicht, auch bot sie ihre Arbeitskraft nicht ausdrücklich erneut an.

Mit der am 13. Oktober 1982 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageschrift hat die Klägerin Lohnnachzahlung zunächst für den Zeitraum vom 14. August 1981 bis zum 30. September 1982 verlangt und hat dann mit dem am 2. Juni 1983 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz die Klage auf den Zeitraum vom 1. Oktober 1982 bis 31. Mai 1983 erweitert. Demgemäß verlangt die Klägerin in rechnerisch unstreitiger Höhe:

Grundlohn für 3.694,5 Stunden a 8,78 DM brutto

= 32.437,71 DM,

Anwesenheitsprämie für 21 Monate a 20,-- DM brutto

= 420,-- DM brutto,

Weihnachtsgeld für 1981 und 1982 = 800,-- DM brutto,

Urlaubsgeld für 1982 = 400,-- DM brutto

sowie vermögenswirksame Leistungen für 21 Monate

a 26,-- DM brutto = 546,-- DM brutto,

insgesamt also 34.603,71 DM brutto abzüglich des

während dieses Zeitraumes an die Klägerin gezahlten

Arbeitslosengeldes von insgesamt 11.368,-- DM netto

sowie eines Betrages von 1.092,-- DM netto, den sie

als sogenannte vermögenswirksame Leistung auf ein

von ihr bezeichnetes Konto überwiesen haben will.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie

34.603,71 DM brutto abzüglich 11.368,-- DM

netto und abzüglich 1.092,-- DM netto nebst

4 % Zinsen auf den verbleibenden Nettobe-

trag seit dem 24. Juni 1983 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag

von 1.092,-- DM auf das Sparkonto mit der

Nr. 385 813 bei der OLB, Zweigstelle Lange

Straße, BLZ.: 200 500 00 in O zu

überweisen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie vorgetragen, die den Arbeitsunfähigkeitszeiten zugrundeliegenden Krankheiten der Klägerin stünden in einem ursächlichen Zusammenhang. Die Gehaltsansprüche der Klägerin seien jedenfalls zum Teil gemäß § 14 des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer des metallverarbeitenden Handwerks in Niedersachsen vom 23. Mai 1978 (zukünftig MTV) verfallen. Diese Vorschrift lautet:

"§ 14 Verfall von Ansprüchen

Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind

binnen einer Ausschlußfrist von 3 Monaten nach

Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Werden

sie schriftlich abgelehnt, so sind sie binnen

einer Ausschlußfrist von 3 Monaten nach Zugang

der Ablehnung gerichtlich geltend zu machen.

Ein Verzicht auf tarifliche Ansprüche ist aus-

geschlossen."

Die in der Kündigungsklage abgegebene Erklärung, daß zugleich jedes im Laufe des Verfahrens fällig werdende Entgelt in Höhe von jeweils 1.518,94 DM brutto Monat für Monat geltend gemacht werde, reiche nicht aus, um das Eingreifen der Ausschlußfrist des allgemeinverbindlichen MTV abzuwenden, weil eine Geltendmachung vor Fälligkeit rechtlich nicht vorstellbar sei. Der Schriftsatz der Beklagten vom 9. Oktober 1981 in dem vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren, in welchem der Antrag auf Abweisung der Kündigungsschutzklage angekündigt worden sei, enthalte eine schriftliche Ablehnung der Gehaltsansprüche im Sinne von § 14 Satz 1 MTV. Außerdem seien die Voraussetzungen des Annahmeverzugs für einen Teil des im Streit befindlichen Zeitraums deshalb nicht gegeben, weil die Klägerin nach dem Ende ihrer jeweiligen Arbeitsunfähigkeitszeiten erneut ihre Arbeitsleistung hätte anbieten müssen. Ferner ist die Beklagte der Auffassung, die Klägerin sei in Höhe des von der Bundesanstalt für Arbeit gezahlten Betrages von 7.314,64 DM brutto an Kranken- und Rentenversicherungsbeiträgen, die diese von der Beklagten erstattet haben will, nicht mehr aktiv legitimiert.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte unter Abweisung lediglich der über 4 % hinausgehenden Zinsforderung der Klägerin nach dem Klageantrag verurteilt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage, während die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im wesentlichen begründet.

A. Das Landesarbeitsgericht hat unter teilweiser Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts angenommen, die Klägerin habe unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs gemäß § 615 Satz 1 BGB und § 1 Abs. 1 Satz 1 LohnFG in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag Anspruch auf Zahlung der vom Arbeitsgericht zugesprochenen Beträge. Die Klägerin habe die Beklagte sowohl durch die bisherige Arbeitsleistung als auch durch das in der Erhebung der Kündigungsschutzklage liegende wörtliche Angebot in Verzug gesetzt. Die Voraussetzung des Annahmeverzugs sei auch nicht durch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeitszeiten spätestens am 30. Oktober 1981 weggefallen. Die Klägerin könne für die Zeiten ihrer Arbeitsunfähigkeit auch Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle verlangen, da die Beklagte nicht substantiiert dargelegt habe, daß die Arbeitsunfähigkeitszeiten auf einer Fortsetzungserkrankung beruhten. Die Vergütungsansprüche seien auch nicht nach § 14 MTV verfallen, da die Klägerin diese bereits mit ihrer Kündigungsschutzklage geltend gemacht habe. Da der Klageabweisungsantrag der Beklagten im Kündigungsprozeß nicht ohne weiteres die Erklärung enthalten habe, die von der Klägerin geltend gemachten und erst zukünftig fällig werdenden Ansprüche im Falle des Unterliegens nicht erfüllen zu wollen, habe die Klägerin nicht während des Kündigungsprozesses die Monat für Monat fällig gewordenen Ansprüche innerhalb der Frist des § 14 Satz 2 MTV einklagen müssen.

B. Der Senat hat der Auffassung des Landesarbeitsgerichts in wesentlichen Punkten nicht folgen können.

Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß der Klägerin gegen die Beklagte Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug (§ 615 Satz 1, § 293 ff. BGB) und für die Zeit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit aus § 1 Abs. 1 LohnFG zugestanden haben.

I. Allerdings kann der Ansicht des Berufungsgericht nicht gefolgt werden, die Beklagte sei infolge der ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung vom 14. August 1981 und der Verweisung vom Betriebsgelände aufgrund der bisherigen Arbeitsleistung der K l ä g e r i n in Annahmeverzug geraten (vgl. hierzu Urteil vom 9. August 1984, BAG 46, 234, 242 ff. = EzA § 615 BGB Nr. 43 mit ablehnender Anm. von Kraft = NZA 1985, 119 = SAE 1986, 9 mit ablehnender Anm. von Wolf).

Die Beklagte ist aber in Annahmeverzug geraten, weil die Voraussetzungen der §§ 295, 296 BGB vorliegen. Nach § 295 BGB genügt ein wörtliches Angebot, wenn der Gläubiger erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist. Ist für die vom Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, bedarf es ausnahmsweise überhaupt keines Angebots, wenn der Gläubiger die Handlung nicht rechtzeitig vornimmt (§ 296 BGB). Die nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers besteht darin, daß er dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und ihm die Arbeit zuzuweisen hat. Da die Beklagte mit der fristlosen Kündigung der Klägerin den entgegengesetzten Willen zu erkennen gegeben hat, hätte die Beklagte sie wieder zur Arbeit auffordern müssen, wenn sie hätte vermeiden wollen, trotz fristloser Kündigung in Annahmeverzug zu geraten.

Dementsprechend ist die Beklagte nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung am 14. August 1981 zunächst in Annahmeverzug geraten, weil sie der Klägerin keinen funktionsfähigen Arbeitsplatz mehr eingerichtet und ihr bis nach der Entscheidung des Berufungsgerichts im Kündigungsprozeß keine Arbeit mehr zugewiesen hat.

II. Die Ansprüche aus Annahmeverzug sind aber im wesentlichen gem. § 14 Satz 2 MTV verfallen.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der MTV für die gewerblichen Arbeitnehmer des metallverarbeitenden Handwerks in Niedersachsen vom 23. Mai 1978 gemäß § 5 Abs. 4 TVG infolge der mit Wirkung vom 1. Mai 1978 erfolgten Allgemeinverbindlicherklärung bis zum Außerkrafttreten des MTV am 31. Dezember 1982, danach gemäß § 4 Abs. 5 TVG analog (BAG 12, 194, 196 ff. = AP Nr. 11 zu § 5 TVG; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 187 und § 5 Rz 70; Herschel, ZfA 1976, 89, 98; Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, TVG, § 4 Rz 53 m.w.N.) Anwendung.

2. § 14 MTV enthält eine zweistufige Ausschlußfrist, nach der alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit s c h r i f t l i c h geltend zu machen und, wenn sie von der anderen Partei s c h r i f t l i c h abgelehnt werden, innerhalb einer weiteren Frist von 3 Monaten nach Zugang der Ablehnung g e r i c h t l i c h geltend zu machen sind.

a) Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Klägerin die erste Verfallfrist von 3 Monaten gemäß § 14 Satz 1 MTV durch die rechtzeitige Erhebung der Kündigungsschutzklage gewahrt hat. Das Bundesarbeitsgericht hat nämlich in ständiger Rechtsprechung (BAG 29, 152, 155; 30, 135, 137 und 46, 359, 361 = AP Nr. 60, 63 und 86 zu § 4 TVG Ausschlußfristen sowie BAG vom 8. August 1985 - 2 AZR 459/84 - zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 2 b der Gründe) entschieden, daß die Erhebung der Kündigungsschutzklage je nach Lage des Falles ein ausreichendes Mittel zur Geltendmachung von Ansprüchen sein kann, die während des Kündigungsstreits fällig werden und von dessen Ausgang abhängen, sofern die einschlägige Verfallklausel nur eine formlose oder schriftliche Geltendmachung verlangt. Die Kündigungsklage der Klägerin ist am 3. September 1981 innerhalb der Drei-Wochenfrist des § 4 KSchG beim Arbeitsgericht eingegangen und der Beklagten am 29. September 1981, also innerhalb der Dreimonatsfrist des § 14 Satz 1 MTV, zugestellt worden.

b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht aber angenommen, die Klägerin habe die Vergütungsansprüche nicht aufgrund des Klageabweisungsantrags der Beklagten im Kündigungsschutzprozeß einklagen müssen, da der Klageabweisungsantrag nicht ohne weiteres die Erklärung der Beklagten enthalte, die von der Klägerin nur für den Fall des Obsiegens im Kündigungsschutzverfahren geltend gemachten und erst zukünftig fällig werdenden Vergütungen auch im Falle des Unterliegens nicht erfüllen zu wollen.

Zwar hat der Fünfte Senat in seinem Urteil vom 4. Mai 1977 (BAG 29, 152, 156 f. = AP Nr. 60 zu § 4 TVG Ausschlußfristen) entschieden, daß bei einer tariflichen Regelung, nach der die zunächst fristgerecht geltend gemachten Ansprüche verfallen, wenn sie nicht binnen einer weiteren Frist seit ihrer a u s d r ü c k l i c h e n Ablehnung rechtshängig gemacht würden, die weitere Ausschlußfrist für vom Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens abhängige Ansprüche des Arbeitnehmers n i c h t schon damit beginne, daß der Arbeitgeber die Abweisung der Kündigungsschutzklage beantrage; vielmehr müsse der Arbeitgeber die Ansprüche mit einer unmittelbar auf diese selbst bezogenen Erklärung ausdrücklich ablehnen.

Diese Begründung des Fünften Senats ist aber auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht übertragbar, da § 14 Satz 2 MTV für die gerichtliche Geltendmachung k e i n e a u s d r ü c k l i c h e Ablehnung der geltend gemachten Ansprüche, sondern nur eine s c h r i f t l i c h e Ablehnung voraussetzt; eine verstärkte Warnfunktion, wie sie das Landesarbeitsgericht aus der Regelung in § 14 Satz 2 MTV meint entnehmen zu können, ist in dieser Ausschlußklausel nicht vorgesehen.

Bereits der Sechste Senat hat entschieden (BAG 46, 359, 362 = AP Nr. 86 zu § 4 TVG Ausschlußfristen), wenn für eine ausdrückliche A b l e h n u n g von Ansprüchen eine ausdrückliche E r k l ä r u n g erforderlich sei, sei nicht ersichtlich, aus welchem Grunde dies auch für eine formlose Geltendmachung erforderlich sein solle. Die mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage für den Arbeitgeber verbundene Warnfunktion, er müsse noch mit Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers rechnen, gelte umgekehrt auch für den Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber die Abweisung der Kündigungsschutzklage beantragt. Der Arbeitnehmer könne nicht davon ausgehen, der Arbeitgeber werde sich ohne weitere Auseinandersetzung auf die Ansprüche einlassen. Der erkennende Senat hat sich im Urteil vom 8. August 1985 (2 AZR 459/84 - zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 2 c bb der Gründe) der Rechtsprechung des Sechsten Senats ausdrücklich angeschlossen und ergänzend ausgeführt, wenn an die formlose Geltendmachung der Forderung durch den Arbeitnehmer keine strengeren Anforderungen als die Erhebung der Kündigungsschutzklage zu stellen seien, könnten sie auch nicht an eine formlose Ablehnung gestellt werden (Urteil vom 8. August 1985, aaO; Wiedemann, Anm. zu BAG Urteil vom 4. Mai 1977, AP Nr. 60 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; Leser, Ausschlußfristen im Arbeitsrecht, AR-Blattei, Ausschlußfristen I, unter G III 2 c). Hängt die gerichtliche Geltendmachung - wie im vorliegenden Fall - nicht von einer formlosen, sondern schriftlichen Ablehnung der Ansprüche des Arbeitnehmers ab, so wird diese Schriftform dadurch gewahrt, daß der Klageabweisungsantrag im Kündigungsschutzprozeß vor der Stellung des Antrags im Termin schriftsätzlich angekündigt worden und dem Arbeitnehmer zugegangen ist. Mit ihrem im Schriftsatz vom 9. Oktober 1981 angekündigten Klageabweisungsantrag, der der Klägerin spätestens am 29. Oktober 1981 zugegangen ist, hatte die Beklagte die Ansprüche der Klägerin abgelehnt. Die Beklagte hat sich auch darauf berufen, ihr Klageabweisungsantrag im Kündigungsschutzprozeß habe sich nicht nur gegen den Feststellungsantrag gerichtet, sondern auch den erklärten Willen beinhaltet, keinen Lohn zahlen zu wollen.

c) Allein mit der Fortsetzung des Kündigungsverfahrens hat die Klägerin die zweite Stufe der Ausschlußfrist nicht wahren können. Erforderlich war vielmehr die Erhebung einer fristgerechten Zahlungsklage (BAG 30, 135, 138 m.w.N. = AP Nr. 63 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; BAG 46, 356, 361 = AP Nr. 86 zu § 4 TVG Ausschlußfristen). Etwas anderes läßt sich aus der klaren Formulierung des § 14 Satz 2 MTV nicht entnehmen.

d) Mangels eines anderweitigen Vortrags der Parteien war der Grundlohn, die Anwesenheitsprämie sowie die vermögenswirksame Leistung gemäß § 614 BGB jeweils nach dem Ablauf des jeweiligen Monats, das Weihnachtsgeld spätestens im Dezember des jeweiligen Jahres und das Urlaubsgeld während des Betriebsurlaubs im Juli/August fällig.

Mit der am 13. Oktober 1982 bei Gericht eingegangenen Klageschrift waren gemäß § 270 Abs. 3 ZPO lediglich die Vergütungsansprüche für die Zeit vom 1. Juli 1982 bis 30. September 1982 und durch die am 2. Juni 1983 bei Gericht eingegangene Klageerweiterung nur die Vergütungsansprüche für die Zeit vom 1. März 1983 bis 23. Mai 1983 rechtzeitig geltend gemacht; die Ansprüche für die Zeit vom 14. August 1981 bis 30. Juni 1982 und für die Zeit vom 1. Oktober 1982 bis 28. Februar 1983 sind wegen Versäumung der Ausschlußfrist verfallen.

III. Zu Recht rügt die Revision auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Erkrankungen der Klägerin und die darauf beruhenden Zeiten der Arbeitsunfähigkeit hätten lediglich zu Unterbrechungen des Annahmeverzugs der Beklagten geführt; das in der Erhebung der Kündigungsschutzklage liegende wörtliche Angebot der Arbeitsleistung habe während der gesamten Dauer des Kündigungsrechtsstreits fortbestanden, weshalb zur neuerlichen Begründung des Annahmeverzugs es nicht einer wiederholten Erklärung der Arbeitsbereitschaft bedurft habe. Dies gelte umso mehr, als die Beklagte während der gesamten Dauer des Kündigungsverfahrens keinerlei Annahmebereitschaft gezeigt und durch Aufrechterhaltung des Klageabweisungsantrags ihre ablehnende Haltung deutlich erklärt habe.

1. Während der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug geraten, weil in diesem Falle der Arbeitnehmer außerstande ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu bewirken (§ 297 BGB). In diesem Falle ist dem Arbeitgeber das Ende der Arbeitsunfähigkeit und der Beginn des drohenden Annahmeverzugs nicht erkennbar. Der Arbeitnehmer muß folglich nach Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit seine Arbeit zwar nicht anbieten, aber den Arbeitgeber auffordern, ihm Arbeit zuzuweisen. Nach § 295 Satz 2 BGB steht diese Aufforderung des Arbeitnehmers, die Mitwirkungshandlung vorzunehmen, einem Angebot gleich. Dieser Aufforderung bedarf es in allen Fällen, in denen der Arbeitgeber nicht erkennen kann, ob und von welchem Zeitpunkt an der Arbeitnehmer leistungsbereit und -willig ist (BAG vom 9. August 1984, aaO, zu B II 5 d der Gründe; BAG vom 21. März 1985 - 2 AZR 201/84 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt, zu B II 1 der Gründe). Dasselbe gilt, wenn der Arbeitgeber in Annahmeverzug gekommen ist, und erst danach der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt (vgl. BAG vom 9. August 1984, aaO, zu B II 5 c und d der Gründe). Auch in diesem Fall muß der Arbeitnehmer nach Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit den Arbeitgeber auffordern, ihm Arbeit zuzuweisen. Das ist nur dann entbehrlich, wenn der Arbeitgeber zuvor eindeutig und abschließend erklärt hat, er verzichte auf eine weitere Tätigkeit des Arbeitnehmers nach Ausspruch der Kündigung (BAG vom 9. August 1984, aaO, zu B II 5 d der Gründe; BAG vom 1. Juli 1985 - 2 AZR 106/84 - nicht veröffentlicht, zu B II 2 der Gründe). Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nämlich nicht nur gekündigt, sondern darüber hinaus eindeutig erklärt, daß er ihn auch nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit nicht weiterbeschäftigen werde, er vielmehr auf seine Dienste verzichte, so hat der Arbeitgeber zugleich zu erkennen gegeben, daß ihm die Mitteilung des Beginns der Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers und damit auch des Beginns des Annahmeverzugs nicht interessieren. In einem solchen Falle eine nochmalige Aufforderung zu verlangen, einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zuzuweisen, wäre durch den Gesetzeszweck nicht mehr gedeckt, sondern nur noch Förmelei (BAG vom 9. August 1984, aaO, zu B II 5 d der Gründe m.w.N.).

2. Vorliegend hat die Beklagte nicht eindeutig erklärt, daß sie die Klägerin auch nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit nicht weiterbeschäftigen werde. Mit dem Klageabweisungsantrag im Kündigungsverfahren bringt der Arbeitgeber nur zum Ausdruck, daß das Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt werden soll, weil er seine Kündigung für wirksam hält. Dagegen kann in dem Klageabweisungsantrag nicht die eindeutige Erklärung gesehen werden, der Arbeitgeber lehne es unter allen Umständen ab, den Arbeitnehmer (möglicherweise bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits) weiterzubeschäftigen. Es ist denkbar, daß der Arbeitgeber zwar einerseits seine Kündigung verteidigt, auf der anderen Seite die Unsicherheit über den Ausgang des Rechtsstreits - etwa auf einen Hinweis des Gerichts - erkennt und deshalb auf Aufforderung des Arbeitnehmers, ihm Arbeit zuzuweisen, tatsächlich Arbeit anbietet, um nicht später in die Lage zu kommen, Lohn nachzahlen zu müssen, ohne eine Arbeitsleistung empfangen zu haben.

Auch die Tatsache, daß die Beklagte vorliegend die Klägerin vom Betriebsgelände gewiesen hat, macht die Aufforderung der Zuweisung von Arbeit nicht entbehrlich. Mit einer fristlosen Kündigung ist in der Regel die Aufforderung verbunden, das Betriebsgelände zu verlassen. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die Beklagte der Klägerin ein Hausverbot erteilt hätte (vgl. dazu BAG 28, 233 = AP Nr. 8 zu § 103 BetrVG 1972).

Hat die Beklagte aber nicht eindeutig erklärt, daß sie die Klägerin auch nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit nicht weiterbeschäftigen werde, ist die Beklagte für den gesamten Zeitraum nach Beendigung der ersten Arbeitsunfähigkeit nicht in Annahmeverzug geraten. Für die Zeit danach sind nur Lohnfortzahlungsansprüche nach § 1 LohnFG entstanden.

3. Für die jeweiligen krankheitsbedingten Zeiten der Arbeitsunfähigkeit (30. Oktober 1981 bis 17. November 1981, 27. April 1982 bis 22. Mai 1982, 18. Juni 1982 bis 20. Juli 1982, 7. September 1982 bis 11. September 1982 und 12. Oktober 1982 bis 17. Oktober 1982) liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin nach § 1 Abs. 1 Satz 1 LohnFG für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit vor. Dieser Anspruch ist nicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 LohnFG auf die Dauer von 6 Wochen begrenzt, weil die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen hat, daß insoweit eine Fortsetzungserkrankung der Klägerin vorliege.

a) Allerdings hat die Klägerin lediglich den Krankenlohn für die Zeit vom 1. bis 20. Juli 1982 und vom 7. September 1982 bis 11. September 1982 rechtzeitig gemäß § 14 Satz 2 MTV durch die Klage geltend gemacht; für alle anderen Krankheitszeiten sind die Ansprüche verfallen.

b) Die Klägerin kann demnach lediglich nach dem Lohnausfallprinzip gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 LohnFG Krankenlohn erhalten. Das ergibt für die Zeit vom 1. bis 20. Juli 1982 einen Betrag von 820,93 DM brutto (11 Tage x 8,4 Stunden x 8,78 DM) plus 158,04 DM brutto (3 Tage x 6 Stunden x 8,78 DM). Das ergibt zusammen einen Betrag von 978,97 DM brutto. Dazu kommt eine Anwesenheitsprämie in Höhe von 12,73 DM (20,-- DM : 22 Arbeitstage x 14 Arbeitstage); außerdem hat die Klägerin Anspruch auf eine vermögenswirksame Leistung von 16,55 DM brutto (26,-- DM : 22 x 14 Arbeitstage). Insgesamt hat sie damit einen Anspruch auf 1.008,25 DM brutto für die Zeit vom 1. bis 20. Juli 1982. Hinzu kommt ein Anspruch auf Krankenlohn für 31,5 Stunden an den 4 Arbeitstagen in der Zeit vom 7. bis 11. September 1982 (31,5 Stunden a 8,78 DM brutto). Das ergibt einen Betrag von 276,57 DM brutto zuzüglich anteiliger Anwesenheitsprämie in Höhe von 3,64 DM brutto (20,-- DM dividiert durch 22 Arbeitstage x 4 Arbeitstage) sowie anteilige vermögenswirksame Leistung in Höhe von 4,73 DM brutto (26,-- DM dividiert durch 22 Arbeitstage x 4 Arbeitstage). Das ergibt für die Zeit vom 7. bis 11. September 1982 einen Betrag von 284,94 DM brutto. Insgesamt hat die Klägerin also Entgeltansprüche in Höhe von 1.293,19 DM brutto.

c) Nach § 11 Ziff. 3 KSchG muß sich die Klägerin die empfangenen Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit auf das von der Beklagten geschuldete Arbeitsentgelt anrechnen lassen. Ihr Anspruch ist insoweit nach § 15 SGB X an die Bundesanstalt übergegangen. In der Zeit vom 1. Juli 1982 bis 30. September 1982 hat sie ausweislich des Zahlungsnachweises von der Bundesanstalt für Arbeit 2.343,-- DM Arbeitslosengeld erhalten, danach nichts mehr. Nach § 114 AFG wird das Arbeitslosengeld für die sechs Wochentage gewährt. Auf jeden Wochentag entfällt 1/6 des wöchentlichen Arbeitslosengeldes. Dementsprechend muß die Klägerin sich für die Zeit vom 1. bis 20. Juli 1982 493,-- DM netto und für die Zeit vom 7. bis 11. September 1982 150,-- DM netto Arbeitslosengeld anrechnen lassen, das ergibt insgesamt einen Betrag von 643,-- DM netto Arbeitslosengeld, das auf den Bruttolohn anzurechnen ist.

d) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, daß sich die Klägerin darüber hinaus nicht die von der Bundesanstalt für Arbeit an die zuständige Krankenkasse abgeführten Krankenversicherungs- und Rentenversicherungsbeiträge anrechnen lassen müsse, denn die Beklagte hatte die von der Klägerin zu tragenden Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung bereits bei der Ermittlung der auszuzahlenden Nettobeträge zu berücksichtigen. Dies ergibt sich aus den §§ 394, 395, 1397 RVO. Der von der Bundesanstalt für Arbeit gegenüber der Beklagten mit Bescheid vom 28. September 1983 geltend gemachte Betrag in Höhe von 7.314,64 DM ist nicht aus Sozialversicherung bzw. der Arbeitslosenversicherung an die Klägerin gezahlt worden. Die Beklagte darf ihn der Klägerin daher auch nicht als Zwischenverdienst anrechnen (§ 11 Ziff. 3 KSchG).

IV. Entsprechend dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen waren der Klägerin 24/25 und der Beklagten 1/25 der Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Hillebrecht Triebfürst Dr. Weller

Thieß Brocksiepe

 

Fundstellen

Haufe-Index 437724

RzK, I 13a Nr 10 (ST1)

EzA § 615 BGB, Nr 48 (ST1-4)

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