Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnfortzahlung bei Erkrankung im Ausland. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch Arzt im Ausland

 

Leitsatz (amtlich)

Einer von einem ausländischen Arzt im Ausland ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (§ 3 Abs 1 LFZG) kommt im allgemeinen der gleiche Beweiswert zu wie einer von einem deutschen Arzt ausgestellten Bescheinigung. Die Bescheinigung muß jedoch erkennen lassen, daß der ausländische Arzt zwischen einer bloßen Erkrankung und einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit unterscheidet und damit eine den Begriffen des deutschen Arbeits- und Sozialversicherungsrechts entsprechende Beurteilung vorgenommen hat.

 

Orientierungssatz

1. Der Arbeiter erbringt den Beweis für eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit regelmäßig durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung.

2. Erkrankt ein – deutscher oder ausländischer – Arbeiter im Ausland, muß er ebenfalls seine Arbeitsunfähigkeit durch ein ärztliches Attest nachweisen.

3. Wird der Arbeiter in einem Land arbeitsunfähig, das mit der Bundesrepublik ein zwischenstaatliches Sozialversicherungsabkommen geschlossen hat (zB alle EG-Länder, Jugoslawien und Türkei), dann muß der Arbeiter sich an die zuständige ausländische Sozialversicherung wenden und dort die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes vorlegen. Alles weitere (Benachrichtigung der deutschen Krankenkasse und damit des Arbeitgebers) veranlaßt der ausländische Sozialversicherungsträger.

4. Wird ein Arbeitnehmer in einem Land arbeitsunfähig krank, mit dem es kein Sozialversicherungsabkommen gibt (zB Marokko), so muß der Arbeiter seinen Arbeitgeber direkt von der Arbeitsverhinderung informieren und ihm die ärztliche Bescheinigung zusenden. Er muß außerdem seine Krankenkasse in der Bundesrepublik über die Arbeitsunfähigkeit und die Dauer informieren (§ 3 Abs 2 LFZG).

5. Einer im Ausland ausgestellten Bescheinigung eines ausländischen Arztes kommt im allgemeinen der gleiche Beweiswert zu wie einer in der Bundesrepublik ausgestellten ärztlichen Bescheinigung.

6. Die ärztliche Bescheinigung muß erkennen lassen, daß der ausländische Arzt zwischen bloßer Erkrankung einerseits und krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit andererseits unterscheidet und damit eine den Begriffen des deutschen Arbeits- und Sozialversicherungsrechts entsprechende Beurteilung vorgenommen hat.

7. Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der ärztlichen Bescheinigung können sich daraus ergeben, daß dem Arbeiter innerhalb von mehreren Jahren mehrmals im Zusammenhang mit dem Heimaturlaub Arbeitsunfähigkeit bestätigt wird.

8. Bei Zweifeln muß dem Arbeiter Gelegenheit gegeben werden, den Beweis der Arbeitsunfähigkeit mit anderen Mitteln zu erbringen, zB durch Zeugnis des Ehegatten oder des Arztes.

 

Normenkette

LFZG § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1-2; ZPO §§ 286, 415-418, 438 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 10.02.1983; Aktenzeichen 11 Sa 161/82)

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 07.09.1982; Aktenzeichen 1 Ca 37/82)

 

Tatbestand

Der Kläger, ein jugoslawischer Staatsangehöriger, ist als Arbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, ihm für die Zeit vom 19. August bis zum 18. September 1981 Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 3.179,38 DM brutto zu zahlen.

Die Beklagte hatte dem Kläger für die Zeit vom 3. bis zum 21. August 1981 Erholungsurlaub gewährt. Unter dem Datum des 16. September 1981 bescheinigte der Arzt Dr. L St, der Kläger sei vom 19. August bis zum 18. September 1981 arbeitsunfähig krank. Das Schriftstück ist in serbo-kroatischer Sprache abgefaßt. Aufgrund des jugoslawisch-deutschen Abkommens über Soziale Sicherheit teilte der für den Aufenthaltsort des Klägers zuständige Sozialversicherungsträger – die Kommunale Sozialversicherungsanstalt der Stadt S – der AOK B die Arbeitsunfähigkeit des Klägers unter dem 18. September 1981 mit. Das geschah unter Verwendung des hierfür vorgesehenen Vordrucks „JU – 4” in serbo-kroatischer und in deutscher Sprache. In der Mitteilung heißt es, der behandelnde Arzt habe am 19. August 1981 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt, die noch am selben Tage zugegangen sei. Als Krankheitsgründe seien – in Schlüsselzahlen – angegeben chronische Gastritis, Lumboischialgie und Rheumatismus. Eine Kontrolluntersuchung sei vorgesehen für den 19., 21. und 26. August sowie für den 4., 10. und 15. September 1981. Eine Kontrolluntersuchung habe bereits stattgefunden am 16. September 1981.

Im Laufe des Rechtsstreits legte der Kläger eine weitere, vom 18. Mai 1982 datierte und mit Rundstempel der „Krankenversicherung in T ” versehene „Bestätigung” des Arztes Dr. L St vor, deren deutsche Übersetzung wie folgt lautet:

„Medizinisches Zentrum 30 K

Krankenversicherung

T

Bestätigung

Mit der bestätigt wird, daß H H am 19.08.1981 zur Untersuchung im Gesundheitsheim in T war, worüber amtlich ausgestellte Atteste vorliegen.

Der Patient wurde wegen folgender Krankheiten behandelt:

  1. Gastritis chronica. 535.0
  2. Lumboischialgia. 724.3.
  3. Rheumathysmus Ch. 718.0

Die Bestätigung wird wegen Entschuldigung für den 19.08.1981 bis 18.09.1981 ausgestellt, für die Zeit, in der er krank war.”

In den vorhergehenden Jahren war dem Kläger wiederholt gegen Ende seines Heimaturlaubs oder im unmittelbaren zeitlichen Anschluß daran von Ärzten in seinem Heimatland Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden, wie die folgende Übersicht zeigt:

1974

beantragter Heimaturlaub

24.5. - 4.6. (= 7 Arbeitstage)

behauptete Arbeitsunfähigkeit vom

5.6. - 4.7. (= 20 Arbeitstage)

1977

beantragter Heimaturlaub

18.5. - 17.6. (= 13 Arbeitstage)

behauptete Arbeitsunfähigkeit

8.6. - 6.7. (= 20 Arbeitstage)

1980

a)

beantragter Heimaturlaub

10.12.79 - 4.1.80

tatsächlicher Urlaub

10.12.79 - 2.1.80 (= 11 Arbeitstage)

behauptete Arbeitsunfähigkeit

3.1. - 24.1. (= 16 Arbeitstage)

b)

beantragter Heimaturlaub

18.8. - 29.8.

tatsächlicher Urlaub

18.8. - 22.8. (= 5 Arbeitstage)

behauptete Arbeitsunfähigkeit

25.8. - 25.9. (= 24 Arbeitstage)

1981

beantragter Heimaturlaub

3.8. - 21.8.

tatsächlicher Urlaub

3.8. - 18.8. (= 12 Arbeitstage)

behauptete Arbeitsunfähigkeit

19.8. - 18.9. (= 23 Arbeitstage)

Früher hat die Beklagte die jeweils angezeigte Arbeitsunfähigkeit unbeanstandet hingenommen und dem Kläger Lohnfortzahlung geleistet. Wegen der Fehlzeit im Anschluß an den Erholungsurlaub im August 1981 verweigerte sie jedoch mit Schreiben vom 5. November 1981 die Zahlung und gab zur Begründung an, sie habe erhebliche Zweifel an der behaupteten Arbeitsunfähigkeit.

Der Kläger hat geltend gemacht, er sei arbeitsunfähig krank gewesen und habe den ihm obliegenden Beweis hierfür durch Vorlage der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 16. September 1981 erbracht. Diese Bescheinigung werde durch die Mitteilung des Kommunalen Sozialversicherungsträgers vom 18. September 1981 inhaltlich bestätigt. Er leide seit Jahren an verschiedenen Krankheiten, unter anderem an chronischer Gastritis, an Lumboischialgie und an Rheumatismus. Wegen dieser Leiden, die auch die ärztliche Bescheinigung vom 16. September 1981 aufführe, werde er ebenso wie wegen anderer gesundheitlicher Beschwerden ständig ärztlich behandelt. Der Kläger hat hierzu verwiesen auf eine zu den Akten gereichte Stellungnahme der Fachärztin für Innere Krankheiten Dr. med. S K vom 14. März 1982, in der neben einer Aufführung der Krankheitserscheinungen des Klägers vermerkt ist, daß der Kläger im Jahre 1981 ein Heilverfahren der Landesversicherungsanstalt im Moorheilbad Buchau durchgeführt habe. Weiter hat der Kläger Mitteilungen einer Universitätsklinik an die eben genannte Internistin vom 5. und 9. August 1982 zu den Akten gegeben, woraus sich bestimmte medizinische Diagnosen ergeben.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.179,38 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Oktober 1981 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat bestritten, daß der Kläger in der Zeit vom 19. August bis zum 18. September 1981 arbeitsunfähig krank gewesen sei. Der ärztlichen Bescheinigung vom 16. September 1981 wie auch der Mitteilung des Kommunalen Sozialversicherungsträgers vom 18. September 1981 könne schon wegen ihrer Rückdatierung ein Beweiswert nicht zuerkannt werden. Die Bescheinigungen und vor allem das fünfmalige Zusammenfallen von Urlaub und Krankheitszeiten in nur sieben Jahren mit insgesamt 103 Arbeitstagen erweckten ernstliche Zweifel an der behaupteten Arbeitsunfähigkeit. Da der Kläger die Arbeitsunfähigkeit nicht anderweitig bewiesen habe, sei sie, die Beklagte, zur Lohnfortzahlung nicht verpflichtet.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision, mit der die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Es läßt sich noch nicht abschließend beurteilen, ob dem Kläger die verlangte Lohnfortzahlung zusteht. Die Sache bedarf weiterer Aufklärung. Das macht die Zurückverweisung an die Vorinstanz erforderlich.

I.

Wie die Revision zu Recht rügt, hat der Kläger bislang nicht nachgewiesen, daß er in der Zeit vom 19. August bis zum 18. September 1981 arbeitsunfähig krank gewesen ist. Wegen der besonderen Umstände des Falles vermögen die vom Kläger vorgelegten Urkunden den erforderlichen Nachweis nicht zu erbringen.

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Arbeiter die Tatsache seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nach den allgemeinen Regeln über die Verteilung der Beweislast beweisen muß und daß er diesen Beweis regelmäßig durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung erbringt (ausführlich dazu BAG 28, 144 = AP Nr. 2 zu § 3 LohnFG). Das Landesarbeitsgericht hat jedoch verkannt, daß der Beweiswert der zu den Akten gegebenen Urkunden beeinträchtigt ist (s. zu 2.). Dies folgt allerdings nicht daraus, daß es sich bei den Bescheinigungen um solche handelt, die von einem ausländischen Arzt bzw. von einer ausländischen Sozialversicherungseinrichtung ausgestellt worden sind.

a) § 3 Abs. 1 LohnFG regelt allgemein die Pflichten, die den arbeitsunfähig erkrankten Arbeiter treffen (Anzeige- und Nachweispflichten). § 3 Abs. 2 regelt dagegen den besonderen Fall, daß der Arbeiter im Ausland arbeitsunfähig krank wird. Aus Inhalt und Aufbau dieser Bestimmung folgt, daß auch der im Ausland erkrankte – deutsche oder ausländische – Arbeiter dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer mitteilen und eine entsprechende ärztliche Bescheinigung übersenden muß. Wenn auch der ausländische Arzt nicht verpflichtet ist, den Träger der gesetzlichen Krankenversicherung zu unterrichten (§ 3 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Satz 3 LohnFG), so ist durch die genannte Vorschrift doch klargestellt, daß einer im Ausland ausgestellten Bescheinigung eines ausländischen Arztes im allgemeinen der gleiche Beweiswert zukommt wie einer im Geltungsbereich des Gesetzes ausgestellten Bescheinigung. Das muß jedenfalls dann gelten, wenn die Bescheinigung erkennen läßt, daß der ausländische Arzt zwischen bloßer Erkrankung und krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit unterscheidet und damit eine den Begriffen des deutschen Arbeits- und Sozialversicherungsrechts entsprechende Beurteilung vorgenommen hat (vgl. Kaiser/Dunkl, Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle, 2. Aufl., § 3 Rz 1, 50, 62, 63; Schmatz/Fischwasser, Vergütung der Arbeitnehmer bei Krankheit und Mutterschaft, 6. Aufl., § 3 C 312 – jeweils m.w. N.).

b) Tritt die Arbeitsunfähigkeit in einem Lande ein, das mit der Bundesrepublik ein zwischenstaatliches Sozialversicherungsabkommen geschlossen hat, dann muß der Arbeiter sich an den für seinen Aufenthaltsort zuständigen ausländischen Sozialversicherungsträger wenden und dort die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des behandelnden Arztes vorlegen. Die weiteren Benachrichtigungen erfolgen dann durch den Sozialversicherungsträger. Eine derartige Regelung gilt auch im Verhältnis zu Jugoslawien. Nach Art. 29 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 und des hierzu abgeschlossenen Änderungsabkommens vom 30. September 1974 in der Fassung des dazu ergangenen Gesetzes vom 1. April 1975 (BGBl. II Nr. 20 S. 389 – im folgenden kurz Abkommen genannt –) leisten die Sozialversicherungsträger der Vertragsstaaten einander „bei Durchführung der ….. Rechtsvorschriften ….. gegenseitige Hilfe”. Dementsprechend ist die für den Aufenthaltsort des erkrankten ausländischen Arbeitnehmers (Versicherten) in Jugoslawien zuständige Kommunale Sozialversicherungsanstalt (Art. 15 Abs. 1 des Abkommens) gehalten, der für die Krankengeldzahlung in der Bundesrepublik Deutschland zuständigen AOK bei der Feststellung der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit – § 182 Abs. 1 Nr. 2 RVO – Hilfestellung zu leisten. Das geschieht in der Weise, daß die Sozialversicherungsanstalt die ordnungsgemäße Feststellung der Arbeitsunfähigkeit seitens des behandelnden Arztes bestätigt und sich bei der Benachrichtigung der zuständigen deutschen AOK eines zweisprachig (serbo-kroatisch und deutsch) abgefaßten Vordrucks „zur Mitteilung über die Arbeitsunfähigkeit nach Art. 4, Art. 29 des Abkommens – JU 4” bedient, wie es im Streitfalle geschehen ist. Nach Art. 31 Abs. 2 des Abkommens bedürfen Urkunden, die bei Durchführung der in Art. 2 Abs. 1 bezeichneten Rechtsvorschriften einer der in Art. 29 Abs. 1 genannten Stellen eines Vertragsstaates vorzulegen sind, zur Verwendung gegenüber Stellen des anderen Vertragsstaates keiner Legalisation oder einer anderen ähnlichen Förmlichkeit.

2. Die Beeinträchtigung des Beweiswertes der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 16. September 1981 ergibt sich aus dem Inhalt der „Mitteilung über Arbeitsunfähigkeit” der Kommunalen Sozialversicherungsanstalt S vom 18. September 1981 (kurz „Mitteilung”) und aus weiteren besonderen Umständen.

a) Die „Mitteilung” vom 18. September 1981 gibt an, daß der Sozialversicherungsanstalt eine vom behandelnden Arzt am 19. August 1981 ausgestellte Bescheinigung über Arbeitsunfähigkeit zugegangen sei, wonach beim Kläger Arbeitsunfähigkeit wegen bestimmter – in Schlüsselzahlen angegebener – Krankheitserscheinungen bestehe. Weiter heißt es in der Mitteilung, eine Kontrolluntersuchung sei vorgesehen für den 19., 21. und 26. August sowie für den 4., 10. und 15. September 1981; eine Kontrolluntersuchung habe bereits stattgefunden am 16. September 1981. Aus der Urkunde ist – entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts – nicht zu entnehmen, daß die vorgesehenen Kontrolluntersuchungen tatsächlich durchgeführt worden sind; sie ergibt vielmehr lediglich, daß am 16. September 1981 eine solche Untersuchung stattgefunden hat. Diese hat ergeben, daß Arbeitsfähigkeit ab 19. September 1981 vorlag. Damit stellen sich Zweifel daran ein, ob der Kläger sich der ordnungsgemäßen Durchführung der ärztlichen Behandlung gestellt hat und ob er überhaupt arbeitsunfähig krank gewesen ist. Es kann zum Nachweis einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankung an chronischer Gastritis, Lumboischialgie und Rheumatismus jedenfalls nicht ausreichen, daß der Arzt den Kläger am 19. August erstmals untersucht und am 16. September eine Kontrolluntersuchung vorgenommen hat.

b) Weiter müssen durchgreifende Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der ärztlichen Bescheinigung vom 16. September 1981 wegen der Tatsache bestehen, daß dem Kläger damit innerhalb von sieben Jahren zum fünften Male gegen Ende seines Heimaturlaubs oder im unmittelbaren Anschluß daran Arbeitsunfähigkeit bestätigt worden ist. Zufälle dieser Art widersprechen der Lebenserfahrung und sind daher geeignet, die Beweiskraft einer ärztlichen Bescheinigung zu erschüttern, zumal da die angegebenen Krankheitsbilder als beständige Grundleiden des Klägers einen spontanen Eintritt von Arbeitsunfähigkeit gegen Schluß des Heimaturlaubs nicht als wahrscheinlich erkennen lassen. Die Zweifel verstärken sich dadurch, daß die dem Kläger früher bescheinigten Arbeitsunfähigkeiten immer ungefähr vier Wochen dauerten – 1974: 20 Arbeitstage; 1977: 20 Arbeitstage; 1980: 16 Arbeitstage und nochmals 24 Arbeitstage; 1981: 23 Arbeitstage. Nimmt man die tatsächlich in Anspruch genommenen Urlaubstage hinzu, so muß auffallen, daß sich der Heimataufenthalt des Klägers nahezu gleichmäßig jeweils auf eine Dauer von insgesamt sechs Wochen gestellt hat, gleichviel, ob nur zwei oder vier Wochen Urlaub beantragt und bewilligt waren.

II.

Das Landesarbeitsgericht muß dem Kläger daher Gelegenheit geben, den Beweis für die behauptete Arbeitsunfähigkeit mit anderen Beweismitteln zu führen.

Der Kläger hat sich im Schriftsatz vom 3. Dezember 1982 zum Beweise seiner Arbeitsunfähigkeit auf das Zeugnis des behandelnden Arztes berufen. Er hat diesen Arzt gleichzeitig von der Schweigepflicht entbunden. Diesem Beweisangebot des Klägers muß nachgegangen werden. Dabei bleibt es dem Landesarbeitsgericht überlassen, ob ihm eine schriftliche Beantwortung der Beweisfragen (§ 377 Abs. 3, Abs. 4 ZPO) ausreicht. Schließlich wird das Landesarbeitsgericht im Hinblick auf die dem Kläger im Jahre 1981 bewilligte Heilkur prüfen müssen, ob es sich bei den vom Kläger behaupteten Erkrankungen um eine Fortsetzungserkrankung (§ 1 Abs. 1 Satz 2, § 7 Abs. 1 Satz 2 LohnFG) gehandelt hat.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Schneider, Pallas, Dr. Hirt

 

Fundstellen

Haufe-Index 60150

BAGE 48, 115-122 (LT1)

BAGE, 115

BB 1985, 2178-2179 (LT1)

DB 1985, 2618-2620 (LT1)

NJW 1986, 801

NJW 1986, 801-802 (LT1)

AiB 1986, 20-21 (ST1-8)

ARST 1986, 151-153 (LT1)

JR 1986, 484

NZA 1985, 737-738 (LT1)

USK, 8536 (LT1)

AP, Nr 4 zu § 3 LohnFG (LT1)

AR-Blattei, ES 1000.3.1 Nr 130 (LT1)

AR-Blattei, Krankheit IIIA Entsch 130 (LT1)

EzA, § 3 LohnFG Nr. 5 (LT1)

MDR 1986, 83-83 (LT1)

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