Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbesserung der Arbeitsbedingungen anlässlich eines Betriebsübergangs. Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang. Bestimmung einer Annahmefrist. Schriftform für die Annahmeerklärung. AGB-Kontrolle: unangemessene Benachteiligung durch zu kurze Ausschlussfrist, Altvertrag

 

Orientierungssatz

1. Bietet der künftige Inhaber eines Betriebs anlässlich des vorgesehenen Betriebsübergangs die Weiterbeschäftigung zu verbesserten Arbeitsbedingungen unter Bestimmung einer Annahmefrist an, kann ein entsprechender Vertrag auch noch nach Fristablauf dadurch zustande kommen, dass der neue Inhaber den Arbeitnehmer vorbehaltslos weiterbeschäftigt.

2. Ein solcher konkludenter Vertragsschluss ist auch dann möglich, wenn der neue Inhaber für die Annahmeerklärung Schriftform bestimmt hatte.

3. Eine vom Arbeitgeber als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellte, zu kurz bemessene Ausschlussfrist für die schriftliche Geltendmachung der Ansprüche benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist deshalb unwirksam. Sie fällt auch bei einem vor dem 1. Januar 2002 abgeschlossenen Arbeitsvertrag ersatzlos weg.

 

Normenkette

BGB §§ 127, 145 ff., §§ 164, 177, 184, 195, 305 ff., § 613a

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 28.09.2006; Aktenzeichen 15 Sa 944/06)

ArbG Gelsenkirchen (Urteil vom 15.02.2006; Aktenzeichen 2 Ca 3218/04)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 28. September 2006 – 15 Sa 944/06 – aufgehoben, soweit es über die Einmalzahlung November 2004 in Höhe von 50,00 Euro brutto nebst Zinsen entschieden hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – zurückverwiesen.

3. Im Übrigen wird die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 28. September 2006 – 15 Sa 944/06 – mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz erst ab dem 8. Januar 2005 zu zahlen sind.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, das Gehalt der Klägerin entsprechend den Tarifabschlüssen des öffentlichen Dienstes für das Jahr 2004 zu erhöhen.

Die 1961 geborene Klägerin war seit Mai 1988 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten als Altenpflegerin in einem Seniorenzentrum beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 3. Mai 1988 zugrunde, in dessen § 10 Ausschlussfristen für die Geltendmachung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geregelt waren. Die Ansprüche mussten innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden und bei Ablehnung durch die Gegenpartei innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden. Außerdem war bestimmt, dass jede Änderung oder Ergänzung des Arbeitsvertrags Gültigkeit nur bei Einhaltung der Schriftform haben sollte.

Am 1. November 1999 übernahm die Beklagte von der in Insolvenz geratenen Rechtsvorgängerin den Betrieb des Seniorenzentrums. Anlässlich der Übernahme traf sie mit der ÖTV-Kreisverwaltung G… am 1. Oktober 1999 eine Vereinbarung, in der es ua. heißt:

“ …

Mit der vorliegenden Vereinbarung soll betreffend der am Standort G…, gegenwärtig im Bereich Pflege und Hauswirtschaft beschäftigten Arbeitnehmern, soweit diese in den Anwendungsbereich des § 613a BGB fallen, eine Regelung getroffen werden. Im Hinblick auf die gesetzliche Bestimmung des § 613a BGB ist es das Ziel der C… und der ÖTV, die Grundlagen der Übernahme der Arbeitnehmer durch die C… zu konkretisieren. In diesem Sinne ist die vorliegende Vereinbarung als eine solche zugunsten Dritter, nämlich der Arbeitnehmer, die in den Anwendungsbereich des § 613a BGB fallen, zu verstehen und zwar mit der Maßgabe, daß die vorgenannten Arbeitnehmer der Vereinbarung innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Zugang schriftlich zustimmen. Die C… bietet daher den vormals am Ort der Betriebsstätte G… im Bereich der Pflege und der Hauswirtschaft beschäftigten Arbeitnehmern, soweit diese in den Anwendungsbereich des § 613a BGB fallen, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Aufnahme der Betriebstätigkeit durch die C… am Standort in G… zu den nachfolgenden Bedingungen an:

a) Das Arbeitsverhältnis mit dem am Standort G… im Bereich Pflege und Hauswirtschaft beschäftigten Arbeitnehmern – soweit diese in den Anwendungsbereich des § 613a BGB fallen – wird zu den bisherigen Arbeitsvertragsbedingungen unverändert fortgesetzt. Die Arbeitnehmer werden auf Anfordern der C… Abschriften der Arbeitsverträge nebst etwaigen Zusatzvereinbarungen zur Verfügung stellen und ggfls. Einsicht in die Originalunterlagen gewähren.

c) Die C… wird ab dem 1. Oktober 1999 – die Aufnahme der tatsächlichen Betriebstätigkeit vorausgesetzt – die Grundgehälter der Beschäftigten auf der Grundlage des Tarifabschlusses des öffentlichen Dienstes um 3,1 % erhöhen. Für den Zeitraum April bis September 1999 wird sich die C… beim Treuhänder um eine Übernahme der anteiligen Gehaltserhöhung von 3,1 % und der auf der Grundlage des Tarifabschlusses vereinbarten Einmalzahlung von DM 300,-- bemühen. Die C… weist die Mitarbeiter darauf hin, daß die Übernahme der 3,1 % durch den Treuhänder ungewiß ist.

Die C… bestätigt den vorgenannten Arbeitnehmern weiterhin, daß ab dem Kalenderjahr 2000 auf der Grundlage der Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst zum BAT und BMT-GII die vereinbarten prozentualen Gehaltserhöhungen an die vorgenannten Beschäftigten weitergegeben werden.

Die C… und die ÖTV stellen klar, daß diese Vereinbarung nur für die am Standort G…, Beschäftigten des Pflege- und Hauswirtschaftsbereiches – soweit diese in den Anwendungsbereich des § 613a BGB fallen – gilt, die innerhalb von drei Wochen nach Kenntniserlangung von der Vereinbarung den Regelungen vorbehaltlos schriftlich zustimmen. Die Vereinbarung findet keine Anwendung auf solche Beschäftigten, die ab dem 1. Oktober 1999 von der C… neu eingestellt werden. Ebensowenig findet die Vereinbarung Anwendung auf solche Mitarbeiter, die in der Vergangenheit außerhalb des vorgenannten Standortes beschäftigt worden sind.

…”

Im Oktober 1999 nahm die Klägerin an einer Betriebsversammlung teil, auf der die wesentlichen Punkte der Vereinbarung vorgestellt wurden.

Die Klägerin gab keine schriftliche Erklärung ab. Sie setzte ihre Tätigkeit über den 31. Oktober 1999 hinaus unverändert bei der Beklagten fort. Die Beklagte erhöhte in den Jahren 2000 bis 2003 die Vergütung entsprechend den Tarifabschlüssen des öffentlichen Dienstes. Für Januar bis April 2004 wurde für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes eine Tariferhöhung von einem Prozent und ab Mai 2004 eine Erhöhung um ein weiteres Prozent sowie eine Einmalzahlung für November 2004 in Höhe von 50,00 Euro brutto vereinbart. Die Klägerin machte die Gehaltssteigerung von insgesamt unstreitig 375,58 Euro brutto für die Zeit von Januar bis November 2004 mit Schreiben vom 2. November 2004 gegenüber der Beklagten geltend.

Mit der am 23. Dezember 2004 beim Arbeitsgericht eingereichten und der Beklagten am 7. Januar 2005 zugestellten Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, sie habe einen Anspruch auf Erhöhung ihres Gehalts entsprechend den Tarifabschlüssen des öffentlichen Dienstes. Die Parteien seien auch ohne ihre schriftliche Erklärung von der Geltung der Regelung vom 1. Oktober 1999 ausgegangen. Die Zustimmung sei durch den Gewerkschaftssekretär der ÖTV für alle Arbeitnehmer und zudem individuell auf der Betriebsversammlung im Oktober 1999 erklärt worden. Bei allen Beteiligten habe Einvernehmen darüber bestanden, dass dies ausreiche und die Vereinbarung gelten solle.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 375,58 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die in der Vereinbarung vom 1. Oktober 1999 genannten Arbeitsbedingungen seien nicht Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden, weil die Klägerin ihnen nicht innerhalb von drei Wochen schriftlich zugestimmt habe. Das Schriftformerfordernis sei nicht konkludent abbedungen worden. Die Weitergabe der Tariferhöhungen in den Jahren 2000 bis 2003 habe nicht zu einer Vertragsänderung geführt; denn die Zahlungen seien auf Grund der irrtümlichen Annahme einer Zahlungspflicht erfolgt. Im Übrigen habe die Klägerin für die Forderungen bis August 2004 die Ausschlussfrist nach § 10 des Arbeitsvertrags nicht eingehalten. Eine im Hinblick auf die Neuregelung des Schuldrechts zu kurz bemessene Frist sei nicht stets unwirksam, sondern bei Altverträgen entsprechend anzupassen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision ist überwiegend unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin einen Anspruch auf Weitergabe der tariflich vereinbarten prozentualen Gehaltserhöhungen für 2004 gegen die Beklagte hat.

1. Zwischen den Parteien ist eine Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag zustande gekommen (§§ 145 ff. BGB).

a) Die Beklagte hat den im Bereich Pflege und Hauswirtschaft beschäftigten Arbeitnehmern des Seniorenzentrums, somit auch der Klägerin, angeboten, das Arbeitsverhältnis mit ihr fortzusetzen und ab dem Jahr 2000 auf der Grundlage der Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst zum Bundes-Angestelltentarifvertrag die vereinbarten prozentualen Gehaltserhöhungen weiterzugeben. Das Angebot war in der Vereinbarung mit der Gewerkschaft ÖTV vom 1. Oktober 1999 enthalten und an die genannten Arbeitnehmer gerichtet. Es ging der Klägerin jedenfalls während der Betriebsversammlung im Oktober 1999 zu. Die Betriebsversammlung diente gerade dazu, den wesentlichen Inhalt dessen, was die ÖTV mit der Beklagten ausgehandelt hatte, den Arbeitnehmern bekannt zu machen.

b) Die Klägerin hat das Angebot angenommen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der auf Arbeitnehmerseite handelnde Gewerkschaftssekretär der ÖTV eine Erklärung in Vertretung der Klägerin abgegeben oder ob diese den Antrag selbst auf der Betriebsversammlung angenommen hat. Jedenfalls mit der widerspruchslosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten am 1. November 1999 hat die Klägerin konkludent die Annahme des Angebots erklärt. Ihrem tatsächlichen Verhalten kam ein entsprechender Erklärungswert zu. Ihr Wille war auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerade zu den von der ÖTV-Kreisverwaltung G… und der Beklagten niedergelegten und über die Rechtswirkungen des § 613a BGB offenbar hinausgehenden Bedingungen gerichtet. Das musste auch die Beklagte aus der objektiven Sicht eines verständigen Arbeitgebers erkennen.

c) Dem Vertragsschluss steht nicht ein etwaiger Ablauf der Frist von drei Wochen zur Annahme des Angebots entgegen. Das Landesarbeitsgericht hat zwar zum Zeitpunkt der Betriebsversammlung und damit zum Zeitpunkt des Zugangs des Angebots keine hinreichend genauen Feststellungen getroffen. Eine verspätete Annahme des Antrags (§ 148 BGB) würde aber gem. § 150 Abs. 1 BGB als neues Angebot gelten, das die Beklagte ihrerseits vor dem Hintergrund der Vereinbarung vom 1. Oktober 1999 durch die widerspruchslose Weiterbeschäftigung der Klägerin angenommen hätte. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob die Beklagte die Annahmefrist stillschweigend verlängert hat, indem sie das Arbeitsangebot der Klägerin akzeptiert hat. Die Beklagte durfte nicht davon ausgehen, die Klägerin habe mit der Weiterarbeit lediglich ihre Rechte aus § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB verfolgen wollen, ohne das auf eine Dynamik der Vergütung gerichtete Angebot anzunehmen. Das Angebot hatte sich nicht bereits vor dem 1. November 1999 durch Zeitablauf erledigt. Vielmehr wollte sich die Beklagte mit der Fristsetzung Gewissheit darüber verschaffen, mit welchen Arbeitnehmern sie rechnen konnte und ob Widersprüche gegen den Übergang von Arbeitsverhältnissen erfolgen würden. Der Zweck, Planungssicherheit zu erreichen, und das damit verbundene Interesse an einer Vereinbarung bestanden am 1. November 1999 fort, weil nach der damaligen Rechtslage zu § 613a BGB dem Übergang des Arbeitsverhältnisses jedenfalls bis zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs widersprochen werden konnte (BAG 22. April 1993 – 2 AZR 313/92 – AP BGB § 613a Nr. 102 = EzA BGB § 613a Nr. 112, zu B V der Gründe mwN).

d) Der Wirksamkeit des Vertrags steht weder die in der Vereinbarung vom 1. Oktober 1999 noch die im Arbeitsvertrag der Parteien vorgesehene Schriftform entgegen.

aa) Die Vereinbarung vom 1. Oktober 1999 bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass die ÖTV-Kreisverwaltung in Vertretung der begünstigten Arbeitnehmer gehandelt hat. Vielmehr sollte den Arbeitnehmern die Möglichkeit gegeben werden, ein an diese gerichtetes, mit der Beklagten ausgehandeltes und bestimmte Arbeitsbedingungen beinhaltendes Angebot anzunehmen. Es liegt deshalb keine zwischen den Parteien vereinbarte Schriftform iSd. § 127 Abs. 1 BGB vor.

Die Beklagte hat allerdings für die Annahmeerklärung eine Schriftform bestimmt. Nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung kann das gewillkürte Formerfordernis auch dadurch begründet werden, dass der Antragende allein die schriftliche Annahme des Antrags als wirksam bestimmt (Staudinger/Hertel [2004] § 127 BGB Rn. 6; Flume Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts 2. Bd. Das Rechtsgeschäft 4. Aufl. § 15 II 2a S. 257; aA MünchKommBGB/Einsele 5. Aufl. § 127 Rn. 3, nach der die Beschränkung des Vertragsangebots in dieser Weise nichts daran ändert, dass ein wirksames gewillkürtes Formerfordernis die (zumindest konkludente) Einverständniserklärung des anderen Teils voraussetzt). Auch wenn man dem folgte, ist ein wirksamer Vertrag zwischen den Parteien zustande gekommen. Der Schriftform sollte nach dem mit ihr verfolgten Zweck, Klarheit zu schaffen, ersichtlich keine konstitutive, sondern nur eine deklaratorische Bedeutung zukommen. Die Wirksamkeit der Annahmeerklärung hing deshalb nicht von der Beachtung der Form ab. Jedenfalls war die Beklagte nicht gehindert, auch eine mündliche oder konkludente Annahme gelten zu lassen. Dies hat sie mit der widerspruchslosen Weiterbeschäftigung der Klägerin getan. Ein Verzicht auf die Schriftform liegt auch deshalb nahe, weil diese allein dem Interesse der Beklagten an einer Klarstellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses diente und der damit verbundene Zweck mit der Weiterbeschäftigung der Klägerin erreicht wurde. Ein darüber hinausgehender Sinn der Schriftform lässt sich der Regelung vom 1. Oktober 1999 nicht entnehmen.

bb) Wäre demgegenüber zwischen den Parteien gem. § 164 Abs. 1 BGB oder gem. § 177 Abs. 1 in Verb. mit § 184 Abs. 1 BGB eine Vereinbarung über das Erfordernis einer Schriftform für die Annahmeerklärung zustande gekommen, würde im Ergebnis nichts anderes gelten. Die Beklagte konnte auch in diesem Fall von der Einhaltung des Formerfordernisses durch die Klägerin absehen und die konkludente Annahmeerklärung gelten lassen. Dazu bedurfte es keines (konkludenten) Vertragsschlusses, denn der Änderungsvertrag sollte nach der Vereinbarung vom 1. Oktober 1999 nicht insgesamt der Schriftform unterliegen.

cc) Der Wirksamkeit der Vertragsänderung steht auch die Schriftformklausel nach § 11 Abs. 1 des Arbeitsvertrags nicht entgegen.

Die vereinbarte Schriftform kann formlos, ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten, abbedungen werden. Entscheidend ist, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer das formlos Vereinbarte übereinstimmend wollen, selbst wenn sie nicht an die Formvorschrift gedacht haben (Senat 25. April 2007 – 5 AZR 504/06 – Rn. 17, AP BGB § 615 Nr. 121 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 20; BAG 24. Juni 2003 – 9 AZR 302/02 – BAGE 106, 345, 351). Die Parteien haben das arbeitsvertragliche Schriftformerfordernis einvernehmlich aufgehoben. Wegen der formlosen Übermittlung des Angebots veränderter Vertragsbedingungen an die Klägerin und auf Grund der widerspruchslosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mussten sie davon ausgehen, dass die mit der ÖTV ausgehandelten Bedingungen einschließlich der Verpflichtung der Beklagten zur Weitergabe der Tariflohnerhöhungen unabhängig von der schriftlichen Zustimmung der Klägerin Vertragsbestandteil werden sollten.

dd) Die tatsächliche Vertragsdurchführung bestätigt, dass die Beklagte sich entsprechend verpflichten wollte und die Parteien vom Zustandekommen einer verbindlichen Vereinbarung unabhängig von der Schriftform ausgingen. In den Jahren 2000 bis 2003 gab die Beklagte vereinbarungsgemäß die tariflichen Vergütungserhöhungen an ihre Arbeitnehmer weiter. Erst nach dem Wechsel der Geschäftsführung Ende des Jahres 2003 und auf Grund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Jahr 2004 hat sie die Weitergabe der Tariferhöhungen verweigert.

2. Die Ansprüche sind nicht teilweise verfallen.

a) Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es auf die Wirksamkeit der Ausschlussklausel gem. § 10 Abs. 1 des Arbeitsvertrags an. Danach verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Nach § 2 des Arbeitsvertrags war die Vergütung jeweils am Monatsende zu zahlen. Die Klägerin hat die Ansprüche auf die monatlichen Differenzvergütungen erstmals mit Schreiben vom 2. November 2004 geltend gemacht. Bei Anwendung der Klausel wären die Ansprüche für Januar bis August 2004 verfallen.

b) Das Unterbleiben der rechtzeitigen schriftlichen Geltendmachung ist unschädlich. § 10 Abs. 1 des Arbeitsvertrags ist gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB insgesamt unwirksam und findet keine Anwendung. Vielmehr gilt nach § 306 Abs. 2 BGB allein das gesetzliche Verjährungsrecht.

aa) Bei § 10 Abs. 1 des Arbeitsvertrags handelt es sich unstreitig um von der Arbeitgeberin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB.

bb) Die Bestimmung stellt eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung dar (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB); denn gesetzlich bleiben Ansprüche abgesehen von einer Verwirkung (§ 242 BGB) erhalten und sind nur im Rahmen des Verjährungsrechts geltend zu machen. Die Klausel entspricht auch nicht einer tariflichen Bestimmung oder anderen Norm iSd. § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB, die auf das Arbeitsverhältnis der Parteien unmittelbar Anwendung finden kann (vgl. Senat 25. Mai 2005 – 5 AZR 572/04 – BAGE 115, 19, 22; 28. September 2005 – 5 AZR 52/05 – BAGE 116, 66, 71 ff.).

cc) Die Bestimmung ist gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die Frist für die schriftliche Geltendmachung ist mit zwei Monaten unangemessen kurz. Eine einzelvertragliche Ausschlussfrist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, welche die schriftliche Geltendmachung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von weniger als drei Monaten ab Fälligkeit verlangt, benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben (Senat 28. September 2005 – 5 AZR 52/05 – BAGE 116, 66, 73 ff.). Sie ist mit wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechts nicht zu vereinbaren (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und schränkt wesentliche Rechte, die sich aus der Natur des Arbeitsvertrags ergeben, so ein, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

dd) Die Unwirksamkeit der Ausschlussklausel führt auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten bei Altverträgen zu ihrem ersatzlosen Wegfall bei Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags im Übrigen, § 306 Abs. 1 und 2 BGB (vgl. schon Senat 28. November 2007 – 5 AZR 992/06 – Rn. 26).

Sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, ist nach § 306 Abs. 2 BGB das (dispositive) Gesetz maßgebend. Ist der Gegenstand der unwirksamen Vereinbarung nicht gesetzlich geregelt, kommt es darauf an, ob ein ersatzloser Wegfall der unwirksamen Klausel eine sachgerechte Lösung darstellt. Scheidet diese Möglichkeit aus, ist zu prüfen, ob nach den anerkannten Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung eine Ersatzregelung gefunden werden kann (Senat 25. April 2007 – 5 AZR 627/06 – Rn. 26, AP BGB § 308 Nr. 7 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 20 mwN).

Eine sog. geltungserhaltende Reduktion ist im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vorgesehen (Senat 28. September 2005 – 5 AZR 52/05 – BAGE 116, 66, 76; 25. Mai 2005 – 5 AZR 572/04 – BAGE 115, 19, 27; BAG 4. März 2004 – 8 AZR 196/03 – BAGE 110, 8, 26; BGH 17. Mai 1982 – VII ZR 316/81 – BGHZ 84, 109, 116; 25. Juni 2003 – VIII ZR 344/02 – NJW 2003, 2899 f., zu II 2 der Gründe). Der Gesetzgeber hat sich mit Art. 229 § 5 EGBGB für die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auch auf Verträge entschieden, die bei ihrem Abschluss noch nicht dem Anwendungsbereich des Rechts Allgemeiner Geschäftsbedingungen unterfielen. Durch die Überleitungsvorschrift war den Arbeitsvertragsparteien ein zeitlicher Spielraum eröffnet, sich auf die geänderte rechtliche Lage einzustellen. Die Vertragsparteien können nicht davon ausgehen, dass die rechtliche Beurteilung einzelner Vertragsregelungen während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses unverändert bleibt. Ein etwaiges Vertrauen des Verwenders darauf, zu kurze und damit unwirksam gewordene Ausschlussfristen würden generell auf das gerade noch zulässige Maß verlängert, wäre nicht berechtigt und nicht schützenswert.

Der Senat hat darüber hinaus bei Altverträgen zur Schließung der sich aus der Anwendung des AGB-Rechts ergebenden Lücken auf die ergänzende Vertragsauslegung zurückgegriffen, weil die Klausel nur deshalb unwirksam war, weil sie in formeller Hinsicht den neuen Anforderungen nicht genügte (vgl. 11. Oktober 2006 – 5 AZR 721/05 – Rn. 34, AP BGB § 308 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 6; 12. Januar 2005 – 5 AZR 364/04 – BAGE 113, 140, 147 f.). Die ergänzende Vertragsauslegung bietet die Möglichkeit einer flexiblen Korrektur, wenn der Wegfall der unwirksamen Klausel sich nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lässt und zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht in vertretbarer Weise Rechnung trägt. Sie setzt voraus, dass die Gesetzeslage ohne eine Ergänzung des Vertrags keine angemessene, den typischen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragende Lösung bietet. An die Stelle der Klausel tritt die Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Geschäftsbedingung bekannt gewesen wäre (Senat 25. April 2007 – 5 AZR 627/06 – Rn. 26, AP BGB § 308 Nr. 7 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 20; 11. Oktober 2006 – 5 AZR 721/05 – aaO; BGH 4. Juli 2002 – VII ZR 502/99 – BGHZ 151, 229, 234; 13. November 1997 – IX ZR 289/96 – BGHZ 137, 153, 157). Das ist nicht etwa stets die Regelung, die der AGB-Kontrolle gerade noch gerecht wird.

Die dargestellten Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung sind im Streitfall nicht erfüllt. Die Unwirksamkeit der beanstandeten Klausel lässt den Regelungsplan der Parteien nicht als vervollständigungsbedürftig erscheinen. Anders als etwa bei der Unwirksamkeit eines vereinbarten Widerrufsvorbehalts (Senat 12. Januar 2005 – 5 AZR 364/04 – BAGE 113, 140) bietet das Gesetz hier eine angemessene Lösung, die den typischen Interessen der Vertragspartner Rechnung trägt. Der mit der Ausschlussfrist verfolgte Zweck, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit herzustellen, wird durch die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB erreicht. Zwar hat der Ablauf der Ausschlussfrist rechtsvernichtende Wirkung und ist von Amts wegen zu berücksichtigen, während die Verjährung dem Schuldner eine Einrede gibt und damit nur die Durchsetzung der rechtlich fortbestehenden Forderung hindert. Doch sowohl Ausschluss- als auch Verjährungsfristen begrenzen die Möglichkeit, das Recht durchzusetzen, indem sie ein Tätigwerden des Anspruchsinhabers verlangen. Sie sind Ausdruck des vom Gesetzgeber verfolgten Ziels, Rechtsfrieden herzustellen, und bezwecken einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz des Schuldners vor einer drohenden Beweisnot und möglichem Verlust von Regressansprüchen gegen Dritte einerseits und der Notwendigkeit, den Gläubiger vor einem ungerechtfertigten Anspruchsverlust zu bewahren, andererseits. Ausschlussklauseln stellen angesichts der Verjährungsregelungen auch keine zwingend gebotene arbeitsrechtliche Besonderheit dar. Zahlreiche Arbeitsverträge kommen ohne sie aus. Die Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB ist angemessen lang, im Fall der Unwirksamkeit einer Verfallklausel dem Bedürfnis der Parteien nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu genügen (vgl. Senat 28. September 2005 – 5 AZR 52/05 – BAGE 116, 66, 77; 25. Mai 2005 – 5 AZR 572/04 – BAGE 115, 19, 27 f.). Das gilt unabhängig davon, ob es sich um einen Neu- oder einen Altvertrag handelt. Der Umstand, dass die §§ 305 ff. BGB bei Vertragsschluss nicht berücksichtigt werden konnten, begründet keine Notwendigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung.

Im Übrigen vermag der Senat die Auffassung nicht zu teilen, die ergänzende Vertragsauslegung ergäbe eine dreimonatige Ausschlussfrist. Näher liegt es, dass die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin unter Geltung des § 307 BGB und bei Berücksichtigung der im Jahre 2002 hierzu vertretenen Auffassungen eine Vertragsklausel mit einer sechsmonatigen Ausschlussfrist verwendet hätte, um auf der “sicheren Seite” zu sein. Die Kenntnis der Rechtsprechung aus dem Jahre 2005 darf im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung nicht unterstellt werden. Ebenso bestehen keine Anhaltspunkte dafür, die Parteien hätten eine individuelle Vertragsklausel ausgehandelt.

3. Danach stehen der Klägerin jedenfalls 325,58 Euro brutto für die Monate Januar bis November 2004 zu. Insoweit handelt es sich unzweifelhaft um prozentuale Gehaltserhöhungen, deren Höhe unstreitig ist.

4. Die Entscheidung über die Zinsen beruht auf den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Prozesszinsen sind in Anwendung von § 187 Abs. 1 BGB erst ab dem Tag zu zahlen, der auf den Tag der Zustellung der Klage folgt (vgl. Senat 4. Dezember 2002 – 5 AZR 494/01 – AP EntgeltFG § 3 Nr. 17 = EzA EntgeltfortzG § 3 Nr. 10, zu IV 4 der Gründe).

II. Die Revision ist im Übrigen begründet. Auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob auch die im November 2004 fällige Einmalzahlung iHv. 50,00 Euro als “vereinbarte prozentuale Gehaltserhöhung” im Sinne der Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag verstanden werden kann. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu keine Auslegung der Änderungsvereinbarung vorgenommen, sondern die Einmalzahlung ohne Begründung mit einbezogen. Der Senat kann die Auslegung nicht selbst nachholen, weil weiterer Auslegungsstoff in Betracht kommt. Die Parteien müssen Gelegenheit zum ergänzenden Vortrag erhalten. Die Sache ist insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

 

Unterschriften

Müller-Glöge, Mikosch, Laux, Kessel, Zorn

 

Fundstellen

Haufe-Index 1959788

BB 2008, 1627

DStR 2008, 786

FA 2008, 190

NZA 2008, 464

ZTR 2008, 393

EzA-SD 2008, 11

EzA

ArbRB 2008, 163

HzA aktuell 2008, 18

SPA 2008, 6

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