Leitsatz (redaktionell)

1.

Der Frachtführer i.S.d. § 425 HGB übt ein selbständiges Gewerbe aus.

2.

Das gilt auch dann, wenn er als Einzelperson ohne weitere Mitarbeiter nur für einen Spediteur tätig ist und beim Transport ein mit den Farben und dem Firmenzeichen des Spediteurs ausgestattetes eigenes Fahrzeug einsetzt.

3.

Wird die Tätigkeit des Transporteurs stärker eingeschränkt, als es aufgrund gesetzlicher Regelungen oder wegen versicherungsrechtlicher Obliegenheiten geboten ist, so kann das Rechtsverhältnis als ein Arbeitsverhältnis anzusehen sein.

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 04.09.1996; Aktenzeichen 12 (6) (5) Sa 909/96)

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 07.02.1996; Aktenzeichen 10 Ca 1553/95)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Kündigungsschutz mit der Begründung, er sei Arbeitnehmer der Beklagten gewesen.

Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft eines internationalen Transportkonzerns. Sie befaßt sich mit der Beförderung von Fracht- und Expreßgut. In H bei D unterhält sie ein Depot. Sie beschäftigt dort etwa 80 Arbeitnehmer. Von diesem Depot aus führt die Beklagte im Raum D den Vor- und Nachlauf der Fracht- und Expreßgutsendungen durch, nämlich das Abholen vom und das Hinbringen zum Ablieferer oder Empfänger. Hierzu setzt sie "Nahverkehrspartner" ein. Bei diesen handelt es sich entweder um Unternehmen, die mehrere Transportfahrzeuge mit Fahrern einsetzen oder um Einzelpersonen, die ihr einziges Transportfahrzeug selbst führen. Die Nahverkehrspartner werden von der Beklagten in "Frachtführer" und "T -Frachtführer" eingestuft. Frachtführer haben keinen Anspruch auf Erteilung von Frachtaufträgen, T -Frachtführer erhalten dagegen ständig werktäglich von Montag bis Freitag Frachtaufträge von der Beklagten. Für Samstage werden Frachtaufträge nur nach Bedarf und Absprache erteilt.

Als Transportfahrzeuge werden Kleinlastwagen mit Kastenaufbau eingesetzt. Die Transportfahrzeuge weisen die Farben und das Firmenzeichen der Beklagten auf. Die Fahrer treten in einheitlicher Firmenkleidung der Beklagten auf. Die Beklagte kontrolliert das Erscheinungsbild von Fahrzeug und Fahrer, auch hinsichtlich Sauberkeit, Lackschäden, Ausrüstung usw., mit Hilfe sog. Fahrzeug-/Fahrerchecks, nachdem sie in der vorhergehenden Zeit eine Selbstanzeige des Nahverkehrspartners verlangt hatte.

Alle Nahverkehrspartner bzw. deren Fahrer haben mit ihrem Fahrzeug morgens um 6.00 Uhr im Depot der Beklagten in H zu erscheinen. Beim Einfahren in das Depot darf sich keine fremde Fracht in dem Fahrzeug befinden. Jeder Fahrer erhält im Depot sog. Test-Rollkarten, auf denen die von ihm zu übernehmenden Aufträge verzeichnet sind. Anhand dieser Karten nimmt jeder Fahrer die für ihn bestimmten Frachtstücke vom Band ab. Nach Übernahme erhalten die Fahrer endgültige Rollkarten. An der Depotausfahrt kontrolliert die Beklagte stichprobenartig, ob die in jedem Fahrzeug mitgeführten Frachtstücke und Frachtpapiere übereinstimmen. Die Frachtstücke müssen innerhalb bestimmter Zeitblöcke an die Empfänger ausgeliefert werden, und zwar bis 9.00, bis 10.00 Uhr bzw. bis 12.00 Uhr. Entsprechende Zeitoptionen werden den Kunden zugesagt. Außer der Auslieferung der Frachten holen die Fahrer auch neue Fracht- und Expreßgutsendungen entsprechend ihnen zuvor erteilter Aufträge ab. Später eingehende Abholaufträge übermittelt die Beklagte den Fahrern über Autotelefon. In der Zeit von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr haben sich die Fahrer stündlich bei der Beklagten zu melden, um Abholaufträge entgegenzunehmen. An diese Meldezeiten erinnerte die Beklagte alle Fahrer im Nahverkehr mit folgender "Hausmitteilung" vom 7. Mai 1993:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

wir weisen letztmalig darauf hin, daß die Ihnen mitgeteilten Meldezeiten verbindlich eingehalten werden müssen. Das heißt, die erste Meldezeit ist für Sie 11.00 Uhr. Danach melden Sie sich stündlich in der Disposition."

Der Kläger hat seit Anfang 1989 ein Kleintransportgewerbe angemeldet. Er fährt sein einziges Transportfahrzeug selbst. Zunächst war er für ein Unternehmen tätig, das seinerseits Nahverkehrspartner der Beklagten war. Unter dem 1. Februar 1992 unterzeichneten die Parteien einen von der Beklagten vorformulierten Formularvertrag, der unter dem 1. Februar 1994 - ebenfalls von der Beklagten vorformuliert - geändert und ergänzt wurde. Hiernach war der Kläger für die Beklagte als sog. TNT-Frachtführer tätig. In der zuletzt gültigen Fassung lautete der Vertrag auszugsweise wie folgt:

"§ 1

Erteilung der Frachtaufträge

(1) Der Nahverkehrspartner erhält von T GmbH Aufträge zur Zustellung, Abholung und Beförderung von Gütern an Werktagen. Der Unternehmer ist während der Laufzeit dieses Vertrages verpflichtet, diese Aufträge Montag bis Samstag anzunehmen. Für Samstage werden Frachtaufträge sowohl an Frachtführer wie an T -Frachtführer nach Bedarf und Absprache erteilt.

(2) ...

(3) Die Frachtführer haben keinen Anspruch auf die Erteilung von Frachtaufträgen. T Frachtführer erhalten hingegen ständig werktäglich von Montag bis Freitag Frachtaufträge von T GmbH.

§ 3

(4) Der Nahverkehrspartner kann im Hinblick auf urlaubsbedingte Engpässe bei dem Einsatz von Fahrern oder Betriebsferien beim Nahverkehrspartner maximal 20 Tage während eines Jahres der Vertragslaufzeit bestimmen, in denen er nicht zur Annahme von Frachtaufträgen verpflichtet ist. Die Bestimmung der Tage hat einvernehmlich mit T GmbH, spätestens vier Wochen vorher, zu erfolgen.

§ 6

Qualitätsmerkmale

Die Qualität eines Unternehmers und damit auch seine Möglichkeit, T -Frachtführer zu werden und zu bleiben, richtet sich nach seiner Zuverlässigkeit und der Art und Weise der Durchführung der Frachtaufträge. Der qualitätsbewußte Unternehmer wird daher

(1) Frachtaufträge nur mit Fahrzeugen ausführen, die sich in technisch und optisch einwandfreiem Zustand befinden, sowie innen und außen sauber sind.

(2) auch einfache Blech- und Lackschäden unverzüglich beseitigen.

(3) dafür sorgen, daß seine Fahrer ordentlich auftreten, insbesondere ordentlich gekleidet sind und insgesamt ein ordentliches Erscheinungsbild haben.

(4) das Fahrzeug vor Beginn der Durchführung des Frachtauftrages betanken und notwendige Wartungs- und Pflegearbeiten so rechtzeitig durchführen, daß diese nicht während der Durchführung eines Frachtauftrages anfallen. Fahrzeuge mit T GmbH-Beschriftung, die mit einer Panne am Straßenrand stehen, sind keine guten Werbeträger.

§ 8

Schweigepflicht/Kundenschutz

(2) Der Nahverkehrspartner verpflichtet sich, während der Laufzeit dieses Vertrages keine Frachtaufträge für Kunden von T GmbH auf eigene Rechnung oder Rechnung Dritter durchzuführen oder Kunden von T GmbH an konkurrierende Speditionen zu vermitteln.

§ 13

Kündigung

(3) Werden bei LT-Checks (Ladungskontrollen) Abweichungen festgestellt (z.B. Sendungen auf dem Fahrzeug, die nicht auf der endgültigen Rollkarte vorhanden sind), so führt dies grundsätzlich ohne weitere Untersuchung zu

a) fristloser Kündigung b) generellem Haus- und Beschäftigungsverbot in allen T -Häusern c) einer Anzeige bei der zuständigen Kriminalpolizei.

§ 14

Vertragsstrafen

(1) Verstößt der Nahverkehrspartner gegen die folgenden einzeln aufgeführten Pflichten, hat er die bei dem Pflichtverstoß genannte Vertragsstrafe zu bezahlen.

a) Wird eine Sendung aus Verschulden des Nahverkehrspartners nicht pünktlich, nicht korrekt oder gar nicht ausgeliefert oder abgeholt, ist eine Vertragsstrafe zzgl. Mehrwertsteuer pro betroffener Sendung zu bezahlen.

Staffelung:

- nicht pünktlich - DM 30,-- nicht korrekt - DM 30,-- nicht abgeholt - DM 80,-- nicht ausgeliefert - DM 80,--."

Mit Schreiben vom 10. Dezember 1993 ermahnte die Beklagte den Kläger wegen wiederholt unpünktlichen Dienstantritts und drohte für den Wiederholungsfall die Kündigung des Vertragsverhältnisses an. Nachdem die Beklagte dem Kläger durch eine Hausmitteilung vom 13. April 1994 für eine weitere Nichtbeachtung der Ankunftszeit eine Vertragsstrafe in Höhe von 20,00 DM angedroht hatte, nahm sie nach einer erneuten Verspätung des Klägers am 15. April 1994 einen entsprechenden Abzug von seiner Vergütung vor. Schließlich kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis mit Schreiben vom 16. Februar 1995, dem Kläger am 18. Februar 1995 zugegangen, zum 31. März 1995.

Mit seiner am 6. März 1995 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage setzt sich der Kläger gegen die Kündigung zur Wehr. Er macht geltend, er sei Arbeitnehmer der Beklagten. Er hat vorgetragen, seine Tätigkeit als T -Frachtführer sei streng weisungsgebunden gewesen. Die Beklagte habe die Dienstzeiten vorgegeben; ihre Anordnungen zur zeitlichen Einteilung der Arbeit habe er befolgen müssen. Die Ausführung der Transporttätigkeit sei bis in das kleinste Detail festgelegt worden. Die Beklagte kontrolliere alles. Jeden Verstoß habe sie mit Geldstrafen geahndet. Er sei nicht berechtigt gewesen, Frachtaufträge für andere Unternehmen auszuführen. Die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 16. Februar 1995 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen: Es bestehe keine arbeitsvertragliche Weisungsabhängigkeit. Jeder T -Frachtführer bestimme in Abhängigkeit von Zeitoptionen die Reihenfolge der Zustellung und die Fahrtroute selbst. In der Praxis lehnten die Subunternehmer auch Sendungen ab, insbesondere wenn sie meinten, die Zeitoptionen nicht einhalten zu können. Zu den Meldezeiten könne sich der Frachtführer bei der Niederlassung melden und nach Abholaufträgen fragen. Seien Abholaufträge vorhanden, könne er diese übernehmen. Er müsse selbst entscheiden, welche und wieviele Frachtaufträge er übernehme. Melde er sich nicht, erhalte er keine Frachtaufträge. Im übrigen stehe es den Subunternehmern frei, für andere Auftraggeber zu fahren, die keine Kunden der Beklagten seien; sie könnten auch weitere Fahrzeuge einsetzen und Fremdfahrer stellen. Der Kläger selbst habe im März 1992 und am 10. Dezember 1994 einen Fremdfahrer im Einsatz gehabt.

Die (stichprobenartigen) Fahrzeugkontrollen seien erforderlich, denn sie müsse ihrem Versicherer nachweisen, daß sie kein grobes Organisationsverschulden treffe, wenn sie den Ersatz von Transportschäden verlange. Aus versicherungsrechtlichen Gründen und zur klaren Abgrenzung der Verantwortung zwischen Spediteur und Frachtführer seien genaue Regelungen über die Abgrenzung der Tätigkeit ihrer eigenen Arbeitnehmer und der Tätigkeit der Frachtführer erforderlich; ebenso seien die Dokumentationspflichten der Frachtführer notwendig und branchenüblich. Übergabe und Übernahme von Frachtgut sowie die Dokumentation seien der sensible Bereich im Frachtgeschäft.

Zur Rechtfertigung der ausgesprochenen Kündigung hat die Beklagte behauptet, nach der schriftlichen Ermahnung vom 10. Dezember 1993 sei es noch zu mehreren mündlichen Ermahnungen gekommen. Zum Schluß habe der Kläger verschiedentlich vom Disponenten morgens geweckt werden müssen, wenn Sendungen für ihn angestanden hätten. Schon früher sei es zu Kundenbeschwerden gekommen. Eine Kundin habe dem Kläger Hausverbot erteilt. Ein anderer Kunde habe sich über die Eintragung falscher Ablieferungszeiten auf der Rollkarte bzw. auf dem Ablieferungsnachweis beschwert. Der Kläger habe damit verspätete Auslieferungen zu vertuschen versucht. Aktueller Kündigungsanlaß seien zwei weitere Vorfälle gewesen. Auf der Rollkarte für eine Lieferung an den Kunden A Hotel habe der Kläger am 25. März 1995 als Auslieferungszeit 8.50 Uhr eingetragen, während die Auslieferung tatsächlich erst gegen 10.00 Uhr erfolgt sei. Desweiteren habe er einen Kunden ("E ") veranlassen wollen, alle Sendungen direkt über sein Unternehmen abzuwickeln und insoweit behauptet, daß sie, die Beklagte, nicht zuverlässig sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Zwischen den Parteien hat ein Arbeitsverhältnis bestanden. Es ist durch die streitbefangene ordentliche Kündigung der Beklagten vom 16. Februar 1995 nicht aufgelöst worden. Die Kündigung ist mangels sozialer Rechtfertigung unwirksam (§ 1 Abs. 1, 2 KSchG).

I. Auf das Vertragsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung (§ 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 KSchG). Das Vertragsverhältnis stellt rechtlich ein Arbeitsverhältnis dar; es hatte zur Zeit des Zugangs der Kündigung länger als sechs Monate ohne Unterbrechung bestanden. In ihrem Betrieb in H beschäftigte die Beklagte damals regelmäßig mehr als fünf, nämlich etwa achtzig Arbeitnehmer (§ 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG in der vom 1. Mai 1985 bis zum 30. September 1996 gültigen Fassung).

1. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Würdigung, wonach zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestand, den vom Bundesarbeitsgericht entwickelten herkömmlichen Begriff des Arbeitnehmers zugrundegelegt. Dies greift die Revision als ihr günstig nicht an. Der Fall gibt auch keinen Anlaß, von Rechts wegen vom herkömmlichen Begriff des Arbeitnehmers abzurücken.

a) Das Arbeitsverhältnis unterscheidet sich vom Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers oder Werkunternehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit bei der Erbringung der Dienstoder Werkleistung. Arbeitnehmer ist, wer weisungsgebunden vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von seinem Vertragspartner bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Der hinreichende Grad persönlicher Abhängigkeit zeigt sich nicht nur daran, daß der Beschäftigte einem Direktionsrecht seines Vertragspartners unterliegt, welches Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer, Ort oder sonstige Modalitäten der zu erbringenden Tätigkeit betreffen kann, sondern kann sich auch aus einer sehr detaillierten und den Freiraum für die Erbringung der geschuldeten Leistung stark einschränkenden rechtlichen Vertragsgestaltung oder tatsächlichen Vertragsdurchführung ergeben. Ein typisches Abgrenzungsmerkmal enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB. Über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus enthält diese Vorschrift eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, die für die Abgrenzung einer selbständigen von einer unselbständigen Tätigkeit bedeutsam ist. Hiernach ist selbständig, wer im wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Fehlt es daran, so liegt in der Regel ein Arbeitsverhältnis vor (ständige Rechtsprechung, statt vieler: BAG Urteil vom 27. März 1991 - 5 AZR 194/90 - AP Nr. 53 zu § 611 BGB Abhängigkeit, unter III der Gründe, m.w.N.).

b) Der Grad der persönlichen Abhängigkeit wird auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit bestimmt. Insoweit lassen sich abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Kriterien nicht aufstellen. Manche Tätigkeiten können sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen freier Dienstverträge oder Werkverträge erbracht werden, andere regelmäßig nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Aus Art und Organisation der Tätigkeit kann auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses zu schließen sein (BAG in ständiger Rechtsprechung, statt vieler: Urteil vom 16. Juli 1997 - 5 AZR 312/96 - EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 61, zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung bestimmt).

Für die Abgrenzung sind in erster Linie die tatsächlichen Umstände der Leistungserbringung von Bedeutung, nicht aber die Bezeichnung, die die Parteien ihrem Rechtsverhältnis gegeben haben oder gar die von ihnen gewünschte Rechtsfolge. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Dieser wiederum folgt aus den getroffenen Vereinbarungen und der tatsächlichen Durchführung des Vertrags. Aus der praktischen Handhabung lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien in Wirklichkeit ausgegangen sind (BAG in ständiger Rechtsprechung, statt vieler: Urteil vom 16. Juli 1997 - 5 AZR 312/96 -, aaO).

2. Von diesen Grundsätzen ausgehend ist das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger nach dem Gesamtbild des Vertrags und dessen praktischer Durchführung Arbeitnehmer der Beklagten war. Diese Würdigung hält der Revision stand.

a) Entgegen der Ansicht der Revision ist es rechtlich ohne Bedeutung, daß der Kläger nach der Präambel zum Vertrag vom 1. Februar 1992 Frachtführer i.S.d. § 425 HGB sein sollte. Nach der Legaldefinition des § 425 HGB ist Frachtführer, wer es gewerbsmäßig übernimmt, die Beförderung von Gütern zu Lande oder auf Flüssen oder sonstigen Binnengewässern auszuführen. Damit wird für den Frachtführer i.S.d. HGB das Betreiben eines Gewerbes und eine insoweit selbständige Tätigkeit vorausgesetzt. Der Präambel des Vertrags kommt aber keine durchschlagende Bedeutung zu, weil das Vertragswerk der Parteien nicht darauf beschränkt ist, zwischen der Beklagten als Spediteur und dem Kläger als Frachtführer die erforderlichen Regelungen zu treffen. Nach dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag wie auch dessen praktischer Durchführung, wie sie vom Landesarbeitsgericht für das Revisionsgericht bindend festgestellt worden ist (§ 561 ZPO), war der Kläger vielmehr von der Beklagten stärker als bei einem Frachtführer i.S.d. § 425 HGB vorausgesetzt persönlich abhängig, und zwar in einem solchen Maß, daß das Vertragsverhältnis der Parteien insgesamt als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist.

b) Dabei hat der Senat berücksichtigt, daß die Rechtsbeziehung zwischen einem Spediteur und einem Frachtführer für sich allein selbst dann nicht zur Arbeitnehmereigenschaft des Frachtführers führt, wenn sie in einem entsprechenden Rahmenvertrag auf Dauer angelegt ist. Der Gesetzgeber hat den Frachtführer als Gewerbetreibenden und insoweit als Selbständigen eingeordnet, obwohl der Frachtführer sich schon von Gesetzes wegen weitreichenden Weisungsrechten sowohl des Spediteurs als auch des Absenders und des Empfängers des Frachtgutes aussetzt (§§ 428, 433, 434, 435 HGB). Eine Verschärfung haben diese Weisungsrechte teilweise noch durch allgemeine Geschäftsbedingungen erfahren. Hinzu kommen faktisch für den Spediteur unverzichtbare Kontrollen mit Rücksicht auf seine versicherungsrechtlichen Obliegenheiten. Insgesamt ist damit auch der selbständige Frachtführer - im Vergleich zu anderen selbständigen Unternehmern - nach seinem Berufsbild in hohem Maße weisungsabhängig. Diese Umstände führen auch angesichts dessen, daß das Fahrzeug des Frachtführers - wie in der Branche geläufig - die Farben und das Logo des Spediteurs aufweist, nicht zu der Annahme, daß hieraus auf ein Arbeitsverhältnis zu schließen wäre. Insoweit ist vielmehr die gesetzgeberische Wertung, wonach Frachtführer Gewerbetreibende und damit Selbständige sind (§ 425 HGB), zugrundezulegen.

c) Indessen haben sich die Parteien auf eben jene Bindungen nicht beschränkt, sondern Vereinbarungen getroffen und praktiziert, die zur Folge haben, daß der Kläger gegenüber der Beklagten in weit höherem Maße als ein Frachtführer i.S.d. § 425 HGB unfrei ist, seine Tätigkeit auszuüben und seine Arbeitszeit zu gestalten.

aa) Ob ein Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist oder nicht, hängt u.a. davon ab, inwieweit der Schuldner die Leistung persönlich zu erbringen hat. Dies hebt die Revision zu Recht hervor. Die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ist ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Nach § 613 Satz 1 BGB hat der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste jedoch nur "im Zweifel" in Person zu leisten. Bei dieser Vorschrift handelt es sich lediglich um eine Auslegungsregel. Da ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarungen, wonach die Dienstleistungen nicht persönlich zu erbringen sein sollen, in Arbeitsverträgen selten sind (Ascheid in: ArbR BGB, § 613 Rz 2, m.w.N.), ist grundsätzlich davon auszugehen, daß Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung höchstpersönlich zu erbringen haben (Schliemann in: ArbR BGB, § 611 Rz 1348). Ist der zur Leistung Verpflichtete dagegen berechtigt, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen, so steht ihm ein eigener Gestaltungsspielraum zu, der gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht. Dennoch ist es nicht gerechtfertigt, wegen der Berechtigung des Vertragspartners, die vertraglich geschuldete Leistung durch Dritte erbringen zu lassen, von vornherein ein Arbeitsverhältnis auszuschließen. Dies gilt zumindest dann, wenn - wie hier - die persönliche Leistungserbringung die Regel und die Leistungserbringung durch einen Dritten eine seltene Ausnahme darstellt, die das Gesamtbild der Tätigkeit nicht nennenswert verändert. Die Möglichkeit, Dritte zur Leistungserbringung einsetzen zu dürfen, stellt dann lediglich eines von mehreren im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu berücksichtigendes Anzeichen dar.

bb) Das Landesarbeitsgericht hat die Möglichkeit, fremde Personen einzusetzen, im vorliegenden Fall berücksichtigt, ihr aber kein besonderes Gewicht beigemessen. Dies hält der Revision stand. Dagegen kommt es auf die vom Landesarbeitsgericht angestellten Wirtschaftlichkeitsüberlegungen zur Beschäftigung Dritter nicht an. Maßgebend ist, wie die Parteien das Rechtsverhältnis tatsächlich durchgeführt haben.

3. Der Kläger konnte seine Arbeitszeit nicht im wesentlichen frei bestimmen. Die Beklagte konnte von montags bis freitags in der Zeit von 06.00 bis 16.00/17.00 Uhr über die Arbeitsleistung des Klägers verfügen.

a) Der Kläger war verpflichtet, spätestens um 06.00 Uhr im Depot der Beklagten zu sein. Verspätungen ahndete die Beklagte mit Ermahnungen und Vertragsstrafen. Das Depot mußte der Kläger grundsätzlich bis spätestens 08.00 Uhr verlassen. Eine spätere Abfahrt war zu begründen, wie der Organisationsablauf Nahverkehrsfahrzeuge Depot H zeigt. In der Zeit bis 12.00 Uhr hatte der Kläger entsprechend den vorgegebenen Terminen (09.00/ 10.00/12.00 Uhr) die ihm von der Beklagten zugeteilten Frachtaufträge auszuführen.

Ab 11.00 Uhr mußte sich der Kläger stündlich bis um 16.00/ 17.00 Uhr in der Disposition der Beklagten melden, um Frachtaufträge entgegenzunehmen. Nach den Hausmitteilungen vom 5. Februar 1993 und 7. Mai 1993 ging die Beklagte uneingeschränkt davon aus, daß die Fahrer verpflichtet waren, sich in der Zeit von 11.00 bis 16.00/17.00 Uhr stündlich in der Disposition zu melden. Lagen Frachtaufträge vor, so mußte der Kläger diese gem. § 1 Abs. 1 des Vertrages vom 1. Februar 1992 annehmen, anderenfalls drohte ihm gem. § 14 Abs. 1 a der Vertragsänderung vom 1. Februar 1994 eine Vertragsstrafe von bis zu 80,00 DM pro betroffener Sendung.

b) Daß der Kläger verpflichtet war, bei der Auslieferung der Frachtsendungen bestimmte Terminvorgaben einzuhalten, enthält für sich betrachtet keinen aussagekräftigen Hinweis auf ein Arbeitsverhältnis. Auch im Rahmen von Dienst- und Werkverträgen können von dem Dienstberechtigten oder dem Besteller Termine für die Erledigung der Arbeit bestimmt werden, ohne daß daraus eine zeitliche Weisungsabhängigkeit folgt, wie sie für ein Arbeitsverhältnis regelmäßig kennzeichnend ist (BAG Urteil vom 27. März 1991 - 5 AZR 194/90 - AP Nr. 53 zu § 611 BGB Anhängigkeit, unter III 4 der Gründe). Dies betrifft gerade auch Frachtführer (§ 428 Abs. 1 HGB). Zusammen mit der vorgegebenen Anfangszeit und den einzuhaltenden Meldezeiten führten die Terminvorgaben im vorliegenden Fall aber dazu, daß die Beklagte an jedem Arbeitstag in der Zeit von 6.00 Uhr bis 16.00/17.00 Uhr uneingeschränkt über die Arbeitsleistung des Klägers verfügen konnte. Die Beklagte ist selbst von dieser ständigen Verfügbarkeit aller Nahverkehrsfahrer und damit auch des Klägers ausgegangen. Sie hat von Kunden angemeldete Sendungen bereits vor der telefonischen Meldung der Fahrer intern einzelnen Fahrern zugewiesen, ohne dies mit den Fahrern abzustimmen. Dies ergibt sich aus der Hausmitteilung vom 5. Februar 1993, in der es u.a. heißt: "Wir werden es nicht länger akzeptieren, daß Fahrzeuge mit Meldezeit 16.00 Uhr/17.00 Uhr diese nicht einhalten und wir die dann angemeldeten Sendungen durch andere Kollegen oder per Sonderfahrt abholen müssen".

c) Die Annahme, daß die Beklagte selber von einer ständigen Dienstbereitschaft des Klägers ausgegangen ist, wird des weiteren durch die vertragliche Regelung in § 3 Abs. 4 bestätigt. Die Einräumung von 20 Tagen "Jahresurlaub" ist im Rahmen eines Frachtführervertrages entbehrlich, da der selbständige Frachtführer selbst entscheidet, ob er jederzeit Frachtaufträge des Spediteurs annimmt. Diese Entscheidungsfreiheit sollte dem Kläger nach dem Willen der Beklagten aber nicht verbleiben, wie § 3 Abs. 4 Satz 2 des Vertrags zeigt. Hiernach hat die Bestimmung der Tage "einvernehmlich" mit ... (der Beklagten), "spätestens vier Wochen vorher" zu erfolgen. Nach dem Vertragsinhalt wie auch nach der praktischen Durchführung des Vertragsverhältnisses verlangte die Beklagte vom Kläger ständige Dienstbereitschaft; sie konnte ihm die auszuführenden Frachtaufträge letztlich jederzeit von Montag bis Freitag jeder Woche zuweisen. Ständige Dienstbereitschaft ist nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 30. November 1994 - 5 AZR 704/93 - BAGE 78, 343, 353 = AP Nr. 74 zu § 611 BGB Abhängigkeit, unter B II 2 b (3) der Gründe) ein starkes Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft.

4. Auch hinsichtlich der Gestaltung seiner Tätigkeit verblieb dem Kläger aufgrund der vertraglichen Bindungen zur Beklagten kein wesentlicher Spielraum.

a) Wie bereits ausgeführt, war der Kläger von montags bis freitags in der Zeit von 6.00 Uhr bis nach der letzten Meldung um 16.00/ 17.00 Uhr vertraglich verpflichtet, die ihm von der Beklagten zugeteilten Frachtaufträge anzunehmen und auszuführen. Grundsätzlich war es ihm gem. § 8 Abs. 2 des Vertrags zwar nicht verwehrt, Frachtaufträge für eigene Rechnung oder Rechnung Dritter auszuführen, soweit dies nicht für Kunden der Beklagten geschah. Aufgrund der zeitlichen Inanspruchnahme durch die Auslieferung im Rahmen von Zeitblöcken bis 12.00 Uhr und der Verpflichtung, ab 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr stündlich für die Entgegennahme von Abholaufträgen zur Verfügung zu stehen, war eine Arbeit für andere Auftraggeber neben der Beklagten unter Berücksichtigung ausreichender Ruhezeiten faktisch so gut wie nicht möglich. Dies gilt um so mehr, als es dem Kläger unter Androhung der fristlosen Kündigung gem. § 13 Abs. 3 der Vertragsänderung vom 1. Februar 1994 verwehrt war, neben den auf der Rollkarte vermerkten Sendungen, weitere Sendungen auf dem Fahrzeug mitzuführen. Die Einhaltung dieses Verbots kontrollierte die Beklagte durch Stichproben. Parallele Transporte für die Beklagte und für andere Auftraggeber schieden damit zumindest für den Kläger aus.

b) Soweit die Beklagte geltend macht, der Kläger habe die Durchführung von Frachtaufträgen ablehnen können, insbesondere dann, wenn er befürchtete, die Zeitoptionen nicht einhalten zu können, kann dies einen wesentlichen Gestaltungsspielraum des Klägers nicht begründen. Zum einen findet ein solches Ablehnungs"recht" des Klägers im Vertrag keine Grundlage. Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht bemerkt hat, konnte der Kläger nur im Einvernehmen mit der Beklagten Frachtaufträge ablehnen, wollte er sich nicht vertragswidrig verhalten und der Gefahr einer Vertragsstrafe aussetzen. Zum anderen prägen die von der Beklagten aufgeführten drei Einzelfälle in zwei Monaten nicht das Gesamtbild der Tätigkeit des Klägers. Der wesentliche Inhalt der Tätigkeit des Klägers war vielmehr von der Beklagten bestimmt. Schließlich dient die Ablehnung von zeitlich nicht einzuhaltenden Aufträgen den eigenen Interessen der Beklagten; sie hatte dann die Möglichkeit, umzudisponieren und mit einem anderen Fahrer die rechtzeitige Zustellung zu gewährleisten.

c) Entgegen der Ansicht der Beklagten spricht die tatsächliche Durchführung der vertraglichen Aufgabe durch den Kläger nicht für eine selbständige Tätigkeit des Klägers. Zwar konnte der Kläger die Reihenfolge der Zustellungen und damit seine Fahrtroute selbst bestimmen. Durch die Zeitoptionen der Kunden und den von der Beklagten zugewiesenen Bezirk ergab sich für den Kläger hierfür aber nur eine geringe Gestaltungsmöglichkeit. Wollte er die Frachtaufträge effizient und pünktlich durchführen, mußte er sich für den schnellsten und damit in der Regel kürzesten Weg zu den Kunden oder dem Depot entscheiden.

d) Der Revision kann darin gefolgt werden, daß der Spediteur im Verhältnis zum Frachtführer aus haftungsrechtlichen Gründen gezwungen ist, ein umfassendes Kontrollsystem zu errichten, das die Nachverfolgung eines jeden Frachtstücks ermöglicht. Regelungen, die nur diesem Zweck dienen, lassen regelmäßig nicht auf ein Arbeitsverhältnis schließen. Die vertraglichen Bindungen des Klägers gehen aber über dieses Maß hinaus. So sprechen die in § 6 des Vertrages vom 1. Februar 1992 geregelten "Qualitätsmerkmale" für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Entgegen der Formulierung handelt es sich insoweit nicht um Anregungen und Empfehlungen für einen "qualitätsbewußten Unternehmer", sondern um verbindliche Verhaltens- und Ordnungsregeln. Davon geht die Beklagte selbst aus, da sie auf Seite 11 ihres Schriftsatzes vom 6. April 1995 ausführt, "in § 6 des T -Frachtführervertrages sind die Qualitätsmerkmale aufgeführt, die der Subunternehmer zu erfüllen hat".

Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, betreffen die eingehenden Regelungen in § 6 Abs. 3 das Ordnungsverhalten der Mitarbeiter. Auch wenn ein Spediteur ein berechtigtes Interesse daran haben mag, daß der von ihm ausgewählte Frachtführer beim Kunden ordentlich auftritt, gehen die Regelungen der Beklagten in ihrer Intensität weit über das hinaus, was zu einem selbständigen Unternehmer üblicherweise angenommen wird. Die Vorschriften des § 6 Abs. 3 des Vertrags sind vielmehr typisch für ein Arbeitsverhältnis. Die Beklagte erwartet nicht lediglich tatsächlich ein ordentliches und gepflegtes Auftreten; sie schreibt dem Nahverkehrspartner vielmehr konkret vor, daß die Fahrer Dienstkleidung der Beklagten zu tragen haben, wie das Schreiben der Beklagten vom 3. Juni 1992 zeigt.

Die Möglichkeit der freien Gestaltung der Tätigkeit durch den Kläger wird des weiteren dadurch eingeschränkt, daß dem Kläger durch § 6 Abs. 4 vorgeschrieben war, wann er sein Fahrzeug zu betanken, wann er notwendige Wartungs- und Pflegearbeiten durchzuführen und welche Ausrüstung vorhanden zu sein hatte. Auch insoweit handelt es sich um vertragliche Regelungen, die in ihrer Intensität über das im Verhältnis zu einem selbständigen Frachtführer Nötige und Übliche hinausgehen und für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses sprechen. Dies gilt um so mehr, als die Beklagte die Einhaltung der vertraglichen Bestimmungen zunächst mit Hilfe der sog. Subunternehmer-Selbstanzeige und später durch "Fahrzeug/Fahrer-Checks" kontrollierte und mit der Androhung von Vertragsstrafen bzw. dem Nichteinsatz des Fahrzeuges sanktionierte.

5. Schließlich steht der Annahme eines Arbeitsverhältnisses des Klägers nicht entgegen, daß er mit seinem eigenen Fahrzeug die Frachtaufträge durchführte und selbst ein Kleintransport-Gewerbe angemeldet hatte. Die Anmeldung eines eigenen Gewerbes besagt nichts Entscheidendes über die rechtliche Zuordnung der vertraglichen Beziehung. Auch der Einsatz des (einzigen) eigenen Fahrzeugs ist hier für die Unterscheidung zwischen einem Arbeitsverhältnis und einem freien Rechtverhältnis unerheblich. Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht bemerkt hat, wird die Selbständigkeit des Dienstverpflichteten nicht dadurch begründet, daß er mit der Bereitstellung eines Arbeitsmittels Verpflichtungen, Belastungen und Risiken übernimmt, die über die Pflichten eines Arbeitnehmers hinausgehen. Dafür ist nicht einmal entscheidend, daß das Fahrzeug des Klägers mit den Farben und Firmenzeichen der Beklagten ausgestattet war. Entscheidend ist vielmehr, ob der Einsatz eines eigenen Fahrzeuges dem Eigentümer die Möglichkeit eröffnet, seine Tätigkeit im Wesentlichen frei zu gestalten. Diese Möglichkeit war dem Kläger aber gerade nicht eröffnet. Aufgrund der zeitlichen Inanspruchnahme durch die Beklagte und das Verbot, neben den auf den Rollkarten vermerkten Sendungen auch andere Sendungen auf dem Fahrzeug mitzuführen, konnte der Kläger das Fahrzeug tatsächlich nur für die Beklagte einsetzen.

II. Die Kündigung der Beklagten vom 16. Februar 1995 ist gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt. Sie ist insbesondere nicht durch Gründe, die im Verhalten des Klägers liegen, bedingt.

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Wirksamkeit der Kündigung scheitere bereits daran, daß nicht feststellbar sei, daß der Kläger jemals abgemahnt worden sei. Zudem habe sich der Vorfall "A Hotel" erst nach der Kündigung zugetragen und reiche auch inhaltlich nicht zur Rechtfertigung der Kündigung aus. Der Vorwurf des angeblichen Versuchs der Abwerbung des Kunden "E " sei undatiert und unsubstantiiert.

2. Diese Würdigung hält der Revision im Ergebnis stand.

a) Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Sozialwidrigkeit einer Kündigung ist in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbar. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ferner, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob die Entscheidung in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG Urteil vom 18. November 1986 - 7 AZR 674/84 - AP Nr. 17 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, unter I der Gründe und BAG Urteil vom 26. Januar 1995 - 2 AZR 649/94 - BAGE 79, 176, 182 = AP Nr. 34 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung unter B III 1 der Gründe).

b) Nicht zu beanstanden ist, daß das Landesarbeitsgericht den Vorfall "A Hotel" schon deshalb nicht als Grund zur Rechtfertigung der Kündigung vom 16. Februar 1995 angesehen hat, weil der Kläger das vertragswidrige Verhalten erst nach Zugang der Kündigung am 25. März 1995 gezeigt haben soll. Kündigungsgründe, die erst nach Zugang der Kündigung entstanden sind, können grundsätzlich nicht zur sozialen Rechtfertigung der bereits erklärten Kündigung, sondern nur für eine neu auszusprechende Kündigung herangezogen werden (KR-Etzel, 4. Aufl., § 1 KSchG Rz 237, m.w.N.).

c) Auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Vorwurf des Abwerbungsversuchs sei unsubstantiiert geblieben, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Arbeitgeber genügt der ihm obliegenden Darlegungslast nur dann, wenn er im Einzelnen die tatsächlichen Umstände schildert, die die Kündigung bedingen. Pauschale Angaben des Arbeitgebers genügen regelmäßig nicht zur Darlegung eines verhaltensbedingten Kündigungsgrundes (BAG Urteil vom 26. Juni 1997 - 2 AZR 502/96 - n.v., unter B I 2 a der Gründe). Die Beklagte hat den Abwerbungsversuch weder nach Ort und Zeit noch nach seinem genauen Inhalt näher beschrieben. Es ist somit nicht einmal feststellbar, ob sich der Vorfall vor Zugang der Kündigung ereignet hat und inwieweit der Kläger dabei überhaupt einen Grund zur Kündigung gesetzt hat.

d) Umstände, die vor Ausspruch der streitbefangenen Kündigung eingetreten sind und die zu ihrer sozialen Rechtfertigung herangezogen werden könnten, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Insoweit sind keine Rügen gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts erhoben worden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 440378

BAGE, 129

BB 1998, 794

DB 1998, 624

NJW 1999, 310

FA 1998, 163

FA 1998, 94

JR 1999, 307

JurBüro 1998, 277

NZA 1998, 364

RdA 1998, 189

SAE 1998, 164

ZIP 1998, 612

AP, 0

MDR 1998, 604

VersR 1998, 743

Belling / Luckey 2000, 39

TranspR 1999, 74

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge