Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristeter Arbeitsvertrag wegen geplanter Übernahme eines Auszubildenden

 

Orientierungssatz

Der Befristungsgrund der geplanten Übernahme eines Auszubildenden setzt nicht voraus, daß der Arbeitgeber dem Auszubildenden die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis bereits zugesagt hat.

 

Normenkette

BGB § 620

 

Verfahrensgang

LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 28.03.2000; Aktenzeichen 3 Sa 625/99)

ArbG Neumünster (Urteil vom 04.11.1999; Aktenzeichen 2 Ca 978 d/99)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 28. März 2000 – 3 Sa 625/99 – aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 4. November 1999 – ÖD 2 Ca 978 d/99 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1999.

Die Klägerin, die bereits vom 4. Oktober 1995 bis zum 31. März 1997 bei der Beklagten befristet beschäftigt worden und anschließend vom 1. April bis zum 25. Juni 1997 arbeitslos gewesen war, wurde durch Arbeitsvertrag vom 2. Juli 1997 von der Beklagten für die Zeit vom 26. Juni 1997 bis zum 30. Juni 1998 befristet als Aushilfsangestellte zur Aushilfe eingestellt. Über den Befristungsgrund wurde unter dem 24. Juni/8. Juli 1997 folgender von der Klägerin mit unterzeichneter Aktenvermerk gefertigt:

„In der Leistungsgruppe III 11 der Nebenstelle R ist z.Zt. eine Bearbeiterstelle frei und durch das Ausscheiden der Ang. H und S werden ab 1.8.97 zwei weitere Stellen vakant. Eine Wiederbesetzung der Stellen wird mit Auszubildenden des Prüfungsjahrganges 1998 im Juni 1998 erfolgen.

Da aufgrund der anhaltend hohen Arbeitsbelastung auf die Kapazität nicht verzichtet werden kann, ist eine vorübergehende Unterstützung dieses Bereichs erforderlich.

Aus diesem Grund wird mit Frau W. ein befristeter Arbeitsvertrag bis 30.6.1998 geschlossen.”

Durch Änderungsvereinbarung vom 15. Juni 1998 wurde das Arbeitsverhältnis befristet bis zum 30. Juni 1999 verlängert. Hierüber wurde unter dem 25. Juni/2. Juli 1998 folgender von der Klägerin mitunterzeichneter Aktenvermerk gefertigt:

„Ab 10.07.98 wird Frau P. (BSB Alg, Alhi, FbW) wegen der Schutzfristen nach dem MuschG und einem sich anschließenden Erziehungsurlaub für längere Zeit nicht zur Verfügung stehen. Der damit vakante Dienstposten wird in der Folge durch einen Azubi des Prüfungsjahrgangs 1999 im Juni 99 besetzt werden. Da die L'Abt. wegen der anhaltenden hohen Arbeitsbelastung bis dahin auf die ausgefallene Kapazität nicht verzichten kann, wird der bis 30.06.98 befristete Arbeitsvertrag mit Frau W. bis 30.06.99 verlängert.”

Die Klägerin hat die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses für unwirksam gehalten und mit ihrer am 9. Juli 1999 eingereichten Klage beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund einer Befristung zum 30. Juni 1999 (gem. Änderungsvereinbarung vom 15. Juni 1998) beendet ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Befristung für wirksam gehalten. Der Sachgrund der Befristung habe darin bestanden, daß der durch den Ausfall der Frau P. entstandene und nach Umverteilung der Aufgaben verbliebene Beschäftigungsbedarf im Juni 1999 durch die Übernahme der Auszubildenden J abgedeckt und bis dahin aushilfsweise von der Klägerin wahrgenommen werden sollte.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Verfahrensziel der Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Abweisung der Klage. Denn die Befristung des letzen, allein der Befristungskontrolle unterliegenden Arbeitsvertrags vom 15. Juni 1998 bis zum 30. Juni 1999 ist durch den Sachgrund der geplanten Übernahme eines Auszubildenden gerechtfertigt und hat damit das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1999 beendet.

1. Nach ständiger Senatsrechtsprechung(vgl. zB 6. Juni 1984 – 7 AZR 458/82 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 83 = EzA BGB § 620 Nr. 71; 3. Oktober 1984 – 7 AZR 192/83 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 87 = EzA BGB § 620 Nr. 72; insbesondere 21. April 1993 – 7 AZR 388/92 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 148 = EzA BGB § 620 Nr. 120, zu II 4 a der Gründe) liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags vor, wenn der Arbeitnehmer vorübergehend bis zu dem Zeitpunkt beschäftigt werden soll, in dem ein Auszubildender des Arbeitgebers seine Berufsausbildung beendet und der Arbeitgeber dessen Übernahme in ein Arbeitsverhältnis beabsichtigt. Der Senat sieht keinen Anlaß, von dieser ständigen Rechtsprechung abzuweichen.

2. Die tatsächlichen Voraussetzungen dieses Befristungsgrundes liegen auf Grund des unstreitigen Sachverhalts vor. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des letzten Arbeitsvertrags am 15. Juni 1998 war im Geschäftsbereich des Arbeitsamts N. der erfolgreiche Abschluß der Berufsausbildung der Auszubildenden G, J, Pe und We im Juni 1999 zu erwarten und der anschließende Einsatz dieser Auszubildenden im unbefristeten Angestelltenverhältnis vorgesehen. Die für längere Zeit im Mutterschutz und Erziehungsurlaub befindliche Angestellte P. wurde durch die Angestellte St ersetzt; deren Aufgaben sollte bis zur Übernahme der Auszubildenden J aushilfsweise die Klägerin wahrnehmen. Insoweit ging es also weder um eine unmittelbare noch um eine mittelbare Vertretung der Angestellten P. durch die Klägerin. Denn der von ihr zu erledigende Beschäftigungsbedarf war zeitlich nicht durch eine zu erwartende Rückkehr der Frau P. begrenzt, sondern durch die beabsichtigte Übernahme der Auszubildenden J. Auf den Streit der Parteien über das Vorliegen des Sachgrunds der Vertretung kommt es daher nicht an. Auch das Landesarbeitsgericht hat diese Frage zu Recht als unerheblich angesehen.

3. Das Landesarbeitsgericht hat den Sachgrund der geplanten Übernahme eines Auszubildenden deshalb als nicht durchgreifend erachtet, weil die Beklagte nicht vorgetragen habe, sie habe der Auszubildenden J die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis vertraglich zugesagt. Mit dieser Würdigung setzt sich das Landesarbeitsgericht in Widerspruch zu dem bereits angeführten Senatsurteil vom 21. April 1993(– 7 AZR 388/92 – aaO), in dem der Senat ausdrücklich entschieden hat, daß der Befristungsgrund der geplanten Übernahme eines Auszubildenden nicht voraussetzt, daß der Arbeitgeber dem Auszubildenden die Übernahme bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit dem ersatzweise eingestellten Arbeitnehmer zugesagt hatte. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

4. Das Landesarbeitsgericht will den Sachgrund der geplanten Übernahme eines Auszubildenden im Entscheidungsfall auch deshalb nicht durchgreifen lassen, weil angesichts der bereits langen Beschäftigung der Klägerin an den Sachgrund der Befristung erhöhte Anforderungen zu stellen seien. Dem folgt der Senat nicht. Abgesehen davon, daß die Beschäftigungszeit der Klägerin selbst bei Berücksichtigung ihrer befristeten Arbeitsverhältnisse vor der Unterbrechung durch die Arbeitslosigkeit nicht als besonders lang angesehen werden kann, verkennt das Landesarbeitsgericht die Bedeutung der Senatsrechtsprechung zu den „steigenden Anforderungen” an den Befristungsgrund: Hiermit sind lediglich steigende Anforderungen an die Sorgfalt der Prognose des Arbeitgebers zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs gemeint. Im vorliegenden Fall war jedoch die Prognose ausreichend sorgfältig und hat sie sich im übrigen bestätigt, da die Auszubildende J im Juni 1999 übernommen worden ist.

5. Nicht gefolgt werden kann auch der Argumentation des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe mit ihrer Weisung an die Arbeitsämter, nicht bei ihr ausgebildete Mitarbeiter nur befristet einzustellen, gegen die Protokollnotiz Nr. 4 zu Nr. 1 SR 2 a des Manteltarifvertrages für die Bundesanstalt für Arbeit verstoßen. Nach dieser Tarifvorschrift sind Angestellte, die sich im befristeten Arbeitsverhältnis befinden, bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen bevorzugt zu berücksichtigen, wenn die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Im Entscheidungsfall kann diese Tarifvorschrift schon deshalb nicht zur Unwirksamkeit der mit der Klägerin vereinbarten Befristung führen, weil die Klägerin einen Anspruch auf Abschluß eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses im Wege einer auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichteten Leistungsklage hätte verfolgen müssen. Im übrigen kann ein Anspruch auf bevorzugte Berücksichtigung nur dann einen Anspruch auf Abschluß eines unbefristeten Arbeitsvertrages begründen, wenn die Bewerber nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung „im wesentlichen gleich beurteilt sind”(so zur gleichlautenden Regelung der Protokollnotiz Nr. 4 zu Nr. 1 SR 2 y BAT BVerwG 7. Dezember 1994 – 6 P 35.92 – AP BAT § 2 SR 2 y Nr. 13, zu e [richtigerweise c] der Gründe mwN). Im vorliegenden Falle aber ist die Klägerin mit den Auszubildenden, die die Beklagte speziell für ihre Zwecke ausgebildet hat und die im Bereich der Beklagten umfassend einsetzbar sind, schon nicht vergleichbar. Das besondere Interesse der Beklagten, für die speziell für ihre Zwecke ausgebildeten Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz zur Verfügung zu haben, muß nach den Maßstäben der angeführten Senatsrechtsprechung(vgl. insbesondere 21. April 1993 – 7 AZR 388/92 – aaO, zu II 4 b der Gründe) auch gegenüber etwaigen Ansprüchen auf bevorzugte Berücksichtigung nach der Protokollnotiz Nr. 4 zu Nr. 1 SR 2 a MTA durchgreifen.

6. Letztlich kann auch der von der Klägerin gerügte Verstoß der Beklagten gegen die eigenen Durchführungsanweisungen der Beklagten zur SR 2 a MTA nicht durchgreifen. Die Klägerin rügt insoweit, die Beklagte habe statt eines neuen Arbeitsvertrags nur eine „Änderungsvereinbarung” mit der Klägerin getroffen. Dies ist allein eine Frage der Bezeichnung und schon deshalb rechtlich unerheblich. Im übrigen rügt die Klägerin, die Beklagte habe nach der Beendigung des früheren befristeten Arbeitsverhältnisses am 31. März 1997 keine viermonatige Unterbrechung bis zu ihrer Wiedereinstellung eingehalten. Auch diese Rüge scheitert bereits daran, daß es sich bei den Durchführungsanweisungen der Beklagten nur um behördeninterne Anweisungen handelt, durch die sich die Beklagte nicht auch gegenüber der Klägerin gebunden hat. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Steckhan, Kreft, Linsenmaier, U. Meyer, Willms

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 19.09.2001 durch Schiege, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

ARST 2002, 125

NZA 2002, 696

EzA-SD 2002, 12

EzA

NJOZ 2002, 1481

PP 2002, 23

SPA 2002, 3

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