Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Arbeitszeitverringerung. betriebliche Ablehnungsgründe. Teilzeitbeschäftigung. Arbeitszeitverringerung. Teilzeit. Fortführung und Bestätigung Senat 18. Februar 2003 – 9 AZR 164/02 – NZA 2003, 1392, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen und – 9 AZR 356/02 – AP TzBfG § 8 Nr. 1 = EzA TzBfG § 8 Nr. 2, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 18. März 2003 – 9 AZR 126/02 – zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen

 

Orientierungssatz

  • Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Verringerung der Arbeitszeit und deren Verteilung iSv. § 8 TzBfG richtet sich auf die Abgabe von Willenserklärungen des Arbeitgebers. Die Erklärungen gelten mit Rechtskraft der stattgebenden Entscheidung nach § 894 ZPO als abgegeben. § 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ist nicht anzuwenden.
  • Der Arbeitgeber ist berechtigt, den Verringerungs- und Verteilungsantrag des Arbeitnehmers aus betrieblichen Gründen abzulehnen. Ein heilpädagogisches Konzept, das im Interesse der behinderten Kinder eine kontinuierliche Betreuung vorsieht, kann einen Ablehnungsgrund darstellen. Das gilt insbesondere für den Fall, dass die als Leiterin einer Kindergartengruppe beschäftigte Arbeitnehmerin die ihr anvertraute Gruppe regelmäßig vorzeitig, also noch vor der Heimfahrt der Kinder, verlassen will.
  • Es spricht nicht gegen die ernsthafte Durchführung eines pädagogischen Konzepts, wenn der Arbeitgeber im Einzelfall vorübergehend abweicht.
 

Normenkette

TzBfG § 8

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 02.08.2002; Aktenzeichen 16 Sa 166/02)

ArbG Hannover (Urteil vom 31.10.2001; Aktenzeichen 9 Ca 186/01)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 2. August 2002 – 16 Sa 166/02 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Dauer und Lage von Arbeitszeit.

Die 1963 geborene Klägerin ist staatlich anerkannte Erzieherin. Seit 1983 ist sie bei der Beklagten in Vollzeit tätig, seit dem 1. Januar 1985 als Gruppenleiterin in dem heilpädagogischen Kindergarten “Forst M.…” in H.… Im Arbeitsvertrag vom 10. Dezember 1984 war eine Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich bei einer Betreuungszeit von 8.30 Uhr bis 15.00 Uhr einschließlich einer variablen Pause von ½ Stunde täglich vereinbart. Auf das Arbeitsverhältnis sind, soweit nichts anderes vereinbart ist, die vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPWV) herausgegebenen Richtlinien für Arbeitsverträge (AVR) in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die Wochenarbeitszeit der Klägerin beträgt danach derzeit 38,5 Stunden.

Die Beklagte unterhält 14 Einrichtungen, in denen geistig behinderte Kinder und Erwachsene betreut werden. In dem Kindergarten Forst M.… werden in zehn Gruppen je sechs Kinder im Alter von drei Jahren bis zur Einschulung betreut. Die Kinder sind von geistiger Behinderung bedroht oder geistig behindert, einige auch mehrfach behindert. Mindestens ein Kind je Gruppe ist schwerstbehindert. Jede Gruppe wird von einer pädagogischen Fachkraft als Gruppenleiterin geleitet, der eine Hilfskraft mit einer halben Stelle zugeordnet ist. Jeweils zwei Gruppen sind räumlich so untergebracht, dass die vollbeschäftigten Hilfskräfte beide Gruppen betreuen können. Der Kindergarten ist von montags bis freitags von 8.30 Uhr bis 15.00 Uhr geöffnet. Dienstbeginn für die Mitarbeiter ist 8.00 Uhr. In der Zeit von 8.00 Uhr bis 8.30 Uhr kommen die Kleinbusse mit den Kindern an. Die sich an die Betreuungszeit anschließende sog. Verfügungszeit ab 15.00 Uhr dient der Vor- und Nachbearbeitung, insbesondere der Zusammenarbeit mit Eltern, Frühförderstellen, anderen Kindergärten, Schulen, Behörden, Ärzten und Therapeuten. Die Gruppenleiter erstellen ua. die Wochen- und Rahmenpläne, auf die einzelnen Kinder bezogene Förder- und Entwicklungspläne, Entwicklungsberichte, erarbeiten Stellungnahmen zur Einschulung. Mittwochs ist regelmäßig Dienstbesprechung.

Die Kosten des Kindergartens der Beklagten trägt die öffentliche Hand (Sozialamt). Nach § 93 Abs. 2 BSHG setzt die Kostenübernahme eine Leistungsvereinbarung mit dem Träger der Einrichtung oder seinem Verband voraus. Die Organisation des Kindergartens entspricht dem von der zuständigen Aufsichtsbehörde erlassenen Entwurf einer Leistungsvereinbarung für Sonderkindergarten/heilpädagogischen Kindergarten für Kinder mit geistiger Behinderung (Stand 25. Mai 1998). In dem von der Beklagten schriftlich festgehaltenen Konzept für den Kindergarten “Forst M.” heißt es in Anlehnung an den Entwurf der Leistungsvereinbarung auszugsweise:

“Für eine Gruppe, die mit jeweils 6 Kindern unterschiedlichen Alters, Geschlechts, unterschiedlichen Entwicklungsstandes, unterschiedlicher Art und Schwere der Behinderung zusammengesetzt ist, steht ein/e fachliche qualifizierte/r Mitarbeiter/in – Erzieherin oder Heilerzieherin – als Gruppenleitung zur Verfügung.

Die Gruppenleitung wird durch eine zweite Kraft unterstützt.

Die kleine, überschaubare Gruppe bietet vielen Kindern die Sicherheit und Geborgenheit, die sie benötigen, um ihre eigenen Fähigkeiten zu entdecken und ihre Wünsche und Bedürfnisse zu verwirklichen. Erziehungsarbeit ist immer Beziehungsarbeit, gerade aber bei einem geistig behinderten Kind spielen die Dauer einer konstanten Erziehungs- und Förderarbeit, die Begleitung im Tagesablauf in der Einrichtung sowie die kleine Anzahl der konstanten Bezugspersonen in der Gruppe eine wichtige Rolle. Die Qualität der Beziehungen durch konstante Bezugspersonen und somit die Erziehungsarbeit insgesamt wird durch diese Faktoren entscheidend beeinflusst. Die Gruppenleitung zeichnet verantwortlich für die Gewährleistung eines geordneten Tagesablauf in der Gruppe, die Planung und Durchführung der Förder- und Lernangebote unter Berücksichtigung der Lernbedürfnisse des einzelnen Kindes in der Gruppe, Sicherung der Einheitlichkeit des erzieherischen Gesamtrahmens entsprechend der pädagogischen Grundkonzeption, die Schaffung einer Atmosphäre des Geborgenseins und des Wohlbefindens der Kinder in der Gruppe.”

Die Klägerin, Mutter von zwei Kindern, beantragte am 19. Dezember 2000 die Verringerung ihrer Arbeitszeit ab 1. April 2001 auf 28,5 Stunden wöchentlich und deren Verteilung auf Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 8.15 Uhr bis 13.00 Uhr und Mittwoch von 8.15 Uhr bis 16.45 Uhr (27 Stunden Betreuungszeit und 1 ½ Stunden Verfügungszeit). Die Beklagte bildete daraufhin einen Arbeitskreis, der sich unter Mitwirkung der Klägerin mit ihren Arbeitszeitwünschen befasste. Nach einem Gespräch mit der Klägerin am 20. Februar 2001 lehnte die Beklagte den Antrag auf Arbeitszeitverkürzung am folgenden Tag schriftlich ab. Das Angebot, die Arbeitszeit zu verringern und auf vier Tage/Woche zu verteilen, nahm die Klägerin nicht an. Mit Schreiben vom 21. März 2001 beantragte sie “gem. § 8 TzBfG”, ihre Arbeitszeit ab dem 1. Juli 2001 für die Dauer von acht Jahren um zehn Stunden zu verkürzen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte schriftlich am 28. Mai 2001 unter Hinweis auf § 8 Abs. 6 TzBfG ab.

Mit ihrer im April 2001 erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe das angeblich entgegenstehende heilpädagogische Konzept erst im Rechtsstreit vorgetragen. Derart nachgeschobene Gründe seien unbeachtlich. Das vermeintliche Konzept werde auch nicht umgesetzt. In den Jahren 1989/1990 sei sie selbst hiervon abweichend regelmäßig ab 13.00 Uhr von der Gruppenarbeit freigestellt worden, um die Leiterin der Einrichtung zu vertreten. Gegen die Absicht, das Konzept ernsthaft durchzuführen, spreche auch, dass die Beklagte ihr angeboten habe, die verkürzte Arbeitszeit auf vier Tage in der Woche zu verteilen. Im Übrigen sei nicht auf ihren Arbeitszeitwunsch vom 19. Dezember 2000 abzustellen, den sie vor Geltung des am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge geäußert habe. Maßgeblich sei vielmehr ihr ausdrücklich auf § 8 TzBfG gestützter Antrag vom 21. März 2001. Die dort gewünschte Arbeitszeitänderung habe die Beklagte nicht mit ihr erneut erörtert. Sie gelte daher nach § 8 Abs. 5 TzBfG als vereinbart.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

  • die Beklagte zu verurteilen, ihre Arbeitszeit auf 28,5 Stunden wöchentlich zu verringern und die Arbeitszeit wie folgt festzulegen:

    Montag: 8.15 Uhr bis 13.00 Uhr,

    Dienstag: 8.15 Uhr bis 13.00 Uhr,

    Mittwoch: 8.15 Uhr bis 16.45 Uhr,

    Donnerstag: 8.15 Uhr bis 13.00 Uhr,

    Freitag: 8.15 Uhr bis 13.00 Uhr,

  • hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, der Verringerung ihrer Arbeitszeit von 38,5 Stunden auf 28,5 Stunden pro Woche zuzustimmen, mit nachstehender arbeitstäglicher Verteilung:

    Montag: 8.15 Uhr bis 13.00 Uhr,

    Dienstag: 8.15 Uhr bis 13.00 Uhr,

    Mittwoch: 8.15 Uhr bis 16.45 Uhr,

    Donnerstag: 8.15 Uhr bis 13.00 Uhr,

    Freitag: 8.15 Uhr bis 13.00 Uhr,

  • weiter hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, einer Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden wöchentlich ab dem 1. April 2001 zuzustimmen und die Arbeitszeit wie folgt festzulegen:

    Montag: 8.15 Uhr bis 13.00 Uhr,

    Dienstag: 8.15 Uhr bis 13.00 Uhr,

    Mittwoch: 8.15 Uhr bis 16.45 Uhr,

    Donnerstag: 8.15 Uhr bis 13.00 Uhr,

    Freitag: 8.15 Uhr bis 13.00 Uhr

    sowie die restliche Zeit als Verfügungszeit zu berücksichtigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie geht davon aus, der im Dezember 2000 gestellte Verringerungsantrag sei bereits nach § 8 TzBfG zu behandeln gewesen, weil der Beginn der gewünschten Arbeitszeitänderung in den Zeitraum nach Inkrafttreten des TzBfG falle. Das Teilzeitverlangen habe sie zu Recht abgelehnt. Die fehlende Teilzeiteignung des Arbeitsplatzes einer Gruppenleiterin im Sinne einer täglichen Verringerung der Arbeitszeit ergebe sich aus den besonderen Anforderungen an einen heilpädagogischen Kindergarten. Eine ganztägige engmaschige individuelle Betreuung sei erforderlich. Der Wechsel im Verlauf eines Kindergartentages gefährde den Erfolg der pädagogischen Arbeit. Die lückenlose Beaufsichtigung der Kinder lasse die andernfalls erforderliche Übergabebesprechung nicht zu. Die neben der Betreuung anfallenden Arbeiten könnten nicht innerhalb von 1 ½ oder drei Stunden wöchentlich erledigt werden. Die vorübergehende Freistellung der Klägerin zur Vertretung der Leiterin in den Jahren 1989/1990 spreche nicht gegen die Ernsthaftigkeit ihres Konzeptes. Damals sei zusätzlich eine Anerkennungspraktikantin ganztags in der Gruppe gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, der Verringerung der Arbeitszeit von 38,5 Stunden auf 28,5 Stunden pro Woche zuzustimmen und die Arbeitszeit auf die Tage Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 8.15 Uhr bis 13.00 Uhr und am Mittwoch von 8.15 Uhr bis 16.45 Uhr festzulegen. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

I. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, abweichend von der vertraglichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden lediglich mit 28,5 oder 30 Stunden in der Woche beschäftigt zu werden. Weder hat die Beklagte der Vertragsänderung zugestimmt noch gilt die geänderte Arbeitszeit nach § 8 Abs. 5 TzBfG als vereinbart. Die Zustimmung der Beklagten ist auch nicht zu ersetzen.

1. Der Hauptantrag ist unbegründet. Er kann nicht auf § 8 TzBfG gestützt werden.

a) Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 TzBfG hat der Arbeitgeber dem Verringerungsverlangen des Arbeitnehmers unter den dort näher bestimmten Voraussetzungen “zuzustimmen”. Das schließt die Annahme der Klägerin aus, die Arbeitszeit werde gleichsam automatisch verringert, sofern der Arbeitgeber dem Verringerungsverlangen des Arbeitnehmers keine betrieblichen Gründe entgegenhalten kann. Es bedarf vielmehr der vorherigen Vertragsänderung; für die Durchsetzung des Teilzeitanspruchs gilt die sog. Vertragslösung (vgl. Senat 18. Februar 2003 – 9 AZR 164/02 – NZA 2003, 1392, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Verringerung der Arbeitszeit oder deren Verteilung nicht einigen, schuldet der Arbeitnehmer grundsätzlich bis zur Rechtskraft eines obsiegenden Urteils (§ 894 ZPO) seine Arbeitsleistung im Rahmen der bisherigen Arbeitszeitregelung.

Zutreffend weist die Revision darauf hin, damit werde die in § 62 Abs. 1 ArbGG angeordnete sofortige Vollstreckung eines noch nicht rechtskräftigen Urteils ausgeschlossen. Sie irrt allerdings, wenn sie meint, diese Rechtsfolge widerspreche dem mit der Einführung des Teilzeitanspruchs verfolgten Zweck. Ersichtlich dient der Ausschluss der vorläufigen Vollstreckbarkeit im Erkenntnisverfahren den Interessen des Arbeitgebers. Soweit er nicht durch einstweilige Verfügung dazu angehalten wird, braucht er die Lage der verringerten Arbeitszeit erst dann festzulegen, wenn feststeht, dass die Arbeitszeit tatsächlich zu ändern ist. Ein “Hin” und “Her” je nach Ausgang des Rechtsstreits im Instanzenzug wird vermieden.

b) Entgegen der Revision ist die Arbeitszeit der Klägerin nicht bereits auf Grund des Antrags vom 21. März 2001 auf 28,5 Stunden/Woche verringert und auf die gewünschten Tage und Stunden verteilt. Die Fiktion des § 8 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 TzBfG ist nicht eingetreten.

aa) Die Zustimmung wird fingiert, wenn der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer verlangte Änderung der Arbeitszeit nicht formgerecht oder nicht innerhalb der gesetzlich bestimmten Frist abgelehnt hat. Das ist hier nicht gegeben. Mit ihrem Schreiben vom 28. Mai 2001 hat die Beklagte sowohl die gesetzliche Schriftform als auch die Mindestfrist von einem Monat vor dem von der Klägerin gewünschten Beginn der Änderung am 1. Juli 2001 gewahrt.

bb) Die von der Klägerin geltend gemachte Verletzung der in § 8 Abs. 3 TzBfG vorgeschriebenen Erörterungsobliegenheit führt nicht zur Fiktion der erteilten Zustimmung (Senat 18. Februar 2003 – 9 AZR 356/02 – AP TzBfG § 8 Nr. 1 = EzA TzBfG § 8 Nr. 2, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Auf die von ihr aufgeworfene Frage der “Rangfolge” ihrer Anträge vom 19. Dezember 2000 und vom 21. März 2001 kommt es schon deshalb nicht an. Im Übrigen verkennt die Klägerin auch den Inhalt des Verringerungsanspruchs nach § 8 TzBfG. Er richtet sich auf eine unbefristete Herabsetzung der Arbeitszeit (Senat 18. März 2003 – 9 AZR 126/02 – zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Dagegen hat die Klägerin unter dem 21. März 2001 verlangt, ihre Arbeitszeit für die Dauer von acht Jahren herabzusetzen.

2. Der Hilfsantrag 1 ist ebenfalls unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der von der Klägerin verlangten Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen und deren Verteilung entsprechend ihren Wünschen nach § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG festzulegen. Die Beklagte hat die Anträge der Klägerin zu Recht aus betrieblichen Gründen abgelehnt.

a) Die Vorinstanzen sind zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Antrag der Klägerin vom 19. Dezember 2000 als Antrag nach § 8 Abs. 1 TzBfG zu verstehen ist. Ein gesetzlicher Anspruch auf Arbeitszeitverringerung aller Arbeitnehmer ist zwar erst am 1. Januar 2001 begründet worden. Erst zu diesem Zeitpunkt konnten daher Handlungsobliegenheiten des Arbeitgebers ausgelöst werden. Dem Arbeitgeber stand aber frei, auf einen Antrag zu reagieren, der im Vorgriff auf das Gesetz gestellt wurde. Dementsprechend hat die Beklagte das Schreiben der Klägerin ersichtlich als Geltendmachung des gesetzlichen Anspruchs aufgefasst und so behandelt. Das war der Klägerin auch erkennbar. Sie hat in der Klageschrift zwar § 8 TzBfG nicht ausdrücklich genannt, wohl aber die nach § 8 Abs. 1 und Abs. 7 TzBfG anspruchsbegründenden Tatsachen vorgetragen. Weshalb der später am 21. März 2001 gestellte neuerliche Antrag allein “maßgeblich” sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Ohne Verringerungsantrag vom 19. Dezember 2000 wäre die Klage ohne weiteres abweisungsreif.

b) Das von der Beklagten vorgetragene pädagogische Konzept ist ein betrieblicher Grund. Es steht dem Arbeitszeitwunsch der Klägerin entgegen.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berechtigt nicht schon jeder rationale, nachvollziehbare Grund zur Ablehnung; er muss auch hinreichend gewichtig sein (Senat 18. Februar 2003 – 9 AZR 164/02 – NZA 2003, 1392, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist regelmäßig in drei Stufen zu prüfen:

Festzustellen ist zunächst, welches betriebliche Organisationskonzept der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung zugrunde liegt. Organisationskonzept ist das Konzept, mit dem die unternehmerische Aufgabenstellung im Betrieb verwirklicht werden soll. Das Organisationskonzept muss die Arbeitszeitregelung bedingen. Ob ein solches Konzept besteht, auch tatsächlich durchgeführt wird und ob sich daraus das vorgetragene Arbeitszeitmodell ergibt, ist von den Gerichten für Arbeitssachen voll zu cüberprüfen. Nicht zu überprüfen ist die Entscheidung des Arbeitgebers, welche Aufgaben er betrieblich verfolgt und die sich daraus ergebenden Folgeentscheidungen, soweit sie nicht willkürlich sind.

In einer zweiten Stufe ist zu prüfen, inwieweit die Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers tatsächlich entgegensteht. Dabei ist auch der Frage nachzugehen, ob durch eine dem Arbeitgeber zumutbare Änderung von betrieblichen Abläufen oder des Personaleinsatzes die betrieblich erforderliche Arbeitszeitregelung unter Wahrung des Organisationskonzepts mit dem individuellen Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers zur Deckung gebracht werden kann.

Können die beiderseitigen Interessen nicht in Einklang gebracht werden, so ist in einer dritten Stufe zu prüfen, ob die vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung die in § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG genannten besonderen betrieblichen Belange oder das betriebliche Organisationskonzept und die ihm zugrunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung wesentlich beeinträchtigt.

bb) Gemessen daran ist die rechtliche Beurteilung des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden.

(1) Der Träger eines Kindergartens ist berechtigt, den Arbeitszeitwunsch einer Erzieherin abzulehnen, wenn die Verringerung der Arbeitszeit oder deren Verteilung dem pädagogischen Konzept des Trägers entgegensteht und sich die Vereinbarkeit auch nicht durch zumutbare Maßnahmen des Arbeitgebers herstellen lässt (Senat 18. März 2003 – 9 AZR 126/02 – zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Für den heilpädagogischen Kindergarten, in dem die Klägerin arbeitet, gilt nichts anderes.

(2) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nimmt die Beklagte als Trägerin des heilpädagogischen Kindergartens Betreuungs- und Erziehungsaufgaben wahr. Sie hat hierzu ein pädagogisches Konzept erarbeitet, das auch schriftlich festgelegt worden ist. Es soll den besonderen Bedürfnissen der anvertrauten behinderten Kinder Rechnung tragen und entspricht den Vorgaben der zuständigen Aufsichtsbehörde. Im Interesse einer kontinuierlichen Betreuung der Kinder wird darin als erforderlich angesehen, dass die für die Arbeit in den Gruppen verantwortlichen Gruppenleiterinnen während der täglichen Öffnungszeiten des Kindergartens anwesend sind. Durch zusätzliche Verfügungszeiten erhalten sie Gelegenheit, die mannigfachen weiteren Arbeiten außerhalb der Öffnungszeiten zu erledigen.

Die von der Klägerin gewünschte Verringerung ihrer Arbeitszeit um 10 oder 8 ½ Stunden und die Verteilung der Stunden auf vier Vormittage und den Mittwoch führt zu einer Beendigung der Arbeitszeit der Gruppenleiterin noch während der Öffnungszeiten des Kindergartens. Das ist mit dem Betreuungskonzept der Beklagten unvereinbar. Maßnahmen, wie der Arbeitszeitwunsch der Klägerin mit dem pädagogischen Konzept harmonisiert werden könnte, hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Sie sind auch nicht ersichtlich.

(3) Die Beeinträchtigung des Konzepts der Beklagten ist auch wesentlich. Die durchgängige tägliche Anwesenheit der Gruppenleitung ist Kern des Betreuungskonzepts. Der Hinweis der Klägerin auf den Einsatz von Hilfskräften oder auf Neueinstellungen ist nicht geeignet, die Beeinträchtigung zu beheben. Eine Hilfskraft ist kein ausreichender “Ersatz” für eine Gruppenleiterin. Die zusätzliche Einstellung einer teilzeitbeschäftigten Gruppenleiterin führt zu eben den Störungen im Kindergartenalltag, die aus den von der Beklagten angeführten pädagogischen Gründen zu verhindern sind. Die Kinder müssten sich innerhalb desselben Tages auf eine weitere Bezugsperson umstellen.

(4) Der von der Beklagten geltend gemachte Ablehnungsgrund ist entgegen der Revision auch beachtlich. Er ist nicht vorgeschoben. Denn das aus dem pädagogischen Konzept abgeleitete Arbeitszeitmodell wird nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in der Einrichtung Forst M.… auch tatsächlich umgesetzt. Aus dem Einsatz der Klägerin in den Jahren 1989/1990 mit einer täglichen Freistellung ab 13.00 Uhr zur Wahrnehmung von Leitungsaufgaben ergibt sich entgegen ihrer Auffassung nichts anderes. Vorübergehende Abweichungen sind im betrieblichen Alltag unvermeidlich. Sie allein stellen deshalb die tatsächliche Umsetzung einer Arbeitszeitregelung nicht in Frage, zumal dann nicht, wenn wie hier die Abweichung länger als zehn Jahre zurückliegt. Im Übrigen ist auch die Erwägung der Klägerin nicht nachvollziehbar. Während der damaligen Vertretungszeit stand der Gruppe ganztägig eine Praktikantin zur Verfügung. Die Freistellung der Klägerin bewirkte – anders als sie jetzt vorschlägt – keinen zusätzlichen Wechsel in der Betreuung.

Ebenso wenig ist von Bedeutung, dass die Beklagte der Klägerin zur Sicherung der Tageskontinuität angeboten hat, die verringerte Arbeitszeit an vier Tagen in der Woche zu leisten. Die Abwesenheit einer Gruppenleiterin an einem vollen Tag in der Woche beeinträchtigt die kontinuierliche Betreuung weniger als das – mit Ausnahme des Mittwochs – tägliche Verlassen der betreuten Gruppe zwei Stunden vor der Heimfahrt der Kinder.

cc) Das Landesarbeitsgericht war nicht gehindert, den von der Beklagten als Grundlage einer erfolgreichen Betreuungs- und Erziehungsarbeit hervorgehobenen Aspekt der kontinuierlichen Kinderbetreuung zu berücksichtigen. Das gilt auch dann, wenn – wie die Klägerin behauptet – die Beklagte diesen Gesichtspunkt in dem Gespräch vom 20. Februar 2001 entgegen § 8 Abs. 3 TzBfG nicht erörtert haben sollte. Der Arbeitgeber wäre mit dieser Einwendung dann ausgeschlossen, wenn sie von der Klägerin im Rahmen der Erörterung hätte ausgeräumt werden können (vgl. Senatsurteil vom 18. Februar 2003 – 9 AZR 356/02 – AP TzBfG § 8 Nr. 1 = EzA TzBfG § 8 Nr. 2, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Davon kann hier nicht ausgegangen werden.

c) Den auf einen Zeitraum von acht Jahren beschränkten Antrag der Klägerin vom 21. März 2001 hat die Beklagte zu Recht unter Hinweis auf § 8 Abs. 6 TzBfG zurückgewiesen. Eine erneute Verringerung der Arbeitszeit kann frühestens nach Ablauf von zwei Jahren verlangt werden, nachdem der Arbeitgeber einer Verringerung zugestimmt oder sie berechtigt abgelehnt hat. Diese Sperrfrist lief noch. Die Beklagte hatte den Antrag der Klägerin vom 19. Dezember 2000 erst am 21. Februar 2001 schriftlich berechtigt abgelehnt.

3. Der auf eine Arbeitszeit von 30 Stunden/Woche und deren Verteilung gerichtete Hilfsantrag 2 ist ebenfalls unbegründet. Die Klägerin will – mit Ausnahme des Mittwochs – um 13.00 Uhr die Gruppenarbeit beenden, um ein Mehr an Verfügungszeit zu erreichen. Für diesen Antrag gilt daher nichts anderes als für den Hilfsantrag 1.

II. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

 

Unterschriften

Düwell, Zwanziger, Reinecke, Otto, Benrath

 

Fundstellen

Haufe-Index 1113886

NWB 2003, 3025

ARST 2003, 264

ARST 2004, 146

EWiR 2004, 399

FA 2003, 319

FA 2004, 142

SAE 2004, 162

ZTR 2004, 542

AP, 0

AuA 2003, 46

EzA-SD 2004, 6

EzA

PersR 2004, 199

ZMV 2003, 247

AUR 2003, 350

ArbRB 2003, 257

ArbRB 2004, 99

BAGReport 2004, 97

GuS 2003, 57

SPA 2004, 7

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