Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstillegung - Schulbetrieb

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Kündigung aus Anlaß einer geplanten Betriebsstillegung ist wegen dringender betrieblicher Erfordernisse sozial gerechtfertigt, wenn die betrieblichen Umstände bereits greifbare Formen angenommen haben und eine vernünftige, betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, daß bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist der Arbeitnehmer entbehrt werden kann (Bestätigung der Rechtsprechung seit BAG Urteil vom 27.2.1958, 2 AZR 445/55 = BAGE 6, 1ff = AP Nr 1 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung).

2. Die "greifbaren Formen" können je nach den Umständen des Einzelfalles die Gründe für die Stillegungsabsicht oder auch ihre Durchführungsformen betreffen (Weiterentwicklung der Senatsrechtsprechung vom 23. April 1988 - 2 AZR 623/87 - und vom 19. Mai 1988 - 2 AZR 596/87 - AP Nr 74 und 75 zu § 613a BGB).

 

Normenkette

KSchG § 17; BGB § 613a; KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG München (Entscheidung vom 23.01.1991; Aktenzeichen 5 Sa 315/89)

ArbG München (Entscheidung vom 23.02.1989; Aktenzeichen 30 Ca 6251/88)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung durch den Beklagten vom 19. Mai 1988.

Der Beklagte - ein eingetragener Verein - betrieb bis Ende September 1988 in M eine Sprachschule, in der Deutschunterricht für Ausländer erteilt wurde. Der Kundenkreis setzte sich aus ausländischen Managern des VW-Konzerns, aus Asylantragstellern sowie aus ausländischen Schülern und Studenten zusammen. Der Beklagte beschäftigte unstreitig zuletzt zumindest 19 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.

Die Mitgliederversammlung des Beklagten beschloß am 26. April 1988 wegen der seit Jahren aufgelaufenen Verluste und des auch für 1988 zu erwartenden negativen Betriebsergebnisses, den Schulbetrieb zum 30. September 1988 einzustellen, und ermächtigte den Vorstand, die Einstellung durchzuführen. Mit Schreiben vom 19. Mai 1988 kündigte der Beklagte seinen Arbeitnehmern zum 30. September 1988 und stellte zu diesem Zeitpunkt den Schulbetrieb ein. Die Kundenkartei und ein sog. Gastfamilien-Verzeichnis veräußerte der Beklagte im August 1988 nach seiner Behauptung an die D GmbH i. G. S , nach dem Vortrag des Klägers an die E - GmbH in M . Das Mobiliar erwarb im Herbst 1988 ein Rechtsanwalt in M für ein dortiges Sprachzentrum.

Der seit dem 1. November 1979 als Sprachlehrer beschäftigte Kläger hat die ihm am 19. Mai 1988 zugegangene Kündigung als sozial ungerechtfertigt angegriffen und geltend gemacht, die Kündigung sei bereits gem. §§ 17 ff. KSchG und § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. Der Beklagte habe die Kündigungen vorher dem Arbeitsamt - unstreitig - nicht angezeigt und seine Sprachschule nicht stillgelegt, sondern veräußert. Die Kündigung sei wegen des Betriebsüberganges erfolgt. Dem Arbeitsamt gegenüber seien die Entlassungen anzuzeigen gewesen, da der Beklagte außer den 19 weitere fünf Arbeitnehmer (Studenten) beschäftigt habe. Letztere hätten genau das gleiche getan wie die anderen Sprachlehrer auch, sie hätten sich mit diesen beim Unterricht nach dem gleichen Lehrbuch und den gleichen Konzepten abgewechselt, der Arbeitgeber habe sie lediglich nach außen als freie Mitarbeiter behandelt und deshalb keine Lohnsteuern abgeführt. Sie hätten im Winter verhältnismäßig wenig unterrichtet, im Sommerhalbjahr ungefähr 20 Stunden wöchentlich.

Der Beklagte habe schon im August 1988 Verhandlungen über die Veräußerung der Kundenkartei, des Gastfamilien-Verzeichnisses und des Mobiliars aufgenommen. Bereits Ende August 1988 sei bekannt geworden, daß die Schule nun doch verkauft werden solle und die "E -Schule" der Käufer sei. In der letzten Augustwoche 1988 seien Abgesandte des Käufers erschienen und so aufgetreten, als ob der Vertrag bereits geschlossen sei, denn sie hätten Informationen und Konzepte mitgenommen. Der Beklagte habe außerdem auch sein Mittelstufenlehrbuch für Deutsch als Fremdsprache, die Schülerfragebögen, den DaF-Einstufungstest für Einzel- und Kleingruppenkurse und den VW-Report 9 "So wird ein Auto gebaut" an die E-Sprachenschule veräußert. Der Übernehmer betreibe die Sprachschule des Beklagten allerdings ohne die Lehrkräfte weiter. Der Schulleiter und die Sekretärin des Beklagten hätten ab Ende August 1988 alle Interessenten darauf hingewiesen, daß die Sprachkurse des Beklagten von der E-Sprachschule fortgesetzt würden. Der Beklagte habe sein wesentliches Betriebsvermögen, nämlich das betriebsspezifische Know-how, den Firmenwert (good-will) und seine Geschäftsbeziehungen veräußert. Für den Betriebsübergang gem. § 613 a BGB sei rechtsunerheblich, daß die Arbeitnehmer von dem Erwerber nicht übernommen worden seien.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Kündigung des Beklagten

vom 19. Mai 1988 unwirksam sei.

Der Beklagte hat mit seinem Klageabweisungsantrag geltend gemacht, die Kündigung sei wegen der Stillegung der Sprachschule zum 30. September 1988 aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Er habe die Sprachschule nicht veräußert, sondern allein das Mobiliar an den Rechtsanwalt und die Kundenkartei sowie das Gastfamilien-Verzeichnis an die D GmbH i. G. verkauft. Ferner habe er alle über den 30. September 1988 hinausreichenden Verträge gekündigt und nicht an einen anderen Interessenten weitergegeben. Die D GmbH i. G. habe mit der erworbenen Kundenkartei und dem Gastfamilien-Verzeichnis seinen Betrieb nicht fortsetzen und keine Sprachschule betreiben können.

Eine Entlassungsanzeige nach § 17 KSchG an das Arbeitsamt sei nicht erforderlich gewesen, weil er nur 19 Arbeitnehmer beschäftigt habe. Die vom Kläger namentlich aufgeführten weiteren fünf Kräfte seien Studenten gewesen, deren Arbeitszeit wechselte und die auf Stundenbasis abgerechnet wurden. Sie hätten jederzeit das Recht gehabt, einen Kurs abzulehnen und in anderen Sprachenschulen Unterricht zu erteilen. Einem Wettbewerbsverbot hätten sie nicht wie die anderen Lehrer unterlegen. Die Unterrichtsleistung sei von Monat zu Monat, ja von Woche zu Woche in völlig unterschiedlichem Umfang erbracht worden. Die Einteilung sei zwar nach dem Bedarf, aber auch nach Verfügbarkeit der Studenten erfolgt. Eine genauere Aufgliederung der Arbeitsleistung könne aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht ohne entsprechende Auflage des Gerichts erfolgen. Der Student A z.B. habe im Januar 1988 nur acht Stunden, im März aber 55 Stunden gearbeitet. Zwar sei es richtig, daß ein Student, wenn er einen Kurs übernommen habe, auch zu den vereinbarten Stunden hätte arbeiten müssen. Hieraus ergebe sich aber noch keine persönliche Abhängigkeit.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, um deren Zurückweisung der Beklagte bittet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Der Senat tritt der Entscheidung der Vorinstanz bei.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Kündigung vom 19. Mai 1988 sei sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sozialwidrigkeit der Kündigung sei deren Zugang am 19. Mai 1988. Umstände, die erst nach diesem Zeitpunkt eingetreten wären, seien für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung ohne Bedeutung. Sie könnten allenfalls den Kündigungssachverhalt klarstellen oder bestätigen bzw. widerlegen. Aus diesem Grunde sei es nicht entscheidungserheblich, ob der Beklagte entgegen dem Beschluß seiner Mitgliederversammlung vom 26. April 1988 die Sprachschule später etwa nicht stillgelegt, sondern gem. § 613 a BGB auf einen neuen Inhaber übertragen hätte. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Beklagte bereits bei Zugang der Kündigung mit der Möglichkeit gerechnet hätte, den Betrieb als solchen veräußern zu können. Hierfür habe der Kläger nichts vorgetragen. Zutreffend habe das Arbeitsgericht ausgeführt, die Kündigung dürfe erst dann ausgesprochen werden, wenn der Betrieb stillgelegt sei. Sozial gerechtfertigt sei die Kündigung, wenn die Betriebsstillegung bereits "greifbare Formen" angenommen hätte. Das sei der Fall, wenn eine vernünftige und betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertige, daß bis zum Auslaufen der einzuhaltenden Kündigungsfrist die Betriebsstillegung durchgeführt sei und der Arbeitnehmer somit entbehrt werden könne.

Diese Voraussetzungen lägen vor. Der Betrieb der Sprachschule sei tatsächlich zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30. September 1988 stillgelegt worden. Ein Bedürfnis für die Beschäftigung des Klägers habe nicht mehr bestanden. Die Stillegungsabsicht habe am 19. Mai 1988 auch bereits greifbare Formen angenommen. Was darunter im Einzelfall zu verstehen sei, müsse nach den betrieblichen Gegebenheiten beurteilt werden. Die Privatschule sei kein Produktionsbetrieb und auch kein Handelsunternehmen, bei dem vielfältige rechtliche Beziehungen zu Dritten bestünden und bis zur Stillegung eines Betriebes abgewickelt werden müßten. Eine Schule lege ihren Betrieb dadurch still, daß sie keine Schüler mehr annehme und ihr Personal entlasse. Möglicherweise müßten auch gewisse Rechtsbeziehungen gelöst werden, z.B. Mietverträge und Ausbildungsverträge, die über den beabsichtigten Zeitraum der Betriebsstillegung hinausreichten. Es sei nicht zu fordern, daß diese Maßnahmen schon vor der Kündigung des Personals durchgeführt werden müßten, um die Ernsthaftigkeit der Stillegungsabsicht darzulegen. Entscheidend seien hierfür einerseits Kündigungsfristen, die für unterschiedliche Rechtsbeziehungen unterschiedlich lang sein könnten, zum anderen vernünftige betriebswirtschaftliche Überlegungen, die es angeraten erscheinen ließen, bestimmte Kündigungsfristen voll auszunutzen und andere nicht. Der Kläger sei neun Jahre bei dem Beklagten zum Zeitpunkt der Kündigung beschäftigt gewesen. Nach dem Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten habe seine persönliche Kündigungsfrist vier Monate zum Quartalsende betragen. Um den Kündigungszeitpunkt (30. September 1988) einzuhalten, sei es deshalb erforderlich gewesen, die Kündigung im Mai 1988 auszusprechen. Demgegenüber sei es unstreitig, daß der Beklagte Unterrichtskurse von zehn Tagen bis zu vier Wochen oder länger durchführe. Daraus sei zu folgern, daß sich der Stillegungsbeschluß erst im August oder September 1988 dadurch nach außen verwirklichen mußte, daß der Beklagte keine Schüler mehr annahm. Es sei eine vernünftige, betriebswirtschaftliche Überlegung, die Stillegung der Schule nicht vorzeitig bekanntwerden zu lassen, denn der Beklagte habe befürchten müssen, in diesem Falle würden Schüler schon vor dem 30. September 1988 zu anderen Schulen abwandern. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, diese vom Beklagten vorgetragene Befürchtung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Insoweit habe der Beklagte im Rahmen unternehmerischer Entscheidungsfreiheit und nicht offenbar unvernünftig oder willkürlich gehandelt.

Die "greifbaren Formen" lägen daher in dem Beschluß der Mitgliederversammlung des Beklagten vom 26. April 1988 und in der Ermächtigung des Vorstandes, die Stillegung durchzuführen. Welche weiteren vorbereitenden Maßnahmen sinnvollerweise man noch hätte durchführen können, sei nicht ersichtlich. Deshalb sei die Kündigung auch nicht wegen Betriebsübergangs ausgesprochen worden (§ 613 a Abs. 4 BGB).

Die Wirksamkeit der Kündigung scheitere auch nicht daran, daß der Beklagte die Entlassung seiner Arbeitnehmer nicht gem. § 17 KSchG dem Arbeitsamt angezeigt habe. Die Anzeigepflicht beginne erst mit der Beschäftigung von mindestens 20 Arbeitnehmern. Nach dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien habe der Beklagte aber nur 19 Arbeitnehmer beschäftigt. Die fünf Studenten seien keine Arbeitnehmer, sondern freie Mitarbeiter. Der Kläger habe keine typischen Anzeichen für eine Weisungsgebundenheit der Studenten vorgetragen, wie eine Überwachung ihrer erzieherischen oder fachlichen Arbeit durch den Leiter der Schule, durch Unterrichtsbesuche und Beratung in pädagogischen Fragen oder etwa die Erteilung methodischer oder didaktischer Anweisungen. Es sei vielmehr unstreitig, daß die Studenten jederzeit das Recht gehabt hätten, einen Kurs abzulehnen, daß sie von Woche zu Woche unterschiedliche Stundendeputate übernommen hätten und keinem Wettbewerbsverbot unterlagen, also jederzeit auch bei einer anderen Sprachschule Unterricht erteilen konnten.

II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts lassen keine revisiblen Rechtsfehler erkennen, zumal die Würdigung des Landesarbeitsgerichts nur beschränkt überprüfbar ist. Das Revisionsgericht kann nur nachprüfen, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff der Sozialwidrigkeit der Kündigung verkannt oder ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 Abs. 2 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob seine Entscheidung in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BAGE 45, 146, 151 = AP Nr. 14 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit zu B I der Gründe, m.w.N.; Senatsurteil vom 17. Januar 1991 - 2 AZR 375/90 -, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 1 der Gründe).

1. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Senatsurteil vom 8. November 1956 - 2 AZR 302/54 - AP Nr. 19 zu § 1 KSchG; Senatsurteil vom 27. Februar 1958, BAGE 6, 1, 3 ff. = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung, zu III 1 der Gründe; BAG Urteil vom 23. März 1984 - 7 AZR 409/82 - AP Nr. 38 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Senatsurteil vom 27. September 1984, BAGE 47, 13 = AP Nr. 39 zu § 613 a BGB; BAGE 54, 215, 227 ff. = AP Nr. 41 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu II 3 der Gründe; Senatsurteile vom 28. April 1988 - 2 AZR 623/87 - und vom 19. Mai 1988 - 2 AZR 596/87 - AP Nr. 74 und 75 zu § 613 a BGB) gehört die Stillegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können. Unter Betriebsstillegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, daß der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Weiterverfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne aufzuheben. Der Arbeitgeber ist jedoch nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stillegung auszusprechen. Neben der Kündigung wegen erfolgter Stillegung kommt - und dies ist in der Praxis offenbar die Regel - auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stillegung in Betracht. Wird die Kündigung auf die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, so kann sie ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben und eine vernünftige, betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, daß bis zum Auslaufen der einzuhaltenden Kündigungsfrist eine geplante Maßnahme durchgeführt ist und der Arbeitnehmer somit entbehrt werden kann (ständige Rechtsprechung seit BAGE 6, 1, 3 ff. = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung, zu III 1 der Gründe; vgl. Senatsurteile vom 28. April 1988, aaO, zu II der Gründe und vom 19. Mai 1988, aaO, zu V 2 b ee der Gründe).

Will der Arbeitgeber als betriebsbedingten Kündigungsgrund seinen Entschluß zur Betriebsstillegung anführen und ist bestritten, daß dieser Stillegungsbeschluß im Kündigungszeitpunkt gefaßt gewesen sei, so muß er substantiiert darlegen, daß und zu welchem Zeitpunkt er diejenigen organisatorischen Maßnahmen, die sich rechtlich als Betriebsstillegung darstellen, geplant hat. Hierzu gehören neben der vollständigen Aufgabe des Betriebszwecks die Einstellung der Betriebstätigkeit (insbesondere Produktion und Vertrieb) sowie die Auflösung der Betriebseinheit von materiellen, immateriellen und personellen Mitteln (Senatsurteil vom 28. April 1988, aaO).

2. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest, da sie - soweit ersichtlich - nur Zustimmung erfahren hat (vgl. Hueck, Anm. zu BAG AP Nr. 19 zu § 1 KSchG; Molitor, SAE 1958, 131, 135 f.; Herschel, Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; G. Müller, Arbeitsrecht der Gegenwart, Bd. 1 (1963), S. 19, 30 f.; Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 1 Rz 155; Auffarth/Müller, KSchG, § 1 Rz 230; Maus, KSchG, § 1 Rz 223 a; Rohlfing/Rewolle/Bader, KSchG, § 1 Anm. 20 b; KR-Becker , 3. Aufl., § 1 KSchG Rz 309; Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen, S. 330; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 5. Aufl., Rz 644, m.w.N. in Fn. 133).

a) Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, daß der Stillegungsbeschluß zum 30. September 1988 als solcher bereits am 26. April 1988 vorlag, daß ferner nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 ZPO) der Betrieb des Beklagten am 30. September 1988 unstreitig stillgelegt wurde, daß andererseits aber zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 19. Mai 1988 bis auf die Entlassung des Klägers und anderer Mitarbeiter sowie den Stillegungsbeschluß keine weiteren Maßnahmen zur beabsichtigten Stillegung vorlagen. Dabei besagt die Entlassung von Arbeitnehmern allein für die Betriebsstillegung i. S. eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes nichts, da es gerade um die Frage geht, ob diese Entlassungen gerechtfertigt sind (so auch BAG Urteil vom 23. März 1984, aaO, zu I 2 der Gründe).

Nach den weiteren, von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger der Behauptung des Beklagten nicht widersprochen, daß zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung und längere Zeit danach Verhandlungen über eine Übertragung von Vermögenswerten auf die E GmbH nicht erfolgt sind, daß diese Verhandlungen vielmehr erst im August 1988 aufgenommen und zu Ende geführt wurden. Der Kläger habe auch nichts dafür vorgetragen, der Beklagte habe etwa bereits bei Zugang der Kündigung mit der Möglichkeit gerechnet, den Betrieb als solchen veräußern zu können. Wenn das Landesarbeitsgericht aufgrund dieses von ihm festgestellten Sachverhalts auf eine ernstliche und endgültige Stillegungsabsicht des Beklagten geschlossen hat, so ist dies aus revisionsrechtlichen Gründen nicht zu beanstanden. Mit dem vom Vorstand des beklagten Vereins initiierten und dann von der Mitgliederversammlung gefaßten Beschluß vom 26. April 1988 war ein betriebliches Erfordernis (vgl. dazu noch unter II 2 c der Gründe) für die Kündigung gegeben. Das bestreitet letztlich auch die Revision nicht, wenn sie ausdrücklich zugesteht, der Beklagte habe am 30. September 1988 seinen Schulbetrieb geschlossen. Daß auch eine zunächst nur geplante Stillegung ein betriebliches Erfordernis zur Kündigung sein kann, wird ebenfalls nicht in Zweifel gezogen (Revisionsbegründung S. 2). Ebensowenig wird deren Endgültigkeit geleugnet. Sie läßt sich auch angesichts des über die reine Willensentschließung hinaus durch Unterzeichnung sämtlicher Vereinsmitglieder dokumentierten Beschlusses vom 26. April 1988 nicht bestreiten.

b) Soweit die Entscheidung des Senats vom 28. April 1988 (- 2 AZR 623/87 - AP, aaO) dahin verstanden worden ist - wie z. B. im Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 1. März 1990 - 4 Sa 314/89 -, während das angefochtene Urteil diese Entscheidung zutreffend anders interpretiert hat -, bei einer ernsthaft und endgültig beabsichtigten Betriebsstillegung, die zum Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen habe (vgl. dazu noch zu II 2 c der Gründe), müsse außerdem zu diesem Zeitpunkt bereits mit deren Verwirklichung begonnen worden sein, mag diese Äußerung im vorgenannten Senatsurteil (AP, aaO, zu IV 1 a cc der Gründe) mißverständlich sein, so daß der Senat die vorliegende Entscheidung zum Anlaß folgender Klarstellung nimmt:

Wie der Senat auch im zeitlich nachfolgenden Urteil vom 19. Mai 1988 (- 2 AZR 596/87 - AP Nr. 75 zu § 613 a BGB, zu V 2 b ee der Gründe) bereits betont hat, schließt die Notwendigkeit, die rechtliche Überprüfung einer Kündigung auf deren Zugangszeitpunkt zu beziehen, es nicht aus, zu diesem Zeitpunkt schon feststehende künftige Entwicklungen zu berücksichtigen; es genüge vielmehr bei einer Kündigung, die mit einer demnächst erfolgenden Stillegung begründet wird, daß die beabsichtigte Maßnahme bereits "greifbare Formen" angenommen hat; grundsätzlich brauchten betriebliche Gründe noch nicht tatsächlich eingetreten zu sein, sondern es genüge, wenn sie sich konkret und greifbar abzeichneten; sie lägen dann vor, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung aufgrund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen sei, daß mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben sei (so auch die bisherige, unter II 1 wiedergegebene BAG-Rechtsprechung ). Auch in dieser Entscheidung hat der Senat also nicht gesagt, vor einer Kündigung wegen Betriebsstillegung müsse in jedem Fall bereits mit deren Durchführung begonnen worden sein. Vielmehr trägt diese Rechtsprechung nur dem Umstand Rechnung, daß einerseits zum Kündigungszeitpunkt nach § 1 Abs. 2 KSchG ein dringendes betriebliches Erfordernis vorliegen muß, andererseits die Kündigung mit einem in der Zukunft erst abschließend eintretenden Ereignis (Stillegung) im Wege einer vorweg angestellten Prognose gerechtfertigt wird, so daß es je nach den Umständen des Einzelfalles ungewiß sein kann, ob tatsächlich schon ein solches dringendes betriebliches Erfordernis vorliegt.

Dies hat ersichtlich auch der früher ebenfalls für Kündigungen zuständige Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts nicht anders gesehen. Im Urteil vom 23. März 1984 (- 7 AZR 409/82 - AP Nr. 38 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung) wurde in einem Fall, in dem der Stillegungsbeschluß als solcher streitig war (der Konkursverwalter verhandelte als Arbeitgeber noch über die Weiterveräußerung in der von ihm betreuten Firma, als er sich - angeblich - zur Betriebsstillegung entschloß), entschieden, über die Entschlußfassung hinaus müsse der Arbeitgeber substantiiert vortragen, daß auch die geplanten Maßnahmen selbst im Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen haben müßten (zu I 2 der Gründe). Im Urteil vom 27. Februar 1987 (- 7 AZR 652/85 - AP Nr. 41, aaO), wo dem Krankenhausträger durch den Sozialminister mittels Streichung des Krankenhauses vom Bedarfsplan eine Stillegung "aufgezwungen" wurde, wird im Hinblick auf die unstreitig beabsichtigte Stillegungsabsicht ausgeführt (zu II 3 b der Gründe), die Kündigung könne ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen hätten und (ferner) eine vernünftige und betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose ergebe, daß bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist die geplante Maßnahme durchgeführt sei. Später (zu II 3 d der Gründe) heißt es, der Endgültigkeit des Stillegungsbeschlusses stehe es nicht entgegen, wenn sich der Krankenhausträger bei einer wider Erwarten eingetretenen Änderung der Umstände vorbehalten habe, diesen Entschluß nicht auszuführen. Erforderlich sei lediglich, daß der Arbeitgeber die Prognose stellen dürfe, die beschlossene Stillegung werde bis zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfristen bereits so greifbare Formen angenommen haben, daß das Beschäftigungsbedürfnis für die gekündigten Arbeitnehmer entfallen sei. Hier werden also die "greifbaren Formen" innerhalb der Prognosefrage in die Kündigungsfrist verlegt, sie müssen also zur Zeit des Stillegungsbeschlusses nicht schon als solche vorliegen. Beide Entscheidungen des Siebten Senats lassen ebenfalls erkennen, daß die "greifbaren Formen" die Motivation der Betriebsstillegungsabsicht betreffen können und nicht unbedingt auch schon ihre Durchführungsformen betreffen müssen. Das Merkmal "dringend" kann vielmehr unter beiden Gesichtspunkten vorliegen.

c) Im Streitfall haben sich dringende betriebliche Gründe für die beabsichtigte Betriebsstillegung konkret und greifbar abgezeichnet.

Der Vorstand des Beklagten hat seine Stillegungsabsicht nicht etwa für sich behalten, sondern die Mitgliederversammlung hat durch einstimmigen Beschluß vom 26. April 1988 die Stillegung des Schulbetriebes zum 30. September des Jahres verfügt und den Vorstand ermächtigt, die Einstellung durchzuführen. Bei diesem Mitgliederbeschluß handelte es sich, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht um eine rechtlich unverbindliche Absichtserklärung des Betriebsinhabers, sondern es lag eine gegenseitige Verpflichtung der Vereinsmitglieder zur Durchführung der Maßnahme vor, ebenso wie der Vereinsvorstand durch den Beschluß gebunden war. Die Gründe für die Stillegungsabsicht sind im Beschluß der Mitgliederversammlung vom 26. April 1988 aufgeführt, nämlich "die wirtschaftlich äußerst schlechte Lage des Vereins sowie der bedrohliche weitere Rückgang der gebuchten Kursteilnehmer". Weiter ist von seit Jahren aufgelaufenen Verlusten und dem auch für 1988 zu erwartenden negativen Betriebsergebnis sowie davon die Rede, weitere Darlehen von der S GmbH seien nicht zu erwarten; es drohe in absehbarer Zeit die Überschuldung; der Fortführung des Sprachschulbetriebes sei die finanzielle Grundlage entzogen. Da auch keine offenkundig kurzfristigen Gründe für den Teilnehmerrückgang erkennbar seien, sei für eine Fortführung der Schule keine langfristige Perspektive mehr gegeben. Hierauf hat sich der Beklagte auch im Rechtsstreit berufen, ohne daß der Kläger dem entgegengetreten ist (§ 138 Abs. 3 ZPO). Er hat nicht einmal zu dem Vorbringen des Revisionsbeklagten Stellung genommen, die Unterrichtsräume seien von der S GmbH im Rahmen eines Untermietverhältnisses angemietet und ohne förmliche Kündigung an diese zurückgegeben worden, nachdem diese Firma es gewesen sei, die mit dem "Zudrehen des Geldhahnes" die Stillegung zum 30. September 1988 veranlaßt habe.

Es liegt im übrigen im Beurteilungsspielraum des Tatsachengerichts, wenn dieses dem Beklagten eine vernünftige, betriebswirtschaftliche Überlegung auch insoweit bescheinigt hat, als man die Stillegung der Schule nicht vor den Kündigungen der Lehrer und auch danach zunächst noch nicht habe bekannt werden lassen wollen, weil die Schüler schon vor dem 30. September 1988 zu anderen Schulen abwandern könnten und dann auch keine Beschäftigungsmöglichkeit für die Lehrer mehr bestehe. Es ist daher aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn die endgültige Stillegungsabsicht vor den Kündigungen nicht bereits durch weitere Maßnahmen realisiert worden ist. Das Landesarbeitsgericht hat im übrigen für den Senat bindend festgestellt, auch der Kläger habe nicht aufgezeigt, welche weiteren vorbereitenden Maßnahmen der Beklagte vor den Kündigungen sinnvollerweise noch hätte durchführen können. Auch die Revision hat dazu nicht Stellung genommen.

3. Liegen damit dringende betriebliche Erfordernisse i. S. des § 1 Abs. 2 KSchG vor und ist deshalb die Kündigung wegen einer bei Zugang der Kündigung bereits endgültig beabsichtigten Betriebsstillegung sozial gerechtfertigt, wie vom Landesarbeitsgericht teilweise unter Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe festgestellt worden ist, so ist die Kündigung auch dann nicht wegen Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 4 Satz 2 BGB oder wegen Umgehung dieser Norm unwirksam, wenn es nach Ausspruch der Kündigung tatsächlich noch zu einem Betriebsübergang gekommen sein sollte. Insoweit gilt folgendes:

a) § 613 a Abs. 4 Satz 2 BGB läßt eine Kündigung, die aus anderen Gründen als wegen Betriebsübergangs ausgesprochen wurde, unberührt. Wie der Senat in dem Urteil BAGE 47, 13 = AP Nr. 39 zu § 613 a BGB und im Urteil vom 28. April 1988 (AP, aaO, zu IV 1 a der Gründe) klargestellt hat, gehört eine auf Betriebsstillegung gestützte Kündigung zu den Kündigungen aus anderen Gründen i. S. dieser Vorschrift; liegt dieser Grund tatsächlich nicht vor, so ist die Kündigung bereits nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt.

b) Wird erst nach Ausspruch der Kündigung eine Betriebsveräußerung in Erwägung gezogen und durchgeführt, liegt eine Kündigung wegen Betriebsübergangs nicht vor (vgl. dazu Senatsurteil vom 28. April 1988, AP, aaO, zu IV 1 b der Gründe). Unstreitig sind die Vertragsverhandlungen hinsichtlich Kundenkartei und Gastelternverzeichnis erst im August 1988 geführt worden, vorher ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 ZPO) an keine Veräußerung gedacht worden. Dies wird auch von der Revision nicht beanstandet.

c) Kommt es trotz zunächst endgültig geplanter Betriebsstillegung nach Ausspruch der Kündigung gleichwohl noch zu einer Betriebsveräußerung, so kann die Unwirksamkeit der Kündigung jedenfalls für die Zeit nach Inkrafttreten des § 613 a Abs. 4 BGB auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Umgehung des § 613 a Abs. 1 BGB hergeleitet werden. Diese Vorschrift enthält eine Konkretisierung des allgemeinen Umgehungsverbots für die Fälle der Arbeitgeberkündigung. Durch die strengen Anforderungen, die die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an eine Kündigung wegen Betriebsstillegung stellt, wird die Kontrolle vorweggenommen, ob die Kündigung im Hinblick auf die spätere Betriebsveräußerung auf einer Umgehung des § 613 a Abs. 1 BGB beruht. Die Voraussetzung für eine solche Kündigung, nämlich daß der Arbeitgeber ernstlich und endgültig entschlossen sein muß, den Betrieb stillzulegen, und diese Absicht auch nachweisen muß, schließt Manipulationen in Form von Scheinstillegungen, d.h. kurzfristigen Betriebseinstellungen mit anschließender Betriebsveräußerung, jedenfalls für den Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 KSchG im Regelfall aus, zumal für die beabsichtigte Stillegung schon "greifbare Formen" vorliegen müssen. Sind diese Voraussetzungen aber gegeben, dann kann die Betriebsveräußerung nicht gleichzeitig tragender Grund für die Kündigung i. S. des § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB gewesen sein. Durch diese Norm hat der Gesetzgeber die Umgehung des § 613 a Abs. 1 BGB bei Arbeitgeberkündigungen konkretisiert und von der Erfüllung dieses Tatbestandes abhängig gemacht. Eine Umgehung dieser Norm kommt deshalb insoweit nicht in Betracht (vgl. Senatsentscheidung vom 28. April 1988, AP, aaO, unter IV 1 c der Gründe; Hillebrecht, ZiP 1985, 257, 263; Käppler, Anm. zu BAG EzA § 613 a BGB Nr. 30, zu III; Rost, Die betriebsbedingte Kündigung in der Unternehmenskrise und bei Insolvenz, RWS-Skript 178, S. 71, 72).

4. Die Kündigung vom 19. Mai 1988 ist ferner nicht wegen Verstoßes gegen § 17 KSchG unwirksam. Auch insofern lassen die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts keinen revisiblen Rechtsfehler erkennen.

a) Gem. § 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitsamt Anzeige zu erstatten, bevor er in einem Betrieb mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als fünf Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Nach § 18 KSchG werden Entlassungen, die nach § 17 KSchG anzuzeigen sind, vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige beim Arbeitsamt nur mit Zustimmung des Landesarbeitsamtes wirksam. Unter "Entlassung" i. S. dieser Vorschriften ist nicht schon die Kündigung des Arbeitgebers, sondern erst die damit beabsichtigte Folge der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen. Unterbleibt die Anzeige des Arbeitgebers, so ist die einzelne Kündigung unwirksam, wenn sich der Arbeitnehmer auf diesen Verstoß beruft (vgl. Senatsurteil vom 6. Dezember 1973, BAGE 25, 430 = AP Nr. 1 zu § 17 KSchG 1969; BAG Urteil vom 10. März 1982, BAGE 38, 106 = AP Nr. 2 zu § 2 KSchG 1969; Senatsurteil vom 31. Juli 1986 - 2 AZR 594/85 - AP Nr. 5 zu § 17 KSchG 1969, zu B II 1 der Gründe). Der Arbeitnehmer ist beweispflichtig dafür, daß eine Anzeigepflicht bestand. Er muß also sowohl die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer als auch die Zahl der entlassenen Arbeitnehmer im Streitfall beweisen (vgl. KR-Rost, 3. Aufl., § 18 KSchG Rz 40).

b) Der Beklagte hat zur Zeit der Entlassung des Klägers nur 19 Arbeitnehmer beschäftigt. Die fünf Studenten waren freie Mitarbeiter und damit keine Arbeitnehmer i. S. von § 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG. Nach den für den Senat wiederum bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 ZPO) hat der Kläger keine typischen Anzeichen für eine Weisungsgebundenheit der Studenten vorgetragen, wie eine Überwachung ihrer erzieherischen oder fachlichen Arbeit durch den Leiter der Schule, durch Unterrichtsbesuche und Beratung in pädagogischen Fragen oder etwa die Erteilung methodischer oder didaktischer Anweisungen. Das Landesarbeitsgericht hat vielmehr festgestellt, es sei unstreitig, daß die Studenten jederzeit das Recht gehabt hätten, einen Kurs abzulehnen, daß sie von Woche zu Woche unterschiedliche Stundendeputate übernommen hätten und keinem Wettbewerbsverbot unterlagen, also jederzeit auch bei anderen Sprachschulen Unterricht erteilen konnten. Unter diesen Umständen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht von einer fehlenden Arbeitnehmereigenschaft dieser Personen ausgegangen ist. Es hat die vom Bundesarbeitsgericht erarbeiteten Abgrenzungskriterien zur Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft (vgl. statt vieler BAGE 41, 247, 253 = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 9. Mai 1984 - 5 AZR 195/82 - AP Nr. 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu II der Gründe, jeweils m. w. N.; Senatsurteil vom 10. Mai 1990 - 2 AZR 607/89 - zur Veröffentlichung bestimmt) in seine Betrachtungsweise einbezogen. Dies wird auch von der Revision nicht beanstandet. Sie rügt lediglich formell, das Landesarbeitsgericht habe gegen §§ 139, 286 ZPO verstoßen, indem es die angegebene Zeugin S nicht dazu vernommen habe, daß die Studenten die gleiche Tätigkeit wie die anderen Lehrkräfte ausgeübt hätten. Diese Rüge ist erfolglos, da die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht auf dem angeblichen Verstoß beruht (§ 549 Abs. 1 ZPO).

Der pauschale Vortrag, die freien Mitarbeiter hätten genau das gleiche getan wie die anderen Lehrer, die unstreitig Arbeitnehmer wären, ist unschlüssig. Zwar kann grundsätzlich die gleiche Behandlung in einem Kreis von vergleichbaren Mitarbeitern ein gewichtiges Kriterium für die Beurteilung des rechtlichen Status eines Beschäftigten sein (vgl. BAG Urteil vom 24. Oktober 1984 - 5 AZR 364/83 - n.v.; Berger-Delhey /Alfmeier, NZA 1991, 257, 259). Beschäftigt ein Arbeitgeber z.B. in einem bestimmten Sektor sowohl festangestellte Arbeitnehmer als auch freie Mitarbeiter, ist die Behandlung zu vergleichen, die der Arbeitgeber beiden Gruppen angedeihen läßt (vgl. BAG Urteil vom 2. Juni 1976 - 5 AZR 131/75 - AP Nr. 20 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Ergibt sich bei Gesamtwürdigung der Tätigkeit eines Beschäftigten im Vergleich zu seinen festangestellten Kollegen dabei kein wesentlicher Unterschied, vermag dies bereits für sich allein einen Grund zu bilden, den Arbeitnehmerstatus zuzusprechen (vgl. BAG Urteil vom 3. Oktober 1975 - 5 AZR 445/74 - AP Nr. 17 zu § 611 BGB Abhängigkeit sowie Senatsurteil vom 10. Mai 1990 - 2 AZR 607/89 - zur Veröffentlichung bestimmt). Die in tatsächlicher Hinsicht einheitliche Behandlung geschlossener Personenkreise läßt eine unterschiedliche rechtliche Behandlung nämlich kaum zu (vgl. BAG Urteil vom 28. Juni 1973 - 5 AZR 19/73 - AP Nr. 10 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Diese gleiche Behandlung hat der Kläger aber nicht substantiiert vorgetragen, er hat im Gegenteil selbst Unterschiede bei der Behandlung der beiden Mitarbeitergruppen angeführt: Während die fünf Studenten nach dem eigenen Vortrag des Klägers in den Wintermonaten relativ geringfügig arbeiteten, arbeiteten sie im Sommer angeblich regelmäßig zwanzig Stunden wöchentlich. Die 19 Arbeitnehmer der Beklagten - u. a. der Kläger - erhielten Abrechnungen, in denen jeweils Steuern und Sozialversicherungen abgezogen wurden, während dies nach dem eigenen Vortrag des Klägers bei den fünf Studenten nicht der Fall war. Vor allem hat der Kläger nicht bestritten, daß die Studenten die Übernahme von Kursen - anders als die Lehrer - ablehnen konnten. Es liegen also wesentliche Unterschiede bei der Behandlung der beiden Personenkreise vor.

Im übrigen würde die Behauptung, die fünf Studenten hätten genau das gleiche getan wie die angestellten Lehrer, im Hinblick auf Tätigkeiten von Lehrern außerhalb der Unterrichtszeit nicht ausreichen (vgl. dazu ausführlich die Entscheidung des Fünften Senats vom 27. März 1991 - 5 AZR 273/90 -, nicht veröffentlicht, zu II 3 und II 4 b) der Gründe).

Triebfürst Dr. Ascheid Bitter

Beckerle Thelen

 

Fundstellen

Haufe-Index 437515

BB 1992, 1067

BB 1992, 1067-1069 (LT1-2)

DB 1991, 2442-2444 (LT1-2)

BuW 1991, 431 (KT)

BetrVG, (31) (LT1-2)

ARST 1992, 54-57 (LT1-2)

EWiR 1991, 1111 (L)

NZA 1991, 891-894 (LT1-2)

RdA 1991, 383

RzK, I 5f 14 (LT1-2)

ZAP, EN-Nr 1042/91 (S)

ZIP 1991, 1374

ZIP 1991, 1374-1380 (LT)

AP § 1 KSchG 1969, Nr 53

ArbuR 1991, 317 (KT)

EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung, Nr 70 (LT1-2)

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge