Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankheitsbedingte Kündigung

 

Normenkette

KSchG § 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 09.01.1992; Aktenzeichen 4 Sa 1346/91)

ArbG Bochum (Urteil vom 16.07.1991; Aktenzeichen 2 Ca 422/91)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 9. Januar 1992 – 4 Sa 1346/91 – aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin war seit dem 15. Januar 1990 als Fahrzeuglak,c-kiererin mit einem monatlichen Verdienst von 3.254 DM bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis aufgrund häufiger Fehlzeiten der Klägerin gekündigt. Die Klägerin war an folgenden Tagen arbeitsunfähig erkrankt:

13. März bis 4. April 1990 = 17 Tage 18. Juni bis 6. Juli 1990 = 15 Tage 6. August bis 10. August 1990 = 5 Tage 13. August bis 23. November 1990 = 58 Tage 29. November bis 31. Dezember 1990 = 17 Tage 1. Januar 1991 fortlaufend bis zur Kündigung und darüberhinaus bis zum 18. April 1991.

Bis zum Zeitpunkt der Kündigung entspricht dies einer Fehlquote von 52,6 %, wobei 143 Fehltagen 100 Arbeitstage und 29 Urlaubstage gegenüberstehen. Für 1990 leistete die Beklagte an die Klägerin 10.359,50 DM an Lohnfortzahlung, 1.015 DM an Weihnachtsgeld und 2.099,81 DM Urlaubsgeld.

Mit Schreiben vom 4. Februar 1991 hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung der Klägerin an. Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 12. Februar 1991. Die Beklagte kündigte alsdann mit Schreiben vom 13. Februar 1991 das Arbeitsverhältnis zum 31. März 1991 auf.

Die Klägerin hat gegen diese Kündigung eingewandt, sie sei zwar seit dem 6. August 1990 nahezu durchgängig arbeitsunfähig; sie leide aber an einer Hüfterkrankung, die inzwischen durch operativen Eingriff behoben sei; zur Zeit der Kündigung habe sie sich einer stationären Behandlung unterzogen, werde danach aber wieder arbeitsfähig sein. Für die ausgesprochene Kündigung gelte deshalb keine negative Gesundheitsprognose. Ihr Krankenhausaufenthalt habe nur bis zum 8. März 1991 gedauert; sie befreie die sie behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht.

Die Beklagte habe ihren Ausfall auch mit Aushilfen überbrük,c-ken können, zumal nur eine Einarbeitungszeit von 15 Stunden erforderlich sei; irgendwelche Probleme mit ihrer Krankheitsvertretung habe es nicht gegeben. Seit dem 22. April 1991 werde sie auch anstandslos unter Vorbehalt weiterbeschäftigt.

Die Klägerin hat beantragt

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 13. Februar 1991 zum 31. März 1991 nicht aufgelöst worden sei,
  2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1 die Beklagte zu verurteilen, sie zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat mit ihrem Klageabweisungsantrag sich darauf berufen, aufgrund der häufigen Fehlzeiten der Klägerin sei ihr eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar; dies gelte insbesondere im Hinblick auf die aufgewandten Lohnfortzahlungskosten sowie das von ihr geleistete Weihnachts- und Urlaubsgeld. Außerdem habe es Störungen im Betriebsablauf gegeben; das Fehlen der Klägerin habe nur vorübergehend durch den Einsatz der Arbeitnehmer C und P überbrückt werden können. Aufgrund der häufigen Fehlzeiten der Klägerin ergebe sich eine negative Prognose für die gesundheitliche Entwicklung, wobei bestritten werde, daß die Klägerin aufgrund eines operativen Eingriffs auf Dauer wieder arbeitsfähig sei. Die Klägerin habe Art und Ursache der Erkrankung nicht näher benannt; gegenbeweislich beziehe sie, die Beklagte, sich auf Einholung eines arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens. Bei der Interessenabwägung müsse berücksichtigt werden, daß die Klägerin in jungem Alter (Jahrgang 1968) nur eine relativ kurze Betriebszugehörigkeit vorzuweisen habe; im übrigen habe es nie ein ungestörtes Arbeitsverhältnis gegeben; ihre Personalreserve könne derartige Fehlzeiten nicht abdecken.

Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt, während auf die Berufung der Beklagten das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen hat. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht, § 565 ZPO.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Kündigung sei sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG), weil die Klägerin gesundheitlich für ihren Arbeitsplatz nicht geeignet sei. Zwar sei eine Kündigung wegen Krankheit des Arbeitnehmers grundsätzlich nicht zu rechtfertigen, im vorliegenden Fall sei sie jedoch aus betrieblichen Gründen unumgänglich notwendig. Auch wenn die Klägerin als angelernte Arbeitskraft keine Schlüsselposition bekleide, hänge die Kündigung doch von ihrer betriebswirtschaftlichen Erforderlichkeit sowie der Frage ab, ob diesem Erfordernis größere Bedeutung als den sozialen Belangen des Arbeitnehmers zukomme. Bei einer Fehlquote von über 50 % könne nicht mehr von einem Austauschverhältnis gesprochen werden, weil ein Mißverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Entlohnung vorliege. Die Ungewißheit, ob und wann die Klägerin an ihren Arbeitsplatz zurückkehre, führe bei dem erst kurzzeitig bestehenden Arbeitsverhältnis zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Es könne nicht erwartet werden, daß der Arbeitgeber bei einem so kurzzeitig bestehenden Arbeitsverhältnis in gleichem Umfang eine Personalreserve zur Verfügung stelle, wie dies von ihm bei einem langjährig bestehenden Arbeitsverhältnis verlangt werden könne. Deshalb sei ein betrieblicher Grund im Prinzip für eine Kündigung gegeben. Im Rahmen von Darlegungen zur negativen Prognose als Voraussetzung für eine Kündigung führt das Landesarbeitsgericht ferner an, es sei der Hinweis des Betriebsrats nicht ausreichend, die Beklagte möge den Heilungserfolg abwarten, da nach der Operation nicht mehr mit erhöhten Fehlzeiten zu rechnen sei.

II. Dieser Würdigung kann nicht gefolgt werden. Schon die Rüge der Verletzung materiellen Rechts (§ 1 Abs. 2 KSchG) greift durch.

1. Das Landesarbeitsgericht geht in seiner Grundaussage davon aus, die Kündigung sei nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, weil die Klägerin für ihre bisherige Arbeit gesundheitlich nicht geeignet sei, so daß deshalb eine Kündigung aus betrieblichen Gründen unumgänglich notwendig sei. Die Revision rügt zu Recht, damit habe das Berufungsgericht den unbestimmten Rechtsbegriff der sozialen Rechtfertigung personenbedingter Gründe für eine Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG unzutreffend ausgefüllt.

a) Bei der Frage, ob eine ordentliche Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist, weil personenbedingte Gründe vorliegen, handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt Senatsurteil vom 28. Februar 1990 – 2 AZR 401/89 – AP Nr. 25 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu II 1 b aa der Gründe). Auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Beurteilungsspielraums kann das Urteil keinen Bestand haben.

b) Das Urteil leidet zunächst an dem Mangel, personenbedingte und betriebsbedingte Kündigung nicht klar voneinander zu trennen, wie dies in § 1 Abs. 2 KSchG angelegt ist. Mit gleichlautenden Darlegungen der 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm hat sich der Senat bereits im Urteil vom 23. September 1992 (– 2 AZR 63/92 – EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 37) auseinandergesetzt, worauf verwiesen wird. In diesem Urteil ist ferner die Auffassung des Landesarbeitsgerichts als rechtsfehlerhaft angesehen worden, für die Beurteilung der Fehlquote (und der Lohnfortzahlungskosten) sei nicht auf Kalenderjahre, sondern auf einen Zeitraum vom Zeitpunkt der Information des Betriebsrats an rückwärts abzustellen. Auch insoweit kann auf die Begründung des Senats in dem erwähnten Urteil (zu II 3 b cc der Gründe) verwiesen werden.

c) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. für die lang anhaltende Krankheit BAGE 40, 361, 367 f. = AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu B I der Gründe; für häufige Kurzerkrankungen Senatsurteil vom 5. Juli 1990 – 2 AZR 154/90 – AP Nr. 26 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu II der Gründe; für dauernde Leistungsunfähigkeit Senatsurteil vom 28. Februar 1990 – 2 AZR 401/89 – AP, aaO) ist die Sozialwidrigkeit einer wegen Krankheit ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers in drei Stufen zu prüfen. Zunächst ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes erforderlich. Die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten müssen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. In der dritten Stufe, bei der Interessenabwägung, ist dann zu prüfen, ob die erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vom Arbeitgeber billigerweise noch hinzunehmen ist.

2. Das Landesarbeitsgericht hätte zunächst danach differenzieren müssen, ob vorliegend von einer Kündigung wegen lang anhaltender Erkrankung oder einer solchen wegen häufiger Kurzerkrankungen auszugehen ist; ebensowenig enthält das Urteil eine Subsumtion nach den von Rechtsprechung (vgl. oben zu II 1 c) und Literatur (vgl. unter anderem Hueck/von Hoyningen-Huene, KSchG, 11. Aufl., § 1 Rz 220 f.; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 5. Aufl., Rz 740 f., jeweils m.w.N.) für die Krankheitskündigung erarbeiteten Kriterien. Zwar werden diese Unterscheidungen und die Kriterien (negative Gesundheitsprognose, erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen, allgemeine Interessenabwägung) im lehrbuchhaften Vorspann des Urteils – offensichtlich als Computerbaustein – herausgestellt, alsdann aber nicht erörtert und systematisch geprüft. Auch deshalb kann das Urteil keinen Bestand haben.

a) Die Beklagte hat die Kündigung allgemein auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten vom 13. März bis 4. April 1990, 18. Juni bis 6. Juli 1990, 6. bis 10. August 1990, 13. August bis 23. November 1990 und seit dem 29. November 1990 bis zur Kündigung gestützt. Danach könnte eine Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen vorliegen, obwohl diese sich nur auf einen Gesamtzeitraum von rund 15 Monaten seit Beginn des Arbeitsverhältnisses am 15. Januar 1990 erstrecken. Der Senat hat bisher zur Ausfüllung des Begriffs „häufige Kurzerkrankungen” nicht durchweg auf Erkrankungen während eines Zeitraums von mehreren Jahren abgestellt, obwohl dies für diesen Kündigungstyp zu repräsentativeren Aussagen führt und bei einem längerem Zeitraum von etwa 2 bis 3 Jahren eine sicherere Gesundheitsprognose zuläßt (vgl. z. B. die Senatsurteile vom 23. Juni 1983 – 2 AZR 15/82BAGE 43, 129 = AP Nr. 10, aaO und vom 15. Februar 1984 – 2 AZR 513/82 – BAGE 45, 146 = AP Nr. 14, aaO). Typisch für diese Kündigungsart ist aber, daß tatsächlich (häufige) Kurzerkrankungen vorliegen müßten. Schon daran ist vorliegend zu zweifeln, da jedenfalls nach der Darstellung der Klägerin zumindest die auch umfangmäßig gravierenden Krankheitszeiträume vom 13. August bis 23. November 1990 und vom 29. November 1990 bis zur Kündigung in einem einheitlichen Zusammenhang stehen sollen. Die Klägerin spricht nämlich für die Zeit vom 24. bis 29. November 1990 von einem Arbeitsversuch und weist darauf hin, Ursache der Erkrankung sei ein Hüftleiden, wegen dessen sie sich einer Operation unterzogen habe. Die Klägerin hat auch allgemein behauptet, ohne daß dazu bisher Feststellungen des Landesarbeitsgerichts vorliegen, die Ursache für die bisherigen Erkrankungen sei mit der im März 1991 durchgeführten Hüftoperation entfallen. Daraus könnte gegebenenfalls geschlossen werden, die Erkrankungen seit August 1990 bildeten eine Einheit, so daß unter Umständen eine Langzeiterkrankung vorliegt, wenn man die kurzen Arbeitsintervalle abzieht. Dann aber kämen die von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze einer Kündigung wegen langanhaltender Erkrankung (vgl. etwa BAGE 40, 361, 367 f. = AP Nr. 7, aaO) oder eventuell auch wegen Ungewißheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit (Senatsurteil vom 21. Mai 1992 – 2 AZR 399/91 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt) in Betracht. Da hierzu bisher die notwendigen Feststellungen fehlen, kann der Senat schon im Ausgangspunkt den Kündigungstyp nicht festlegen.

b) In allen genannten Fallgruppen wäre jedoch als erstes eine negative Gesundheitsprognose Voraussetzung für eine sozial gerechtfertigte Kündigung. Dazu hat die Beklagte sich auf die eine Indizwirkung entfaltenden Fehlzeiten in der Vergangenheit berufen. Die Beklagte hatte damit zunächst ihre Darlegungslast erfüllt (so Senatsurteile vom 10. März 1977 – 2 AZR 79/76 – BAGE 20, 49 = AP Nr. 4, aaO und vom 23. September 1992 – 2 AZR 150/92 – nicht veröffentlicht). Die Klägerin hatte dann aber geltend gemacht, die Ursache für die Erkrankungen sei mit der schon zur Zeit der Betriebsratsanhörung eingeplanten Hüftoperation entfallen; der Operationstermin habe Anfang Februar 1991 schon festgestanden. Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz bestritten, daß mit einer Operation die Ursache für die Erkrankungen – auch der Betriebsrat habe nur allgemein von einem Leiden der Klägerin gesprochen – entfallen sei. Die Klägerin hat alsdann ihre Ärzte von der Schweigepflicht befreit.

Die Revision rügt in diesem Zusammenhang auch unter formellen Gesichtspunkten zu Recht, bei dieser Sachlage hätte das Berufungsgericht auf eine Benennung der Ärzte hinwirken und Beweis erheben müssen. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts, der Hinweis des Betriebsrats, die Beklagte möge den Heilungserfolg abwarten, da nach der Operation nicht mehr mit erhöhten Fehlzeiten gerechnet werden müsse, sei nicht ausreichend, verkennt die Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast. Nachdem die Parteien wechselseitig für ihre Behauptungen zur negativen Prognose Beweis angetreten hatten – die Beklagte hatte sich auf Einholung eines arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens berufen –, hätte das Landesarbeitsgericht dem nachgehen müssen. Ohne konkrete Feststellungen des Berufungsgerichts hierzu kann der Senat schon zum Vorliegen einer negativen Gesundheitsprognose keine abschließende Entscheidung treffen.

c) Auch Feststellungen zu der nach Angaben der Beklagten vorliegenden erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen sind nicht getroffen. Die von der Beklagten angeführten Lohnfortzahlungskosten sind ebensowenig gewürdigt, geschweige denn im Tatbestand des Berufungsurteils angeführt, wie eine Auseinandersetzung mit den von der Beklagten reklamierten Betriebsablaufstörungen erfolgt. Keinesfalls genügt der pauschale, am konkreten Sachverhalt nicht orientierte Hinweis im angefochtenen Urteil, die Ungewißheit, ob und wann die Arbeitnehmerin an ihren Arbeitsplatz zurückkehre und ihre vertraglich geschuldete Arbeitsleistung wieder aufnehme, führe bei einem erst kurzzeitig bestehenden Arbeitsverhältnis, bei dem die Arbeitnehmerin noch nicht auf eine ausgedehnte Fürsorgepflicht vertrauen könne, zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Die Klägerin hatte sich ihrerseits darauf berufen, die Beklagte habe angesichts einer Einarbeitungszeit von nur 15 Stunden an ihrem Arbeitsplatz ihren Ausfall mit Aushilfen überbrücken können. Die Beklagte hatte sich demgegenüber darauf berufen, die Arbeitnehmer C und P eingesetzt zu haben, mehr sei ihr nicht zumutbar. Dazu hat sich das Landesarbeitsgericht nicht geäußert, so daß der Senat auch für die zweite Stufe (siehe oben zu II 1 c) keine Entscheidungsgrundlage hat.

d) Eine allgemeine Interessenabwägung (dritte Stufe) wird vom Landesarbeitsgericht nicht durchgeführt, obwohl deren Notwendigkeit vom Gericht selbst noch unter 1.1 des Urteils (Entscheidungsgründe S. 9) beschrieben wird. Die allgemein formulierte Frage in den Entscheidungsgründen (unter 1.4), ob dem betriebswirtschaftlichen Erfordernis (aufgrund gesundheitlicher Nichteignung) größere Bedeutung als den sozialen Belangen des Arbeitnehmers zukomme, hat das Landesarbeitsgericht – obwohl es sie von seinem Standpunkt aus für entscheidungserheblich hielt – selbst nicht beantwortet. Die in jedem Einzelfall (vgl. Senatsurteil vom 25. November 1982 – 2 AZR 240/81 – BAGE 40, 361 = AP Nr. 7, aaO) vorzunehmende Interessenabwägung als dritte Voraussetzung für eine Kündigung wegen wiederholter Erkrankungen des Arbeitnehmers kann der Senat als Revisionsgericht ebenfalls nicht selbst vornehmen. Beide Parteien haben hierzu vorgetragen, was zu würdigen Sache der Tatsacheninstanz ist.

 

Unterschriften

Hillebrecht, Bitter, Kremhelmer, Gnade, Wisskirchen

 

Fundstellen

Dokument-Index HI916031

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge