Entscheidungsstichwort (Thema)

Feiertagsvergütung. Regenerationskur. Teilnahme an einer tariflich vorgesehenen Regenerationskur. Arbeitszeitkonto. Bewertung von Ausfallzeiten. Arbeitsleistung. Nebenpflicht

 

Orientierungssatz

1. Als Anspruchsgrundlage für das Begehren, bestimmte Zeiten auf dem vom Arbeitgeber geführten Arbeitszeitkonto “gutzuschreiben”, kommt § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit gesetzlichen, tariflichen, betrieblichen oder einzelvertraglichen Regelungen in Betracht. Da das Arbeitszeitkonto den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf korrekte Führung. Geleistete Arbeit ist in das Konto aufzunehmen (“gutzuschreiben”). Nach besonderen Regelungen können Arbeitsleistungen hinsichtlich der Vergütung höher oder niedriger bewertet werden, als es ihrem zeitlichen Einsatz entspricht. Darüber hinaus kann der Arbeitnehmer eine Gutschrift für solche Zeiten der Nichtarbeit verlangen, die auf Grund von normativen oder einzelvertraglichen Regelungen ohne Verpflichtung zur Nachleistung zu vergüten sind.

2. Nach § 611 Abs. 2 BGB können Gegenstand des Dienstvertrags Dienste jeder Art sein. Der Begriff der Arbeit ist in einem wirtschaftlichen Sinne zu verstehen. Erforderlich ist eine Tätigkeit, die der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient.

3. Während einer Regenerationskur gemäß den tariflichen Vorschriften der Deutschen Flugsicherung erfüllt der Arbeitnehmer keine Arbeitspflicht. Er ist in dieser Zeit nicht im Schichtbetrieb eingesetzt, auch wenn der Schichtplan “im Hintergrund” weiterläuft. Deshalb kann auch keine planmäßige Freizeit an Wochenfeiertagen vorliegen.

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 25.08.2006; Aktenzeichen 16 Sa 55/05)

ArbG Karlsruhe (Urteil vom 17.06.2005; Aktenzeichen 11 Ca 75/04)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 25. August 2006 – 16 Sa 55/05 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt Zeitgutschriften auf seinem Arbeitszeitkonto.

Der im Jahre 1963 geborene Kläger ist seit dem 1. Oktober 1993 als Fluglotse bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden gemäß arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Manteltarifvertrag für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter vom 7. Juli 1993 (MTV) und die ihn ergänzenden Tarifverträge einschließlich der Sonderregelungen für die FS-Dienste (SR-FS) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Der Kläger arbeitet auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung vom 15. November 2001 in einem fortlaufenden Schichtrhythmus an fünf Tagen und hat dann drei Tage frei. Seine durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit betrug im Jahre 2002 35,5 Stunden, seine durchschnittliche Arbeitszeit an den Arbeitstagen acht Stunden und sechs Minuten.

Die Beklagte führt für den Kläger ein Arbeitszeitkonto. Sie erfasst darin die täglichen Sollstunden, die täglichen Arbeitsstunden, die Ausfallzeiten und den sich ergebenden Saldo. Arbeitet der Kläger an einem Feiertag, wird die doppelte Arbeitszeit gutgeschrieben. Fällt einer seiner freien Tage auf einen Wochenfeiertag, erhält er eine Zeitgutschrift in Höhe seiner durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit.

Vom 12. März bis zum 9. April 2002 verbrachte der Kläger eine von der Beklagten angeordnete Regenerationskur auf der Insel Rügen. Die Beklagte schrieb ihm am 17. Juni 2002 für die Wochenfeiertage am 29. März 2002 (Karfreitag) und 1. April 2002 (Ostermontag) jeweils einen Saldo von acht Stunden und sechs Minuten gut. Am 29. März 2002 hätte der Kläger bei fortlaufendem Schichtrhythmus nicht gearbeitet, am 1. April 2002 wäre er zur Arbeit eingeteilt gewesen. Am 13. Januar 2003 korrigierte die Beklagte das Arbeitszeitkonto, indem sie die Zeitgutschriften strich und einen ausgeglichenen Saldo für die Zeit der Regenerationskur herstellte.

Mit der am 14. September 2004 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Teilnahme an der Regenerationskur sei wie Arbeitszeit in einem weiter fortlaufenden Schichtsystem zu bewerten. Dies folge aus den tariflichen Regelungen und aus dem Schreiben der Beklagten zu seinem Kurantritt. Die maßgeblichen Tarifnormen lauten wie folgt:

MTV

“…

§ 9

Regelmäßige Arbeitszeit

(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt im Durchschnitt ausschließlich der Pausen 38,5 Stunden wöchentlich. Der Zeitraum für die Ermittlung des Durchschnittes beträgt in der Regel 8 Wochen. Er kann für Arbeitsbereiche mit Schichtdienst auf bis zu 16 Wochen verlängert werden.

(3) Bei eintägigen Dienstreisen sowie an Hin- und Rückreisetagen bei mehrtägigen Dienstreisen werden die geleistete Arbeitszeit und die erforderliche Reisezeit, höchstens jedoch insgesamt 12 Stunden pro Tag, angerechnet. An dazwischen liegenden Tagen wird die Normalarbeitszeit bzw. dienst- oder schichtplanmäßige Arbeitszeit angerechnet; planmäßig freie Tage werden mit einem Fünftel der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit angerechnet.

§ 11

Verteilung der täglichen Arbeitszeit

(2) Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit werden durch Schichtpläne geregelt, wenn die betrieblichen Verhältnisse die Ableistung der Arbeit über einen bestimmten Zeitraum (Schichtperiode) in Schichten erfordern.

§ 14

Monatliche Abrechnung und Übertragung von Arbeitsstunden

(1) Für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird die Zahl der monatlichen Sollstunden ermittelt, indem die wöchentliche Arbeitszeit gleichmäßig auf die 5 Werktage Montag bis Freitag verteilt und über den betreffenden Monat addiert wird, wobei gesetzliche Feiertage, die auf die Tage Montag bis Freitag fallen (Wochenfeiertage), nicht mitgerechnet werden.

(2) Gesetzliche Feiertage sind nach den Regelungen über die Sonn- und Feiertagsruhe in den einzelnen Bundesländern festgelegte Tage. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten die an ihrem ständigen Arbeitsort zutreffenden Regelungen.

(3) Die monatlichen Sollstunden werden zum Monatsende der tatsächlichen Arbeitszeit im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit zuzüglich der – soweit zutreffend – Stundengutschriften für Urlaub, Krankheit, Rufbereitschaft, Arbeitsbefreiung für Überstunden und für sonstige Arbeitsbefreiungen gegenübergestellt. Die Differenz sind Mehr- oder Minderarbeitsstunden.

(4) Mehrarbeit ergibt sich durch Arbeit oder planmäßige Freizeit an Wochenfeiertagen und durch Rufbereitschaft, sofern hierfür kein Stundenausgleich erfolgt ist. Mehr- oder Minderarbeitsstunden können sich im Schichtdienst durch die monatliche Abgrenzung im laufenden Schichtplan ergeben. Mehr- oder Minderarbeitsstunden können auch aufgrund eigener Entscheidung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Abstimmung mit dem jeweiligen Vorgesetzten durch zusätzliche Arbeitsstunden oder zusätzlich beanspruchte unbezahlte Arbeitsbefreiung entstehen (z.B. Diensttausch).

…”

SR-FS

“…

4. Arbeitszeit

I. Regelmäßige Arbeitszeit

a) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt im Durchschnitt ausschließlich der Pausen 38,5 Stunden wöchentlich. Der Zeitraum für die Ermittlung des Durchschnittes beträgt 52 Wochen.

b) Für Fluglotsen im operativen Einsatz in der Flugverkehrskontrolle beträgt abweichend von Buchstabe a die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit

in den Kategorien I bis IV

36,0 Stunden,

in der Kategorie V

34,5 Stunden,

in den Kategorien VI und VII

33,5 Stunden,

ab 1. April 2003 in der Kategorie VIII

33,0 Stunden.

c) Die Zuordnung der einzelnen Betriebseinheiten zu den Kategorien I bis VIII ergibt sich aus der Anlage 1.

II. Wöchentliche Arbeitszeit

b) Schichtpläne sind ohne starre Schichtschemata aufzubauen. Hiervon kann abgewichen werden, wenn ein fester Rhythmus betrieblich und wirtschaftlich sinnvoll ist. Das Verhältnis von Arbeitstagen und freien Tagen in einem Ausgleichszeitraum (Abschnitt I Buchst. d) ist in Abhängigkeit von den für die Kategorien geltenden Rahmenbedingungen und unter Berücksichtigung betrieblicher Belange frei wählbar. Die Planbarkeit der freien Tage ist für drei Monate im Voraus zu gewährleisten. Urlaub und Regenerationskuren werden in der Jahresplanung berücksichtigt, Gleiches gilt für bis zu 8 einzelne freie Tage pro Jahr auf Wunsch des Mitarbeiters.

c) Die Schichtfolgen rotieren vorwärts; in begründeten Einzelfällen kann nicht nur bei betrieblichen Notwendigkeiten (z. B. in Sondersituationen), sondern auch bei persönlichen Gründen hiervon abgewichen werden. Die Anzahl der aufeinanderfolgenden Schichten (Schichtturn) darf in der Planung für den Flugverkehrskontrolldienst nicht mehr als fünf und nicht weniger als drei betragen. Aus besonderem betrieblichen Anlass kann mit dem Betriebsrat Abweichendes vereinbart werden.

6. Regenerationszeiten

Auf 38,5 Stunden Arbeitszeit werden

a) Flugdatenbearbeiter, Flugberater und ATM-Spezialisten 2 Stunden

b) Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf den einfach besetzten Arbeitsplätzen im operativen FS-technischen Dienst 2,5 Stunden

bezahlte Regenerationszeiten angerechnet.

Fluglotsen im operativen Einsatz in der Flugverkehrskontrolle erhalten im Rahmen der jeweiligen wöchentlichen Arbeitszeit (Ziffer 4 Abschnitt I Buchstabe b) insgesamt in dem folgenden Umfang bezahlte Regenerationszeiten:

7. Regenerationskuren

a) Folgende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind berechtigt und verpflichtet, an Regenerationskuren von jeweils 4 Wochen Dauer teilzunehmen:

– Fluglotsen mit einem Lebensalter von mindestens 30 Jahren und frühestens 5 Jahre nach Erwerb der EGB,

b) Die Regenerationskuren finden alle 4 bis 7 Jahre statt. Für Fluglotsen können ab dem 45. Lebensjahr die Kurintervalle auf bis zu drei Jahre verkürzt werden.

…”

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, seinem Arbeitszeitkonto für den 29. März 2002 und für den 1. April 2002 jeweils acht Stunden und sechs Minuten gutzuschreiben.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die in angenehmer Atmosphäre stattfindenden Regenerationskuren hätten Freizeitcharakter. Es handele sich nicht um Arbeitszeit, auch wenn der Schichtrhythmus im Hintergrund weiterlaufe. Die Gutschriften seien nach einer Umstellung der Zeitwirtschaft zunächst fälschlich gewährt worden.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Für den geltend gemachten Anspruch fehlt es an einer Grundlage.

I. Als Anspruchsgrundlage für das Begehren, bestimmte Zeiten auf dem vom Arbeitgeber geführten Arbeitszeitkonto “gutzuschreiben”, kommt § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit gesetzlichen, tariflichen, betrieblichen oder einzelvertraglichen Regelungen in Betracht. Ein Arbeitszeitkonto drückt aus, in welchem Umfang der Arbeitnehmer Arbeit geleistet hat und deshalb Vergütung beanspruchen kann, bzw. in welchem Umfang er noch Arbeitsleistung für die vereinbarte Vergütung erbringen muss. Da das Arbeitszeitkonto nach der zugrunde liegenden Abrede der Vertragsparteien den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf korrekte Führung (vgl. Senat 13. Februar 2002 – 5 AZR 470/00 – BAGE 100, 256, 268; 13. März 2002 – 5 AZR 43/01 – EzA ZPO § 253 Nr. 22, zu II 1 der Gründe; 14. August 2002 – 5 AZR 417/01 – AP EntgeltFG § 2 Nr. 10 = EzA EntgeltfortzG § 2 Nr. 4, zu II 2 der Gründe; BAG 5. September 2002 – 9 AZR 244/01 – BAGE 102, 321, 325 f., 327 f.). Geleistete Arbeit ist gem. § 611 Abs. 1 BGB in das Konto aufzunehmen (“gutzuschreiben”). Dabei können Arbeitsleistungen nach besonderen Regelungen höher (zB Mehrarbeit, Feiertagsarbeit) oder niedriger (zB Bereitschaftsdienst) bewertet werden, als es ihrem zeitlichen Einsatz entspricht. Darüber hinaus kann der Arbeitnehmer eine Gutschrift für solche Zeiten der Nichtarbeit verlangen, die auf Grund von normativen oder einzelvertraglichen Regelungen ohne Verpflichtung zur Nachleistung zu vergüten sind; denn die Arbeitspflicht gilt in diesen Fällen als erfüllt. Die vergütungsrechtliche Bedeutung der Regelung ist ggf. durch Auslegung zu ermitteln. Der Umfang der Zeitgutschrift muss nicht so bemessen sein, als ob der Arbeitnehmer in der betreffenden Zeit gearbeitet hätte (vgl. Senat 23. Januar 2008 – 5 AZR 1036/06 –). Aus der Gegenüberstellung der gutgeschriebenen Arbeitszeit und der vereinbarten Arbeitszeit (“Arbeitszeitsoll”) ergibt sich der für den Vergütungsanspruch und/oder den Umfang der weiteren Arbeitspflicht maßgebliche Arbeitszeitsaldo.

II. Für den geltend gemachten Anspruch fehlt es an einer Grundlage.

1. Der Anspruch folgt nicht aus § 611 Abs. 1 BGB in Verb. mit § 14 Abs. 3 MTV.

a) Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 MTV werden die monatlichen Sollstunden (§ 14 Abs. 1 MTV, Nr. 4 SR-FS) zum Monatsende der tatsächlichen Arbeitszeit im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit gegenübergestellt. Bei der Regenerationskur handelt es sich nicht um tatsächliche Arbeitszeit im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit. Der Kläger hat während der Kur nicht die versprochenen Dienste geleistet.

aa) Nach § 611 Abs. 2 BGB können Gegenstand des Dienstvertrags Dienste jeder Art sein. Der Begriff der Arbeit ist in einem wirtschaftlichen Sinne zu verstehen. Erforderlich ist eine Tätigkeit, die der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (Senat 11. Oktober 2000 – 5 AZR 122/99 – BAGE 96, 45, 51; 16. Januar 2002 – 5 AZR 303/00 – AP EntgeltFG § 2 Nr. 7 = EzA EntgeltfortzG § 2 Nr. 2, zu I 1 a, b der Gründe). Ein bloßes Unterlassen reicht in der Regel nicht aus, im Zweifel ist auf die Verkehrsanschauung im Wirtschaftsleben abzustellen (Schaub/Vogelsang Arbeitsrechts-Handbuch 12. Aufl. § 8 Rn. 13, 14; kritisch Zöllner/Loritz/Hergenröder Arbeitsrecht 6. Aufl. § 4 III 3). Während einer Rehabilitation ruhen im Allgemeinen die arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten, Arbeit im Sinne des Arbeitsrechts wird nicht verrichtet (Senat 29. Januar 1992 – 5 AZR 37/91 – BAGE 69, 272, 276 f.; BAG 19. April 1994 – 9 AZR 462/92 – AP SGB V § 74 Nr. 2 = EzA SGB V § 74 Nr. 2, zu I 1d der Gründe).

bb) Bei Anwendung dieses Maßstabs hat der Kläger vom 12. März bis zum 9. April 2002 nicht gearbeitet. Zwar war er arbeitsvertraglich zur Teilnahme an der Kur verpflichtet (vgl. Nr. 7 SR-FS) und damit örtlich und zeitlich gebunden. Dazu gehörten möglicherweise auch bestimmte medizinische Untersuchungen, bestimmte Kuranwendungen und in gewissem Umfang eine “Kurdisziplin”. Der Kläger hat während dieser Zeit aber keine Arbeitspflicht, erst recht nicht im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit, erfüllt. Vielmehr dient die Kur insgesamt der Regeneration und Erholung. Die Erhaltung der Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Arbeitskraft des Arbeitnehmers steht ganz im Vordergrund. Derartige Regenerationszeiten werden, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend hervorgehoben hat, in den einschlägigen tariflichen Bestimmungen der Nummern 6 und 7 SR-FS deutlich von der Arbeitszeit abgegrenzt. Soweit das dem Kläger gebotene Verhalten auch im Interesse der Beklagten lag, hat der Kläger nur eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis erfüllt, keine Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht. Das gilt sowohl für die eigentlichen Kuranwendungen als auch für die Zeiten, an denen der Kläger nur vor Ort sein musste. Eine entsprechende Trennung würde dem Zweck der Regenerationskur, sicherzustellen, dass die Arbeit auch künftig risikolos und in der erforderlichen Qualität geleistet werden kann, nicht gerecht. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Kläger auch an den Feiertagen Kuranwendungen zu absolvieren hatte. Weder der Arbeitsvertrag der Parteien noch der Manteltarifvertrag oder die Sonderregelungen hierzu bieten einen Anhaltspunkt für eine abweichende Beurteilung. Selbst die Teilnahme an den vorgeschriebenen Tauglichkeitsuntersuchungen ist nach Nr. 2 SR-FS nicht als Erfüllung der Arbeitspflicht geregelt, sondern mit einer bezahlten Arbeitsbefreiung in bestimmtem Umfang verbunden. Dabei dient die Regenerationskur nicht der Erfüllung von Arbeitsschutzbestimmungen, für die der Arbeitgeber einzustehen hat (vgl. hierzu Senat 11. Oktober 2000 – 5 AZR 122/99 – BAGE 96, 45, 51 f.), sondern stellt nach Nr. 7 der SR-FS eine geldwerte Leistung dar, auf die der Arbeitnehmer einen Anspruch hat. Allein die örtliche und zeitliche Bindung des Klägers reicht entgegen dessen in der Revisionsverhandlung geäußerter Rechtsauffassung für die Annahme einer Arbeitspflicht keinesfalls aus.

b) Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 MTV haben Gutschriften für Urlaub, Krankheit und Rufbereitschaft zu erfolgen. Der Kläger hatte während der Zeit der Regenerationskur weder Urlaub (§ 30 MTV), noch war er arbeitsunfähig krank (§ 23 MTV), noch lag ein Fall der Rufbereitschaft (§ 13 MTV) vor.

c) Eine Gutschrift nach § 14 Abs. 3 Satz 1 MTV kommt nicht unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsbefreiung (Freizeitausgleich) für Überstunden in Betracht.

aa) Nach der vom Landesarbeitsgericht festgestellten und der Regelung in § 14 Abs. 1 und Abs. 4 MTV entsprechenden Praxis der Beklagten erhält der schichtdienstleistende Arbeitnehmer alle Wochenfeiertage als Arbeitstage gutgeschrieben, und zwar unabhängig davon, ob er an dem betreffenden Tag zur Arbeit eingeteilt war. Arbeitet der Arbeitnehmer an einem Feiertag, wird zusätzlich die geleistete Arbeit gutgeschrieben. Damit ist sichergestellt, dass der im durchlaufenden Schichtbetrieb eingesetzte Arbeitnehmer bezahlte Feiertage wie ein von Montag bis Freitag eingesetzter Beschäftigter erhält.

bb) Da der Kläger während der Regenerationskur nicht gearbeitet hat, liegt auch keine Mehrarbeit durch Arbeit an Wochenfeiertagen nach § 14 Abs. 4 Satz 1 MTV vor.

cc) Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 MTV ergibt sich Mehrarbeit auch durch planmäßige Freizeit an Wochenfeiertagen. Planmäßige Freizeit sind die Tage, an denen der nach Schichtplan (§ 11 Abs. 2 MTV) arbeitende Arbeitnehmer schichtfrei hat (§ 10 Abs. 4 MTV), also gemäß dem Plan nicht arbeitet. Dem stehen die Tage gegenüber, an denen er schichtplanmäßig arbeitet (§ 9 Abs. 3 MTV, § 10 Abs. 4 MTV). Der Kläger hatte an den beiden Wochenfeiertagen während der Kur keine planmäßige Freizeit. Er hat während der Regenerationskur nicht nach Schichtplan gearbeitet. In dieser Zeit folgen nicht Arbeitstage und planmäßige Freizeit aufeinander. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sind nicht durch Schichtplan iSv. § 11 Abs. 2 MTV geregelt. Vielmehr war der Kläger nicht mehr im Schichtbetrieb eingesetzt, sondern durchgehend in der Kur. Daran ändert auch ein “im Hintergrund” weiterlaufender Schichtplan nichts. Es handelt sich hierbei um eine Fiktion, die der fortlaufenden Erbringung der Dienste und einer vollständigen Dokumentation, aber nicht dem Vergütungsinteresse des Klägers dient. Da der Kläger der Arbeitspflicht überhaupt enthoben war, hatte er planmäßige Freizeit weder während der gesamten Kur noch am Karfreitag, an dem er nicht gearbeitet hätte. Durch die nachträgliche Änderung des Arbeitszeitkontos hat die Beklagte bestätigt, dass der Kläger aus dem Schichtbetrieb herausgenommen war. Dem wird Nr. 4 IIb Satz 5 SR-FS gerecht, wonach die Regenerationskuren in der Jahresplanung berücksichtigt werden.

d) Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 MTV werden schließlich die Zeiten der sonstigen Arbeitsbefreiung gutgeschrieben. Das sind alle weiteren Zeiten einer bezahlten Freistellung von der Arbeit. Auch hieraus ergibt sich der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nicht.

aa) Die mit dem Ausfall der Arbeit verbundene Regenerationskur ist nicht wie eine mehrtägige Dienstreise (§ 9 Abs. 3 MTV) zu behandeln. § 9 Abs. 3 MTV bewertet nicht den Ausfall der Arbeit, sondern pauschaliert eine unregelmäßig und vielfach nicht konkret fassbar anfallende Arbeitszeit. § 32 MTV enthält ebenfalls keine Regelung für Kuren.

bb) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts besteht keine Tariflücke. Wenn der Manteltarifvertrag keine Regenerationskuren vorsieht, besteht insoweit kein Anlass für eine Regelung der Vergütungsfortzahlung. Demgegenüber folgt aus dem Zusammenhang von Nr. 6 und Nr. 7 SR-FS hinreichend deutlich, dass die Zeit der Regenerationskur nicht unbezahlt ist, sondern die Vergütung fortgezahlt wird. Daraus ergibt sich aber nichts für den geltend gemachten Anspruch auf besondere, über die Sollstunden hinausgehende Gutschriften für die Wochenfeiertage. Eine Fortzahlung der Vergütung ist – bei Fehlen einer speziellen Vorschrift – gerade nicht mit einer doppelten Vergütung der Feiertage verbunden. Der Arbeitnehmer erhält seine regelmäßige Vergütung weiter, ohne zu einer Nachleistung verpflichtet zu sein. Das Arbeitszeitkonto wird durch den Arbeitsausfall weder positiv noch negativ beeinflusst. Dieser Rechtslage entspricht die Vorschrift des § 6 Abs. 5 Satz 1 der Betriebsvereinbarung vom 15. November 2001 (BV), wonach für bezahlte Ersatzzeiten, die der Planung entsprechen (Nr. 4 IIb Satz 5 SR-FS), die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit zugrunde gelegt wird. Durch den Ausgleich des Saldos für die Zeit der Regenerationskur ist die Beklagte dem gerecht geworden.

2. Auf § 6 Abs. 2 BV in Verb. mit Nr. 141 der Anlage lässt sich der Anspruch nicht stützen. Zum einen sind danach wie bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle nur die Grundvergütung und die festen Zulagen zu berücksichtigen. Eine zusätzliche Vergütung oder Zeitgutschrift für Feiertage ist nicht vorgesehen. Der kurende Arbeitnehmer soll die Fortzahlung seiner Vergütung ohne Rücksicht darauf erhalten, wie viele Feiertage in den Zeitraum der Kur fallen und wie die Arbeit in dieser Zeit verteilt gewesen wäre. Zum anderen handelt es sich bei der Anlage zur Betriebsvereinbarung unabhängig von der zwischen den Parteien streitigen Frage der Unterzeichnung (§ 77 Abs. 2 BetrVG) nicht um eine normative Regelung, sondern gem. § 6 Abs. 2 BV um eine Information über die Rechtslage (vgl. § 6 Abs. 1 BV), die von der Beklagten, nicht von den Betriebspartnern, herausgegeben und aktualisiert wird.

3. Die Parteien haben nicht einzelvertraglich etwas Günstigeres für den Kläger vereinbart. Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob in dem Schreiben der Beklagten vom 5. Dezember 2001 ein Angebot lag, den Kläger so zu behandeln, als würde er weiterhin seine Fluglotsentätigkeit nach Schichtplan erbringen. Ein solches Angebot könnte der Kläger gem. § 151 BGB angenommen haben. Der Senat kann das genannte Schreiben selbst auslegen, da ein weiterer für die Auslegung erheblicher Sachverhalt nicht zu erwarten ist. Der Kläger hat keinen schlüssigen Vortrag für ein Angebot geleistet. Er hat schon nicht dargelegt, bei der Mitteilung, der Aufenthalt in der Kuranstalt werde wie Arbeitszeit behandelt, habe es sich um eine rechtsgeschäftliche Erklärung und nicht lediglich um einen Hinweis auf die Rechtslage gehandelt. Ein Hinweis auf die Behandlung des Aufenthalts wie Arbeitszeit besagt auch nichts darüber, wie die Fortzahlung der Vergütung im Einzelnen geregelt ist. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, die Beklagte habe über die tariflichen und betrieblichen Regelungen der Vergütungsfortzahlung hinausgehen wollen.

4. Die Beklagte hat mit der Gutschrift vom 17. Juni 2002 kein Anerkenntnis abgegeben. Die regelmäßigen Buchungen auf dem Arbeitszeitkonto stellen nicht rechtsgeschäftliche Erklärungen, sondern tatsächliche Handlungen im Sinne sogenannter Wissenserklärungen dar. Der Arbeitnehmer, der gem. § 14 Abs. 8 MTV Kenntnis von der Buchung erhält, kann nicht annehmen, es handele sich um eine auf Bestätigung oder gar Veränderung der Rechtslage gerichtete Willenserklärung.

5. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Korrektur von Buchungen auf dem Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers einer tariflichen Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Ansprüchen unterliegt (vgl. BAG 5. September 2002 – 9 AZR 244/01 – BAGE 102, 321, 330 f.). Die Beklagte hat die Rückbuchung der Gutschrift am 13. Januar 2003 und damit innerhalb der Zwölf-Monats-Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 MTV vorgenommen.

III. Da der geltend gemachte Anspruch auf Zeitgutschrift nicht besteht, kommt es auch hier auf die Frage der Anwendung von tariflichen Ausschlussfristen einschl. des Fristbeginns nicht an. Im Übrigen hat der Kläger den Anspruch mit seinem Schreiben vom 15. Januar 2003 rechtzeitig geltend gemacht.

IV. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Müller-Glöge, Mikosch, Laux, W. Hinrichs, Heyn

 

Fundstellen

Haufe-Index 2006771

AiB 2011, 766

FA 2008, 309

NZA 2008, 1135

AP, 0

EzA-SD 2008, 8

SPA 2008, 5

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