Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigungsschutz – Wartezeit

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Berechnung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG ist ein betriebliches Praktikum, das der beruflichen Fortbildung (§ 46 BBiG) gedient hat, nur dann anzurechnen, wenn es im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses abgeleistet worden ist.

 

Normenkette

KSchG § 1; BBiG § 1 Abs. 3, §§ 46, 3 Abs. 2, § 19

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 10.09.1998; Aktenzeichen 16 Sa 302/98)

ArbG Dortmund (Urteil vom 29.10.1997; Aktenzeichen 9 Ca 1429/97)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 10. September 1998 – 16 Sa 302/98 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Der 1968 geborene Kläger (verheiratet, zwei Kinder, gelernter Werkzeugmacher) war seit 9. September 1996 bei der Beklagten als Arbeiter zu einem Stundenlohn von 21,00 DM beschäftigt. Die Beklagte betreibt eine Dreherei und Maschinenbau. Sie beschäftigt 17 Arbeitnehmer. Die Aufgabe des Klägers bestand in dem Einrichten der Maschinen nach Fertigungsplänen mit der dazu gehörenden Werkzeugpflege sowie der Qualitätskontrolle.

Vor Abschluß des Arbeitsvertrages hatte der Kläger an einem von der Deutschen Angestellten-Akademie (DAA) durchgeführten Lehrgang „Berufspraktische Fortbildung für Langzeitarbeitslose aus gewerblich-technischen und Dienstleistungsberufen” teilgenommen, die als Eingliederungsmaßnahme von der Bundesanstalt für Arbeit aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert wurde. Im Rahmen dieses Lehrgangs war der Kläger in der Zeit vom 8. Januar 1996 bis 5. September 1996, jeweils unterbrochen durch Unterricht in den Räumen der DAA, im Betrieb der Beklagten im Rahmen eines Praktikums mit der fachlichen Ausrichtung „Berufserfahrung – Mechanische Fertigung, CNC-Technik” tätig. Die Einzelheiten des Praktikums waren in einem dreiseitigen Vertrag zwischen der DAA, der Beklagten und dem Kläger geregelt. Danach sollte sich das Praktikum „im Rahmen einer außerbetrieblichen Fortbildung” zunächst auf zwei Tage wöchentlich erstrecken und die Dauer später gesteigert werden. In den letzten Monaten sollte das Praktikum vollschichtig durchgeführt und nur durch sog. Praktikumsbegleittage unterbrochen werden. Das Praktikum sollte nach dem Vertrag die beim Bildungsträger erworbenen bzw. bereits vorhandenen Kenntnisse und Fertigkeiten durch praktische Arbeitsaufgaben nach einem im einzelnen geregelten Arbeitsplan ergänzen. Der Kläger sollte über die Berufsgenossenschaft der DAA unfallversichert werden und der DAA wöchentlich einen Praktikantennachweis zustellen. Eventuell auftretende Fehlzeiten hatte die Beklagte der DAA zu melden und bei ihr eingehende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dieser zu übersenden. Der Kläger erhielt während des Praktikums von der Beklagten keine Vergütung, sondern nur Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit.

Mit Schreiben vom 27. Februar 1997 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. März 1997. Die Parteien streiten darüber, ob die Dauer des Praktikums auf die sechsmonatige Wartezeit des Klägers nach dem Kündigungsschutzgesetz anzurechnen ist, der Kläger also Kündigungsschutz genießt.

Der Kläger hält die Kündigung für sozialwidrig. Er hat behauptet, er habe jedenfalls in den Monaten Mai bis September 1996 die dem Tätigkeitsbild eines Werkzeugmachers entsprechenden Arbeiten im Betrieb der Beklagten durchgeführt und sei wie jeder andere Arbeitnehmer in den Produktionsablauf eingebunden gewesen. Der für ihn interessante Praktikumsteil „CNC-Technik” sei nicht durchgeführt worden. Seine Arbeit habe er immer ordnungsgemäß erbracht. Seine Vorgesetzten seien mit seiner Leistung zufrieden gewesen. Wenn ihm im Kündigungsschreiben angeboten worden sei, die Kündigung aufzuheben, wenn er bis zum 19. März 1997 die Arbeiten ordnungsgemäß ausführe, so habe er hierzu keine Gelegenheit gehabt, da er wegen eines bei der Beklagten erlittenen Arbeitsunfalls arbeitsunfähig gewesen sei. Da er erst seit dem 28. Mai 1997 neue Arbeit habe, müsse ihm die Beklagte den entgangenen Zwischenverdienst abzüglich der Leistungen öffentlicher Träger erstatten.

Der Kläger hat beantragt

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 27. Februar 1997 – zugegangen am 28. Februar 1997 – nicht vor dem 28. Mai 1997 beendet wurde,
  2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.384,00 DM brutto nebst 4% Zinsen aus dem sich aus 3.696,00 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 2. Mai 1997 sowie 4% Zinsen aus dem sich aus 2.688,00 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 2. Juni 1997 abzüglich von der Bundesanstalt für Arbeit in Höhe von 2.423,40 DM netto gezahlter Leistungen zu zahlen.

Die Beklagte hat zur Stützung ihres Klageabweisungsantrags geltend gemacht, die in der Praktikumsvereinbarung aufgeführten Tätigkeiten und Aufgaben habe der Kläger nicht selbständig durchgeführt. Er sei in diese Aufgaben nur eingewiesen und dazu angeleitet worden. In den allgemeinen Produktionsablauf sei er nicht eingebunden gewesen. In dem anschließenden Arbeitsverhältnis habe der Kläger seine Arbeit mangelhaft ausgeführt. Aus diesem Grund seien auch Gespräche mit ihm des Inhalts geführt worden, daß er mit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu rechnen habe, wenn es weiterhin zu Fehlern komme.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung der Beklagten hat das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger sei bei Ausspruch der Kündigung noch keine sechs Monate im Betrieb beschäftigt gewesen. Die Zeit des im Betrieb der Beklagten absolvierten Praktikums sei auf die Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetz nicht anzurechnen. Da der Kläger bereits ausgebildeter Werkzeugmacher gewesen sei, habe das Praktikum nicht im Rahmen einer Berufsausbildung, sondern lediglich innerhalb einer beruflichen Fortbildungsmaßnahme stattgefunden. Mit der Praktikumsvereinbarung, die in den wesentlichen Teilen auch tatsächlich durchgeführt worden sei, sei zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis vereinbart worden. Auch nach Sinn und Zweck der in § 1 Abs. 1 KSchG vorgeschriebenen Wartezeit sei es nicht gerechtfertigt, ein derartiges Praktikum bei der Berechnung der Wartezeit zu berücksichtigen.

II. Dem folgt der Senat im Ergebnis und auch in weiten Teilen der Begründung. Dem Kläger steht der gesetzliche Kündigungsschutz nicht zu, weil er die Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG nicht erfüllt hat.

1. Das Gesetz verlangt für den Eintritt des allgemeinen Kündigungsschutzes, daß das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat. Da das ab dem 9. September 1996 zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis bei Zugang der Kündigung am 28. Februar 1997 noch nicht sechs volle Monate bestanden hatte, wäre die sechsmonatige Wartezeit nur erreicht, wenn die vorausgegangene Zeit des Praktikums – zumindest soweit der Kläger vollschichtig bei der Beklagten tätig war – angerechnet würde.

2. Die Anrechnung dieser Zeit scheitert, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, daran, daß der Kläger während der Dauer seines Praktikums im Betrieb der Beklagten nicht als Arbeitnehmer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig war. § 1 Abs. 1 KSchG verwendet zur Kennzeichnung des Rechtsverhältnisses, dessen Bestehen nach Ablauf von sechs Monaten geschützt werden soll, den Begriff des Arbeitsverhältnisses und bezeichnet die geschützte Person als Arbeitnehmer. Das KSchG enthält keine eigene Definition des Arbeitnehmerbegriffs, sondern setzt ihn als bekannt voraus. Er ist damit in dem Sinn zu verstehen, wie er allgemein im Arbeitsrecht üblich ist (BAG 8. April 1988 – 2 AZR 684/87 – RzK I 4 d Nr. 10).

a) Ein Berufsausbildungsverhältnis nach § 1 Abs. 2, §§ 3 ff. BBiG, auf das nach § 3 Abs. 2 BBiG die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften anzuwenden sind und das deshalb auch bei der Berechnung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG einem Arbeitsverhältnis zumindest gleichzustellen ist (BAG 26. August 1976 – 2 AZR 377/75 – AP BGB § 626 Nr. 68; Löwisch KSchG 7. Aufl. § 1 Rn. 42; Kittner/Trittin Kündigungsschutzrecht 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 24; Hueck/von Hoyningen-Huene KSchG 12. Aufl. § 1 Rn. 78 a; KR-Etzel 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 117), hat zwischen den Parteien in der Zeit vom 8. Januar bis 5. September 1996 nicht bestanden. Die Berufsausbildung hat nach § 1 Abs. 2 BBiG eine breit angelegte berufliche Grundbildung und die Vermittlung der für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse in einem geordneten Ausbildungsgang zum Gegenstand. Der Kläger war jedoch bereits gelernter Werkzeugmacher, hatte eine solche Grundbildung damit bereits durchlaufen.

b) Zwischen den Parteien bestand während der Dauer des Praktikums auch kein anderes Vertragsverhältnis mit dem Ziel des Erwerbs beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Sinne von § 19 BBiG, das nach § 3 Abs. 2 BBiG bei der Berechnung der Wartezeit ebenfalls einem Arbeitsverhältnis gleichzustellen wäre (HK-Dorndorf KSchG 4. Aufl. § 1 Rn. 92). Auch § 19 BBiG betrifft die Vermittlung der für eine bestimmte Tätigkeit erforderlichen beruflichen Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen; er betrifft also nicht den Fall, daß bereits ausgebildete Fachkräfte für bestimmte spezielle Aufgaben fortgebildet werden (BT-Drucks. V/4260 S 12).

c) Das Praktikum im Betrieb der Beklagten diente der beruflichen Fortbildung des Klägers, es sollte ihm ermöglichen, seine beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu erhalten, zu erweitern, der technischen Entwicklung anzupassen oder beruflich aufzusteigen (§ 1 Abs. 3 BBiG). Die berufliche Fortbildung ist in § 46 BBiG nur ansatzweise geregelt. Insbesondere fehlt eine Verweisung auf § 3 Abs. 2 BBiG. Auf ein im Rahmen einer beruflichen Fortbildungsmaßnahme abgeleistetes Praktikum sind deshalb nicht ohne weiteres die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze anzuwenden. Es ist vielmehr bei der Berechnung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG im Einzelfall zu prüfen, ob ein derartiges Praktikum im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses abgeleistet worden ist (Kittner/Trittin Kündigungsschutzrecht 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 22 a; Hueck/von Hoyningen-Huene KSchG 12. Aufl. § 1 Rn. 78 a; Stahlhacke/Preis Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 7. Aufl. Rn. 608). Mangels Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses hat der Senat deshalb in seinem Urteil vom 8. April 1988 (aaO) eine berufliche Fortbildungsmaßnahme auf die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG nicht angerechnet, die allein auf der Grundlage der vertraglichen Beziehungen zwischen der Bundesanstalt für Arbeit und dem Maßnahmeträger sowie der öffentlich-rechtlichen Beziehung zwischen der Bundesanstalt und dem Teilnehmer der Maßnahme durchgeführt worden ist (vgl. allerdings zu einem Umschulungsverhältnis BAG 15. März 1991 – 2 AZR 516/90 – AP BBiG § 47 Nr. 2).

d) Die Wertung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei während seines Praktikums nicht Arbeitnehmer der Beklagten gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Der Arbeitnehmerbegriff ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Er unterliegt in der Revisionsinstanz nur einer beschränkten Nachprüfung, nämlich darauf, ob der Rechtsbegriff selbst verkannt ist, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände bei der Bewertung übersehen worden sind (BAG 29. Januar 1992 – 7 ABR 27/91 – AP BetrVG 1972 § 7 Nr. 1; 3. Juni 1998 – 5 AZR 656/97 – AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 97). Das ist hier nicht der Fall. Die Bewertung des Landesarbeitsgerichts ist möglich und naheliegend.

bb) Wenn das Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Arbeitsvertrag sei ein privatrechtlicher, gegenseitiger Austauschvertrag, durch den sich der Arbeitnehmer zur Leistung von Arbeit im Dienst des Arbeitgebers und dieser in der Regel zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichte, so ist es damit von den Grundsätzen ausgegangen, die das Bundesarbeitsgericht zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von anderen Rechtsverhältnissen aufgestellt hat. Arbeitnehmer ist derjenige, der seine vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere daran, daß der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (Arbeitgeber) unterliegt, das Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen kann (st. Rspr. BAG 3. Juni 1998, aaO; 6. Mai 1998 – 5 AZR 612/97 – AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 95).

cc) Zwar scheitert das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses nicht bereits wie in dem Ausgangsfall der Senatsentscheidung vom 8. April 1988 (aaO) daran, daß die Parteien ihre Leistungen lediglich aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen erbracht haben. Der Durchführung des Praktikums des Klägers im Betrieb der Beklagten lag, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, eine privatrechtliche, dreiseitige Vereinbarung zwischen dem Bildungsträger, der Beklagten und dem Kläger zugrunde. Dieser dreiseitige Vertrag enthielt aber nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegung des Landesarbeitsgerichts keine Vertragspflichten der Parteien, die es rechtfertigen würden, den zwischen ihnen geschlossenen Vertrag als Arbeitsvertrag zu qualifizieren.

dd) Nach dem Wortlaut des Vertrages ist es, wie die Beklagte zutreffend rügt, schon fraglich, ob die Parteien mit der Praktikumsvereinbarung ein Austauschverhältnis begründen wollten, die Beklagte sich also gegenüber dem Kläger zu einer ordnungsgemäßen Durchführung der Fortbildung und der Kläger dementsprechend gegenüber der Beklagten zur ordnungsgemäßen Absolvierung des Praktikums verpflichten wollten. Überwiegend wird auf Pflichten der Parteien gegenüber der DAA Bezug genommen. Für die Beklagte, die dem Kläger keine Praktikumsvergütung zu zahlen hatte, wird ausdrücklich nur die Verpflichtung zur Zeugniserteilung nach Abschluß des Praktikums begründet. Der Kläger hatte die Praktikantennachweise der DAA zuzustellen und war über deren Berufsgenossenschaft, nicht etwa über die Berufsgenossenschaft der Beklagten unfallversichert.

ee) Jedenfalls war der Kläger, worauf das Landesarbeitsgericht zu Recht entscheidend abgestellt hat, nicht zur Leistung abhängiger Arbeit im Betrieb der Beklagten verpflichtet. Durch das Praktikum sollten nach Ziff. 5 des Vertrages lediglich die beim Bildungsträger erworbenen bzw. bereits vorhandenen Kenntnisse und Fertigkeiten des Klägers durch praktische Arbeitsaufgaben ergänzt und vertieft werden. Die dem Kläger zu vermittelnden Kenntnisse waren in einem detaillierten Zeitplan festgelegt. Die Tätigkeit des Klägers zielte damit gerade nicht darauf, im betrieblichen Interesse bei der Beklagten abhängige Arbeit als Werkzeugmacher zu verrichten, die regelmäßig nur gegen Entgelt geleistet wird, sie sollte vielmehr dem Kläger im Rahmen einer ausdrücklich als außerbetriebliche Fortbildung gekennzeichneten Maßnahme des Arbeitsamts den beruflichen Wiedereinstieg erleichtern. Zutreffend ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, daß der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen mit einer Ausnahme das vorgesehene Ausbildungsprogramm absolviert hat, so daß das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses jedenfalls nicht daraus hergeleitet werden kann, daß die praktische Durchführung der Fortbildungsmaßnahme im Gegensatz zu der Vertragsgestaltung auf eine Tätigkeit des Klägers in einem Arbeitsverhältnis gerichtet gewesen wäre.

e) Wenn die Revision demgegenüber geltend macht, die Zeit einer beruflichen Fortbildungsmaßnahme in einem Betrieb (§ 46 BBiG) sei stets, auch wenn sie nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erfolge, auf die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG anzurechnen, so trifft dies nicht zu (ebenso Kittner/Trittin Kündigungsschutzrecht 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 22 a; Hueck/von Hoyningen-Huene KSchG 12. Aufl. § 1 Rn. 78 a; Stahlhacke/Preis Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 7. Aufl. Rn. 608). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Senatsurteil vom 8. April 1988 (aaO), das ausdrücklich auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses abstellt. Soweit in diesem Zusammenhang auf die Übergangsregelung des Art. 6 Abs. 3 des Ersten Arbeitsrechtsbereinigungsgesetzes vom 14. August 1969 (BGBl. I S 1106, 1111) hingewiesen wird, so spricht dies nicht für die Anrechnung jeglicher beruflicher Fortbildung auf die sechsmonatige Wartefrist. Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf das Inkrafttreten des Berufsbildungsgesetzes vom 14. August 1969 (BGBl I S 1112) lediglich für Lehrverhältnisse, also nunmehr § 3 Abs. 2 BBiG unterfallende Berufsausbildungsverhältnisse, eine Übergangsregelung geschaffen, die deren Anrechnung auf die Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG vorübergehend einschränkte. Daraus kann aber lediglich geschlossen werden, daß der Gesetzgeber für derartige Lehrverhältnisse von einer Anrechnung auf die Wartefrist ausging. Dies ergibt sich aber bereits aus § 3 Abs. 2 BBiG. Über die berufliche Fortbildung nach § 46 BBiG ist damit nichts ausgesagt.

f) Es liegt insoweit auch keine Divergenz zu der Rechtsprechung des Siebten Senats zu § 5 Abs. 1 BetrVG vor (BAG 21. Juli 1993 – 7 ABR 35/92 –; 20. März 1996 – 7 ABR 46/95 –; 20. März 1996 – 7 ABR 34/95 – und 12. September 1996 – 7 ABR 61/95 – AP BetrVG 1972 § 5 Ausbildung Nr. 8 – 11). Wenn der Siebte Senat bei der Prüfung, wer als Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes anzusehen ist, unabhängig von dem Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses etwa bei der Umschulung Arbeitsloser im Auftrag der Arbeitsverwaltung entscheidend auf die Eingliederung der Betreffenden in den Betrieb abgestellt hat, so beruht dies auf der unterschiedlichen Gesetzeslage. Der Siebte Senat führt zur Begründung aus, nach § 5 Abs. 1 BetrVG seien Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes auch die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten; mit dieser Formulierung habe der Gesetzgeber sicherstellen wollen, daß die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten zur Betriebsbelegschaft gezählt und nicht allein deswegen von ihr ausgeschlossen würden, weil das Berufsausbildungsverhältnis kein Arbeitsverhältnis sei; außerhalb des Berufsbildungsgesetzes sei nach der Zwecksetzung der jeweiligen Norm zu prüfen, welcher Bedeutungsgehalt dem Begriff der Berufsausbildung zukomme. § 1 Abs. 1 KSchG enthält demgegenüber zur Abgrenzung nicht den Begriff „Berufsausbildung”, sondern grenzt allein danach ab, ob ein „Arbeitnehmer” in einem „Arbeitsverhältnis” tätig war.

g) Schließlich erfordern auch Sinn und Zweck der beruflichen Fortbildungsmaßnahme, an der der Kläger bei der DAA und in Form eines Praktikums bei der Beklagten teilgenommen hat, keine Anrechnung der Praktikumszeit auf die Wartefrist. Derartige, von der Arbeitsverwaltung geförderte Maßnahmen dienen dazu, Langzeitarbeitslosen die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß zu erleichtern. Dieses Ziel läßt sich am besten dadurch verwirklichen, daß sie in dem Betrieb, in dem sie das Praktikum absolviert haben, in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden. Würde ein derartiges Praktikum zu einer schnelleren Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes führen, so wäre dies geeignet, den Arbeitgeber zu veranlassen, wenn überhaupt, so jedenfalls zunächst ein nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz befristetes Arbeitsverhältnis einzugehen, was nicht im Arbeitnehmerinteresse liegen kann. Dem Zweck einer derartigen Fortbildung für Langzeitarbeitslose, eine möglichst dauernde Anschlußbeschäftigung zu erreichen, dient es deshalb eher, die Arbeitgeber nicht dadurch vom Abschluß unbefristeter Anschlußverträge abzuschrecken, daß ein während der Fortbildung abgeleistetes Betriebspraktikum auf die Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetz angerechnet wird (ebenso für den kritischeren Fall des Eingliede-rungsvertrages nach §§ 54 a ff. SGB III Hanau DB 1997, 1278, 1280; vgl. BAG 29. Januar 1992 – 5 AZR 37/91 – AP SGB V § 74 Nr. 1).

[1]

 

Unterschriften

Etzel, Bitter, Bröhl, J. Walter, Dr. Roeckl

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 18.11.1999 durch Anderl, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 436377

BB 2000, 673

DB 2000, 772

ARST 2000, 177

FA 2000, 100

FA 2000, 158

NZA 2000, 529

SAE 2000, 216

ZAP 2000, 463

ZTR 2000, 277

AP, 0

PersR 2000, 177

ZMV 2000, 194

ZfPR 2000, 213

AUR 2000, 116

AUR 2000, 157

AUR 2000, 77

RdW 2000, 278

[1] Vorinstanz-Aktenzeichen,

Verkündungsdatum

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