Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordentliche Kündigung (in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses) – Betriebsratsanhörung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch bei einer Kündigung in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses richtet sich der Inhalt der Mitteilungspflicht des Arbeitgebers nach § 102 Abs 1 BetrVG nicht nach den objektiven Merkmalen der Kündigungsgründe des (noch) nicht anwendbaren § 1 KSchG, sondern nach den Umständen, aus denen der Arbeitgeber (subjektiv) seinen Kündigungsentschluß herleitet (Bestätigung der Senatsrechtsprechung ua im Urteil vom 8. September 1988 - 2 AZR 103/88 = BAGE 59, 295 = AP Nr 49 zu § 102 BetrVG 1972).

2. Zur Abgrenzung solcher Umstände, soweit sie sich auf durch Tatsachen belegbare oder nicht belegbare Werturteile beziehen.

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 22.10.1993; Aktenzeichen 12 Sa 714/93)

ArbG Siegburg (Entscheidung vom 15.06.1993; Aktenzeichen 5 Ca 424/93)

 

Tatbestand

Der Kläger war seit 1. August 1992 aufgrund Dienstvertrages vom 17. März 1992 als Referent für den Sektor Wirtschafts- und Umweltpolitik innerhalb der Abteilung „Institut ” (im folgenden: I) der Beklagten beschäftigt, und zwar gegen eine monatliche Vergütung von ca. 7.000,00 DM. Abteilungsleiter des Instituts ist Herr J, Personalabteilungsleiter der Beklagten ist Herr von W. Mit Schreiben vom 20. Januar 1993 informierte Herr J. den Betriebsrat über die Absicht, dem Kläger fristgerecht zum 31. März 1993 zu kündigen. In dem Schreiben heißt es auszugsweise:

„Zu der Entscheidung, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, führt mich folgender Eindruck, den ich von Herrn Dr. H. gewonnen habe:

Dr. H. hat die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt.

Dr. H. zeigt nur begrenzte Management-Fähigkeiten und kaum Führungsqualitäten im engeren Sinn. Er ist mehr wissenschaftlich-kontemplativ ausgerichtet, weniger handlungsorientiert-kreativ. Daher ist er nicht multifunktional einsetzbar, d. h. er verfügt nur über ein begrenztes Entwicklungspotential mit sehr begrenzten Einsatzmöglichkeiten.

Dr. H. ist wenig dynamisch, begrenzt belastbar und zeigt einen erkennbaren Mangel an Souveränität, Überzeugungskraft und Sicherheit im Auftreten. Er vermittelt den Eindruck einer gewissen Schwerfälligkeit, von Passivität und Temperamentlosigkeit.

Seine schriftlichen Vorlagen waren zwar in der Regel solide, aber meist korrekturbedürftig, wenig orginell und entsprechen einem durchschnittlichen Leistungsstand.

Über politisch-taktisches Gespür verfügt er nicht.

Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses würde meiner Auffassung nach zu konfliktiven Situationen führen.”

Unter dem 28. Januar 1993 widersprach der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung. Die Beklagte kündigte gleichwohl mit Schreiben vom 29. Januar zum 31. März 1993; das Kündigungsschreiben trug die Unterschriften des Abteilungsleiters J und des Personalleiters von W. Mit Schreiben vom 2. Februar 1993 wies der Kläger die Kündigung unter Hinweis auf die nicht nachgewiesene Vollmacht der Unterzeichner zurück.

Dazu hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte habe die Belegschaft am 9. Dezember 1992 durch den Betriebsrat davon unterrichtet, der Personalleiter von W sei seit August 1991 nicht mehr bevollmächtigt, Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern außerhalb seiner Personalabteilung zu kündigen; der Abteilungsleiter J sei nur beschränkt bevollmächtigt, wie die Weitergabe eines Antrages auf Langzeitbeurlaubung an Herrn von W zeige. In der Berufungsinstanz hat der Kläger weiter behauptet, er habe keine Kenntnis davon gehabt, daß sein Abteilungsleiter Kündigungsvollmacht gehabt habe; er habe nur gewußt, daß Herr von W außerhalb seiner Abteilung keine Zuständigkeit mehr gehabt habe.

Der Kläger hat die Unwirksamkeit der Kündigung ferner darauf gestützt, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden; insbesondere seien die Kündigungsgründe dem Betriebsrat nicht in dem erforderlichen konkretisierten Umfang mitgeteilt worden.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 29. Januar 1993 nicht aufgelöst worden ist;
  2. für den Fall, daß dem Klageantrag zu 1) stattgegeben wird, die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen als Referent für den Sektor Wirtschafts- und Umweltpolitik im Institut – weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Beifügung einer Vollmacht auf die Unterzeichner des Kündigungsschreibens habe es nicht bedurft. Sie habe der Belegschaft keineswegs den Entzug der Kündigungsvollmacht des Personalleiters mitgeteilt, sondern die Mitarbeiter davon unterrichtet, durch die Strukturreform vom August 1991 sei die Personalkompetenz auf die jeweiligen Fachabteilungsleiter übergegangen und diese seien damit jetzt neben dem Personalleiter von W kündigungsberechtigt. Sie hat weiter geltend gemacht, für ihren Kündigungsentschluß seien ausschließlich die dem Betriebsrat mitgeteilten Gründe – also ein subjektives Werturteil – maßgebend gewesen; die Mitteilung konkreter Tatsachen sei weder erforderlich noch möglich gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht nach den Klageanträgen erkannt. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die dem Kläger gegenüber ausgesprochene Kündigung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

I.

Das Landesarbeitsgericht hat seine gegenteilige Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Kündigung scheitere an einer nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates, weil die Beklagte trotz Vorliegens konkreter Tatsachen bei der Mitteilung der Kündigungsgründe sich nicht nur auf ein nicht nachvollziehbares Werturteil habe zurückziehen dürfen; der Arbeitgeber habe vielmehr die Tatsachen mitzuteilen, aus denen er sein Werturteil herleite. Denn Werturteile knüpften stets an Tatsachen an, wie dies hier dem Anhörungsschreiben vom 20. Januar 1993 jedenfalls insoweit zu entnehmen sei, als die Beklagte auf zwar solide, aber meist korrekturbedürftige und wenig originelle Vorlagen des Klägers hinweise. Fehle es auch nur bei einem Teil der Kündigungsgründe an der erforderlichen Konkretisierung, sei die Anhörung nicht ordnungsgemäß. Demnach bedürfe es eines Eingehens auf die Regelung des § 174 BGB nicht mehr.

II.

Dem kann nicht gefolgt werden. Die Revision rügt zu Recht eine Verletzung des § 102 Abs. 1 BetrVG, eine Nichtbeachtung der zu dieser Vorschrift ergangenen BAG-Rechtsprechung sowie eine nicht vollständige Berücksichtigung des unstreitigen Tatbestandes, insbesondere zum Inhalt des an den Betriebsrat gerichteten Anhörungsschreibens vom 20. Januar 1993.

Allerdings hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, der Betriebsrat sei auch bei Kündigungen, die innerhalb der ersten sechs Monate eines Beschäftigungsverhältnisses ausgesprochen werden, gemäß § 102 BetrVG anzuhören; es ist weiter im Ansatz von den Grundsätzen des BAG zur Unterrichtung des Betriebsrates von den Kündigungsgründen ausgegangen (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 11. Juli 1991 - 2 AZR 119/91 - AP Nr. 57 zu § 102 BetrVG 1972 und BAG Urteil vom 16. September 1993 - 2 AZR 267/93 -, zur Veröffentlichung bestimmt).

1. Der Arbeitgeber muß dem Betriebsrat nur diejenigen Gründe mitteilen, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluß maßgebend sind (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 8. September 1988, BAGE 59, 295 = AP Nr. 49 zu § 102 BetrVG 1972; kritisch dazu Kraft in Festschrift für Kissel, S. 611, 620 f.). Diese Gründe darf der Arbeitgeber dem Betriebsrat in der Regel aber nicht nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig bezeichnen. Vielmehr muß er den als maßgebend erachteten Sachverhalt unter Angabe von Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluß hergeleitet wird, näher so beschreiben, daß der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen, um sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden. Der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§§ 2, 74 BetrVG) gebietet es dem Arbeitgeber, dem Betriebsrat Informationen zu geben bzw. nicht vorzuenthalten, aufgrund derer bzw. ohne die bei ihm ein falsches Bild über den Kündigungssachverhalt entsteht. Eine bewußt und gewollt unrichtige Mitteilung der für den Kündigungsentschluß des Arbeitgebers maßgebenden Kündigungsgründe führt wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats zu einem fehlerhaften und damit unwirksamen Anhörungsverfahren (vgl. insbesondere Senatsurteil vom 16. September 1993 - 2 AZR 267/93 -, zur Veröffentlichung bestimmt).

2. Nach diesen Grundsätzen ist der Betriebsrat immer dann ordnungsgemäß angehört worden, wenn der Arbeitgeber ihm die aus seiner subjektiven Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat.

a) Teilt der Arbeitgeber objektiv kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen dem Betriebsrat deshalb nicht mit, weil er darauf die Kündigung (zunächst) nicht stützen will oder weil er sie bei seinem Kündigungsentschluß für unerheblich oder entbehrlich hält, dann ist die Anhörung selbst ordnungsgemäß. Die in objektiver Hinsicht unvollständige Anhörung verwehrt es aber dem Arbeitgeber, im Kündigungsschutzprozeß Gründe nachzuschieben, die über die Erläuterung des mitgeteilten Sachverhalts hinausgehen.

b) Der Arbeitgeber kommt dagegen seiner Pflicht zur Unterrichtung des Betriebsrats nicht nach, wenn er aus seiner subjektiven Sicht dem Betriebsrat bewußt unrichtige oder unvollständige Sachdarstellungen unterbreitet oder einen für die Entschließung des Betriebsrats wesentlichen Umstand verschweigt. Enthält der Arbeitgeber somit dem Betriebsrat bewußt ihm bekannte und seinen Kündigungsentschluß bestimmende Tatsachen vor, die nicht nur eine Ergänzung oder Konkretisierung des mitgeteilten Sachverhalts darstellen, sondern diesem erst das Gewicht eines Kündigungsgrundes geben oder weitere eigenständige Kündigungsgründe beinhalten, dann ist das Anhörungsverfahren fehlerhaft und die Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

3. Wenn es – wie vorliegend – um eine Kündigung in den ersten sechs Monaten des Bestehens des Arbeitsverhältnisses geht, ist die Substantiierungspflicht gegenüber dem Betriebsrat nicht an den objektiven Merkmalen der (noch) nicht erforderlichen Kündigungsgründe nach § 1 KSchG, sondern daran zu messen, welche konkreten Umstände oder subjektiven Vorstellungen zum Kündigungsentschluß geführt haben, § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Hat der Arbeitgeber keine Gründe oder wird sein Kündigungsentschluß allein von subjektiven, durch Tatsachen nicht belegbaren Vorstellungen bestimmt, so reicht die Unterrichtung über diese Vorstellungen aus. Er handelt dann aus seiner subjektiven Sicht konsequent, indem er trotz konkreter Anhaltspunkte seinen Kündigungsentschluß nur aus subjektiven Werturteilen herleitet. Dagegen kommt er seiner Unterrichtungspflicht nicht nach, wenn er auch aus seiner subjektiven Sicht dem Betriebsrat bewußt unrichtige oder unvollständige Sachdarstellungen unterbreitet oder wenn er bewußt ihm bekannte, genau konkretisierbare Kündigungsgründe nur pauschal vorträgt, obwohl sein Kündigungsentschluß auf der Würdigung konkreter Kündigungssachverhalte beruht.

4. Diese von ihm zitierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hält das Berufungsgericht – gemessen an dem mit § 102 BetrVG verfolgten Zweck – für zu eng; der vorliegende Fall zeige, daß der Arbeitgeber sich, trotz Vorliegens konkreter Tatsachen, nicht auf sein subjektives, nicht weiter begründetes und deshalb auch nicht nachvollziehbares Werturteil zurückziehen dürfe; der Arbeitgeber habe vielmehr die Tatsachen mitzuteilen, aus denen er sein Werturteil herleite; Werturteile knüpften stets an Tatsachen an.

a) Einen solchen angeblichen Mangel an Tatsachenvortrag begründet das Landesarbeitsgericht im Hinblick auf das Anhörungsschreiben vom 20. Januar 1993 indessen lediglich mit nicht ausreichendem Sachvortrag zu den nach Meinung der Beklagten zwar soliden, aber meist korrekturbedürftigen und wenig originellen schriftlichen Vorlagen des Klägers (Absatz 4 des Anhörungsschreibens). Damit würdigt es den Gesamtinhalt des Anhörungsschreibens vom 20. Januar 1993 nur unvollständig, was die Revision ausdrücklich gerügt hat. Dabei fällt insbesondere auf, daß bereits im Tatbestand des Berufungsurteils die einleitende Zusammenfassung der Kündigungsmotivation der Beklagten nicht erwähnt wird. Wegen der Bezugnahme des Landesarbeitsgerichts auf den Inhalt dieses Schreibens gehört jedoch auch dies zu dem für den Senat festgestellten Sachverhalt (§ 561 ZPO), den der Senat selbst würdigen kann.

Danach informierte die Beklagte durch ihren Abteilungsleiter J den Betriebsrat dahin, dem Kläger solle aufgrund des von J gewonnenen Eindrucks über den Kläger gekündigt werden. Bereits diese einleitende Aussage indiziert, daß die Beklagte dem Kläger nicht wegen konkret vorliegender Tatsachen, sondern wegen eines von dem zuständigen Abteilungsleiter gewonnenen Gesamteindrucks über die Person des Klägers zu kündigen beabsichtigte. Folgerichtig werden im Anhörungsschreiben im wesentlichen nur Wertungen wiedergegeben. Das gilt zunächst für die ersten beiden Absätze, wenn dort davon die Rede ist, Dr. H. habe die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt, er zeige nur begrenzte Management-Fähigkeiten und kaum Führungsqualitäten im engeren Sinne, er sei mehr wissenschaftlich-kontemplativ ausgerichtet, weniger handlungsorientiert-kreativ. Hierbei handelt es sich um eine subjektive Einschätzung von Fähigkeiten und Handlungsweisen, was nicht zuletzt dadurch belegt wird, daß daraus gefolgert wird, H. verfüge nur über ein begrenztes Entwicklungspotential mit entsprechend begrenzten Einsatzmöglichkeiten. Es geht also um eine Einschätzung künftig zu erwartender (Nicht-)Fähigkeiten, also dessen, was innerhalb einer Probezeit vom Erwartungshorizont der Vertragsparteien her gesehen wechselseitig abgeklärt werden soll. Dazu gehören auch subjektive Einschätzungen. Zwar betrug die vereinbarte Probezeit nach § 2 des Dienstvertrages der Parteien nur drei Monate, indessen dient die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG ersichtlich einem ähnlichen Zweck (vgl. BAG Urteil vom 15. März 1978 - 5 AZR 831/76 - AP Nr. 45 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, unter I 2 b der Gründe und BAG Urteil vom 12. Februar 1981 - 2 AZR 1108/78 - AP Nr. 1 zu § 5 BAT; siehe ferner Berger-Delhey, BB 1989, 977, 979; Hueck/von Hoyningen-Huene, KSchG, 11. Aufl., § 1 Rz 64). Geht der Arbeitgeber bei einer Kündigung in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses von solchen subjektiven, durch Tatsachen nicht belegbaren Vorstellungen aus, so reicht die Unterrichtung über diese Vorstellungen aus.

Anders ist der Fall entschieden worden, daß der Arbeitgeber ein negatives Werturteil abgegeben hat (vgl. die Betriebsratsanhörung im BAG Urteil vom 11. Mai 1983 - 7 AZR 358/81 -, n. v., „trotz Aufforderung erbringt Herr P. nach wie vor nicht die von ihm an seinem Arbeitsplatz zu erwartende Leistung”), ohne dem Betriebsrat trotz eigener Kenntnis, in welchem Umfang P. bei seinen Arbeitsleistungen hinter den Vorgabezeiten zurückblieb, den innegehabten Arbeitsplatz und die prozentuale Abweichung von den Vorgabezeiten mitzuteilen; dabei zeigte die Stellungnahme des dortigen Betriebsrats, daß er ohne eigene weitere Ermittlungen sachlich nicht Stellung nehmen konnte. Bei einer derartigen, am Leistungsverhalten orientierten Beurteilung des Arbeitgebers sind in der Tat die zugrundeliegenden Tatsachen bzw. Ausgangsgrundlagen mitzuteilen. Vorliegend knüpfen dagegen die Bewertungen des Arbeitgebers vorwiegend an persönlichen Eignungskriterien (Gründe in der Person) an, was auch mit dem Charakter der Beklagten als politische Stiftung und der herausgehobenen Position des Klägers als Referent für den Sektor Wirtschafts- und Umweltpolitik innerhalb des I zu tun hat. Ein derartiges personenbezogenes Werturteil läßt sich in vielen Fällen durch Tatsachen nicht näher belegen.

Das gilt auch für den dritten Absatz des vorliegenden Anhörungsschreibens, wonach H. wenig dynamisch und nur begrenzt belastbar sein soll und einen erkennbaren Mangel an Souveränität, Überzeugungskraft und Sicherheit im Auftreten zeige. Auch hierbei handelt es sich um subjektive Beurteilungen, wie auch durch den nachfolgenden Satz verdeutlicht wird, wonach H. den Eindruck einer gewissen Schwerfälligkeit, von Passivität und Temperamentlosigkeit vermittle. Hier wird mit nicht zu überbietender Deutlichkeit auf den subjektiven Eindruck abgestellt, den der Verfasser des Anhörungsschreibens vom Kläger gewonnen hat.

Richtig ist, daß im vierten Absatz auf schriftliche Vorlagen hingewiesen wird, die als solche konkret hätten belegt werden können; aber schon die Bezeichnung dieser Vorlagen als „wenig originell” und die Beurteilung „entsprechen einem durchschnittlichen Leistungsstand” deuten wiederum auf eine subjektive Wertung hin. Insofern konzediert gerade die bisherige Rechtsprechung des Senats dem Arbeitgeber, er handele aus seiner subjektiven Sicht konsequent, wenn er trotz konkreter Ansatzpunkte seinen Kündigungsentschluß nur aus subjektiven Werturteilen herleite. Der Senat verlangt also nicht, daß die konkreten Ansatzpunkte als solche dem Betriebsrat näher geschildert werden. Hierauf ist auch bereits das Arbeitsgericht mit zutreffenden Überlegungen eingegangen. Im vorliegenden Fall würde dies auch nicht weiterführen, weil eine abweichende Einschätzung des Betriebsrats in einem eventuellen Widerspruch, nämlich die schriftlichen Vorlagen seien eventuell doch als originell zu bezeichnen und entsprächen einem überdurchschnittlichen Leistungsstand, in der Sache nur zu einer anderen subjektiven Bewertung führen würde, ohne daß damit für die Ermittlung von Kündigungstatsachen – anders als bei objektiv feststellbarem Zurückbleiben der Leistung gegenüber bestimmten Vorgaben – etwas gewonnen wäre. Tatsächlich hat sich der Betriebsrat auch nicht gehindert gesehen, wie seine Stellungnahme vom 28. Januar 1993 zeigt, seinerseits den Wertungen der Beklagten im Anhörungsschreiben entgegenzutreten und auf weitere Umstände hinzuweisen, die nach seiner Auffassung als vermutlich der Kündigung zugrundeliegende Motivationen der Beklagten angesehen werden.

Wenn die Beklagte im fünften Absatz des Anhörungsschreibens davon ausgeht, H. verfüge nicht über politisch-taktisches Gespür, und abschließend anfügen läßt, eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses würde nach Auffassung des Unterzeichners zu konfliktiven Situationen führen, so handelt es sich auch hier um eine zukünftige Einschätzung, die wiederum auf dem persönlichen Eindruck („Gespür”) des Unterzeichners beruht. Dem Betriebsrat sind damit – auch was die schriftlichen Vorlagen angeht – keine Tatsachen vorenthalten worden, die dem mitgeteilten Sachverhalt erst das Gewicht eines Kündigungsgrundes geben würden. Im übrigen kommt der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nach § 102 Abs. 1 BetrVG – entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts – bereits dann nach, wenn er den Betriebsrat über einen tragfähigen und für ihn maßgebenden Kündigungsgrund informiert, unabhängig davon, ob der Entschluß des Arbeitgebers auch auf anderen Umständen beruht (Senatsurteil vom 13. Juli 1978, BAGE 31, 1 = AP Nr. 18 zu § 102 BetrVG 1972).

b) Stimmen demnach schon vom Sachverhalt her gesehen die gestellten Prämissen des Landesarbeitsgerichts nicht, so kann aber auch seiner grundsätzlichen Aussage nicht gefolgt werden, die bisherige Senatsrechtsprechung sei im Hinblick auf den mit § 102 BetrVG verfolgten Zweck zu eng. Letztlich läuft die vom Landesarbeitsgericht vertretene Auffassung darauf hinaus, den Arbeitgeber zu veranlassen, nicht belegbaren Vorstellungen erst Tatsachen und Sachverhalte zu unterlegen, von denen er gar nicht ausgegangen ist. Derartige Umstände für eine subjektive Bewertung braucht der Arbeitgeber nicht zu erfinden, sondern er hat nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nur die für ihn maßgebenden Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Die Revision rügt zu Recht, die Auffassung des Landesarbeitsgerichts führe zu einer Ausweitung der Informationspflicht auf solche Umstände, die die Kündigungsabsicht letztlich nicht bestimmt hätten. Der vorliegende Sachverhalt gibt deshalb keine Veranlassung, von der bisherigen Rechtsprechung des Senats abzuweichen. Selbst Kraft (in Festschrift für Kissel, S. 611, 622, 623), der die Theorie der subjektiven Determination der Kündigungsgründe in Zweifel zieht, schränkt seine Kritik für den Fall ein, daß es für den Arbeitgeber objektivierbare Gründe nicht gibt. Er argwöhnt aber – ähnlich wie das Landesarbeitsgericht – hinter der subjektiven Wertung des Arbeitgebers objektiv wahrnehmbare Umstände, hält andererseits aber ebenfalls den Arbeitgeber nicht für verpflichtet, solche Umstände zu erfinden oder, wenn er sie z. B. aufgrund mangelnden Erinnerungsvermögens nicht mehr präsent hat, erst sorgfältig zu ermitteln. Kraft ist zuzugeben, daß nicht genannte Kündigungstatsachen auch in eine subjektive Wertung einfließen können und daß es wünschenswert wäre, dem Betriebsrat auch insoweit eine Einwirkungsmöglichkeit zu geben. Bei Wahrung des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§§ 2, 74 BetrVG) wird das in der Praxis regelmäßig auch so gehandhabt werden, findet aber dort seine Grenze, wo der Arbeitgeber im Rahmen privatautonomer Gestaltung des Arbeitsverhältnisses zur Offenbarung weiter detaillierter, privater, persönlicher Ansichten und Absichten – vornehmlich, wenn sie an der Person des Arbeitnehmers ausgerichtet sind – angehalten werden soll.

III.

Scheitert die Kündigung nicht an einer nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats (§ 102 Abs. 1 BetrVG), so kommt es weiter darauf an, was das Landesarbeitsgericht hat dahingestellt bleiben lassen, ob die fehlende Vorlage von Vollmachtsurkunden seitens der Unterzeichner des Kündigungsschreibens vom 29. Januar 1993 wegen der unverzüglichen Zurückweisung durch den Kläger zur Unwirksamkeit der Kündigung führt, § 174 BGB. Das ist nicht der Fall.

1. Diesen Sachverhalt kann der Senat selbständig beurteilen, weil die entscheidungserheblichen Umstände – vom Landesarbeitsgericht festgestellt (§ 561 ZPO) – unstreitig sind. Das Kündigungsschreiben vom 29. Januar 1993 trägt die Unterschriften sowohl des Personalleiters der Beklagten als auch des für den Kläger zuständigen Abteilungsleiters. Der Senat hat dazu schon im Urteil vom 30. Mai 1972 (BAGE 24, 273 = AP Nr. 1 zu § 174 BGB) entschieden, die Zurückweisung einer Kündigung sei ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt habe (§ 174 Satz 2 BGB); das In-Kenntnis-Setzen im Sinne dieser Vorschrift liege in aller Regel darin, daß der Arbeitgeber einen bestimmten Mitarbeiter zum Leiter der Personalabteilung berufen habe, womit das Kündigungsrecht verbunden zu sein pflege.

2. Insofern ist unstreitig, daß der Kläger wußte, Herr von W sei Personalabteilungsleiter. Wenn der Kläger dazu behauptet, er sei aufgrund einer Mitteilung durch den Betriebsrat der Beklagten vom 9. Dezember 1992 davon ausgegangen, die Vollmacht des Personalabteilungsleiters reiche nur für Kündigungen innerhalb seiner Personalabteilung, so braucht hierauf nicht abgestellt zu werden. Abgesehen davon, daß der Senat entschieden hat (BAG Urteil vom 29. Oktober 1992 - 2 AZR 460/92 - AP Nr. 10, aa0), wenn die Vollmacht des Abteilungsleiters nur im Innenverhältnis eingeschränkt sei, berühre dies nicht den Grundsatz, daß es bei der Kündigung durch den Leiter einer Personalabteilung nicht der Vorlage einer Vollmachtsurkunde bedürfe, so wäre eine solche selbst im Außenverhältnis eventuell bedeutsame Einschränkung vorliegend jedenfalls deshalb gegenstandslos, weil der zuständige Abteilungsleiter des Klägers das Kündigungsschreiben mitunterzeichnet hat. Die angebliche Beschränkung der Kündigungsvollmacht des Personalabteilungsleiters würde also durch die Unterzeichnung des zuständigen Abteilungsleiters ausgefüllt. Der Kläger argumentiert insofern auch widersprüchlich, als er erstinstanzlich sich darauf berufen hat, der Abteilungsleiter J sei nur beschränkt bevollmächtigt, wie die Weiterleitung einer beantragten Langzeitbeurlaubung von ihm an den Personalleiter von W zeige. Der Kläger hat damit zumindest indirekt eingeräumt, der ihm bekannte Personalabteilungsleiter sei für derartige Personalangelegenheiten zuständig, und zwar ohne eine (Mit-)Kompetenz des Abteilungsleiters, während er in seinem eigenen Fall die von beiden Herren unterzeichnete Kündigungserklärung nicht gelten lassen will. Insofern mutet es schon merkwürdig an, wenn der Kläger in der Berufungsinstanz argumentiert, er habe zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs nur den Kenntnisstand gehabt, daß der Personalleiter von W außerhalb seiner Abteilung keine Zuständigkeit mehr für Kündigungen hatte, andererseits habe er aber nicht gewußt, daß Herr J selbst Kündigungsbefugnis hatte. Diesen – aus taktischen Gründen – eingeschränkten Kenntnisstand nimmt der Senat dem Kläger nicht ab; letztlich kommt es aber darauf im Hinblick auf die obigen Ausführungen zur Senatsentscheidung vom 29. Oktober 1992 (AP, aa0) nicht an.

IV.

Da andere Unwirksamkeitsgründe nicht geltend gemacht sind und das Kündigungsschutzgesetz noch nicht eingreift, war das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts wiederherzustellen.

 

Unterschriften

Bitter, Bröhl, Dr. Wißmann, Jansen, Nipperdey

 

Fundstellen

BAGE 00, 00

BAGE, 13

BB 1994, 1720

BB 1994, 1783

BB 1994, 1783-1785 (LT1-2)

DB 1994, 1984-1986 (LT1-2)

BuW 1994, 803-804 (T)

BetrR 1995, 43-46 (LT1-2)

BetrVG, (14) (LT1-2)

ARST 1994, 207-210 (LT1-2)

NZA 1995, 24

NZA 1995, 24-27 (LT1-2)

RzK, III 1a Nr 62 (LT1-2)

AP, (LT1-2)

AR-Blattei, ES 530.14.3 Nr 148 (LT1-2)

EzA-SD 1994, Nr 18, 6-8 (LT1,ST1)

EzA, (LT1-2)

EzBAT, Beteiligung des Personalrats Nr 3 (LT1-2)

MDR 1994, 1127-1128 (LT1-2)

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