Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbrechung der Verjährung; Rechtsmißbrauch

 

Leitsatz (amtlich)

  • Mit dem Ende der Verjährungsunterbrechung beginnt sofort eine neue Verjährungsfrist (Bestätigung von BAG Urteil vom 29. März 1990 – 2 AZR 520/89 – AP Nr. 11 zu § 196 BGB).
  • Der Einwand des Rechtsmißbrauchs gegen die Erhebung der Einrede der Verjährung ist nur erfolgreich, wenn das Verhalten des Schuldners ursächlich für die Fristversäumnis des Gläubigers geworden ist.
 

Normenkette

BGB § 200 ff., §§ 208-209, 217, 212, 222, 224, 242, 271, 389, 781

 

Verfahrensgang

LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 09.08.1995; Aktenzeichen 2 (3) Sa 313/95)

ArbG Lübeck (Urteil vom 24.01.1995; Aktenzeichen 3 Ca 247/93)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 9. August 1995 – 2 (3) Sa 313/95 – aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 24. Januar 1995 – 3 Ca 247/93 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts Wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verjährung eines Anspruchs des Klägers auf Gewinnbeteiligung und die Wirksamkeit einer von der Beklagten erklärten Aufrechnung mit einem Anspruch auf Verlustbeteiligung.

Der Kläger war vom 1. August 1979 bis 31. Dezember 1984 bei der Beklagten als Abteilungsleiter beschäftigt. Ihm stand u.a. eine Gewinnbeteiligung zu. Deren Höhe legten die Parteien mit Vereinbarung vom 1. April 1986 auf 215.000,00 DM nebst 3 % Zinsen fest. Die Zahlung der Gewinnbeteiligung wurde davon abhängig gemacht, daß eine amerikanische Gesellschaft Wechselforderungen der Beklagten begleicht. Die Beklagte überwies dem Kläger jeweils im Februar des Folgejahres die vereinbarten Zinsen, zuletzt für das Jahr 1989 am 13. Februar 1990.

Vom 1. Januar 1987 bis 31. Dezember 1988 war der Kläger erneut bei der Beklagten als Abteilungsleiter beschäftigt. Der Vertrag sah für beide Parteien eine Beteiligung von 50 % an Gewinn und/oder Verlust der von dem Kläger geleiteten Abteilung vor.

Mit Schreiben vom 16. September 1988 bestätigte die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Gewinnbeteiligung. Sie teilte ihm ferner mit, nach dem Jahresabschlußbericht 1987 entfalle auf ihn ein Verlustanteil von 172.449,00 DM. Damit werde sie gegen seine fällig werdenden Raten aufrechnen. Unter dem 9. Juni 1989 informierte sie ihn, sein Anspruch auf Gewinnbeteiligung sei in Höhe von 26.724,00 DM fällig geworden. Die Restzahlung von 188.276,00 DM sei von der amerikanischen Gesellschaft als Einmalzahlung für Juli/August 1989 angekündigt worden. Der von dem Kläger zu tragende Verlustanteil für das Geschäftsjahr 1988 belaufe sich auf rund 202.500,00 DM. Sie schlug weiter vor, daß der Kläger den sich zu ihren Gunsten ergebenden Saldo in monatlichen Raten ab 1. Juli 1989 ausgleiche. Die Wechsel wurden 1989 eingelöst.

Mit Schreiben vom 17. Dezember 1992 forderte der Kläger die Beklagte vergeblich zur Zahlung von 215.000,00 DM sowie der Zinsen für die Jahre 1990 bis 1992 von jeweils 6.450,00 DM unter Fristsetzung bis zum 28. Dezember 1992 auf, jedenfalls zum Verzicht auf die Erhebung der Einrede der Verjährung bis zum 31. Januar 1992. Die Beklagte lehnte dies ab. Der Kläger hat am 30. Dezember 1992 den Erlaß eines Mahnbescheides beantragt, den er auf gerichtlichen Hinweis mit Schriftsatz vom 15. Januar 1993 um die Angabe des Anspruchsgrundes und der Vertretungsverhältnisse der Beklagten ergänzt hat. Der Mahnbescheid vom gleichen Tag ist der Beklagten am 26. Januar 1993 zugestellt worden.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 1. Juli 1994 vor dem Landgericht Lübeck Feststellung beantragt, daß sie zur Aufrechnung gegenüber der Forderung des Klägers mit dem ihr zustehenden Anspruch auf Verlustbeteiligung berechtigt ist. Das Landgericht hat das Verfahren bis zur Erledigung des arbeitsgerichtlichen Rechtstreites ausgesetzt.

Der Kläger hat zunächst beantragt,

die Beklagte unter dem Vorbehalt der Entscheidung des Landgerichts Lübecks über die Klage vom 1. Juli 1994 – 10 O 279/94 – zu verurteilen, an den Kläger 234.350,00 DM nebst 15 % Zinsen von 215.000,00 DM seit dem 1. Januar 1993 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Ausnahme der Zinshöhe stattgegeben und insoweit die Klage abgewiesen.

Auf die Anschlußberufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte vorbehaltlos verurteilt. Die von der Beklagten in der Berufungsinstanz erstmals erhobene Einrede der Verjährung hat es nicht greifen lassen. Mit der von dem Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

I. Die Beklagte ist berechtigt, die geforderte Leistung zu verweigern, da der Anspruch verjährt ist (§ 222 Abs. 1 BGB). Damit kann dahinstehen, ob der Anspruch des Klägers auf Gewinnbeteiligung nebst Zinsen durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen ist (§ 389 BGB).

1. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht von einer zweijährigen Verjährungsfrist ausgegangen. Eine arbeitsvertraglich vereinbarte Gewinnbeteiligung ist Entgelt im Sinne von § 611 Abs. 1 BGB und unterliegt damit der Frist des § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB.

Eine längere Frist ergibt sich nicht aus der Vereinbarung vom 1. April 1986, mit der die Parteien die Höhe der Gewinnbeteiligung bestimmt haben. Entgegen der Auffassung des Klägers enthält sie kein abstraktes Schuldanerkenntnis im Sinne vom § 781 BGB mit einer Verjährung von 30 Jahren (§ 195 BGB). Der Senat kann selbst die Erklärung auslegen, da der zugrunde liegende Streitstoff unstreitig ist (§ 565 Abs. 3 ZPO).

Ein abstraktes Schuldanerkenntnis ist gegeben, wenn unabhängig von dem bestehenden Schuldgrund eine neue selbständige Verpflichtung geschaffen wird. Demgegenüber haben die Parteien in der Urkunde ausdrücklich auf die dem Kläger nach seinem Anstellungsvertrag zustehende Gewinnbeteiligung Bezug genommen und sie in ihrer Höhe sowie den Zahlungsmodalitäten festgeschrieben. Wenn wie hier der angegebene Schuldgrund mit dem wirklich Bestehenden übereinstimmt, besteht regelmäßig kein Grund zur Annahme eines selbständigen, von dem genannten Grund unabhängigen Verpflichtungswillen des Schuldners (BAGE 78, 155 = AP Nr. 22 zu § 1 TVG Vorruhestand; BAG Urteil vom 18. Februar 1976 – 5 AZR 629/74 – AP Nr. 3 zu § 781 BGB).

2. Das Landesarbeitsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, daß die Zinszahlung im Februar 1990 die laufende Verjährungsfrist unterbrochen hat (§ 208 BGB). Nach seinen Feststellungen sind die Außenstände der Beklagten im Jahr 1989 beglichen worden. Der seit dem 1. April 1986 gestundete Anspruch des Klägers ist damit fällig geworden (§ 271 Abs. 2, § 194 BGB). Da die Stundungsabrede die Verjährung nicht nur gemäß § 202 BGB gehemmt, sondern sie gleichzeitig als Anerkenntnis des Anspruchs des Klägers auch unterbrochen hatte, belief sich die nunmehr beginnende Verjährungsfrist auf volle zwei Jahre (§§ 208, 217 BGB).

Die neue Verjährung begann spätestens mit dem auf die Zinszahlung folgenden Tag und nicht erst mit Ablauf des Jahres 1990. § 201 BGB findet auf den Fristenlauf nach einer Unterbrechung keine Anwendung (vgl. BAG Urteil vom 29. März 1990 – 2 AZR 520/89 – AP Nr. 11 zu § 196 BGB, zu II 3 der Gründe, m.w.N.).

Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die neue Verjährungsfrist erst mit dem 14. Februar 1991 begonnen habe, da der Kläger auf eine erneute Zinszahlung habe vertrauen dürfen.

Die Verjährungsvorschriften knüpfen an objektive Sachverhalte an. Subjektive Vorstellungen der Parteien werden regelmäßig nicht geschützt, sondern können nur im Rahmen von § 242 BGB berücksichtigt werden. Ebensowenig wie die Beklagte der Zinszahlung im Februar 1990 die verjährungsunterbrechende Wirkung nehmen kann, weil sie nur versehentlich erfolgt sei, kann der Kläger seine Hoffnung auf eine weitere Zinszahlung anführen. Der Schutz des Gläubigers wird unmittelbar durch §§ 208, 217 BGB gewährleistet, indem ihm nach einer Unterbrechung der Verjährung erneut zwei volle Jahre zur gerichtlichen Geltendmachung zur Verfügung gestellt werden.

3. Die ab 14. Februar 1990 laufende Verjährung ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus anderen Gründen im Februar 1991 erneut unterbrochen worden. Soweit der Kläger meint, die Beklagte habe, indem sie in diesem Monat Zinsen für das Kalenderjahr 1990 nicht gezahlt habe, stillschweigend mit ihrem angeblichen Anspruch auf Verlustbeteiligung gegen seinen Zinsanspruch aufgerechnet, und er hierin ein Anerkenntnis sehen will, kann ihm nicht gefolgt werden.

Gemäß § 208 BGB wird die Verjährung unterbrochen, wenn der Schuldner durch eine der dort ausdrücklich genannten Handlungen (Abschlags- oder Zinszahlung, Sicherheitsleistung) oder in einer anderen Weise seine Schuld anerkennt. Die Feststellung, ob in einem bestimmten Verhalten oder Unterlassen eine Unterbrechung liegt, ist Aufgabe der Tatsacheninstanzen, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles den vorgetragenen Sachverhalt zu beurteilen haben. Eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht ist deswegen aber nicht geboten; der Senat kann selbst das Vorbringen des Klägers würdigen.

Als ein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis im Sinne von § 208 BGB kommt jedes tatsächliche Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger in Betracht. In ihm liegt dann ein Anerkenntnis “in anderer Weise”, wenn der Schuldner sein Bewußtsein vom Bestehen der Schuld ausdrückt (BAGE 43, 71 = AP Nr. 78 zu § 4 TVG Ausschlußfristen). Ob mit einem Unterlassen dem Gläubiger schlüssig und zweifelsfrei vermittelt werden kann, der Schuldner sei sich seiner Verpflichtung bewußt, kann dahinstehen. Im Streitfall verbietet sich diese Beurteilung, weil die Beklagte bereits mit ihrem Schreiben vom 9. Juni 1989 die Aufrechnung erklärt hatte. Eine neuerliche Aufrechnung war damit rechtlich bedeutungslos. Soweit die Beklagte von dem Kläger Zahlung der Verlustbeteiligung beanspruchen konnte, waren die wechselseitigen Forderungen bereits unmittelbar gem. § 389 BGB erloschen. Die unterbliebene Überweisung der Zinsen konnte daher gem. §§ 133, 157 BGB aus der Sicht des Kläges als Empfänger einer etwaigen Erklärung der Beklagten nicht als stillschweigende Aufrechnung, auch nicht als ein darin liegendes Anerkenntnis verstanden werden.

4. Der Kläger beruft sich vergeblich auf eine unzulässige Rechtsausübung der Beklagten.

a) Zwar kann der Erhebung der Einrede der Verjährung der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen gehalten werden, wenn der Schuldner den Gläubiger durch sein Verhalten – sei es auch unabsichtlich – von der rechtzeitigen Klage abgehalten hat (ständige Rechtsprechung; vgl. BAGE 45, 289 = AP Nr. 44 zu § 74 HGB; schon BAG Urteil vom 17. Dezember 1964 – 5 AZR 90/64 – AP Nr. 2 zu § 196 BGB). Vorausgesetzt wird die Ursächlichkeit zwischen dem Verhalten des Schuldners und der Fristversäumnis des Gläubigers. Daran fehlt es hier. Nachdem der Kläger im Februar 1991 keinen Zahlungseingang feststellen konnte, hatte er noch hinreichend Zeit, seinen Anspruch auf Gewinnbeteiligung gerichtlich zu verfolgen.

b) Auch der weitere Einwand des Klägers, die Beklagte handele rechtsmißbräuchlich, weil sie ihn nicht über die Fälligkeit seiner Forderung informiert habe, ist unbeachtlich.

Regelmäßig laufen Verjährungsfristen ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Anspruchsinhabers. Die Unkenntnis von ihrem Beginn und ihrer Dauer gehen deshalb zu seinen Lasten. Etwas anderes gilt nur, wenn der Schuldner eine ihn treffende Hinweispflicht verletzt und die darauf beruhende Unkenntnis des Gläubigers zur Verjährung führt. Wegen der Abhängigkeit der Fälligkeit der Gewinnbeteiligung von dem Zahlungseingang eines Dritten war der Kläger auf die Mitteilung der Beklagten angewiesen. Mit ihrem Schreiben vom 9. Juni 1989 ist die Beklagte dieser Verpflichtung jedoch nachgekommen. Denn mit ihm hat sie den Kläger ausdrücklich über den bereits erfolgten Eingang der Teilsumme von 26.724,00 DM informiert und die Restfälligkeit für Juli/August 1989 angekündigt. Die fehlende Unterrichtung über den tatsächlichen Eingang der Restsumme ist unschädlich. Sie ist für die Säumnis des Klägers nicht ursächlich. Seine Untätigkeit war vielmehr durch die fehlerhafte Vorstellung einer bis Ende 1992 laufenden Frist bestimmt.

5. Mit der Verjährung der Hauptforderung sind auch die Zinsansprüche des Klägers verjährt, § 224 BGB.

II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen.

 

Unterschriften

Leinemann, Düwell, Reinecke, Weiss, Busch

 

Fundstellen

Haufe-Index 884923

NJW 1997, 3461

NZA 1997, 1232

SAE 1998, 189

AP, 0

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