Leitsatz (redaktionell)

1.

Der Arbeitgeber genügt seiner Darlegungslast für den die korrigierende Rückgruppierung auslösenden Irrtum, wenn er darlegt, bei der ursprünglichen Eingruppierung sei ein Qualifizierungsmerkmal als erfüllt angesehen worden, das es in der betreffenden Fallgruppe nicht gibt.

2.

Aus der Übergangsvorschrift zu § 22 BAT-O, wonach Eingruppierungen bis zum 31. Dezember 1992 keinen arbeitsvertraglichen Vergütungsanspruch begründeten, läßt sich nicht folgern, daß bereits die bloße Angabe der tariflichen Eingruppierung (Vergütungsgruppe) im Arbeitsvertrag außerhalb der Übergangsregelung einen vertraglichen Vergütungsanspruch begründet.

 

Verfahrensgang

LAG Sachsen-Anhalt (Entscheidung vom 19.07.1996; Aktenzeichen 2 Sa 1042/95 E)

ArbG Magdeburg (Entscheidung vom 08.11.1995; Aktenzeichen 7 Ca 3553/95 E)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die tarifgerechte Vergütung der Klägerin.

Die Klägerin, die einen Facharbeiterabschluß als Apothekerin und einen Fachschulabschluß als Staatswissenschaftlerin besitzt, ist seit dem 1. Juli 1991 als Sachbearbeiterin in der Wohngeldstelle des Landkreises W und danach bei dessen Rechtsnachfolger, dem beklagten Landkreis O , beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestimmt sich gemäß § 2 des Arbeitsvertrages vom 8. Juli 1991 nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber jeweils geltenden Fassung. Beide Parteien sind darüber hinaus kraft Organisationszugehörigkeit tarifgebunden.

In § 4 des Formulararbeitsvertrages heißt es:

"Die/Der Angestellte ist in der Vergütungsgruppe V b der Anlage 1 a/1 b zum BAT eingruppiert (§ 22 Abs. 3 BAT)."

Die Klägerin nahm in den Jahren 1990 bis 1995 an zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen zu den Bereichen Wohngeldrecht, Verwaltungsverfahren und Sozialgesetzbuch teil.

Im Zuge der Gebietsreform im Jahre 1994 schlossen sich die Landkreise W und H zu dem hier beklagten Landkreis O zusammen. Bei der Zusammenlegung der Verwaltungen wurde festgestellt, daß die Mitarbeiter in bestimmten Bereichen, die das gleiche Aufgabengebiet zu bearbeiten hatten, in den beiden Altkreisen sehr unterschiedlich vergütet wurden. So erhielten die in der Wohngeldstelle des Altkreises H beschäftigten Mitarbeiter Vergütung nach VergGr. VI b BAT-O, in der des Altkreises W Vergütung nach VergGr. V c bzw. V c/V b BAT-O.

Die Klägerin erstellte am 10. Februar 1995 eine Arbeitsplatzbeschreibung. Unter der Ziff. 4 "Erfassung der Tätigkeiten bzw. Arbeitsvorgänge" wurde folgendes (mit Zeitanteil in %) ausgeführt:

"Notwendige Tätigkeiten zur Erfüllung des Arbeitsvorganges - Bearbeitung von Wohngeldanträgen 1. differenzierte Beratung der Bürger zu Wohn- und Einkommensverhältnissen zur Klärung der Antragsgrundlagen 15 %

2. differenzierte Begutachtung und Prüfung jedes eingehenden Antrages und der dazu notwendigen Unterlagen 15 %

3. rechentechnische Aufbereitung zur Zahlbarmachung der Wohngeldanträge im Landesrechenzentrum mittels PC 15 %

4. spezielle Bearbeitung der Anträge auf Lastenzuschuß mit Lastenberechnung in Verbindung mit Pkt. 2, 3 u. 5 5 %

5. bei Wiederholungs- bzw. Folgeanträgen Prüfung der Einkommensnachweise zur eventuellen Durchsetzung der Rückrechenbarkeit des Wohngeldanspruches von Amts wegen (Rückforderung von Wohngeld) 10 %

6. Treffen aller notwendigen Entscheidungen zu Pkt. 2 - 5 sowie Erstellung der dazugehörenden Rückforderungsbescheide 20 %

7. Schriftverkehr mit Bürgern 5 %

8. Erstellung finanztechnischer Unterlagen zur kassen- und buchmäßigen Weiterbearbeitung des rückzuzahlenden bzw. des zu verrechnenden Wohngeldes 5 %

9. gesonderte Bearbeitung von Anträgen der Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaften mit Bescheiderstellung 5 %

10. statistische Aufbereitung der Wohngeldanträge, speziell der Wohngeldrückzahlungsfälle 5 %

Zusammenarbeit mit folgenden Ämtern, Institutionen und kommunalen Einrichtungen:

. Meldeamt . Arbeitsamt

. Sozialamt . Banken und Kreditinstitute

. Jugendamt . private Betriebe und Einrichtungen

. Finanzamt . Gemeindeverwaltungen."

In der Wohngeldstelle des beklagten Landkreises, die als Sachgebiet strukturell dem Bauamt zugewiesen ist, sind zwölf Sachbearbeiterinnen beschäftigt, denen eine Sachgebietsleiterin vorsteht. Die Antragsbearbeitung ist nach Wohnorten unter den Sachbearbeiterinnen aufgeteilt.

Mit Schreiben vom 8. März 1995 bat der beklagte Landkreis den Personalrat, dessen Mitglied die Klägerin ist, um Zustimmung zu einer korrigierenden Rückgruppierung der Klägerin von VergGr. V b in VergGr. VI b Fallgruppe 1 a BAT-O. Der Personalrat lehnte dies schließlich mit Schreiben vom 31. März 1995 ab. Daraufhin rief der Beklagte gemäß § 62 Abs. 4 PersVG LSA die Einigungsstelle an, welche mit Beschluß vom 22. Mai 1995 die beantragte Zustimmung zu der Rückgruppierung der Klägerin erteilte.

Der Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 9. Juni 1995 mit, ihr Arbeitsplatz sei durch seinen Rechtsvorgänger, den Altkreis W , zu Unrecht in die VergGr. V c/V b Fallgruppe 1 c BAT-O eingestuft worden. Nach dem Ergebnis der neuen Arbeitsplatzbewertung auf der Grundlage der von der Klägerin erstellten Arbeitsplatzbeschreibung sei eine Vergütung nach der VergGr. VI b Fallgruppe 1 a BAT-O tarifgerecht. Da die Zustimmung zur Rückgruppierung durch die Einigungsstelle erteilt worden sei, werde die Klägerin nunmehr zum 1. Juli 1995 tarifgerecht in die VergGr. VI b rückgruppiert.

Mit ihrer am 10. Juli 1995 erhobenen Klage erstrebt die Klägerin die Feststellung, der beklagte Landkreis sei verpflichtet, ihr über den 30. Juni 1995 hinaus Vergütung nach der VergGr. V b BAT-O zu zahlen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der beklagte Landkreis sei zur Änderung der Vergütungsgruppe ohne Änderungsvertrag oder Änderungskündigung nicht befugt. Die Angabe der Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag sei rechtlich nicht unverbindlich. Aus der Übergangsvorschrift zu § 22 BAT-O, nach der bis zum 31. Dezember 1992 fehlerhafte Eingruppierungen keinen arbeitsvertraglichen Anspruch begründeten, ergebe sich, daß fehlerhafte Eingruppierungen grundsätzlich einen arbeitsvertraglichen Anspruch begründen können.

Die Klägerin hat weiter ausgeführt, ihre Tätigkeit erfülle zudem die Anforderungen der VergGr. V b BAT-O. Die Tätigkeiten nach den Ziffern 1, 2, 4, 5, 6 und 9 der Arbeitsplatzbeschreibung enthielten solche, die selbständige Leistungen erforderten, da sie unter Anwendung aller Gesetzlichkeiten und Besonderheiten entsprechende Anträge prüfen und bearbeiten müsse, letztlich die erforderlichen Entscheidungen treffe und die entsprechenden Bescheide fertige. Ihre Tätigkeit erfordere gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und in hohem Maße selbständige Leistungen. So müsse sie eigenständige Entscheidungen etwa bei der Einkommensermittlung oder der Mietberechnung treffen. Der verfahrensrechtliche Bereich erfordere durch eine eigenständige Subsumtion unter die in Frage kommenden Rechtsvorschriften ebenfalls eine erhebliche geistige Initiative.

Sie sei darüber hinaus als Hauptsachbearbeiterin zu bezeichnen, die im Gegensatz zur einfachen Sachbearbeiterin eigenständig alle Anträge prüfe, über diese entscheide, Widersprüche anfertige und die entsprechenden Zahlungen gewähre.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

festzustellen, daß der beklagte Landkreis verpflichtet ist, der Klägerin über den 30. Juni 1995 hinaus Vergütung nach VergGr. V b BAT-O zu zahlen;

hilfsweise festzustellen, daß der beklagte Landkreis verpflichtet ist, der Klägerin über den 30. Juni 1995 hinaus Vergütung nach VergGr. V c zu zahlen.

Der beklagte Landkreis hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, die irrtümliche Zahlung aus einer zu hohen Vergütungsgruppe durch Rückgruppierung korrigieren zu können. Die Klägerin habe als Mitglied des Personalrates nicht durch Änderungskündigung herabgruppiert werden können.

Die Klägerin sei nicht als Hauptsachbearbeiterin tätig. Alle zwölf Sachbearbeiterstellen seien als gleichwertige Stellen eingerichtet, deren Arbeitsplätze durchgängig mit VergGr. VI b bewertet würden. Da die Antragsbearbeitung nach Wohnorten unter den Sachbearbeiterinnen aufgeteilt werde und diese eben die Anträge abarbeiteten, die in ihrem Zuständigkeitsbereich anfielen, gebe es keine Unterteilung nach Hauptsachbearbeitern, Sachbearbeitern und Zuarbeitern. Selbständige Leistungen fielen allenfalls bei Tätigkeiten gemäß den Ziffern 2, 4 und 9 an, die einem Anteil von 25 % an der Gesamtarbeitszeit entsprächen. Die Bearbeitung von Wohngeldanträgen nach dem Wohngeldsondergesetz erfolge nach festen Regeln. Was anzurechnen sei oder nicht, sei vorgegeben und unterliege nicht dem Ermessen des Sachbearbeiters. Selbständige Leistungen könnten sich allenfalls bei der Bearbeitung von Erstanträgen ergeben.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter. Der beklagte Landkreis beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat gegen den beklagten Landkreis weder einen Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. V b noch einen solchen nach der VergGr. V c BAT-O.

1. Ein Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. V b oder V c BAT-O ergibt sich nicht bereits aus dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 8. Juli 1991.

a) Das Landesarbeitsgericht hat einen eigenständigen arbeitsvertraglichen Anspruch der Klägerin aus ihrem Arbeitsvertrag abgelehnt. Die dort unter § 4 dargelegte Klausel nehme nach ihrem Wortlaut "Die Angestellte ist in ... eingruppiert (§ 22 Abs. 3 BAT)" sowohl Bezug auf die Tarifbestimmung, die eine Angabe der Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag vorschreibe, als auch auf die Tarifnorm, in der das Prinzip der Tarifautomatik verankert sei. Damit wolle der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer lediglich im Wege des Normenvollzugs diejenige Vergütung gewähren, die ihm tarifvertraglich zustehe. Eine davon abweichende eigenständige Vergütungsvereinbarung hätte durch eine entsprechende Formulierung im Arbeitsvertrag zum Ausdruck gebracht werden müssen. Da diese Klarstellung fehle, bestimme sich die Hauptleistungspflicht des Beklagten zur Zahlung der Vergütung ausschließlich nach der Tarifautomatik des § 22 Abs. 2 BAT-O.

b) Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand und stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats, nach der diese für einen Arbeitsvertrag im öffentlichen Dienst typische Vereinbarung grundsätzlich nicht dahin ausgelegt werden kann, dem Arbeitnehmer solle ein eigenständiger, von den tariflichen Bestimmungen unabhängiger arbeitsvertraglicher Anspruch auf eine bestimmte Vergütung zustehen. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände kann ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes der Angabe der Vergütungsgruppe schon deshalb nicht eine solche Bedeutung entnehmen, weil der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes grundsätzlich keine übertarifliche Vergütung, sondern grundsätzlich nur das gewähren will, was dem Arbeitnehmer tarifrechtlich zusteht (BAG Urteile vom 23. August 1995 - 4 AZR 352/94 ZTR 1996, 169, m.w.N; vom 8. August 1996 - 6 AZR 1013/94 - AP Nr. 46 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; vom 28. Mai 1997 - 10 AZR 383/95 - n.v.; vom 9. Juli 1997 - 4 AZR 635/95 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

c) Zu Unrecht meint die Klägerin aus der Übergangsvorschrift zu § 22 BAT-O herleiten zu können, ihr stehe ein vertraglicher Anspruch auf Vergütung nach der im Arbeitsvertrag vom 8. Juli 1991 genannten Vergütungsgruppe zu.

Die Tarifbestimmung lautet:

"Bis zum 31. Dezember 1992 begründen fehlerhafte Eingruppierungen keinen arbeitsvertraglichen Anspruch; zuviel gezahlte Bezüge werden nicht zurückgefordert. Tarifliche Ansprüche bleiben unberührt. ..."

Die Tarifvertragsparteien haben mit dieser Übergangsvorschrift, die zum 31. August 1995 aufgehoben wurde, nur dem besonderen Umstand Rechnung getragen, daß im öffentlichen Dienst in den neuen Bundesländern in großer Zahl Eingruppierungen vorgenommen werden mußten, über deren Grundlagen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht große Unsicherheit bestand. Deshalb wurde vorsorglich klargestellt, daß durch Eingruppierungen bis zum 31. Dezember 1992 keine arbeitsvertraglichen Ansprüche unabhängig von den tariflichen Bestimmungen begründet werden sollten. Für die öffentlichen Arbeitgeber sollte es bei der Möglichkeit bleiben, fehlerhafte Eingruppierungen einseitig, ohne Änderungskündigung oder Änderungsvereinbarung zu korrigieren (vgl. Clemens/ Scheuring/Steingen/Wiese, BAT-O/ATB-Ang., Stand Januar 1998, § 22 Erl. 3). Zugunsten der von einer Korrektur der Vergütungsgruppe betroffenen Angestellten wurde bestimmt, auf die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge werde verzichtet.

Die tarifliche Übergangsbestimmung betrifft nur tarifliche Eingruppierungen in der Übergangszeit, nicht aber Vergütungsvereinbarungen, die im Hinblick auf besondere Umstände des Einzelfalles bewußt über die tariflichen Bestimmungen hinaus getroffen wurden (BAG Urteil vom 8. August 1996 - 6 AZR 1013/94 - aaO). Eine solche bewußt übertarifliche Vergütungsvereinbarung oder besondere Umstände liegen hier nicht vor. Vielmehr unterliegt die Vergütungsgruppenangabe im Arbeitsvertrag vom 8. Juli 1991 der Übergangsregelung zu § 22 BAT-O.

d) Ist damit ein arbeitsvertraglicher Anspruch der Klägerin auf Vergütung nach VergGr. V b BAT-O nicht entstanden, bedurfte es, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, zur Korrektur der Eingruppierung keiner Änderungskündigung. Eine Änderungskündigung ist nur zur Änderung arbeitsvertraglicher Ansprüche erforderlich. Wird eine zu hohe Vergütung rechtsgrundlos gezahlt, so kann die Zahlung einseitig vom Arbeitgeber eingestellt werden. Auch ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes kann sich von einer rechtsfehlerhaften Tarifanwendung, die nicht zur Entstehung vertraglicher Rechtsansprüche geführt hat, einseitig lossagen (Senatsurteil vom 23. April 1986 - 4 AZR 90/85 - AP Nr. 118 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 23. August 1995 - 4 AZR 352/94 - aaO).

2. Der beklagte Landkreis hat von der Möglichkeit der Beseitigung einer tarifwidrig zu hohen Vergütung durch die von ihm vorgenommene Rückgruppierung zu Recht Gebrauch gemacht. Er hat auch die zur Rückgruppierung der Klägerin erforderliche Zustimmung durch die zuständige Einigungsstelle ersetzen lassen.

Die Klägerin hat keinen tariflichen Anspruch auf eine Vergütung nach der VergGr. V b oder der VergGr. V c BAT-O.

a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden sowohl aufgrund ihrer Tarifbindung als auch kraft arbeitsvertraglicher Verweisung der BAT-O und die ihn ergänzenden Tarifverträge Anwendung.

b) Die begehrte Eingruppierung setzt voraus, daß die Tätigkeit der Klägerin zeitlich im tariflich geforderten Umfang aus Arbeitsvorgängen besteht, die den Tätigkeitsmerkmalen der von ihr beanspruchten Vergütung nach der VergGr. V b oder V c BAT-O entsprechen. Regelmäßig müssen die Anforderungen des Eingruppierungsmerkmals durch mindestens die Hälfte der die gesamte Arbeitszeit des Angestellten ausfüllenden Arbeitsvorgänge erfüllt sein (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT-O).

c) Vorliegend kommt es auf die nachfolgenden Tarifbestimmungen der Anlage 1 a zum BAT/VKA an:

"Vergütungsgruppe V b

...

1.a. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert.

(Gründliche, umfassende Fachkenntnisse bedeuten gegenüber den in der Fallgruppe 1 b der Vergütungsgruppe VII und in den Fallgruppen 1 a der Vergütungsgruppen VI b und V c geforderten gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen eine Steigerung der Tiefe und der Breite nach.) ...

...

c. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert,

nach dreijähriger Bewährung in Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 b.

(Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung (des Betriebes), bei der der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber so gestaltet sein, daß er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann. Selbständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderungen nicht erfüllen). ...

Vergütungsgruppe V c

1.a. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und mindestens zu einem Drittel selbständige Leistungen erfordert.

(Klammerzusatz wie in VergGr. V b Fallgruppe 1 c).

b. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert.

(Klammerzusatz wie in VergGr. V b Fallgruppe 1 c).

Vergütungsgruppe VI b

1.a. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und mindestens zu einem Fünftel selbständige Leistungen erfordert.

(Klammerzusatz wie in VergGr. V b Fallgruppe 1 c). ...

..."

d) Das Landesarbeitsgericht hat keine Arbeitsvorgänge gebildet. Dies ist hier unschädlich. Zahl und der Zuschnitt der Arbeitsvorgänge sind unerheblich, wenn - wie vorliegend - für die gesamte Tätigkeit und damit für alle denkbaren Arbeitsvorgänge die Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale der begehrten Vergütungsgruppe zu verneinen ist (Senatsurteil vom 25. August 1993 - 4 AZR 608/92 n.v.).

3. Die Klägerin ist der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen. Sie hat keine hinreichenden Tatsachen dafür dargelegt, daß ihre Tätigkeit insgesamt oder auch in hinreichendem Maße den Anforderungen der VergGr. V b oder zumindest den der VergGr. V c BAT-O entspricht.

a) Klagt der Arbeitnehmer - hier die Klägerin - auf eine höhere Tarifvergütung, z.B. im Wege einer Eingruppierungsfeststellungsklage, so hat er nach den allgemeinen Grundsätzen diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfalle zu beweisen, aus denen der rechtliche Schluß möglich ist, er erfülle die im Einzelfall für sich beanspruchten tariflichen Tätigkeitsmerkmale unter Einschluß der darin vorgesehenen Qualifizierungen. Welche Tatsachen er im einzelnen vorzutragen und zu beweisen hat, richtet sich nach der Lage und den Erfordernissen des Einzelfalls.

Der Klagevortrag ist, auch bei einer Eingruppierungsfeststellungsklage, schlüssig, wenn das tatsächliche Vorbringen bei Unterstellung seiner Richtigkeit den Klageantrag begründet erscheinen läßt, so daß im Falle der Säumnis der beklagten Partei ein Versäumnisurteil nach § 331 ZPO ergehen könnte (Senatsurteile vom 4. Mai 1994 - 4 AZR 447/93 - ZTR 1994, 507, m.w.N.; vom 8. Oktober 1997 - 4 AZR 167/96 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

b) Der Klägerin kommt vorliegend keine Erleichterung ihrer Darlegungs- oder Beweislast nach den Grundsätzen für die korrigierende Rückgruppierung zugute.

(1) Hiernach ist der Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt, eine irrtümlich zu hohe Eingruppierung zu beseitigen, indem er den Arbeitnehmer in die zutreffende niedrigere Vergütungsgruppe korrigierend zurückgruppiert. Im Streitfall muß der Arbeitgeber zunächst darlegen, inwieweit ihm ein Irrtum bei der ursprünglich vorgenommenen Eingruppierung unterlaufen ist. Er muß dafür entweder einen Rechtsirrtum dartun oder substantiiert die Tatsachen vortragen, die eine fehlerhafte Eingruppierung des Arbeitnehmers begründen (BAG Urteile vom 28. Mai 1997 - 10 AZR 383/95 - nicht zur Veröffentlichung vorgesehen; vom 11. Juni 1997 - 10 AZR 724/95 - AP Nr. 6 zu § 20 BMT-G II; vgl. auch Senatsurteil vom 8. Oktober 1997 - 4 AZR 167/96 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

(2) Vorliegend ist der Beklagte seiner Darlegungslast zur Irrtümlichkeit der Eingruppierung im Arbeitsvertrag vom 8. Juli 1991 nachgekommen. Er hat im einzelnen vorgetragen, daß die Arbeitsplatzbewertung durch seinen Rechtsvorgänger, den Altkreis W , mit geringen Erfahrungen, sehr oberflächlich und fehlerhaft vorgenommen worden sei. Bei der Bewertung des Arbeitsplatzes und der Einstufung in die VergGr. V c Fallgruppe 1 b BAT-O mit Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs in die VergGr. V b Fallgruppe 1 c BAT-O sei für die Tätigkeit das Kriterium der besonderen Verantwortung zu 100 % angenommen worden. Dieses Tarifmerkmal finde sich in den genannten Vergütungsgruppen überhaupt nicht, sondern werde erst in der VergGr. IV b BAT-O gefordert. Des weiteren sei die Anforderung der "selbständigen Leistungen" nicht erkannt worden, welche in der VergGr. V c Fallgruppe 1 b zu mindestens 50 % gefordert wird. Zu ihrer unveränderten Tätigkeit erstellte die Klägerin selbst die Arbeitsplatzbeschreibung vom 10. Februar 1995. Auf dieser Grundlage hat der beklagte Landkreis eine Arbeitsplatzbewertung durchgeführt und eine Vergütung nach VergGr. VI b BAT-O als tarifgerecht festgestellt. Der Beklagte hat näher ausgeführt, weshalb die Bewertung die VergGr. VI b BAT-O und nicht die VergGr. V c/V b BAT-O ergab. Die Fehlerhaftigkeit der Eingruppierung der Klägerin ist ebenso nachvollziehbar, wie die jetzige Eingruppierung durch den beklagten Landkreis.

c) Anderes ergibt sich auch nicht aus der Richtlinie 91/533/EWG über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen vom 14. Oktober 1991 (ABl. EG 1991 Nr. L 288 S. 32 ff., sog. Nachweisrichtlinie). Sie war erst am 1. Juli 1993 in nationales Recht umzusetzen. Der Arbeitsvertrag der Klägerin ist vor dem 1. Juli 1993 abgeschlossen worden. Auch aus dem Nachweisgesetz vom 20. Juli 1995 (BGBl I S. 946) kann die Klägerin nichts für sich herleiten. Für laufende - wie hier - bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossene, noch nicht beendete Verträge ist dem Arbeitnehmer zwar auf sein Verlangen innerhalb von zwei Monaten eine Niederschrift im Sinne des § 2 auszuhändigen (§ 4 Satz 1 NachwG). Die Klägerin hat den beklagten Landkreis hierzu nicht aufgefordert.

d) Nach allem liegt die Darlegungslast für das Vorliegen der Merkmale der "ursprünglichen" Vergütungsgruppe, hier der VergGr. V b bzw. der VergGr. V c BAT-O, wieder bei der Klägerin.

4. Die Klägerin hat keine hinreichenden Tatsachen dargelegt, daß und in welchem Umfang ihre Tätigkeiten "selbständige Leistungen" im Sinne der einschlägigen VergGr. V b Fallgruppe 1 bzw. V c Fallgruppe 1 BAT-O erfordern. Die diesbezüglichen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der Revision stand.

a) Das Tatbestandsmerkmal "selbständige Leistungen" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei einem unbestimmten Rechtsbegriff ist in der Revisionsinstanz nur zu prüfen, ob das Landesarbeitsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, ob es diesen bei der Subsumtion beibehalten hat, ob ihm bei seiner Anwendung Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und ob es alle entscheidungserheblichen Tatumstände berücksichtigt hat (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteile vom 18. Juni 1975 - 4 AZR 398/74 - AP Nr. 87 zu §§ 22, 23 BAT; vom 14. August 1985 - 4 AZR 322/84 - AP Nr. 105 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 4. August 1993 - 4 AZR 511/92 - AP Nr. 38 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel).

b) Das Landesarbeitsgericht ist ebenso wie das Arbeitsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff der "selbständigen Leistungen" ausgegangen.

Nach den Klammerzusätzen zu den VergGr. VI b Fallgruppe 1 a, V c Fallgruppe 1 a und 1 b BAT-O erfordern selbständige Leistungen ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative, wobei eine leichte geistige Arbeit diese Anforderung nicht erfüllen kann.

Das Tatbestandsmerkmal "selbständige Leistungen" darf nicht mit dem Begriff "selbständig arbeiten" im Sinne von "allein arbeiten", d.h. ohne direkte Aufsicht oder Lenkung durch Weisungen tätig zu sein, verwechselt werden. Unter selbständiger Leistung ist vielmehr eine Gedankenarbeit zu verstehen, die im Rahmen der für die Vergütungsgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses eine eigene Beurteilung und eine eigene Entscheidung erfordert (ständige Rechtsprechung, statt vieler: Senatsurteil vom 28. September 1994 - 4 AZR 542/93 - AP Nr. 185 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.). Kennzeichnend für selbständige Leistungen im tariflichen Sinne können nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vielmehr - ohne Bindung an verwaltungsrechtliche Fachbegriffe - ein wie auch immer gearteter Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum bei der Erarbeitung eines Arbeitsergebnisses sein (vgl. Senatsurteil vom 14. August 1985 - 4 AZR 21/84 - BAGE 49, 250 = AP Nr. 109 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Vom Angestellten werden Abwägungsprozesse verlangt, es werden Anforderungen an das Überlegungsvermögen gestellt; der Angestellte muß also unterschiedliche Informationen verknüpfen, untereinander abwägen und zu einer Entscheidung gelangen (Senatsurteil vom 12. Juni 1996 - 4 AZR 1025/94 - AP Nr. 212 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

c) Die Klägerin hätte dementsprechend Tatsachen vortragen müssen, aus denen sich ergibt, daß und inwiefern für sie ein Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum besteht, inwieweit Abwägungsprozesse verlangt werden, in welchem Umfang von ihr also eine eigene geistige Initiative gefordert ist.

Solchen Vortrag hat sie nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht erbracht. Diese Feststellung ist für den Senat bindend (§ 561 Abs. 2 ZPO).

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 439500

BAGE, 69

BB 1998, 1540

FA 1998, 231

NZA 1998, 950

RdA 1998, 316

SAE 1999, 40

ZAP-Ost 1998, 588

ZTR 1998, 368

ArbuR 1998, 333

PersR 1998, 305

PersR 1999, 225

RiA 1999, 64

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