Entscheidungsstichwort (Thema)

Nebentätigkeit. Anzeigepflicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Arbeitsverhältnis besteht nach § 242 BGB ein Auskunftsanspruch, soweit der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, während der Verpflichtete unschwer Auskunft erteilen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG Urteil vom 22. April 1967 – 3 AZR 347/66 – AP Nr. 12 zu § 242 BGB Auskunftspflicht; BAG Urteil vom 21. Oktober 1979 – 3 AZR 479/69 – AP Nr. 13 zu § 242 BGB Auskunftspflicht; BAG Urteil vom 7. September 1995 – 8 AZR 828/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen; Urteil des Senats vom 23. Januar 1992 – 6 AZR 110/90 – nicht veröffentlicht).

2. Eine Nebentätigkeit muß dem Arbeitgeber angezeigt werden, soweit dadurch dessen Interessen bedroht sind. Dies ist der Fall, wenn die Nebentätigkeit mit der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nicht vereinbar ist und die Ausübung der Nebentätigkeit somit eine Verletzung der Arbeitspflicht darstellt.

3. Verweigert ein Arbeitnehmer trotz Aufforderung des Arbeitgebers über Jahre hinweg Angaben über einen Teil seiner erheblichen Nebentätigkeiten völlig und gibt er über einen anderen Teil zum Umfang seiner arbeitsmäßigen Beanspruchung keine Auskunft, sind die berechtigten Interessen des Arbeitgebers an der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung bedroht. Der Anspruch des Arbeitgebers, ihm die Nebentätigkeiten zweier genau bezeichneter Dreimonatszeiträume nachträglich anzuzeigen, damit er sein weiteres Vorgehen (z.B. Ausübung eines bisher nicht geltend gemachten tariflichen Zustimmungserfordernisses) prüfen kann, ist in diesem Fall begründet.

 

Normenkette

BGB § 242; Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 1. Juli 1971 § 9; ZPO § 561 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 04.11.1994; Aktenzeichen 3 Sa 25/94)

ArbG Hamburg (Urteil vom 12.01.1994; Aktenzeichen 19 Ca 495/93)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 4. November 1994 – 3 Sa 25/94 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger verpflichtet ist, seine Nebentätigkeiten der Beklagten anzuzeigen.

Der Kläger ist seit dem 2. September 1978 1. Fagottist des Philharmonischen Staatsorchesters der Beklagten. Nach § 4 des Arbeitsvertrags vom 6. November 1978 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 1. Juli 1971 in der jeweils geltenden Fassung.

§ 9 TVK bestimmt:

„(1) Jede Nebenbeschäftigung bedarf der vorherigen Zustimmung des Arbeitgebers. Die Zustimmung kann jederzeit widerrufen werden.

(2) Zu einer Nebenbeschäftigung als Solist, als Musiker in einem anderen Kulturorchester, als Musikpädagoge oder auf kamnermusikalischem Gebiet darf die Zustimmung nicht versagt oder widerrufen werden, wenn die Nebenbeschäftigung die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten des Musikers oder sonstige berechtigte Interessen des Arbeitgebers nicht beeinträchtigt.”

Der Kläger, der nicht Mitglied einer der tarifvertragschließenden Gewerkschaften ist, übt seit etwa 18 Jahren Nebenbeschäftigungen aus. Ihre Zustimmung dazu hat die Beklagte bisher nie erteilt. Sie hat aber dieses Verhalten auch nicht beanstandet. In den letzten Jahren beliefen sich die Einkünfte des Klägers aus diesen Nebentätigkeiten auf höchstens 5.000,– DM im Jahr.

Am 3. Mai 1993 richtete der Intendant des Orchesters an den Kläger folgendes Schreiben:

„…

Betreff Nebentätigkeiten nach § 9 Abs. 1 TVK Anlage Vordrucke … Sehr geehrter Herr L. der Rechnungshof hat im Rahmen seiner Nachprüfung die Kulturbehörde abermals aufgefordert, die Orchestermitglieder unter Hinweis auf § 9 TVK zu verpflichten, jede Nebentätigkeit innerhalb und außerhalb Hamburgs (z.B. als Solist, Musiker in anderen Orchestern, Musiker auf kammermusikalischem Gebiet, als Musikpädagoge usw.) zu melden.

Die Kulturbehörde (Dienstvorgesetzter) hat – auch in Kenntnis der damit verbundenen Problematik – angeordnet, daß die Orchestermitglieder jeweils für einen Zeitraum von 3 Monaten alle Nebentätigkeiten (auch die in Hamburg) der Orchesterdirektorin melden. Diese Meldungen erfolgen anonym unter Verwendung von Code-Nummern, die nur der Orchesterintendant den einzelnen Orchestermitgliedern zuordnen kann.

Nach Ablauf eines Vierteljahres sind die ausgeübten Nebentätigkeiten unter Verwendung des anliegenden Vordrucks anonym der Orchesterdirektorin zu melden. Diese Listen werden von der Orchesterdirektorin ausgewertet und darauf überprüft, ob bei einem Orchestermitglied Grund zu der Annahme besteht, daß es Nebentätigkeiten in einem Übermaß ausübt, die die dienstliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen können. Besteht Grund zu dieser Annahme, so wird von dem Orchesterintendanten, der allein die sich hinter den Code-Nummern verbergenden Mitglieder kennt, mit dem jeweiligen Mitglied ein Gespräch mit dem Ziel geführt werden, die Nebentätigkeiten möglicherweise einzuschränken. Dabei hält es sowohl die Kulturbehörde als auch die Intendanz für denkbar, daß auch bei einem hohen Maß an Nebentätigkeiten die Aufgaben im Philharmonischen Staatsorchester ohne irgendwelche Beanstandungen erfüllt werden können.

Dieser Aufforderung und Anweisung des Dienstvorgesetzten können wir uns nicht entziehen. Wir möchten Sie deshalb eindringlich bitten, die anliegenden Vordrucke ab 01.05.93 zu führen und ausgefüllt für den Zeitraum vom 01.05. bis 31.07.93 bis zum 25.08.93 und für den Zeitraum vom 19.08. bis 18.11.93 bis zum 30.11.93 der Orchesterdirektorin einzureichen. Die Vordrucke sind auch dann bei der Orchesterdirektorin einzureichen, wenn keine Nebentätigkeiten in dem jeweiligen Zeitraum ausgeübt worden sind.

Nach dem 30. November 1993 werden die Gesamtmeldungen anonym ausgewertet und es wird dann entschieden, ob es bei diesem Verfahren verbleiben muß oder ob eine andere Regelung getroffen werden kann, die weniger aufwendig ist.

Wir bitten abschließend noch einmal um Ihre Unterstützung und Mitarbeit, da wir nur so den auch im politischen Raum stark diskutierten Forderungen des Rechnungshofes begegnen können.

…”

Der Kläger kam dieser Aufforderung nicht nach. Daraufhin drohte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 12. Juli 1993 für den Fall seiner fortgesetzten Weigerung eine Abmahnung an.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er könne von der Beklagten wegen dieses Verhaltens nicht abgemahnt werden, weil er nicht verpflichtet sei, der Beklagten seine Nebentätigkeiten anzuzeigen. Die Androhung der Abmahnung sei deshalb rechtswidrig. § 9 TVK sei auf sein Arbeitsverhältnis nicht anzuwenden, weil anderenfalls seine negative Koalitionsfreiheit verletzt werde. Außerdem hätten die Tarifvertragsparteien durch das die Freizeit der Arbeitnehmer betreffende Zustimmungserfordernis des § 9 TVK ihre Normsetzungsbefugnis überschritten. Jedenfalls habe die Beklagte durch die langjährige genehmigungsfreie Duldung von Nebentätigkeiten ihr Kontrollrecht verloren.

Der Kläger hat beantragt

  1. festzustellen, daß der Kläger nicht verpflichtet ist, der Dienstanweisung vom 3. Mai 1993 Folge zu leisten,
  2. festzustellen, daß die Androhung der Abmahnung seitens der Beklagten rechtswidrig ist,

    hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, ihr Schreiben vom 12. Juli 1993 betreffend die Androhung der Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen,

    hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, eine Abmahnung oder deren Androhung wegen der Weigerung der Meldung von Nebentätigkeiten gegenüber dem Kläger zu unterlassen,

  3. festzustellen, daß auf das Arbeitsverhältnis der Parteien § 9 des Tarifvertrages „Kulturorchester” nicht anzuwenden ist,

    hilfsweise, daß § 9 Abs. 2 dieses Tarifvertrages nicht anzuwenden ist.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, ihr Anspruch auf Anzeige der Nebentätigkeiten ergebe sich aus § 9 TVK. Dieses Recht habe sie nicht dadurch verloren, daß sie es längere Zeit nicht ausgeübt habe.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.

I. Der Klageantrag zu 1) ist unbegründet. Der Kläger ist verpflichtet, der Dienstanweisung vom 3. Mai 1993 Folge zu leisten.

1. Das Landesarbeitsgericht hat diese Pflicht aus § 9 TVK hergeleitet. Es hat angenommen, der generelle Zustimmungsvorbehalt in Abs. 1 dieser Bestimmung umfasse die von der Beklagten in Anspruch genommene generelle Anzeigepflicht des Klägers. Dem ist nicht zu folgen. Ob die genannte Tarifnorm diese generelle Anzeigepflicht begründet, bedarf keiner Entscheidung. Die Beklagte macht in der Dienstanweisung vom 3. Mai 1993 nicht ihr Zustimmungsrecht nach § 9 TVK geltend, sondern will aus gegebenem Anlaß prüfen, ob Nebentätigkeiten in einem Umfang ausgeübt werden, der die dienstliche Leistungsfähigkeit der Orchestermusiker beeinträchtigen kann. Ob sie künftig auf ihrem Recht aus § 9 TVK bestehen wird, hat die Beklagte offengelassen. Das Prüfungsrecht, das die Beklagte in der Dienstanweisung beansprucht, ist im Tarifvertrag nicht geregelt.

2. In der Dienstanweisung fordert die Beklagte den Kläger auf, künftig ausgeübte Nebentätigkeiten unter Verwendung von beigefügten Vordrucken jeweils nach Ablauf eines Vierteljahres der Orchesterdirektorin zu melden, und zwar für den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Juli 1993 bis zum 25. August 1993 und für den Zeitraum vom 19. August bis 18. November 1993 bis zum 30. November 1993. Nach diesem Zeitpunkt, so teilt die Beklagte in der Dienstanweisung weiter mit, würden die Gesamtmeldungen ausgewertet und entschieden, ob es bei diesem Verfahren verbleiben müsse oder ob eine andere Regelung getroffen werden könne, die weniger aufwendig sei. Ziel des Vorgehens der Beklagten war somit nicht, den Kläger zu veranlassen, die nach dem Wortlaut des § 9 TVK erforderlichen vorherigen Zustimmungen einzuholen. Der Inhalt der Dienstanweisung ließ vielmehr keinen Zweifel daran, daß es einstweilen bei der bisherigen Praxis bleiben sollte, wonach die Musiker ihre Nebentätigkeiten ohne Zustimmung der Beklagten ausübten. Die Beklagte wollte sich vielmehr, wie sich aus der Dienstanweisung weiter ergibt, einen Überblick darüber verschaffen, ob bei dem Orchestermitglied Grund zu der Annahme besteht, daß es Nebentätigkeiten in einem Maß ausübt, das die dienstliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, und sich ihr weiteres Handeln vorbehalten. Auf diese Auskunft hatte die Beklagte unter den Voraussetzungen des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts unabhängig von der Regelung des § 9 TVK einen Anspruch. Dieser ergab sich aus § 242 BGB.

a) Bereits in seinem nicht veröffentlichten Urteil vom 23. Januar 1992 – 6 AZR 110/90 – ist der erkennende Senat der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gefolgt, die auch im Arbeitsverhältnis einen Auskunftsanspruch nach § 242 BGB anerkennt, soweit der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, während der Verpflichtete unschwer Auskunft erteilen kann (jetzt auch grundsätzlich: BAG Urteil vom 7. September 1995 – 8 AZR 828/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 2 der Gründe). Der erkennende Senat hat auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Verletzung von Wettbewerbsverboten verwiesen, nach der Auskunft über die jeweilige Tätigkeit verlangt werden kann, wenn der konkrete Verdacht einer Vertragsverletzung gegeben ist (vgl. BAG Urteil vom 22. April 1967 – 3 AZR 347/66 – AP Nr. 12 zu § 242 BGB Auskunftspflicht; BAG Urteil vom 21. Oktober 1970 – 3 AZR 479/69 – AP Nr. 13 zu § 242 BGB Auskunftspflicht). Deshalb hat der Senat den Arbeitgeber, der Anhaltspunkte für eine Vertragsverletzung hat, für berechtigt gehalten, den Arbeitnehmer nach den Gründen und dabei insbesondere auch danach zu fragen, ob er eine Nebentätigkeit ausübt. An diesen Grundsätzen, die unabhängig davon gelten, ob der Arbeitgeber Nebentätigkeiten in jedem Einzelfall von seiner Zustimmung abhängig machen könnte (z.B. nach § 9 TVK), ist festzuhalten. Nach ihnen konnte die Beklagte von dem Kläger verlangen, daß dieser seine Nebentätigkeiten in der in der Dienstanweisung bezeichneten Art und Weise und während der darin bestimmten Dauer anzeigte.

b) Die Voraussetzungen des Anspruchs der Beklagten ergeben sich in tatsächlicher Hinsicht aus den für das Revisionsgericht verbindlich (§ 561 Abs. 2 ZPO) festgestellten Vorgängen, die der Dienstanweisung vorausgegangen waren.

aa) Zwar steht dem Arbeitnehmer die Verwendung seiner Arbeitskraft außerhalb der Arbeitszeit grundsätzlich frei. Soweit die Nebentätigkeit beruflicher Natur ist, kann sich der Arbeitnehmer auf das Grundrecht der freien Berufswahl berufen (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG); nichtberufliche Tätigkeiten sind durch das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) geschützt und stehen daher dem Arbeitnehmer ebenfalls als Nebentätigkeiten frei. Der Arbeitnehmer hat jedoch jede Nebentätigkeit zu unterlassen, die mit der Arbeitspflicht kollidiert, d.h. vor allem, wenn sie gleichzeitig ausgeübt wird, und bei nicht gleichzeitiger Ausübung dann, wenn die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung darunter leidet. Eine solche Nebentätigkeit stellt eine Verletzung der Arbeitspflicht dar (n.M. vgl. MünchArbR/Blomeyer § 53 Rz 3 u. 4 m.w.N.). Obwohl danach der Arbeitnehmer einen verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf Ausübung einer Nebentätigkeit hat, muß er eine bevorstehende Nebenbeschäftigung anzeigen, wenn die Interessen des Arbeitgebers bedroht sind (vgl. aaO, Rz 8 u. 9; BAGE 60, 135 = AP Nr. 3 zu § 611 BGB Doppelarbeitsverhältnis). So liegt der Fall hier.

bb) Wie sich aus der Dienstanweisung ergibt, beruhte diese auf der in dem Bericht des Rechnungshofs vom 24. September 1992 an die Kulturbehörde der Beklagten enthaltenen Aufforderung, die Orchestermitglieder zu verpflichten, jede Nebentätigkeit (z.B. als Solist, Musiker in anderen Orchestern, Musiker auf kammermusikalischem Gebiet, als Musikpädagoge) – auch die in Hamburg ausgeübte – zu melden. Diesem Bericht war ausweislich seines vom Berufungsgericht festgestellten Inhalts vorausgegangen, daß die Orchestermusiker sich seit 1989, nachdem damals bereits Nebentätigkeiten erheblichen Umfangs durch den Rechnungshof festgestellt worden waren, geweigert hatten, vierteljährlich, auf einem vom Orchesterbüro herausgegebenen Formblatt die in den jeweils zurückliegenden drei Monaten in Hamburg ausgeübten künstlerischen Nebentätigkeiten zu melden (Datum, Ort und Anlaß der Nebentätigkeit), und daß nach wie vor Musiker des Philharmonischen Staatsorchesters – auch zwei, denen dies ausdrücklich verboten worden war – in erheblichem Umfang bei den Hamburger Symphonikern ausgeholfen hatten. Weiter hatten die Orchestermitglieder für die künstlerischen Nebentätigkeiten außerhalb Hamburgs zwar schriftliche Erklärungen über die zeitliche Dauer ihrer Abwesenheit, jedoch in keinem Fall über den Umfang ihrer Beanspruchung im einzelnen angegeben.

Dieses Verhalten der Orchestermusiker führte dazu, daß Orchesterleitung und Kulturbehörde nicht beurteilen konnten und können, ob die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten der Musiker der Beklagten durch die unstreitig stattfindenden Nebentätigkeiten beeinträchtigt werden. Die Beklagte war deshalb berechtigt, sich in der in der Dienstanweisung bestimmten Art und Weise einen Überblick über die Nebentätigkeit der Musiker zu verschaffen. Sie hat durch die Dienstanweisung auch das Maß des dem Kläger Zumutbaren nicht überschritten und damit dessen Interessen an der Ausnutzung seiner Freizeit und an der Gestaltung seiner Privatsphäre nicht verletzt. Sie hat die Angaben nur anonym unter Verwendung von Code-Nummern, die nur der Orchesterintendant den einzelnen Orchestermusikern zuordnen kann, verlangt. Sie hat die erforderlichen Angaben auf die künstlerischen Nebentätigkeiten beschränkt und angekündigt, daß die Listen nur unter dem Gesichtspunkt der Beeinträchtigung der dienstlichen Leistungsfähigkeit durch Übermaß überprüft werden. Als Konsequenz hat sie lediglich ein Gespräch mit dem Betroffenen mit dem Ziel der Einschränkung der Nebentätigkeit angekündigt und zugleich hinzugefügt, daß sie es für denkbar hält, daß auch bei einem hohen Maß an Nebentätigkeiten die Aufgaben im Philharmonischen Staatsorchester ohne irgendwelche Beanstandungen erfüllt werden können. Weiter hat sie für die Zeit nach dem 30. November 1993 eine Regelung in Aussicht gestellt, die weniger aufwendig ist als dieses Meldeverfahren. Die künftige Ausübung ihrer Rechte aus § 9 TVK hat sie nicht einmal angekündigt. Im Hinblick darauf, daß die Musiker unstreitig seit vielen Jahren in erheblichem Umfang Nebentätigkeiten ausüben, Angaben über Nebentätigkeiten in Hamburg jedoch beharrlich total verweigern und hinsichtlich der Nebentätigkeiten außerhalb Hamburgs nicht den Umfang der Beanspruchung angeben, so daß die Beklagte nicht prüfen kann, ob es zu Beeinträchtigungen der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistungen der Musiker kommen kann, ist eine Bedrohung der Interessen der Beklagten offensichtlich. Daraus ergibt sich eine Pflicht des an diesem Verhalten beteiligten Klägers, in der seine Interessen berücksichtigenden Form der Dienstanweisung seine Nebentätigkeiten mitzuteilen. Die Beklagte hat durch dieses Vorgehen die dem Auskunftsanspruch des Arbeitgebers gezogenen rechtlichen Grenzen beachtet, die darin bestehen, daß an der Beantwortung der gestellten Fragen ein billigenswertes und schutzwürdiges Interesse bestehen muß, die Auskunftsverpflichtung keine übermäßige Belastung für den Arbeitnehmer darstellen darf und der mit der Erfüllung der Auskunftsverpflichtung verbundene Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers einer Abwägung der beiderseitigen Interessen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit standhalten muß (vgl. BAG Urteil vom 7. September 1995 – 8 AZR 828/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Gegen den Anspruch der Beklagten spricht nicht, daß sie ihn längere Zeit nicht geltend gemacht hat. Der Kläger konnte, nachdem die Musiker bereits 1989 in gleicher Weise angeschrieben worden waren, und im Hinblick auf den unstreitig erheblichen Umfang der Nebentätigkeiten nicht darauf vertrauen, daß die Beklagte als Gläubigerin der Arbeitsleistung auf Dauer ungeprüft lassen würde, ob der Kläger seinen Arbeitsvertrag ordnungsgemäß erfüllt.

II. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch die Anträge zu 2) abgewiesen.

1. Der Hauptantrag zu 2) ist unzulässig, weil es an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis fehlt. Die Androhung der Abmahnung stellt eine tatsächliche Handlung und damit eine Tatsache dar. Die Feststellung von Tatsachen, wie etwa die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verhaltens, ist jedoch nicht zulässig (vgl. z.B. Hauck, ArbGG, § 46 Rz 35).

2. Die Hilfsanträge zu 2) hat das Landesarbeitsgericht zu Recht als unbegründet abgewiesen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG Urteil vom 27. November 1985 – 5 AZR 101/84 – AP Nr. 93 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; BAGE 50, 362 = AP Nr. 96 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; Urteil vom 5. August 1992 – 5 AZR 531/91 – AP Nr. 8 zu § 611 BGB Abmahnung; BAGE 71, 14 = AP Nr. 9 zu § 611 BGB Abmahnung; Urteil vom 14. September 1994 – 5 AZR 632/93 – AP Nr. 13 zu § 611 BGB Abmahnung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) kann der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte verlangen. Zu Recht hält das Berufungsgericht diese Grundsätze auch auf die unberechtigte Androhung einer Abmahnung für anwendbar. Auch ein solches Schreiben ist, wenn es in die Personalakten aufgenommen wird, geeignet, den Arbeitnehmer in seinem Fortkommen zu beeinträchtigen.

Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht den mit dem ersten Hilfsantrag geltend gemachten Anspruch auf Entfernung aus der Personalakte bereits deshalb abgelehnt, weil die Androhung der Abmahnung wegen der unberechtigten Auskunftsverweigerung des Klägers rechtlich nicht zu beanstanden ist. Den auf Unterlassung einer Abmahnung oder deren Androhung gerichteten zweiten Hilfsantrag hat das Berufungsgericht aus den gleichen Gründen zu Recht als unbegründet abgewiesen.

III. Der Hauptantrag zu 3) und der hierzu gestellte Hilfsantrag sind unbegründet. Entgegen der Auffassung des Klägers ist § 9 TVK auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden. Dies haben die Arbeitsvertragsparteien in § 4 des Arbeitsvertrags vom 6. November 1978 dadurch, daß sie den TVK für anwendbar erklärt haben, wirksam vereinbart.

1. Diese Vereinbarung ist nicht, wie der Kläger gemeint hat, wegen Verstoßes gegen die negative Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) unwirksam. Art. 9 Abs. 3 GG schützt das Recht, sich zu Koalitionen zusammenzuschließen und das Recht, einer Koalition fernzubleiben (BAG Urteil vom 28. März 1990 – 4 AZR 539/89 – AP Nr. 25 zu § 5 TVG; BVerfG Beschluß vom 15. Juli 1980 – 1 BvR 24/74 und 1 BvR 439/79 – AP Nr. 17 zu § 5 TVG). Die Koalitionsfreiheit garantiert dem Nichttarifgebundenen aber nicht den Abschluß eines Arbeitsvertrags, in dem von der Bezugnahme auf tarifliche Regelungen abgesehen wird.

2. § 9 TVK ist auch entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb unwirksam, weil den Tarifvertragsparteien die erforderliche Rechtssetzungsmacht fehlte. Tarifliche Regelungen über Nebentätigkeiten betreffen Arbeitsbedingungen im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG. Sie können deshalb wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, grundsätzlich Regelungsgegenstand von Tarifnormen sein (vgl. MünchArbR/Blomeyer § 53 Rz 24 m.w.N.). Dabei ist dem Landesarbeitsgericht darin zu folgen, daß § 9 TVK einen wirksamen Regelungsinhalt besitzt. Soweit das Landesarbeitsgericht meint, die Bestimmung sei insoweit nichtig, als der in ihr geregelte Zustimmungsvorbehalt auch für den Fall gilt, daß durch eine Nebenbeschäftigung berechtigte Interessen des Arbeitgebers nicht beeinträchtigt werden, kommt es darauf für den hier zu beurteilenden Klageantrag nicht an.

3. Die Anwendbarkeit des § 9 TVK auf das Arbeitsverhältnis des Klägers entfällt auch nicht, weil die Beklagte den in dieser Bestimmung geregelten Zustimmungsvorbehalt über längere Zeit nicht ausgeübt hat. Das Berufungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im öffentlichen Dienst im Zweifel Normvollzug gilt. Ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes muß grundsätzlich davon ausgehen, daß ihm sein Arbeitgeber nur die Leistungen gewähren will, zu denen er rechtlich verpflichtet ist. Ohne besondere Anhaltspunkte darf der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes deshalb auch bei langjähriger Gewährung von Vergünstigungen, die den Rahmen rechtlicher Verpflichtungen des Arbeitgebers überschreiten, nicht darauf vertrauen, die Übung sei Vertragsinhalt geworden und werde unbefristet fortgesetzt. Er muß vielmehr damit rechnen, daß eine fehlerhafte Rechtsanwendung korrigiert wird (BAG Urteil vom 14. September 1994 – 5 AZR 679/93 – AP Nr. 46 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, m.w.N.). Besondere Anhaltspunkte, aus denen geschlossen werden kann, die Beklagte wolle auf Dauer auf ihre Rechte aus § 9 TVK verzichten, hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, K.-H. Reiman, Matiaske

 

Fundstellen

Haufe-Index 60023

BB 1996, 1892 (L1-3)

DB 1996, 2182-2183 (LT1-3)

NZA 1997, 41

PersR 1997, 40

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