Entscheidungsstichwort (Thema)

Merkmale der Schichtarbeit nach dem BMT-G 2

 

Leitsatz (redaktionell)

Schichtlohnzuschlag nach § 24 BMT-G 2 ist nur dann zu zahlen, wenn mehrere Arbeitnehmer eine Arbeitsaufgabe in einer geregelten zeitlichen Reihenfolge erledigen und dabei auch außerhalb der allgemein üblichen Arbeitszeit tätig sind. Eine geringfügige zeitliche Verschiebung des Arbeitsbeginns oder -endes innerhalb eines Zeitraumes zwischen 7.00 Uhr bis 17.00 Uhr genügt nicht.

 

Normenkette

TVG § 1; BMT-G §§ 24, 67; BMT-G 2 § 24; BMT-G 2 § 67

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 08.07.1980; Aktenzeichen 2 Sa 13/80)

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 08.07.1980; Aktenzeichen 2 Sa 12/80)

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 08.07.1980; Aktenzeichen 2 Sa 11/80)

ArbG Hildesheim (Entscheidung vom 07.12.1979; Aktenzeichen 1 Ca 437/79)

ArbG Hildesheim (Entscheidung vom 07.12.1979; Aktenzeichen 1 Ca 436/79)

ArbG Hildesheim (Entscheidung vom 07.12.1979; Aktenzeichen 1 Ca 435/79)

 

Tatbestand

Die Kläger sind bei der beklagten Samtgemeinde als Klärwärter beschäftigt, und zwar der Kläger B seit dem 1. Januar 1971, der Kläger K seit November 1945 und der Kläger Kr seit dem 4. August 1956. Die Arbeitszeit beträgt ohne Pausen 40 Stunden in der Kalenderwoche. Jeder der drei Kläger arbeitet nach einem Arbeitsplan der Beklagten vom 4. April 1979 nacheinander jeweils als erster, zweiter und dritter Klärwärter. Der Arbeitsplan teilt die Arbeitszeit einschließlich der Pausen wie folgt ein:

1. Klärwärter

Montag bis Freitag von 7.00 Uhr bis 13.15 Uhr

Sonnabend von 7.00 Uhr bis 9.30 Uhr

von 14.00 Uhr bis 15.15 Uhr

und von 18.00 Uhr bis 19.15 Uhr

Sonntag von 8.00 Uhr bis 10.30 Uhr

von 14.00 Uhr bis 15.15 Uhr

und von 18.00 Uhr bis 19.15 Uhr.

2. Klärwärter

Montag bis Freitag von 9.15 Uhr bis 17.00 Uhr

Sonnabend von 7.00 Uhr bis 9.30 Uhr

Sonntag von 8.00 Uhr bis 10.30 Uhr

3. Klärwärter

Montag bis Freitag von 7.00 Uhr bis 16.00 Uhr

Sonnabend und Sonntag arbeitsfrei.

Für die Arbeitsverhältnisse der Parteien gelten kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom 31. Januar 1962 in der jeweils geltenden Fassung (BMT-G II) sowie der entsprechende Bezirkliche Zusatztarifvertrag über die Höhe von Schichtlohnzuschlägen.

Der BMT-G II enthält in der Fassung des 24. Ergänzungstarifvertrages vom 16. März 1977 folgende Regelungen:

§ 24 Schichtlohnzuschlag

(1) Ständige Schichtarbeiter ..... erhalten einen Schichtlohnzuschlag. .....

(2) Die Höhe des Schichtlohnzuschlages wird bezirklich vereinbart.

§ 67 Begriffsbestimmungen

.....

34. Schichtarbeit

Schichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht.

Protokollerklärung:

Arbeiter, die zwar einer Schicht angehören, jedoch nicht am Schichtwechsel beteiligt sind, sind nicht Schichtarbeiter im Sinne dieser Begriffsbestimmung.

Nach § 2 Abs. 1 Buchst. b) des Bezirklichen Zusatztarifvertrages vom 25. Mai. 1973 zu § 24 BMT-G, gültig seit dem 1. Mai 1973, beträgt der Schichtlohnzuschlag für ständige Schichtarbeiter 6,0 v.H. des auf die Arbeitsstunde umgerechneten Monatstabellenlohnes der Lohngruppe V, Stufe 4, für jede in der Schicht geleistete Arbeitsstunde.

Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung des Schichtlohnzuschlages für die nach dem Arbeitsplan in der Zeit vom 9. April bis zum 20. September 1979 geleisteten Arbeitsstunden in der unstreitigen Höhe von jeweils 593,92 DM brutto in Anspruch. Darüber hinaus verfolgen sie die Feststellung einer entsprechenden Verpflichtung der Beklagten auch für die Zeit nach dem 21. September 1979. Die Kläger haben geltend gemacht, ihre Arbeitszeiten wechselten von Woche zu Woche in ganz unterschiedlicher Weise, sie hätten daher ständig Schichtarbeit im Sinne der §§ 24 und 67 Nr. 34 BMT-G II geleistet und müßten diese auch künftig leisten. Daher stehe ihnen der tarifliche Schichtlohnzuschlag zu.

Die Kläger haben zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an jeden Kläger 593,92 DM brutto nebst 4 % Zinsen hierauf seit Klagezustellung zu zahlen,

2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, jedem Kläger für jede ab 21.9.1979 geleistete Arbeitsstunde den Schichtlohnzuschlag für ständige Schichtarbeiter (z.Zt. 6 %) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die Regelungen ihres Arbeitsplanes hielten sich im Rahmen der allgemein üblichen täglichen Arbeitszeit von 7.00 bis 17.00 Uhr und sähen nur innerhalb dieser Zeitspanne Unterschiede hinsichtlich des Beginns und des Endes der Arbeitszeit sowie der Pausen vor. Diese Arbeitszeiteinteilung ergebe sich zwangsläufig aus dem Betrieb der Kläranlage. Es müsse sichergestellt sein, daß die Anlage während der Zeit des erhöhten Schmutzwasseranfalls ständig mit zwei Klärwärtern besetzt sei. Diese Zeit liege zwischen 7.00 und 16.00 Uhr von montags bis freitags, wo der Anlage neben dem häuslichen Abwasser Industrieabwässer mit unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung zugeführt würden. An den Wochentagen von Montag bis Freitag müsse jeweils an drei Vormittagsstunden auch der dritte Klärwärter tätig werden, so daß in der Zeit von 9.15 bis 13.15 Uhr alle drei Klärwärter anwesend seien.

Diese wechselnden Arbeitszeiten stellten keine Arbeitsschichten im Sinne der tariflichen Begriffsbestimmung dar. Für Arbeitsschichten sei der mit ihnen verfolgte Zweck wesentlich, auf einem Arbeitsplatz bestimmte Arbeiten über einen erheblich längeren Zeitraum als die tägliche Arbeitszeit eines Arbeiters hinaus durchzuführen. Daraus ergebe sich regelmäßig die Notwendigkeit, daß sich die Schichtarbeiter am Arbeitsplatz ablösten. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben den Klagen stattgegeben. Mit ihren Revisionen verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen der Beklagten sind begründet. Den Klägern steht der verlangte Schichtlohnzuschlag nicht zu.

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Begriff der Schichtarbeit im Sinne des § 24 BMT-G II sei abschließend in § 67 Nr. 34 BMT-G II und der zugehörigen Protokollerklärung bestimmt. Der Arbeitsplan der Beklagten stelle einen Schichtplan entsprechend der Definition des § 67 Nr. 34 BMT-G II dar. Für den von dieser Vorschrift geforderten "Wechsel der Arbeitszeit" komme es nicht auf die Arbeitsdauer pro Tag und Woche an, sondern auf die zeitliche Lage der Arbeitszeit. Dabei sei nicht entscheidend, in welchem Maße sich die Lage der Arbeitszeit ändere. Auch sei nicht erforderlich, daß sich die Schichtarbeiter an einem Arbeitsplatz ablösten, weil die zu verrichtenden Arbeiten über die tägliche Arbeitszeit eines Arbeiters wesentlich hinausgingen. Das werde zwar von dem herkömmlichen Schichtbegriff gefordert, diesen habe aber der Tarifvertrag nicht übernommen. An seine Stelle sei vielmehr die insoweit eindeutige und klare tarifvertragliche Bestimmung getreten, die eine Ablösung am Arbeitsplatz nicht voraussetze, sondern lediglich einen regelmäßigen Wechsel der zeitlichen Lage der Arbeitszeit verlange. Nach dem Arbeitsplan der Beklagten wechsele die tägliche Arbeitszeit der Kläger von Woche zu Woche in einem dreiwöchigen Turnus. Von diesem Schichtwechsel seien die Kläger ständig betroffen. Sie leisteten folglich Schichtarbeit. Dieser Begründung des Landesarbeitsgerichts kann nicht gefolgt werden.

2. Die Kläger leisten keine Schichtarbeit.

a) Einer ausschließlich am Wortlaut ausgerichteten Auslegung des § 67 Nr. 34 BMT-G II könnte allerdings entnommen werden, daß es für den Begriff der Schichtarbeit im Sinne dieses Tarifvertrages lediglich auf den regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit innerhalb eines Monats ankommen solle. Wenn das richtig wäre, müßte man schon dann von Schichtarbeit sprechen, wenn die tägliche Arbeitszeit von Woche zu Woche oder längstens von Monat zu Monat nur um wenige Minuten zeitlich versetzt wäre. Das müßte schon dann gelten, wenn die Arbeit beispielsweise im ersten Wechselabschnitt um 7.00 Uhr, im zweiten um 7.15 Uhr und im dritten um 7.30 Uhr begänne und entsprechend zeitlich versetzt endete. Dieses Ergebnis wäre indessen mit den Gründen für die Zahlung eines Schichtlohnzuschlages unvereinbar.

Nach dem Sinn und Zweck eines Schichtlohnzuschlages soll dem Arbeitnehmer ein finanzieller Ausgleich dafür gewährt werden, daß die Schichtarbeit erheblich auf seinen Lebensrhythmus einwirkt und dadurch zu Erschwerungen führt. Kennzeichnend für Schichtarbeit ist, daß ihr Beginn oder aber ihr Ende außerhalb der allgemein üblichen Arbeits- und Geschäftszeit fällt, also in die Zeit vor etwa 7.00 Uhr oder nach etwa 18.00 Uhr. Allgemein wird zwischen Früh-, Spät- und Nachtschicht unterschieden. Bereits während der Spätschicht ist der Arbeitnehmer durch die Pflicht, sich am Arbeitsplatz aufzuhalten, von allem Geschehen ausgeschlossen, das sich normalerweise in den Abendstunden und damit außerhalb der allgemeinen Arbeits- und Geschäftszeit abspielt. Sein Leben in und außerhalb der Familie ist eingeschränkt. Besuche bei und von Freunden und Bekannten sowie Teilnahme an Veranstaltungen der verschiedensten Art, wie Versammlungen, kulturellen Unternehmungen oder Medienunterhaltung sind behindert (vgl. Schoden/ Bösche, Schichtarbeit, AR-Blattei, B I und II). Wer dagegen während der üblichen Arbeits- und Geschäftszeit, wenn auch mit regelmäßig wechselndem Arbeitsbeginn, seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen hat, braucht die erwähnten Nachteile und Erschwernisse nicht auf sich zu nehmen. Würde ihm eine Schichtlohnzulage eingeräumt, stünde er ohne sachlich gerechtfertigten Grund besser als eigentliche Schichtarbeiter.

b) Diese Erwägungen legen die Annahme nahe, daß die Tarifvertragsparteien nicht bereits dann von Schichtarbeit ausgehen wollten, wenn der Arbeitsplan einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Abschnitten von höchstens einem Monat vorsieht, sondern daß sie unter Schichtarbeit die Tätigkeit verstehen, die allgemein mit diesem Begriff erfaßt wird. Darauf deuten überdies die Verwendung des Tatbestandsmerkmals "Schichtplan" in § 67 Nr. 34 BMT-G II sowie die Klarstellung in der Protokollerklärung hin, Schichtarbeiter sei nur, wer am "Schichtwechsel" beteiligt ist.

Allgemein wird für das Wesen der Schichtarbeit angenommen, daß eine bestimmte Arbeitsaufgabe über einen erheblich längeren Zeitraum als die tägliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers hinaus zu erfüllen ist und daher von mehreren Arbeitnehmern (oder Arbeitnehmergruppen) in einer geregelten zeitlichen Reihenfolge teilweise auch außerhalb der allgemein üblichen Arbeitszeit erbracht werden muß (vgl. allgemein und aus neuerer Zeit Schoden/Bösche, aaO, C III 1 a.E. sowie 5 und 7; ferner für gemeindliche Verwaltungen und Betriebe Scheuring/Lang, BMT-G II, 6. Aufl., Stand 1. Januar 1982, § 24 Erl. 3, § 67 Erl. 34; schließlich aus früherer Zeit BAG Urteil vom 23. September 1960 - 1 AZR 567/59 - AP Nr. 4 zu § 2 AZO, zu I der Gründe). In diesem Sinne haben die Tarifvertragsparteien für die Zukunft ausdrücklich Klarheit geschaffen. Ab 1. Januar 1982 muß die betriebliche Arbeitszeit, innerhalb derer Schichtarbeit geleistet wird, mindestens dreizehen Stunden betragen (Protokollerklärung zu § 24 Abs. 2 Buchst. b) und c) BMT-G II i.d.F. des 28. Ergänzungstarifvertrages vom 1. Juli 1981).

c) Während ihrer Hauptarbeitszeit, nämlich den Tagen von Montag bis Freitag, liegt die betriebliche Arbeitszeit der Kläger innerhalb eines Zeitraumes von 7.00 bis 17.00 Uhr. Dabei handelt es sich um den zeitlichen Rahmen, in den die allgemeine Arbeits- und Geschäftszeit fällt. Schon deswegen ist die Arbeit der Kläger, auch wenn sie zeitlich versetzt beginnt und endet, keine Schichtarbeit im Sinne der tarifvertraglichen Regelung. Die Arbeit am Wochenende sprengt zwar den beschriebenen zeitlichen Rahmen für jeweils zwei Klärwärter. Dadurch allein wird die Tätigkeit der Kläger aber nicht zur Schichtarbeit. Die Arbeit am Wochenende ist vom Tarifvertrag gesondert geregelt (§ 15 Abs. 2 und Abs. 3 BMT-G II). Die Frage, wie die besondere Belastung durch diese Arbeit ausgeglichen werden muß, ist aus den genannten Regelungen zu beantworten. Das zeigt, daß die Arbeit am Wochenende für sich genommen nicht zur Schichtarbeit werden kann.

 

Fundstellen

DB 1983, 1314-1314 (LT1)

AP § 24 BMT-G II (LT1), Nr 1

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