Entscheidungsstichwort (Thema)

Mutterschutz. Kündigung nach Zulässigkeitserklärung nach § 9 Abs. 3 MuSchG. Kündigung während der Schwangerschaft nach Zulässigkeitserklärung nach § 9 Abs. 3 MuSchG. Wirkung eines Widerspruchs nach einer Anfechtungsklage. Kündigungsschutz. vgl. BAG-Urteil vom 17. Juni 2003 – 2 AZR 245/02 –

 

Orientierungssatz

  • Die Zulässigkeitserklärung der zuständigen Behörde zur Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin nach § 9 Abs. 3 MuSchG muß zum Kündigungszeitpunkt vorliegen, aber noch nicht bestandskräftig sein.
  • Der Widerspruch der schwangeren Arbeitnehmerin gegen die Zulässigkeitserklärung der zuständigen Behörde zur Kündigung und ihre Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO. Sie führen aber nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Durch den Suspensiveffekt des Widerspruchs und der Anfechtungsklage entfallen die Rechtswirkungen der Zulässigkeitserklärung nur vorläufig.
  • Deshalb ist die Zulässigkeitserklärung für den Fall des Widerspruchs “schwebend wirksam”.
 

Normenkette

GG Art. 19 Abs. 4; MuSchG § 9 Abs. 1, 3; VwGO § 80 Abs. 1; SchwbG § 18 Abs. 4; ZPO §§ 148, 589; ArbGG § 9 Abs. 1, § 64 Abs. 8, § 61a

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 23.04.2002; Aktenzeichen 13 Sa 909/01)

ArbG Herne (Urteil vom 11.04.2001; Aktenzeichen 1 Ca 2092/00)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 23. April 2002 – 13 Sa 909/01 – aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer gegenüber der Klägerin während ihrer Schwangerschaft ausgesprochenen Kündigung.

Die am 5. Oktober 1973 geborene Klägerin war seit dem 1. September 1990 als Auszubildende und seit dem 22. Juni 1993 als Schweißerin/Automatenschweißerin bei der Beklagten, die in ihrem Betrieb in H.… PSA-Abscheider und Prozeßluftkühler herstellte und vertrieb, beschäftigt. Sie ist Mitglied des Betriebsrats. Seit dem 3. Juli 2000 befindet sie sich nach ihrer Schwangerschaft und dem Ablauf der Schutzfristen im Erziehungsurlaub.

Nachdem der Vorsitzende einer im Betrieb der Beklagten gebildeten Einigungsstelle das Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen festgestellt hatte, beschloß die Geschäftsführung der Beklagten am 18. Januar 2000, ua. die Funktionseinheit “Produktion Prozeß-Luftkühler”, zu der die Elementmontage AFC (Kostenstelle 421) gehörte, mit Wirkung zum 28. Februar 2000 stillzulegen und die dort verrichteten Arbeiten nicht mehr auszuführen. Andere Funktionen und Funktionseinheiten, wie beispielsweise der Vertrieb PSA-Abscheider und die Endmontage PSA-Abscheider (Kostenstelle 451), wurden durch Rechtsgeschäft auf die G.… Verwaltungs GmbH übertragen. Weitere Abteilungen, ua. die externe Montage (Kostenstelle 580) und die Qualitätssicherung (Kostenstelle 592), verblieben bei der Beklagten und wurden umstrukturiert.

Am 19. Januar 2000 unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat über die infolge ihrer Stillegungsentscheidung beabsichtigte ordentliche Kündigung von 153 der ursprünglich 309 Arbeitnehmer. Unter den zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmern war auch die zu diesem Zeitpunkt schwangere Klägerin, die in der Kostenstelle 421 geführt wurde. Das Anhörungsschreiben an den Betriebsrat enthielt für die Klägerin in der Zeile “Persönliche Daten” den Hinweis “Mutterschutz” sowie den weiteren Zusatz:

“Die Kündigung einer Person, die unter den Geltungsbereich des Mutterschutzgesetzes fällt, wird ebenfalls erst nach Zustimmung durch die zuständige Behörde ausgesprochen. Die Bitte um Zustimmung wird ebenfalls parallel zu dieser Anhörung gestellt”.

Auf den Antrag der Beklagten erklärte die zuständige Behörde mit dem der Beklagten am 13. Juni 2002 zugegangenen Bescheid vom 8. Juni 2000 die Kündigung für zulässig. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 14. Juni 2000, der Klägerin am selben Tage zugegangen, das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Juli 2000.

Mit Schreiben vom 19. Juni 2000 legte die Klägerin Widerspruch gegen die Entscheidung der Behörde ein. Die Widerspruchsbehörde wies den Widerspruch mit Bescheid vom 4. September 2000 zurück. Die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen – 11 K 4847/00 – abgewiesen. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung der Klägerin ist inzwischen rechtskräftig zurückgewiesen worden, wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend klargestellt haben. Den von der Beklagten gestellten Antrag auf Aufhebung der aufschiebenden Wirkung hatte das Verwaltungsgericht mit Beschluß vom 18. Juli 2000 – 11 L 1315/02 – ebenfalls zurückgewiesen.

Mit ihrer beim Arbeitsgericht am 23. Juni 2000 eingegangen Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewandt. Sie hält die Kündigung wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 MuSchG für nichtig. Die Klägerin meint, vor Bestandskraft des Zustimmungsbescheides habe die Beklagte nicht wirksam kündigen können. Im übrigen sei die Kündigung sozial ungerechtfertigt. Es liege weder ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vor, noch sei die Sozialauswahl zutreffend. Schließlich habe die Beklagte den ihr als Betriebsratsmitglied zukommenden Sonderkündigungsschutz nicht hinreichend beachtet. Sie hätte ggf. den Arbeitsplatz des Mitarbeiter K.… in der Montageabteilung für sie freimachen müssen.

Die Klägerin hat – soweit für die Revision noch von Bedeutung – zuletzt beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 14. Juni 2000 zum 31. Juli 2000 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags die Auffassung vertreten, § 9 Abs. 1 MuSchG stehe der ausgesprochenen Kündigung nicht entgegen. Zum Zeitpunkt der Kündigung habe ein wirksamer Bescheid der zuständigen Behörde und noch kein Widerspruch der Klägerin vorgelegen. Die Beklagte hält die Kündigung auch wegen der Teilbetriebsstillegung für sozial gerechtfertigt. Bei der Sozialauswahl sei nur auf die ab dem 18. Januar 2000 geschaffenen betrieblichen Strukturen abzustellen. Die ehemaligen Mitarbeiter der Kostenstelle 451 seien nicht in eine Sozialauswahl einzubeziehen. Eine Weiterbeschäftigung in der Montageabteilung komme wegen der fehlenden Qualifikation der Klägerin nicht in Betracht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das arbeitsgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und nach dem Feststellungsantrag der Klägerin erkannt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts führt der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid der zuständigen Behörde allein nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung vom 14. Juni 2000 nach § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG iVm. § 134 BGB.

  • Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei nach § 9 Abs. 1 MuSchG iVm. § 134 BGB nichtig, weil zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs noch keine bestandskräftige behördliche Zulässigkeitserklärung vorlag bzw. der Bescheid von der zuständigen Behörde nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt worden sei. Der von der schwangeren Klägerin gegen die Zustimmung der zuständigen Behörde eingelegte Widerspruch habe aufschiebende Wirkung. Deshalb könne der angegriffene Verwaltungsakt seine privatrechtsgestaltende Wirkung noch nicht entfalten. Aus dem Fehlen einer § 18 Abs. 4 SchwbG entsprechenden Regelung sei zu schließen, daß Widerspruch und Anfechtungsklage im Falle einer Zulässigkeitserklärung der zuständigen Behörde nach dem Mutterschutzgesetz keine aufschiebende Wirkung hätten.
  • Dem folgt der Senat nicht. Ob die Klage begründet ist, kann auf Grund der bisherigen Tatsachenfeststellungen noch nicht abschließend beurteilt werden. Der Rechtsstreit war deshalb an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

    I. Die Kündigung vom 14. Juni 2000 ist nicht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG iVm. § 134 BGB nichtig.

    1. Bei Zugang der Kündigung lag die wegen der Schwangerschaft der Klägerin erforderliche Zulässigkeitserklärung der zuständigen Behörde nach § 9 Abs. 3 Satz 1 MuSchG vor. Mit Bescheid vom 8. Juni 2000 hatte die Bezirksregierung Arnsberg die ordentliche Kündigung zum 31. Juli 2000 für zulässig erklärt und damit die Kündigungssperre des § 9 Abs. 1 MuSchG aufgehoben.

    2. Gegen die Zulässigkeitserklärung der zuständigen Behörde hat die Klägerin am 19. Juni 2000 – also nach dem Zugang der Kündigungserklärung – Widerspruch eingelegt. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts führten dieser Widerspruch und die nachfolgende Anfechtungsklage jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung wegen des Fehlens einer wirksamen bestandskräftigen Entscheidung der zuständigen Behörde. Die Zulässigkeitserklärung muß nämlich zum Kündigungszeitpunkt noch nicht bestandskräftig sein.

    a) Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, daß die Zulässigkeitserklärung der zuständigen Behörde ein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt mit Doppelwirkung ist (BAG 17. Februar 1982 – 7 AZR 846/79 – BAGE 38, 42; BVerwG 10. September 1992 – 5 C 39.88 – BVerwGE 91, 7, 9; Buchner/Becker MuSchG und BErzGG 7. Aufl. § 9 MuSchG Rn. 202). Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe entfällt nur, wenn die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist, was vorliegend nicht der Fall ist. Die in der aufschiebenden Wirkung der Rechtsbehelfe liegende Sicherung des vorläufigen Rechtsschutzes gehört zu den wesentlichen Elementen des Rechtsschutzes überhaupt und wird insoweit von der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG mit erfaßt (BVerfG 19. Juni 1973 – 1 BvL 39/69 und 14/72 – BVerfGE 35, 264, 274; 18. Juli 1973 – 1 BvR 23/73 und 155/73 – BVerfGE 35, 382, 402; BVerwG 6. Juli 1973 – IV C 79.69 – DÖV 1973, 785, 786; Kopp/Schenke VwGO 12. Aufl. § 80 Rn. 1).

    Die aufschiebende Wirkung bezieht sich aber nur auf die Vollziehbarkeit und nicht auf die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes (BVerwG 21. Juni 1961 – VIII C 398.59 – BVerwGE 13, 1, 5; OVG Nordrhein-Westfalen 6. Mai 1985 – 12 A 2094/83 –; zusammenfassend Kuhla/Hüttenbrink Der Verwaltungsprozeß J Rn. 7 mwN; Redeker/von Oertzen Verwaltungsgerichtsordnung 12. Aufl. § 80 Rn. 4). Ein Verwaltungsakt, durch den die Rechtsstellung des Betroffenen beeinträchtigt oder geschmälert wird, darf danach von der Behörde nicht verwirklicht werden. Die aufschiebende Wirkung hemmt nicht nur den Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes, sondern hindert auch die Behörde daran, vorerst – nämlich für die Dauer der aufschiebenden Wirkung – rechtliche oder tatsächliche Folgerungen aus dem Verwaltungsakt zu ziehen. Die Behörde ist verpflichtet, während des durch die Anfechtung des Verwaltungsaktes herbeigeführten Schwebezustandes alle Maßnahmen zu unterlassen, die seiner Vollziehung dienen, sofern diese Maßnahmen den Bestand und die Rechtmäßigkeit des ergangenen Verwaltungsaktes voraussetzen (BVerwG 21. Juni 1961 – VIII C 398.59 – aaO und 6. Juli 1973 – IV C 79.69 – DÖV 1973, 785, 786). Ihr ist es untersagt, aus dem angegriffenen Verwaltungsakt unmittelbar oder mittelbar, tatsächliche oder rechtliche Folgerungen gleich welcher Art zu ziehen (Kuhla/Hüttenbrink aaO J Rn. 7).

    b) Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs entfällt nicht, weil § 18 Abs. 4 SchwbG bzw. § 88 Abs. 4 SGB IX auf die vorliegende Fallgestaltung analog anzuwenden wäre. Anders als nach den Normen des Schwerbehindertengesetzes kennt das Mutterschutzgesetz keine Regelung, die die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage ausdrücklich ausschließt. Gegen eine analoge Anwendung, wie sie teilweise angenommen wird (vgl. beispielsweise LAG Rheinland-Pfalz 14. Februar 1996 – 2 Sa 1081/95 – LAGE MuSchG § 9 Nr. 21), spricht schon das Fehlen einer unbewußten gesetzgeberischen Lücke. Die allgemeinen verwaltungsrechtlichen Regeln nach § 80 Abs. 1 VwGO kommen ohne weiteres zur Anwendung (gleichfalls gegen eine Analogie: KR-Etzel 6. Aufl. § 9 MuSchG Rn. 127; APS-Rolfs § 9 MuSchG Rn. 84; Corts in Anm. zu Thüringer LAG 31. Januar 2002 – 1 Sa 332/01 – LAGE MuSchG § 9 Nr. 25).

    c) Der Suspensiveffekt des § 80 Abs. 1 VwGO soll aber nur den Eintritt der Bestandskraft des Verwaltungsaktes verhindern (Kuhla/Hüttenbrink Der Verwaltungsprozeß J Rn. 6). Er hat nicht die Unwirksamkeit des zugrunde liegenden Verwaltungsaktes zur Konsequenz (vgl. insbesondere Eyermann/Schmidt VwGO 11. Aufl. § 80 Rn. 6). § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO trennt erkennbar zwischen der materiell-rechtlichen Gestaltungswirkung und der prozessualen – aufschiebenden – Wirkung des Bescheids und ordnet an, daß die aufschiebende Wirkung auch für rechtsgestaltende Verwaltungsakte eintritt. Dementsprechend kann ein Widerspruch nicht die – endgültige – Unwirksamkeit der von einem Privaten ausgesprochenen Kündigungserklärung zur Folge haben.

    aa) Der Suspensiveffekt soll den Eintritt der den Bürger endgültig belastenden Folgen eines Verwaltungsaktes – zumindest vorläufig – verhindern. Gleichwohl bleibt der Verwaltungsakt trotz dieser aufschiebenden Wirkung als solcher bestehen, nur die Folgerungen tatsächlicher oder rechtlicher Art dürfen nicht mehr gezogen werden. Im Falle eines privatrechtsgestaltenden Verwaltungsaktes gilt es dabei zu beachten, daß die “Vollziehung” erst durch ein privat-autonomes Gestaltungsmittel (hier die Kündigung) erfolgt (BAG 17. Februar 1982 – 7 AZR 846/79 – BAGE 38, 42). Um den Eintritt der für den Bürger belastenden Folgen zu verhindern und einen effektiven Rechtsschutz, den § 80 VwGO garantieren will, zu gewähren, genügt es verwaltungsrechtlich, dem Bescheid seine Wirksamkeit vorläufig zu nehmen. Entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung (KR-Etzel 6. Aufl. § 9 MuSchG Rn. 127; ErfK/Schlachter 3. Aufl. § 9 MuSchG Rn. 19; APS-Rolfs § 9 MuSchG Rn. 84; Heilmann MuSchG 2. Aufl. § 9 Rn. 169 f.) ist es dafür nicht notwendig, die Kündigung mit dem Verdikt der endgültigen Unwirksamkeit zu versehen. Für einen effektiven verwaltungsprozessualen Schutz ist es ausreichend, der Zulässigkeitserklärung ihre Wirksamkeit vorläufig zu nehmen (Corts in Anm. zu Thüringer LAG 31. Januar 2002 – 1 Sa 332/01 – LAGE MuSchG § 9 Nr. 25; Corts/Hege SAE 1983, 7, 9). Denn die Kündigung kann nicht alleine und ohne die Zulässigkeitserklärung des Landesamtes wirken. Diese Zulässigkeitserklärung ist öffentlich-rechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung der vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung (BVerwG 10. September 1992 – 5 C 39.88 – BVerwGE 91, 7, 9; Staudinger/Gursky BGB Neubearbeitung 2001 vor §§ 182 ff. Rn. 54). Sie hebt die öffentlich-rechtliche Verbotsschranke, die dem Zweck eines effektiven Mutterschutzes dient, auf. Ohne Zulässigkeitserklärung fehlt es der Kündigung an einem notwendigen Wirksamkeitserfordernis (Larenz/Wolf Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts 8. Aufl. § 44 Rn. 47). Durch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs entfallen die Rechtswirkungen des Zulässigkeitserklärungsbescheides – nur – vorläufig, um beim Wegfall der aufschiebenden Wirkung, dh. im Falle der Bestandskraft des Verwaltungsaktes, wieder rückwirkend (ex tunc) aufzuleben (vgl. insbesondere BVerwG 12. Mai 1966 – II C 197.62 – BVerwGE 24, 92, 98; 2. Juli 1982 – 8 C 101.81 – BVerwGE 66, 75, 77; Eyermann/Schmidt VwGO 11. Aufl. § 80 Rn. 16; Kopp/Schenke VwGO 12. Aufl. § 80 Rn. 22).

    bb) Damit bildet die Zulässigkeitserklärung zunächst eine ausreichende Basis, auf Grund derer der Arbeitgeber die Kündigung wirksam erklären kann. Die ausgesprochene Kündigung kann allerdings erst rechtswirksam werden, wenn der Bescheid auch seine “innere Wirksamkeit” (so Corts/Hege SAE 1983, 79) entfaltet und bestandskräftig ist. Das ist nicht der Fall, wenn und solange ein Widerspruch und eine Anfechtungsklage rechtlich möglich sind bzw. die Arbeitnehmerin hiervon Gebrauch macht. Keine Bedeutung hat dabei die zeitliche Reihenfolge von Kündigung und Widerspruch (VG des Saarlandes 24. Oktober 1979 – 4 F 2906/79 – NJW 1980, 721; aA Redeker/von Oertzen Verwaltungsgerichtsordnung 12. Aufl. § 80 Rn. 7, nach dem die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs erst mit seiner Einlegung eintritt und bis zur Einlegung des Widerspruchs der Verwaltungsakt auch vollzogen werden kann), da der Suspensiveffekt auch rückwirkend eintritt.

    cc) Steht die Vollziehung des Verwaltungsaktes unter dem Vorbehalt der aufschiebenden Wirkung durch die Einlegung des entsprechenden Rechtsbehelfs, so wird die Zulässigkeitserklärung erst mit Bestandskraft des Verwaltungsaktes endgültig rechtswirksam. Für die Kündigung bedeutet dies, daß sie zunächst “schwebend wirksam” ist (Buchner/Becker MuSchG und BErzGG 7. Aufl. § 9 MuSchG Rn. 206; Gröninger/Thomas MuSchG Stand Oktober 2002 § 9 Rn. 106; Meisel/Sowka Mutterschutz und Erziehungsurlaub 5. Aufl. § 9 MuSchG Rn. 111; Zmarzlik/Zipperer/Viethen Mutterschutzgesetz, Mutterschaftsleistungen, Bundesgelderziehungsgesetz 8. Aufl. § 9 MuSchG Rn. 74; Wilhelm NZA 1988 Beil. 3 S. 18, 27; Staudinger/Gursky BGB Neubearbeitung 2001 vor §§ 182 ff. Rn. 54).

    dd) Auch das Bundesverwaltungsgericht hält eine Kündigungserklärung vor Bestandskraft der Zulässigkeitserklärung offensichtlich für rechtlich zulässig. Es führt in seiner Entscheidung vom 18. August 1977 (– V C 8.77 – BVerwGE 54, 276) aus, daß “eine mit Zulässigkeitserklärung ausgesprochene Kündigung rückwirkend unwirksam (wird), wenn die Zulässigkeitserklärung im Rechtsmittelverfahren aufgehoben wird” (ähnlich VGH Baden-Württemberg 7. Dezember 1993 – 10 S 2825/92 – EzA MuSchG § 9 nF Nr. 33).

    d) Demnach führen allein die Einlegung des Widerspruchs bzw. die Erhebung einer Anfechtungsklage gegen die Zulässigkeitserklärung noch nicht dazu, die Kündigung als rechtsunwirksam zu qualifizieren. Solange die Zulässigkeitserklärung der Bezirksregierung Arnsberg noch nicht bestandskräftig ist, steht weder ihre Rechtmäßigkeit noch Fehlerhaftigkeit und damit auch nicht eine Nichtigkeit der Kündigung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG iVm. § 134 BGB fest. Dementsprechend ist bis zum Eintritt der Bestandskraft der Zulässigkeitserklärung die ausgesprochene Kündigung schwebend wirksam.

    II. Der Rechtsstreit war zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es Gelegenheit erhält, den betriebsbedingten Kündigungsgrund, die gerügte Sozialauswahl und insbesondere den besonderen Kündigungsschutz der Klägerin als Betriebsratsmitglied und ihre mögliche Versetzung auf den Arbeitsplatz des Mitarbeiters K.… abschließend zu prüfen.

 

Unterschriften

Rost, Schmitz-Scholemann, Eylert, Beckerle, Kuemmel-Pleißner

 

Fundstellen

Haufe-Index 1084285

DB 2004, 2818

ARST 2004, 199

AP, 0

EzA-SD 2004, 6

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