Entscheidungsstichwort (Thema)

Weiterbeschäftigungsanspruch – Annahmeverzug

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für einen ordnungsgemäßen Widerspruch des Betriebsrats nach § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG gegen eine ordentliche Kündigung reicht es zur Begründung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG nicht aus, wenn der Betriebsrat nur allgemein auf eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens verweist; dem Betriebsrat ist vielmehr ein Mindestmaß an konkreter Argumentation abzuverlangen, d.h. der Arbeitsplatz, auf dem der zu kündigende Arbeitnehmer eingesetzt werden kann, ist in bestimmbarer Weise anzugeben (im Anschluß an BAG Urteil vom 24. März 1988 - 2 AZR 680/87 - RzK I 5 i Nr. 35).

2. Es bleibt offen, ob das Weiterbeschäftigungsverlangen nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG spätestens zum Ablauf der Kündigungsfrist geltend gemacht werden muß (a.A. BAG Urteil vom 31. August 1978 - 3 AZR 989/77 - AP Nr. 1 zu § 102 BetrVG 1972 Weiterbeschäftigung).

 

Normenkette

BetrVG § 102 Abs. 5; BGB §§ 242, 611; GG Art. 1-2

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 17.06.1998; Aktenzeichen 9 Sa 106/96)

ArbG Lörrach (Urteil vom 08.07.1996; Aktenzeichen 3 Ca 188/96)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 17. Juni 1999 - 9 Sa 106/96 - wird zurückgewiesen, soweit die Parteien die Hauptsache nicht übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 4/5 und die Beklagte 1/5.

 

Tatbestand

Der Kläger war seit 1. Oktober 1973 bei der Beklagten als EDV-Operator in deren Werk K, das zum 30. September 1996 stillgelegt worden ist, beschäftigt. Die Beklagte hat eine erstmals aus diesem Grund ausgesprochene Kündigung vom 20. März zum 30. September 1995 zurückgenommen. In dem Vorprozeß - 3 Ca 321/95 - Arbeitsgericht Lörrach (- 9 Sa 44/96 - LAG Baden-Württemberg) hat der Kläger gegen eine weitere ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23. Juni 1995 zum 31. Dezember 1995, hilfsweise zum 31. Januar 1996, geklagt; diese Klage hatte er mit einem ausdrücklich auf §§ 611, 242 BGB, Art. 1, 2 GG gestützten Weiterbeschäftigungsantrag verbunden.

Der Kläger hat erstmals mit Schreiben vom 28. September 1995 einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG geltend gemacht, weil der Betriebsrat der Beklagten der beabsichtigten Kündigung zum 31. Dezember 1995, hilfsweise zum 31. Januar 1996 unter dem 19. Juni 1995 mit folgender Begründung widersprochen hatte:

„Der Betriebsrat ist der Auffassung, daß eine Weiterbeschäftigung für Herrn E möglich ist.

Nach den bisherigen Informationen ist eine Fortführung der bis heute in K durchgeführten Tätigkeiten bei der BU HLD in M geplant, daher ist der Wegfall des Arbeitsplatzes nicht zwingend.

Herr E hat sich bereits mehrfach auf Stellenangebote im Konzern beworben.”

Nachdem die Beklagte den Kläger unter Fortzahlung der Vergütung im Termin beim Arbeitsgericht Lörrach vom 16. Oktober 1995 unwiderruflich von der Arbeit freigestellt hatte mit der gleichzeitigen Erklärung, bei Beendigung der Vergütung zum 31. Dezember 1995 sei eine Abfindung von 176.004,00 DM errechnet worden, hat der Kläger den in diesem Prozeß anhängig gemachten Weiterbeschäftigungsantrag zurückgenommen. Am gleichen Tag hat das Arbeitsgericht durch Urteil dem Feststellungsantrag des Klägers entsprochen. Auf die Berufung der Beklagten ist dieses Urteil abgeändert und durch Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 28. April 1997 die Kündigungsschutzklage (für die Zeit ab 1. Februar 1996) abgewiesen worden. Diese Entscheidung ist rechtskräftig (Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 20. August 1997 - 2 AZN 457/97 -).

Mit der vorliegenden, im April 1996 erhobenen Klage hat der Kläger Zahlung der Gehälter für Januar bis Mai 1996 im Gesamtbetrag von 34.560,00 DM abzüglich 12.706,20 DM Arbeitslosengeld verlangt. Die Beklagte hat gemäß ihrem Vorbehaltsschreiben vom 6. Februar 1996 Zahlungen auf diese Gehälter geleistet; der Vorbehalt erfolgte, da die Kündigungsschutzklage noch nicht rechtskräftig zugesprochen war, ferner sollte eine Verrechnung mit der dem Kläger unstreitig aufgrund eines Sozialplans zustehenden Abfindung in Höhe von 179.533,00 DM erfolgen.

Nach dem erstinstanzlichen Obsiegen im Kündigungsschutzprozeß hat der Kläger erneut mit Schreiben vom 24. April 1996 ohne Benennung konkreter Rechtsgrundlagen seine Weiterbeschäftigung in M verlangt, was die Beklagte mit Schreiben vom 29. April 1996 ablehnte. Mit Klage vom 28. Mai 1996 hat der Kläger daraufhin einen auf das Urteil des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts von 1985 gestützten Weiterbeschäftigungsanspruch beim Arbeitsgericht Lörrach anhängig gemacht, das hierüber durch Urteil vom 8. Juli 1996 (- 3 Ca 188/96 -) zugunsten des Klägers entschied; diese Entscheidung ist rechtskräftig. Trotz Androhung der Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil laut Schreiben vom 17. Juli 1996 lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 1. August 1996 erneut die Weiterbeschäftigung mit der Begründung ab, in M sei für den Kläger kein Arbeitsplatz vorhanden; im übrigen sei der Titel nicht vollstreckungsfähig.

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte schulde die Vergütung im Hinblick darauf, daß er den Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG schon frühzeitig geltend gemacht und außerdem im Jahre 1996 Klage auf Weiterbeschäftigung erhoben habe. Der Betriebsrat habe der beabsichtigten Kündigung seinerzeit mit ausreichender Begründung, nämlich unter Hinweis auf eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in M, widersprochen.

Nachdem der Kläger ursprünglich den oben erwähnten Zahlungsantrag verfolgt hatte, hat er mit der Behauptung, die Beklagte habe in der Berufungsinstanz auf die geltend gemachten Ansprüche Zahlungen erbracht, nur noch beantragt, den Rechtsstreit für erledigt zu erklären.

Die Beklagte hat die Erledigung der Hauptsache bestritten und zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, der Zahlungsantrag sei von Anfang an mangels Annahmeverzugs unbegründet gewesen. Er sei auch nicht im Hinblick auf das geltend gemachte Weiterbeschäftigungsverlangen gerechtfertigt, weil der Kläger tatsächlich nicht beschäftigt worden sei. Insbesondere habe der Kläger nicht den betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch durchgesetzt; insofern habe der Widerspruch des Betriebsrats nicht ausgereicht, um einen solchen Anspruch zu rechtfertigen. Der Betriebsrat habe nämlich keine konkreten Tatsachen angegeben, so daß für sie, die Beklagte, kein Entbindungsantrag im Wege der einstweiligen Verfügung möglich gewesen sei. Gegen die Weiterbeschäftigungsverurteilung vom 8. Juli 1996 (- 3 Ca 188/96 -) habe sie sich nicht zur Wehr gesetzt, weil seinerzeit noch das für den Kläger positive Urteil im Kündigungsschutzprozeß Bestand gehabt habe. Der Kläger handle auch widersprüchlich, wenn er sich heute auf einen Anspruch gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG berufe, obwohl er einen solchen prozessual nicht geltend gemacht habe.

Das Arbeitsgericht hat nach dem ursprünglich gestellten Zahlungsantrag erkannt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht dieses Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger nach wie vor die Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits, wobei anläßlich der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig gestellt wurde, daß wegen der Vergütung für Januar 1996 tatsächlich Erledigung eingetreten ist.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet, weil dem Kläger ein Entgeltanspruch für die Monate Februar bis Mai 1996 nicht zusteht, so daß Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache nicht eingetreten ist (§ 91 a ZPO).

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine gleichlautende Entscheidung – kurz zusammengefaßt – wie folgt begründet: Der Zahlungsanspruch für Januar 1996 sei erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Hinsichtlich der Vergütung für die Monate Februar bis Mai 1996 sei eine Erledigung der Hauptsache nicht eingetreten, weil die Beklagte zu Recht unter Vorbehalt rechtsgrundlos gezahlt habe, da das Arbeitsverhältnis mit dem 31. Januar 1996 sein Ende gefunden habe. Ein Vergütungsanspruch sei auch nicht aufgrund des Weiterbeschäftigungsverlangens entstanden.

II. Der Entscheidung des Berufungsgerichts tritt der Senat bei.

1. Der Rechtsstreit ist hinsichtlich des Anspruchs auf das Januar-Gehalt 1996 erledigt, wie unter den Parteien inzwischen unstreitig ist. Vor September 1996 ist in der Tat auf diesen Klageanspruch keine Zahlung erfolgt. Die Klage war aber insoweit von Anfang an begründet.

2. Über den Monat Januar 1996 hinaus stand dem Kläger indessen kein Vergütungsanspruch zu, den er hätte wirksam für erledigt erklären können; das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend entschieden.

a) Die Ansprüche für Februar bis Mai 1996 können zunächst aus Annahmeverzug aufgrund eines regulär fortbestehenden Arbeitsverhältnisses nicht begründet werden, weil das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 1996 wirksam beendet ist; die Beklagte hat insoweit zutreffend nur unter Vorbehalt gezahlt, was nach dem Revisionsvorbringen dem Kläger jedenfalls mit Schreiben der Beklagten vom 26. August 1996 – wenn nicht schon nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 ZPO) mit Schreiben vom 6. Februar 1996 – erklärt worden ist.

b) Die geltend gemachten Ansprüche ergeben sich aber auch nicht aus einem kraft Gesetzes fortbestehenden Arbeitsverhältnis, wie es durch einen Weiterbeschäftigungsanspruch unter den Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG – auch ohne tatsächliche Beschäftigung – hätte begründet werden können (so die Senatsrechtsprechung, vgl. Urteile vom 12. September 1985 - 2 AZR 324/84 - und vom 7. März 1996 - 2 AZR 432/95 - AP Nr. 7 und 9 zu § 102 BetrVG 1972 Weiterbeschäftigung). Dies gilt nach Auffassung des Senats, weil es an einem ordnungsgemäßen Widerspruch des Betriebsrats im Sinne des § 102 Abs. 3 und Abs. 5 BetrVG fehlt (nachfolgend zu cc), so daß der Senat nicht entscheidend darauf abzustellen braucht, der Kläger habe den Anspruch gar nicht rechtzeitig geltend gemacht (nachfolgend zu aa und bb).

aa) Zwar hat der Kläger im Hinblick auf den Widerspruch des Betriebsrats vom 19. Juni 1995 gegen die beabsichtigte Kündigung mit Schreiben vom 28. September 1995 – zu seinen Gunsten unterstellt, dieses Schreiben bezog sich überhaupt auf die Kündigung vom 23. Juni 1995 – die Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG verlangt. Er hat jedoch bereits knapp einen Monat später die im Zusammenhang mit der Kündigungsschutzklage erhobene Klage auf Weiterbeschäftigung zurückgenommen, nachdem die Beklagte ihn unwiderruflich von der Arbeit freigestellt hatte, wobei ersichtlich beide Parteien von der Einstellung der Zahlungen zum 31. Dezember 1995 ausgingen. Das ermöglichte dem Kläger, noch während des Laufs der Kündigungsfrist die gewonnene Freizeit anderweit zu nutzen, ohne daß er einen Vorbehalt gemacht hat, jedenfalls ab 1. Januar 1996 weiterbeschäftigt zu werden. Selbst wenn man davon ausgeht, die klageweise erstrebte Weiterbeschäftigung habe sich auf einen anderen Klagegrund (§§ 611, 242 BGB, Art. 1, 2 GG) bezogen, mußte die Beklagte von ihrem Empfängerhorizont aus gesehen davon ausgehen, damit sei dieses Weiterbeschäftigungsverlangen – welcher Art auch immer – zunächst einmal erledigt (vgl. zur „Rücknahme” des Weiterbeschäftigungsverlangens nach § 102 Abs. 5 BetrVG u.a. KR-Etzel, 5. Aufl., § 102 BetrVG Rz 212).

bb) Nach § 102 Abs. 5 BetrVG muß der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen, wenn der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen und der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhoben hat. Wegen des im Gesetz zum Ausdruck gekommenen Zusammenhangs zwischen rechtzeitiger Erhebung der Kündigungsschutzklage (§ 4 KSchG) und Weiterbeschäftigung ab Auslauf der Kündigungsfrist wird in der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß das Weiterbeschäftigungsverlangen – wenn das Gesetz auch keine Ausschlußfrist vorsieht – jedenfalls spätestens bei Auslauf der Kündigungsfrist gestellt werden sollte (vgl. LAG Hamm Urteil vom 28. April 1976 - 1 Sa 311/76 - DB 1976, 1917; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 19. Aufl., § 102 Rz 58; KR-Etzel, 5. Aufl., § 102 BetrVG Rz 209; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 5. Aufl., § 102 Rz 160; Matthes, Festschrift für Gnade, S. 225, 228 f.; Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 102 Rz 210; Stege/Weinspach, BetrVG, 7. Aufl., § 102 Rz 172; MünchArbR/Wank, § 118 Rz 20 f.; Weber, SAE 1979, 191; a.A.: BAG Urteil vom 31. August 1978 - 3 AZR 989/77 - AP Nr. 1 zu § 102 BetrVG 1972 Weiterbeschäftigung mit Anm. Grunsky; GK-BetrVG/Kraft, 6. Aufl., § 102 Rz 165; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 102 Rz 107 a; Gussone, AuR 1994, 245, 250; DKK-Kittner, BetrVG, 6. Aufl., § 102 Rz 261). Die genannte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 31. August 1978 (AP, aaO), die ein vier Monate nach Kündigung und drei Monate nach Auslaufen der Kündigungsfrist gestelltes Weiterbeschäftigungsverlangen genügen läßt, orientiert sich nach Auffassung des Senats nicht ausreichend an Wortlaut und Sinn des Gesetzes. Aus dem Begriff „weiterbeschäftigen”, wie er auch in § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG verwendet wird, ergibt sich nach der Senatsrechtsprechung (Urteil vom 7. März 1996 - 2 AZR 180/95 - AP Nr. 76 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu II 2 b bb der Gründe), daß damit regelmäßig eine Beschäftigung im unmittelbaren Anschluß an die auslaufende Kündigungsfrist gemeint ist; diese Beschäftigung soll in § 102 Abs. 5 BetrVG durch einen entsprechenden Anspruch gesichert werden, damit einerseits der Arbeitnehmer dem Betrieb nicht entfremdet wird und andererseits der Arbeitgeber alsbald disponieren kann (vgl. dazu u.a. in den Gesetzesmaterialien: Diskussion im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, 6. Wahlperiode, 64. Sitzung, S. 80/81, nebst Anlagen 25 und 26 und 55 – Begründung des Änderungsvorschlages der CDU/CSU-Fraktion –; siehe ferner BT-Drucks. VI/1806, S. 9 und 40 sowie BT-Drucks. VI/2729, S. 31). Diesem Sinn und Zweck wird nicht mehr Rechnung getragen, wenn die Weiterbeschäftigung wie hier mit dem Schreiben vom 24. April 1996 – im übrigen nur im Hinblick auf den in erster Instanz gewonnenen Kündigungsschutzprozeß – ca. zehn Monate nach Ausspruch der Kündigung und fünf Monate nach Auslaufen der zunächst auf den 31. Dezember 1995 fixierten Kündigungsfrist geltend gemacht wird. Das Weiterbeschäftigungsbegehren nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG war zwar vorsorglich mit Schreiben vom 28. September 1995 geltend gemacht, aber mit Rücknahme der Weiterbeschäftigungsklage mit erledigt.

Außerdem ist nach Ansicht des Senats zu verlangen, daß der Arbeitnehmer die Art und Weise und den Grund seines Anspruchs deutlich benennt. Insofern wird auch in der einschlägigen Literatur (vgl. GK-BetrVG/Kraft, aaO, § 102 Rz 164; KR-Etzel, aaO, § 102 Rz 209; DKK-Kittner, aaO, § 102 Rz 260; Fitting/Kaiser/Heither/ Engels, aaO, § 102 Rz 58; a.A.: Richardi, aaO, § 102 Rz 193 und 209) gefordert, der Arbeitnehmer müsse deutlich erkennbar seine vorläufige Weiterbeschäftigung i.S. von § 102 Abs. 5 BetrVG verlangen, weil der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran habe, möglichst frühzeitig zu erfahren, ob er mit einem entsprechenden Weiterbeschäftigungsantrag des Arbeitnehmers rechnen müsse oder über den Arbeitsplatz anderweitig verfügen könne. Der Kläger hat den erneut gestellten Weiterbeschäftigungsanspruch nach den für den Senat verbindlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 ZPO) nicht auf den Widerspruch des Betriebsrats gestützt, so daß für den Arbeitgeber nicht einmal die Möglichkeit bestand, sich von der Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG durch eine einstweilige Verfügung nach § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG entbinden zu lassen. Es liegt daher kein deutliches Verlangen im Sinne des § 102 Abs. 5 BetrVG vor.

Der Senat braucht die entgegenstehende Rechtsprechung im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 31. August 1978 jedoch aus den nachstehenden Gründen noch nicht aufgeben.

cc) Wenn man entgegen den vorstehenden Ausführungen (zu aa und bb) annimmt, das ursprünglich mit Schreiben vom 28. September 1995 geltend gemachte Weiterbeschäftigungsverlangen wirke fort, so ist dies nicht begründet, weil mangels ordnungsgemäß begründetem Widerspruch des Betriebsrats ein betriebsverfassungsrechtlicher Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG von vornherein nicht bestand. Das hat das Berufungsgericht zutreffend entschieden; die gegen diese Entscheidung gerichteten Angriffe der Revision sind unbegründet.

Das Berufungsgericht hat zunächst angenommen, es liege ein Widerspruch im Sinne des § 102 Abs. 3 Ziff. 3 BetrVG vor, weil der Betriebsrat sich darauf berufe, daß eine Weiterbeschäftigung für den Kläger möglich sei. Diese Ansicht habe der Betriebsrat damit begründet, daß nach den bisherigen Informationen eine Fortführung der bislang in K durchgeführten Tätigkeiten bei der BU HLD in M geplant und daher der Wegfall des Arbeitsplatzes nicht zwingend sei.

Die Auslegung dieser Stellungnahme des Betriebsrats unterliegt als sog. atypische Willenserklärung nur einer beschränkten Auslegung (vgl. BAG Urteil vom 26. Januar 1995 - 2 AZR 386/94 - AP Nr. 69 zu § 102 BetrVG 1972, zu II 1 a der Gründe). Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln, Erfahrungssätze oder Denkgesetze verletzt oder wesentliche Umstände unbeachtet gelassen hat. Derartige Fehler hat die Revision nicht aufgezeigt. Das Berufungsgericht hat die Stellungnahme des Betriebsrats dahin gewürdigt, aus ihr ergebe sich nicht einmal, ob tatsächlich eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in M bestehe, sondern lediglich, daß geplant sei, einzelne Tätigkeiten, die bislang in K verrichtet worden seien, in Zukunft nach M zu verlagern; ob es sich hierbei um Tätigkeiten handle, die der Kläger bislang verrichtet habe, oder ob es sich um Arbeitsplätze handle, für die er gar nicht in Frage komme, werde nicht deutlich; allein die Aussage, daß wegen einer möglichen Verlagerung von Tätigkeiten der Wegfall des Arbeitsplatzes nicht zwingend sei, begründe keinen ordnungsgemäßen Widerspruch des Betriebsrats. Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Im Grunde genommen macht der Betriebsrat nur geltend, der Arbeitsplatz des Klägers sei als solcher noch nicht weggefallen (… der Wegfall des Arbeitsplatzes ist nicht zwingend …). Es wird, wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, lediglich im Wege einer pauschalen Vermutung geschlußfolgert, bisher in K durchgeführte Tätigkeiten würden in M weitergeführt. Nach § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG muß jedoch dargestellt werden, daß der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden könne. Der Senat hat auch bereits entschieden (Urteil vom 24. März 1988 - 2 AZR 680/87 - RzK I 5 i Nr. 35, zu IV 3 der Gründe), ein rein spekulativer Widerspruch etwa in dem Sinne, daß irgendeine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb vorhanden sei, reiche nicht aus; dem Betriebsrat sei ein Mindestmaß an konkreter Argumentation abzuverlangen. So wird auch in der einschlägigen Literatur (vgl. KR-Etzel, aaO, § 102 Rz 163; Fitting/ Kaiser/Heither/Engels, aaO, § 102 Rz 45; DKK-Kittner, aaO, § 102 Rz 198; GK-BetrVG/Kraft, aaO, § 102 Rz 110) angemerkt, der Betriebsrat müsse konkret darlegen, auf welchem (freiem) Arbeitsplatz eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in Betracht komme; hierbei müsse er den Arbeitsplatz zumindest in bestimmbarer Weise angeben und den Bereich bezeichnen, in dem der Arbeitnehmer anderweitig beschäftigt werden könne. Daran fehlt es hier (vgl. die ähnliche Fallkonstellation im Senatsurteil vom 12. September 1985 - 2 AZR 324/84 - AP Nr. 7 zu § 102 BetrVG 1972 Weiterbeschäftigung, zu C II 1 der Gründe).

Eine derartige Substantiierung wird auch nicht dadurch ersetzt, daß der Betriebsrat darauf hingewiesen hat, der Kläger habe sich bereits mehrfach auf Stellenangebote in K beworben. Damit wird nicht dargestellt, daß nach der Betriebseinschränkung bzw. Stillegung in K dort oder anderweit überhaupt noch für ihn geeignete Arbeitsplätze vorhanden seien.

Soweit die Revision die Auslegung des Landesarbeitsgerichts betreffend den Betriebsratswiderspruch angreift, setzt sie im Grunde genommen nur ihre Wertung an die Stelle derer des Landesarbeitsgerichts. Das gilt für die Argumentation, mit der firmeninternen Bezeichnung BU HLD sei der Arbeitsplatz in M hinreichend konkret beschrieben. Damit wird nicht entkräftet, daß es sich bei der angeblichen Fortführung bisher in K durchgeführter Tätigkeiten lediglich um eine Planung handelte; diese Annahme beruhte auf „Informationen” des Betriebsrats, ohne daß konkret eine für den Kläger geeignete Beschäftigungsmöglichkeit damit aufgezeigt war.

c) Es ergibt sich schließlich auch nichts anderes daraus, daß die Beklagte mit Entscheidung des Arbeitsgerichts Lörrach vom 8. Juli 1996 (- 3 Ca 188/96 -) zur Weiterbeschäftigung des Klägers unter seinen bisherigen Arbeitsbedingungen als Operator mit einem Tarifgehalt T 5 mit Arbeitsort M rechtskräftig verurteilt worden ist und seine Beschäftigung gleichwohl abgelehnt hat. Ein Weiterbeschäftigungsanspruch im Sinne des § 102 Abs. 5 BetrVG ist damit nicht anerkannt worden. Bei der Ermittlung des rechtskräftigen Entscheidungsinhalts ist zunächst von der Entscheidungsformel auszugehen. Diese ist hier unergiebig, sie sagt über den Grund der Beschäftigungspflicht nichts aus. Da die Urteilsformel insoweit nicht ausreicht, sind Tatbestand und Entscheidungsgründe heranzuziehen (Senatsurteil vom 12. September 1985 - 2 AZR 324/84 - AP Nr. 7 zu § 102 BetrVG 1972 Weiterbeschäftigung, zu B II 3 b der Gründe). Der Senat hat auch in dieser Entscheidung darauf abgestellt, es müsse geprüft werden, ob nach den Entscheidungsgründen der beklagte Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung aufgrund des besonderen Weiterbeschäftigungsanspruchs nach § 102 Abs. 5 BetrVG oder aufgrund des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs verurteilt worden sei; dies gelte, weil die Voraussetzungen und Rechtsfolgen beider Beschäftigungsansprüche unterschiedlich seien: Der besondere Beschäftigungsanspruch des § 102 Abs. 5 BetrVG setze keine unwirksame Kündigung voraus; lägen seine Voraussetzungen vor, bestehe das bisherige Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes fort und werde nur auflösend bedingt durch die rechtskräftige Abweisung der Kündigungsschutzklage, so daß bis zur rechtskräftigen Abweisung der Kündigungsschutzklage auch die beiderseitigen Hauptpflichten fortbestünden. Der allgemeine Beschäftigungsanspruch setze dagegen das Fortbestehen des durch Vertrag begründeten Arbeitsverhältnisses voraus; fehle diese Voraussetzung, werde sie nicht durch ein erstinstanzliches Urteil ersetzt, das zur Weiterbeschäftigung verurteile.

Vorliegend hat das Arbeitsgericht die Verurteilung zur Weiterbeschäftigung in Übereinstimmung mit der Klagebegründung damit gerechtfertigt, die Kündigung sei unwirksam, habe das Arbeitsverhältnis nicht beendet und daher folge das Gericht der Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts, wonach der Kläger in diesem Falle einen Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen habe. Das Arbeitsgericht ist damit, wie auch das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (Beschluß vom 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) gefolgt. Das Berufungsgericht hat daraus den zutreffenden Schluß gezogen, daß nach rechtskräftiger Abweisung der Kündigungsschutzklage eine Rückabwicklung eventueller Weiterbeschäftigung nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts zu erfolgen habe (so BAG Urteil vom 10. März 1987 - 8 AZR 146/84 - BAGE 54, 232 = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Weiterbeschäftigung, vgl. ferner BAG Urteil vom 12. Februar 1992 - 5 AZR 297/90 - BAGE 69, 324 = AP Nr. 9, aaO), was dazu führe, daß der Arbeitgeber nach Ablehnung der Weiterbeschäftigung keine Vergütung nach den Grundsätzen des Annahmeverzuges zu zahlen habe.

 

Unterschriften

Etzel, Bitter, Fischermeier, Strümper, Lenz

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 17.06.1999 durch Anderl, Amtsinspektorin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 436247

BB 1999, 2090

DB 1999, 2012

DStR 1999, 2044

NJW 2000, 236

NWB 1999, 3854

EBE/BAG 1999, 150

ARST 2000, 69

FA 1999, 334

NZA 1999, 1154

SAE 2001, 16

ZAP 1999, 1019

ZTR 1999, 527

AP, 0

AuA 2000, 93

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