Entscheidungsstichwort (Thema)

Personalratsmitglied. Poolbeteiligung

 

Leitsatz (amtlich)

Zum während der Freistellung eines ärztlichen Mitarbeiters für Personalratstätigkeit vom Arbeitgeber fortzuzahlenden Arbeitsentgelt gehören auch die Beträge, die das Personalratsmitglied aus dem nach §§ 27, 28 des rheinland-pfälzischen Krankenhausgesetzes gebildeten Liquidationspool erhalten würde, wenn es nicht von der Arbeit freigestellt wäre.

 

Normenkette

LPVG Rheinland-Pfalz § 42 Abs. 2 S. 1; LKG Rheinland-Pfalz §§ 27-28; BPersVG § 46 Abs. 2 S. 1; BetrVG § 37 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 08.05.1992; Aktenzeichen 6 Sa 1022/91)

ArbG Mainz (Urteil vom 11.10.1991; Aktenzeichen 2 Ca 437/91)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Mai 1992 – 6 Sa 1022/91 – aufgehoben.

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 11. Oktober 1991 – 2 Ca 437/91 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß das Urteil des Arbeitsgerichts wie folgt neu gefaßt wird: Es wird festgestellt, daß das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin ab Oktober 1989 für die Dauer ihrer Freistellung als Personalratsmitglied dasjenige zu zahlen, was sie gemäß dem Punktesystem der Anästhesiologie aus dem Liquidationsaufkommen erhalten hätte bzw. erhalten würde, wenn sie nicht freigestellt wäre.

Das beklagte Land trägt auch die Kosten der Berufung und der Revision.

Von Rechts wegen !

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin als freigestelltes Personalratsmitglied weiterhin an den Einnahmen des leitenden Arztes aus Privatliquidationen zu beteiligen ist.

Die am 9. März 1942 geborene Klägerin ist seit dem 16. November 1981 aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 17. Dezember 1981 und der Änderungsverträge vom 8. September 1988 und 8. November 1989 als Fachärztin in der Klinik für Anästhesiologie der Universitätsklinik M… des beklagten Landes beschäftigt. Ärztlicher Leiter der Klinik für Anästhesiologie ist Prof. Dr. D…, der berechtigt ist, in der Klinik auch eigene privat Patienten zu behandeln und die Leistungen zu liquidieren. Als Ausgleich für die Inanspruchnahme des nachgeordneten ärztlichen Personals für seine Nebentätigkeit ist er nach § 27 des rheinland-pfälzischen Landeskrankenhausgesetzes (LKG) vom 28. November 1986 (GVBl. S. 342) verpflichtet, einen Teil seiner Einnahmen an das Krankenhaus in einen Liquidationspool zwecks Weiterleitung an die ärztlichen Mitarbeiter abzuführen.

Über die Verteilung der angesammelten Mittel entscheidet ein nach Maßgabe des § 28 Abs. 1 Satz 1 LKG und der Vorschriften der Sechsten Landesverordnung zur Durchführung des Krankenhausreformgesetzes (6. KRGDVO) vom 24. Juni 1974 ein in der Klinik gebildetes Gremium (Poolkommission) unter Leitung von Prof. Dr. D….

Die Klägerin ist seit Oktober 1989 als Personalratsmitglied für die Gruppe der wissenschaftlichen Mitarbeiter von der Erbringung der Arbeitsleistung ganz freigestellt, wird aber weiterhin auf dem Stellenplan der Klinik für Anästhesiologie geführt. Ersatzweise erhielt die Klinik eine zusätzliche ärztliche Mitarbeiterin. Bis zu ihrer Freistellung wurde die Klägerin nach einem von der Poolkommission festgelegten Verteilungsschlüssel (Punktesystem), der von den Parteien nicht in Zweifel gezogen wird, an den abgeführten Einnahmen aus der Privatliquidation des Klinikleiters mit monatlich schwankenden Beträgen zwischen 230,00 DM und 500,00 DM beteiligt.

Mit Schreiben vom 27. Dezember 1989 teilte ihr die Klinikleitung unter Berufung auf eine einstimmige Entscheidung der Poolkommission mit, daß sie im Hinblick auf ihre Freistellung ab Oktober 1989 keine Zahlungen mehr aus dem Pool erhalte. Die Klägerin forderte die Klinikverwaltung daraufhin wiederholt vergeblich auf, sie weiter wie bisher zu beteiligen. Die von ihr angerufene, gemäß § 28 Abs. 2 LKG bei der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz eingesetzte Schiedsstelle wies ihren Antrag auf Weiterbeteiligung mit Schiedsspruch vom 8. November 1990 ab.

Mit ihrer am 6. März 1991 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie werde durch die Weigerung des beklagten Landes, sie weiter an den Liquidationseinnahmen zu beteiligen, wegen ihrer Personalratstätigkeit unzulässig benachteiligt. Sie dürfe nicht schlechtergestellt werden, als wenn sie ihren ärztlichen Dienst verrichte. Anderenfalls würde sich auch kein ärztlicher Mitarbeiter mehr für Personalratstätigkeit freistellen lassen. Bei der Beteiligung am Liquidationspool handele es sich nicht um Nebeneinkünfte. Die ärztlichen Mitarbeiter seien arbeitsvertraglich gegenüber dem Krankenhausträger verpflichtet, auch Privatpatienten des liquidationsberechtigten Arztes zu betreuen. Zudem sei die Höhe der Beteiligung nicht davon abhängig, in welchem Maße der einzelne Mitarbeiter gerade solche Privatpatienten betreut habe. Der Krankenhausträger schulde ihnen die Beteiligung daher als Arbeitsentgelt; Zahlungen würden zusammen mit dem normalen Gehalt überwiesen und auf derselben Lohnsteuerkarte eingetragen. Die Poolkommission sei nur für die Verteilung zuständig, könne aber nicht den Kreis der Berechtigten festlegen. Dies stehe vielmehr allein dem Krankenhausträger zu, der insofern rechtlich auf die Poolkommission Einfluß nehmen könne und gegebenenfalls aus Gründen der Fürsorgepflicht gegenüber den ärztlichen Mitarbeitern auch müsse. Dies in ihrem Falle zu tun, habe das Land pflichtwidrig unterlassen und sich dadurch schadenersatzpflichtig gemacht. Wenn der Krankenhausträger nach § 29 Abs. 1 Satz 3 LKG sogar bestimmen könne, daß auch nichtärztliche Mitarbeiter beteiligt werden, müsse dies erst recht für ärztliche Mitarbeiter gelten, unabhängig davon, ob sie tatsächlich Behandlungen durchführten. Notfalls sei das beklagte Land verpflichtet, sie aus eigenen Mitteln so zu stellen, als ob sie am Pool beteiligt wäre.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß sie ab Oktober 1989 in Höhe der gemäß dem Punktesystem der Anästhesiologie zu errechnenden Beträge am Pool auch während ihrer Freistellung als Personalrätin zu beteiligen ist.

Das beklagte Land hat Klagabweisung betragt und gemeint, die Arbeitsgerichte seien für den vorliegenden Fall nicht zuständig. Denn der geltend gemachte Anspruch könne sich nur aus dem dem öffentlichen Recht angehörenden Krankenhausgesetz ergeben. Die Klägerin könne die weitere Beteiligung am Pool nicht verlangen, weil dafür die tatsächliche Erbringung ärztlicher Leistungen Voraussetzung sei. Der Wegfall der Beteiligung sei keine Benachteiligung wegen ihrer Freistellung, sondern deren bloße Folge, die die Klägerin hinnehmen müsse. Anderenfalls würden sich die Anteile der übrigen Mitarbeiter infolge der Freistellung verringern, da anstelle der Klägerin eine zusätzliche ärztliche Kraft beschäftigt und selbstverständlich am Pool beteiligt werde. Außerdem könne der Krankenhausträger, der lediglich die abgeführten Einnahmen als Treuhänder verwalte, die Weiterbeteiligung der Klägerin nicht gegen die Poolkommission durchsetzen, der allein die Festsetzung der den einzelnen Mitarbeitern gebührenden Beträge obliege. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 29 Abs. 1 Satz 3 LKG, wonach der Krankenhausträger nur die Beteiligung solcher nichtärztlicher Mitarbeiter bestimmen könne, die auch tatsächlich bei der Patientenbehandlung und -betreuung mitwirkten. Eine Verpflichtung des Landes, den Fortfall der Poolbeteiligung für die Klägerin aus eigenen Haushaltsmitteln auszugleichen, komme nicht in Betracht.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des beklagten Landes das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Revision, mit der die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt, während das beklagte Land um Zurückweisung der Revision bittet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des Ersturteils mit einer klarstellenden Maßgabe. Die Klägerin begehrt die Feststellung einer Zahlungsverpflichtung des beklagten Landes. Soweit ihr Klageantrag von einer “Beteiligung am Pool” spricht, ergibt die Auslegung, daß damit nur die Höhe der begehrten Zahlungen und ihr Rechtsgrund gekennzeichnet werden sollen. Die Höhe der begehrten Zahlungen hat die Klägerin damit dahingehend konkretisiert, daß sie die Beträge, die sie im Falle ihrer Arbeitsleistung aufgrund der §§ 27, 28 LKG erhalten würde, auch während ihrer Freistellung vom beklagten Land fordert. In dieser nach dem erkennbaren Parteiwillen gebotenen Auslegung erweist sich der Klageantrag als begründet; der Senat hat dementsprechend den Urteilstenor des Arbeitsgerichts zur Klarstellung neu gefaßt.

I. Wie bereits das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, steht der Klägerin zwar kein Anspruch unmittelbar aus den §§ 27, 28 LKG zu.

Der Senat läßt dahingestellt, ob dies, wie das Landesarbeitsgericht meint, darauf beruht, daß diese Bestimmungen öffentlich-rechtlicher Natur seien und keine arbeitsvertraglichen Ansprüche der nachgeordneten Ärzte begründeten (vgl. BAG Urteil vom 30. August 1983 – 5 AZR 306/81 – AP Nr. 36 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche, zu den allerdings anders gearteten Bestimmungen des Hessischen Krankenhausgesetzes vom 4. April 1973, GVBl. I S. 145, mit Durchführungsverordnung vom 17. Dezember 1973, GVBl. I S. 471). Denn die Klägerin ist schon deshalb nicht unmittelbar am Pool beteiligt, weil sie aufgrund ihrer Freistellung keinem liquidationsberechtigten Arzt zur Dienstleistung zugewiesen ist. Daß nur ärztliche Mitarbeiter liquidationsberechtigter Ärzte am Pool beteiligt sind, ergibt sich bereits aus § 28 Abs. 1 Satz 5 LKG. Nach dieser Vorschrift sind sogar ärztliche Mitarbeiter liquidationsberechtigter Ärzte, die aufgrund bestehender Regelungen keine Beträge abführen müssen, von der Verteilung ausgeschlossen. Überdies ist Herrn Prof. Dr. D… für die Klägerin eine ärztliche Ersatzkraft zugewiesen worden, die ihrerseits am Pool beteiligt ist. Würde auch die Klägerin beteiligt werden, so liefe das auf eine Kürzung der Poolanteile der übrigen ärztlichen Mitarbeiter und damit letztlich auf eine durch § 45 PersVG Rheinland-Pfalz verbotene Finanzierung der Personalratstätigkeit durch eine Umlage der Mitarbeiter hinaus (vgl. BAG Beschluß vom 24. Juli 1991 – 7 ABR 76/89 – EZA § 41 BetrVG 1972 Nr. 1, zu B II 2 der Gründe).

II. Der Klageanspruch rechtfertigt sich jedoch aus § 42 Abs. 2 Satz 1 LPVG Rheinland-Pfalz i.V.m. §§ 27, 28 LKG.

1. Gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 LPVG hat die Versäumnis von Arbeitszeit, die zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben des Personalsrats erforderlich ist, keine Minderung des Arbeitsentgelts zur Folge. Das dieser Bestimmung ebenso wie den vergleichbaren Vorschriften § 37 Abs. 2 BetrVG und § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG zugrunde liegende Lohnausfallprinzip verpflichtet den Arbeitgeber, hier also das beklagte Land, den Arbeitnehmer hinsichtlich seines Arbeitsentgelts so zu stellen, als sei er nicht freigestellt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die Klägerin, wäre sie nicht freigestellt, dem liquidationsberechtigten Arzt Prof. Dr. D… zur Dienstleistung zugewiesen wäre und daher aus dem Pool Beträge in der von ihr geltend gemachten Höhe erhalten würde.

Bei diesen der Klägerin ohne ihre Freistellung zufließenden Beträgen handelt es sich um Arbeitsentgelt im Sinne des § 42 Abs. 2 Satz 1 LPVG Rheinland-Pfalz. Unerheblich ist insbesondere, daß ihr diese Beträge nicht aus allgemeinen Personalmitteln des beklagten Landes, sondern aus den zweckgebundenen Mitteln des Pools zufließen.

Die Klägerin steht – ebenso wie die übrigen ärztlichen Mitarbeiter – ausschließlich in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land; vertragliche Beziehungen zum liquidationsberechtigten Arzt hat sie nicht. Die Versorgung der Patienten des liquidationsberechtigten Arztes ist für sie keine Nebenbeschäftigung, sondern Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem beklagten Land; auch hierfür erhält sie vom beklagten Land ihre Vergütung.

Zu dieser Vergütung gehören auch die Beträge, die ihr gemäß § 28 LKG aus dem Pool zufließen. Denn auch diese Beträge erhält sie dafür, daß sie durch die Versorgung der Patienten des liquidationsberechtigten Arztes ihre vertraglichen Arbeitspflichten gegenüber dem beklagten Land erfüllt. Wenn der Gesetzgeber in §§ 27, 28 LKG die Weiterleitung der von den liquidationsberechtigten Ärzten wegen ihrer Inanspruchnahme von Klinikpersonal an den Krankenhausträger abzuführenden Beträge an eben dieses Klinikpersonal vorsieht, so will er den entsprechenden Mitarbeitern dadurch eine Beteiligung an den Erträgen ihrer Arbeit und damit eine zusätzliche Vergütung verschaffen. Daß der Gesetzgeber in den an die berechtigten ärztlichen Mitarbeiter weiterzuleitenden Beträgen ein zusätzliches Arbeitsentgelt sieht, zeigt auch die Vorschrift des § 28 Abs. 3 Satz 3 LKG, die den Krankenhausträger zur Abführung der davon zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge verpflichtet. Die Ansprüche der ärztlichen Mitarbeiter auf Beteiligung am Pool sind mithin der Sache nach zusätzliche Vergütungsansprüche gegenüber ihrem Arbeitgeber; die rechtstechnische Ausgestaltung nach den §§ 27, 28 LKG stellt sich damit lediglich als Abrechnungs- und Verteilungsverfahren dar.

2. Daß das beklagte Land aufgrund der Freistellung der Klägerin für Personalratstätigkeit aus eigenen Mitteln einen zusätzlichen Betrag in Höhe der fiktiven Poolbeteiligung der Klägerin aufbringen muß, entspricht dem System des Personalvertretungsrechts. Aufgrund der Freistellung der Klägerin und der dadurch notwendig gewordenen Einstellung einer Ersatzkraft entstehen dem beklagten Land zusätzliche Ausgaben. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb diese Ausgaben gerade nur in Höhe der tariflich geschuldeten Vergütung entstehen sollen. Soweit dem Arbeitnehmer – wie hier – als Gegenleistung für die dem Arbeitgeber geschuldete Arbeitsleistung bestimmte Beträge über die tariflichen Leistungen hinaus zustehen, sind auch sie der Gegenwert für die infolge der Freistellung ausfallende Arbeitsleistung. Wenn dem Arbeitgeber durch die Freistellung für Personalratstätigkeit weitere Kosten auch in Höhe dieser zusätzlichen Leistungen entstehen, so entspricht dies mithin dem Grundsatz, daß die Kosten der Personalratstätigkeit vom Arbeitgeber zu tragen sind.

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Schliemann, Dr. Steckhan, Stappert

Der ehrenamtliche Richter Trettin ist wegen Ablaufs seiner Amtszeit verhindert zu unterschreiben.

Dr. Seidensticker

 

Fundstellen

Haufe-Index 846772

BAGE, 268

NZA 1994, 138

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