Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsakademiestudent: Auszubildender im Sinne der §§ 1, 13 MTV für die Angestellten der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie?. Begriff des Auszubildenden iSd. § 13 MTV Metall Bayern. Berufsakademieausbildung als Berufsausbildung iSd. § 13 MTV?. Arbeitslohn. Berufsbildung. Tarifauslegung

 

Leitsatz (amtlich)

Berufsakademiestudenten, deren Ausbildung nach dem Berufsakademiegesetz des Landes Baden-Württemberg an der Studienakademie (Lernort Theorie) und an einer betrieblichen Ausbildungsstätte in Bayern (Lernort Praxis) stattfindet, fallen nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für die Angestellten und die kaufmännisch und technisch Auszubildenden der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 31. Oktober/2. November 1970 in der Fassung vom 1. November 1997 und haben deshalb keinen Anspruch auf die Zulage nach § 13 Ziff. 4 (III) dieses Manteltarifvertrages.

 

Orientierungssatz

  • Ein Ausbildungsverhältnis zwischen einem Studenten einer Berufsakademie in Baden-Württemberg und einem Ausbildungsbetrieb in Bayern, bei dem die praktische Ausbildung stattfindet (§ 1 Abs. 6 des Berufsakademiegesetzes Baden-Württemberg), unterfällt nicht dem persönlichen Geltungsbereich der Tarifverträge für die Angestellten und kaufmännisch und technisch Auszubildenden der Bayerischen Metallindustrie.
  • Berufsakademien sind Einrichtungen des tertiären Bildungsbereiches außerhalb der Hochschule.
  • Die Ausbildung findet an der Studienakademie (Lernort Theorie) und an der betrieblichen Ausbildungsstätte (Lernort Praxis) statt. Sie führt zu einem wissenschaftlichen und berufsqualifizierenden Abschluß, der einem Fachhochschulabschluß gleichsteht.
  • Das Berufsakademiestudium an einer Berufsakademie in Baden-Württemberg unterfällt nicht dem Berufsbildungsgesetz.
 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie; Gesetz über die Berufsakademie im Lande Baden-Württemberg (Berufsakademiegesetz BAG BW GBl. 2000 S. 197) §§ 1, 8; BBiG §§ 1-3, 19, 25; GG Art. 30, 70, 74-75

 

Verfahrensgang

LAG Nürnberg (Urteil vom 12.06.2001; Aktenzeichen 6 Sa 612/00)

ArbG Würzburg (Urteil vom 28.07.2000; Aktenzeichen 2 Ca 2282/99)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf die Zulage für Auszubildende, die, wie der Kläger, das 21. Lebensjahr überschritten haben, gem. § 13 Ziff. 4 Abs. 3 MTV für die kaufmännischen und technischen Angestellten und für die kaufmännisch und technisch Auszubildenden der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie hat. Dabei geht es um die Frage, ob der Kläger als Student der Berufsakademie in M… (Baden) während seiner Ausbildung an der Berufsakademie und am Lernort Praxis bei der Beklagten als von der Berufsakademie anerkannte betriebliche Ausbildungsstätte Auszubildender iSd. Manteltarifvertrages ist.

Der am 18. März 1977 geborene Kläger ist Student der Berufsakademie in M… (Baden). Die Berufsakademien vermitteln nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Berufsakademien im Lande Baden-Württemberg (Berufsakademiegesetz – BAG GBl. BW 2000 S 197 im folgenden: BAG BW) eine wissenschaftliche und zugleich praxisorientierte berufliche Bildung und Weiterbildung. Sie gehören dem tertiären Bildungsbereich an. Sie bieten eine Alternative zum Studium an Fachhochschulen und an Universitäten. Ihre Ausbildung ist der Ausbildung an einer Fachhochschule des Landes Baden-Württemberg gleichwertig. Nach § 1 Abs. 6 BAG BW sind Ausbildungsbetriebe Betriebe der Wirtschaft und vergleichbare Einrichtungen. Sie können sich an der Ausbildung im Rahmen der Berufsakademie beteiligen, wenn sie geeignet sind, die vorgeschriebenen Ausbildungsinhalte zu vermitteln. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 BAG BW kann zum Studium zugelassen werden, wer mit einer geeigneten Ausbildungsstätte einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen hat, der den vom Kuratorium für die Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses aufgestellten Grundsätzen entspricht.

Die Parteien schlossen einen bis 30. September 2001 laufenden dementsprechenden Vertrag am 22. Januar 1998. Gegenstand ist die Ausbildung am Lernort Praxis zum Ingenieur-Assistenten (BA) und zum Diplom-Ingenieur (BA) der Fachrichtung Maschinenbau. Nach dem Vertrag beträgt die regelmäßige wöchentliche Ausbildungszeit im Betrieb der Beklagten 35 Stunden. Außerdem sind ua. “Urlaub” (zu erteilen und zu nehmen in der Zeit der betrieblichen Ausbildung) und die Vergütung (Ziff. 5.1) unter C geregelt. Nachdem der Kläger die Ingenieur-Assistenten-Prüfung bestanden hatte, zahlte die Beklagte eine um 50 % höhere Vergütung.

Die theoretische Ausbildung an der Berufsakademie fand in zusammenhängenden Abschnitten statt. Die vom Kläger absolvierten Praxis- und Theoriephasen gestalteten sich vom Beginn seiner Ausbildung bis zum Ende wie folgt:

1. September 1998 bis 23. Oktober 1998:

1. 

Praxisphase (8 Wochen)

26. Oktober 1998 bis 12. Februar 1999:

1.

Theoriephase (12 Wochen)

15. Februar 1999 bis 30. April 1999:

2.

Praxisphase (11 Wochen)

3. Mai 1999 bis 23. Juli 1999:

2.

Theoriephase (12 Wochen)

26. Juli 1999 bis 1. Oktober 1999:

3.

Praxisphase (10 Wochen)

4. Oktober 1999 bis 23. Dezember 1999:

3.

Theoriephase (12 Wochen)

27. Dezember 1999 bis 28. April 2000:

4.

Praxisphase (18 Wochen)

1. Mai 2000 bis 21. Juli 2000:

4.

Theoriephase (12 Wochen)

24. Juli 2000 bis 29. September 2000:

5.

Praxisphase (10 Wochen)

2. Oktober 2000 bis 22. Dezember 2000:

5.

Theoriephase (12 Wochen)

25. Dezember 2000 bis 16. Februar 2001:

6.

Praxisphase (8 Wochen)

19. Februar 2001 bis 18. Mai 2001:

6.

Theoriephase (12 Wochen)

21. Mai 2001 bis 28. September 2001:

7.

Praxisphase (19 Wochen)

Die Beklagte, die Mitglied des Verbandes der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie e. V. ist, zahlte dem Kläger, der seit 1. Dezember 1998 Mitglied der IG-Metall ist, nicht die in § 13 Ziff. 4 Abs. 3 MTV festgelegte Zulage für Auszubildende, die bei Beginn des Ausbildungsverhältnisses bereits das 21. Lebensjahr vollendet haben.

Der Kläger verlangt wegen beiderseitiger Tarifgebundenheit für den Zeitraum vom 1. Dezember 1998 bis 31. August 2000 die auf Grund seines Alters sich ergebende Zulage gem. § 13 Ziff. 4 Abs. 3 des MTV. Er hat die Auffassung vertreten, es handele sich zwar nicht um eine klassische Lehre, jedoch betrage der zeitliche Anteil seiner Beanspruchung im Betrieb im Verhältnis zur schulischen Bildung 50:50. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien für die Studierenden in der Berufsakademie keine Regelung hätten treffen wollen. Die Ausbildung habe einen Berufsabschluß vorgesehen, der weder ein Hochschul- oder Fachhochschulabschluß noch ein Abschluß der Ausbildung für ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis sei. Die Tätigkeit wie Maschinenbau werde fast ausschließlich für die private Wirtschaft ausgeübt. Es liege auch kein Dreiecksvertrag vor, sondern ein zweiseitiger privatrechtlicher Ausbildungsvertrag. Er sei nicht Praktikant, Werkstudent oder Volontär. Die Ausbildung erfolge im dualen System. Es würden jeweils drei Monate Praxisphase und drei Monate Theoriephase im Wechsel durchgeführt. Auch bei einem normalen Berufsausbildungsvertrag gelte das Berufsbildungsgesetz nur für den Betrieb, und die Ländergesetze gölten für die Berufsschulen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt:

  • Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.323,00 DM brutto für die Zeit vom 1. Dezember 1998 bis zum 31. August 1999 nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit dem 1. März 2000 zu zahlen.
  • Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 1. September 1999 bis zum 29. Februar 2000 3.906,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit dem 4. November 1999 zu zahlen.
  • Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.644,00 DM für die Zeit vom 1. März 2000 bis zum 31. August 2000 nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit dem 1. September 2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei nicht Auszubildender und damit nicht Arbeitnehmer iSd. § 13 MTV. Das Rechtsverhältnis für die Praxisphasen der Berufsakademieausbildung sei tarifvertraglich nicht geregelt. Das Rechtsverhältnis sei kein Ausbildungsverhältnis iSd. MTV. Das Studium führe zu einem akademischen Abschluß. Der Anwendungsbereich des MTV sei auf klassische Berufsausbildungsverhältnisse nach dem BBiG beschränkt. Sie habe nicht volle tarifliche Leistungen, von der “Alterszulage” abgesehen, erbracht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Anträge in modifizierter Form – Zinsen aus dem Bruttobetrag, Zinsstaffel – weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet, soweit sie zulässig ist.

  • Die Revision ist unzulässig, soweit Zinsen nunmehr aus dem Bruttobetrag und Zinsen zu geänderten Zeitpunkten und in abgewandelter Höhe verlangt werden.

    Die Einführung neuer Ansprüche in die Revisionsinstanz im Wege der Klageänderung, Klageerweiterung ist unzulässig. Es handelt sich auch nicht um eine Klarstellung. Vielmehr werden andere Zeitpunkte des Zinsbeginns und andere Prozentsätze sowie Zinsen aus dem Bruttobetrag statt bisher aus den sich aus den Bruttobeträgen ergebenden Nettobeträgen verlangt.

  • Die im übrigen zulässige Revision ist unbegründet.

    Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zulage für Auszubildende, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, gem. § 13 Ziff. 4 Abs. 3 MTV.

    • Die Klage ist zulässig. Die Streitgegenstände sind hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Kläger verlangt für jeden Monat des Zeitraums vom 1. Dezember 1998 bis 31. August 2000 die von ihm für jeden Monat betragsmäßig errechnete Zulage.
    • Die Klage ist unbegründet.

      Dem Kläger steht die in § 13 Ziff. 4 Abs. 3 MTV ausgewiesene Zulage nicht zu. Daran ändert die beiderseitige Verbandszugehörigkeit nichts. Der Kläger fällt als Studierender an der Berufsakademie M… (Baden) während der Ausbildung an der Berufsakademie und am Lernort Praxis in der betrieblichen Ausbildungsstätte nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des MTV. Er ist weder Angestellter noch Auszubildender iSd. MTV; ein Ausbildungsverhältnis iSd. MTV liegt nicht vor.

      • Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. zB Senat 5. Oktober 1999 – 4 AZR 578/98 – AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 15 = EzA TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 8).
      • Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, nach § 1 MTV gelte der Tarifvertrag für alle kaufmännischen und technischen Angestellten, ferner für die kaufmännisch und technisch Auszubildenden. Ein Auszubildender sei nach § 3 Abs. 1 BBiG eine Person, die mit dem Ausbilder einen Berufsausbildungsvertrag geschlossen habe. Damit gelte der Manteltarifvertrag nur für Auszubildende. Wenn Tarifvertragsparteien in einer Rechtsnorm Begriffe verwendeten, die in der Rechtsterminologie einen bestimmten Inhalt hätten, seien diese Begriffe nach dem Willen der Tarifvertragsparteien in ihrer allgemeinen rechtlichen Bedeutung anzuwenden, soweit sich aus dem Tarifvertrag selbst nichts anderes ergebe. § 13 MTV könne allenfalls bestärkend hinzugezogen werden, da auf die Vorschriften über das Berufsbildungsgesetz verwiesen werde. Zudem hätten die Tarifvertragsparteien keine Rechtssetzungsbefugnis für die Festsetzung der Entgelte. Die Hochschulausbildung unterfalle nicht der konkurrierenden Gesetzgebung des Art. 74 GG. Der Bund könne nur Rahmenvorschriften über allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 1a GG erlassen. Das hindere das jeweilige Land zwar nicht, als Voraussetzung für die Aufnahme oder Prüfung bestimmte Praktika oder Ausbildungsabschnitte vorzuschreiben, die nach dem Berufsbildungsgesetz abzuleisten seien. Diesen Weg sei das Berufsakademiegesetz nicht gegangen. Die Vermittlung der wissenschaftsbezogenen und zugleich praxisorientierten beruflichen Bildung erfolge durch theoretischen Unterricht und durch Ausbildung in den Ausbildungsstätten, die geeignet seien, die vorgeschriebenen Ausbildungsinhalte zu vermitteln. Eine Bezugnahme auf das Berufsbildungsgesetz liege nicht vor. Die Vorlage von Bescheinigungen von Praktika, die dem Berufsbildungsgesetz unterliegen könnten, werde nicht verlangt. Mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundes könne ein Berufsausbildungsverhältnis iSd. Berufsbildungsgesetzes immer dann nicht vorliegen, wenn und soweit die betreffende Ausbildung Bestandteil einer Universitäts-, sonstigen Hochschul- und Fachhochschulausbildung sei.
      • Das ist jedenfalls im Ergebnis zutreffend.

        • Nach § 1 “Geltungsbereich” gilt der Tarifvertrag “persönlich” für alle kaufmännischen und technischen Angestellten …, ferner für die “kaufmännisch und technisch Auszubildenden”. Ein Berufsakademiestudent ist kein “kaufmännisch oder technisch Auszubildender”. Ein Auszubildender ist jemand – meist Jugendlicher –, der innerhalb einer festgesetzten Zeit in einem bestimmten Beruf ausgebildet wird, mit dem Berufsbildungsgesetz vom 14. August 1969 (BGBl. I S 1112) Auszubildender (Azubi) genannt. Das Arbeitsgericht hat bereits darauf hingewiesen, daß die Tarifvertragsparteien den Begriff des Berufsausbildungsverhältnisses nicht definiert haben. Da sich der Wortlaut seit 1970 nicht geändert habe, müsse vom Wortlaut im Zeitpunkt der Entstehung des Tarifvertrages ausgegangen werden. Damals habe man darunter die klassische “Lehre” verstanden. Zu ergänzen ist, daß das Wort Lehre durch den Begriff Berufsausbildungsverhältnis oder durch den Begriff Ausbildungsverhältnis ersetzt wurde und der Begriff Lehrling durch den Begriff Auszubildender. Während der Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bayerischen Metallindustrie vom 19. Januar 1958 Stand Dezember 1969 für alle kaufmännischen und technischen Angestellten, ferner für die kaufmännischen und technischen Lehrlinge nach Maßgabe des § 13 galt, wurde im Tarifabkommen vom 14. Mai 1970 über die Berufsausbildung für kaufmännisch und technisch Auszubildende der Bayerischen Metallindustrie, gültig ab 1. Juni 1970 § 13 MTV neu gefaßt, der in Ziff. 5.III bereits eine “Alterszulage” enthielt. In der Tarifvereinbarung vom 11. Juni 1970 zur Ergänzung des Tarifabkommens vom 14. Mai 1970 über die Berufsausbildung der kaufmännisch und technisch Auszubildenden der Bayerischen Metallindustrie, gültig ab 1. Juni 1970, wurde festgehalten, daß die Bestimmungen des Berufsbildungsgesetzes vom 14. August 1969 seit 1. September 1969 in Kraft sind und daneben ab 1. Juni 1970 die neu gefaßten Bestimmungen des § 13 Anwendung finden. In der “Anmerkung zu § 13 Ziff. 2” ist festgehalten, daß “Auszubildende … sowohl Lehrlinge als auch Anlernlinge iSd. bisherigen Begriffsbestimmung” sind. Der Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bayerischen Metallindustrie vom 31. Oktober/2. November 1970, der die bereits früher vereinbarte Bestimmung des § 13 übernahm, wurde zu einem Zeitpunkt abgeschlossen, als das Berufsbildungsgesetz bereits über ein Jahr in Kraft war, worauf die Revisionsbeantwortung zutreffend hingewiesen hat. Daraus folgt, daß der Begriff Auszubildender dem früheren Begriff Lehrling und Anlernling entspricht. Im Berufsausbildungsverhältnis des BBiG heißt die Person, die ausgebildet wird, Auszubildender, diejenige, die die Ausbildung verantwortlich durchführt, Ausbilder, und diejenige Person, die dem Auszubildenden als Vertragspartner gegenübersteht, Ausbildender. Das Berufsbildungsgesetz hat damit die alte Bezeichnung des Lehrlings und des Lehrherrn beseitigt. Diese Bezeichnungen finden sich nur noch im Bereich der Handwerksordnung. Die Handwerksordnung setzt aber jeweils in Klammern die Begriffe Auszubildender und Ausbildender hinzu und macht damit deutlich, daß sie den Begriff des Lehrlings im Bedeutungsumfang des Auszubildenden versteht. Der Auszubildende ist diejenige Person, die nach der konkreten Ausgestaltung des zugrunde liegenden privatrechtlichen Rechtsverhältnisses (BAG 13. Mai 1992 – 7 ABR 72/91 – BAGE 70, 215) eingestellt wird, um ihr im Rahmen einer geregelten Berufsausbildung die Fertigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln, die zur Erreichung des Ausbildungsziels erforderlich sind. Berufsausbildung iSd. BBiG ist aber nur die Ausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf, vgl. § 25 BBiG. Entspricht eine Berufsausbildung den Anforderungen des § 1 Abs. 2 BBiG, darf auch in einem nicht anerkannten Ausbildungsgang ausgebildet werden.
        • Bei dem Maschinenbaustudium an der Berufsakademie in M… (Baden) handelt es sich weder um einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf noch um einen vergleichbaren nicht anerkannten Ausbildungsgang.

          • Damit liegt ein “Berufsausbildungsverhältnis”, mit welchem Begriff § 13 MTV überschrieben ist, nicht vor. § 13 Ziff. 1 – 3 MTV befaßt sich mit dem Berufsausbildungsverhältnis. § 13 Ziff. 4 Abs. 1 MTV verweist darauf, daß die Ausbildungsvergütungen durch Tarifvertrag geregelt werden, zB Tarifvereinbarung über Gehälter und Auszubildendenvergütungen für die Angestellten und Auszubildenden der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 12. Dezember 1996 und vom 7. April 2000. § 13 Ziff. 4 Abs. 2 MTV beschäftigt sich mit dem Berufsfachschulbesuch, schließlich § 13 Ziff. 4 Abs. 3 MTV mit der “Alterszulage” für Auszubildende, die bei Beginn des Ausbildungsverhältnisses das 21. Lebensjahr vollendet haben, auf die der Kläger reflektiert. Daraus folgt, daß andere als dem Berufsbildungsgesetz unterliegende Ausbildungen von der tariflichen Regelung nicht erfaßt sind.
          • Dem BBiG unterfällt das Maschinenbaustudium an der Berufsakademie in Mosbach (Baden) nicht. Es kann dieses auch nicht regeln. Es unterliegt den Schulgesetzen des Landes Baden-Württemberg im weitesten Sinne unter Einschluß der Bestimmungen für Hochschulen und Fachhochschulen, weil es insoweit an einer Bundesgesetzgebungskompetenz fehlt (Art. 30 und Art. 70 GG). Daher kann ein Berufsausbildungsverhältnis iSd. BBiG immer dann nicht vorliegen, wenn und soweit die betreffende Ausbildung Bestandteil einer Universitäts-, sonstigen Hochschul- oder Fachhochschulausbildung ist.

            • Nun ist die Berufsakademie keine Fachhochschule. Aber bei dem Maschinenbaustudium an der Berufsakademie M… (Baden) handelt es sich um einen Ausbildungsgang, wie er sonst an Universitäten und Fachhochschulen angeboten wird. Zulassungsvoraussetzung für die Berufsakademie ist die allgemeine oder die Fachhochschulreife (§ 8 Abs. 1 Ziff. 1 BAG BW). Die Studien- und Prüfungsinhalte entsprechen letztlich denjenigen der Fachhochschulen, wenngleich die Berufsakademien in Baden-Württemberg nach ihrem Selbstverständnis eine Alternative zum Studium an Fachhochschulen und Universitäten bieten wollen. Das nach drei Jahren abgeschlossene Studium und die Ausbildung an der Berufsakademie Baden-Württemberg sind dem Studium in der entsprechenden Fachrichtung an einer Fachhochschule des Landes Baden-Württemberg aber gleichwertig und vermitteln dieselben Berechtigungen wie ein erfolgreich abgeschlossenes Studium an einer Fachhochschule des Landes Baden-Württemberg, § 1 Abs. 2 BAG BW.
            • Hieran vermag auch § 19 BBiG, der eine beschränkte Geltung des Gesetzes für solche Personen vorsieht, die ohne Begründung eines eigentlichen Ausbildungsverhältnisses eingestellt werden, um berufliche Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen zu erwerben, nichts zu ändern, weil das gesamte Berufsbildungsgesetz im schulischen Bereich nicht anwendbar ist. Daher kann § 19 BBiG auf Studenten, die innerhalb ihres Studiums und als dessen Bestandteil eine Ausbildung am Lernort Praxis, an der betrieblichen Ausbildungsstätte, an einer von der Berufsakademie anerkannten Ausbildungsstelle, § 1 Abs. 6 BAG BW, absolvieren, nicht angewendet werden.
            • Zu demselben Ergebnis führt eine andere Erwägung: Berufsbildende Schulen, die den Schulgesetzen der Länder unterstehen, sind nach § 2 Abs. 1 BBiG ausdrücklich vom Geltungsbereich des BBiG ausgenommen. Berufsbildende Schulen iSd. § 1 Abs. 5 BBiG sind solche, die den Schulgesetzen der Länder unterstehen, und solche, die nicht der Gesetzgebungskompetenz der Länder, sondern insbesondere über Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG der Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterliegen (BAG 24. Februar 1999 – 5 AZB 10/98 – AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 45 = EzA ArbGG § 5 Nr. 32). Die Berufsbildung im ersteren Sinne nimmt § 2 Abs. 1 BBiG wegen fehlender Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes von seinem Anwendungsbereich aus.

              Nach dem Beschluß der Konferenz der Kultusminister vom 8. Dezember 1975 über die “Bezeichnungen zur Gliederung des beruflichen Schulwesens” gelten die Berufsakademien als berufsbildende Schulen. Dann fällt der Student am Lernort Praxis in der betrieblichen Ausbildungsstätte nicht unter den Begriff Auszubildender des Manteltarifvertrages. Die praktische Ausbildung stellt sich nicht als Berufsausbildungsverhältnis dar.

            • Deswegen vermag der Senat auch nicht der im “Protokoll über 64. Sitzung des Kuratoriums der Berufsakademien am 7. Mai 1996” wiedergegebenen Auffassung zu folgen, nach der unter TOP 6 die “Höhe der Ausbildungsvergütungen” an § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG festgemacht wird.
            • Im übrigen gab es 1970 noch gar keine Berufsakademien. Sie wurden erstmals 1974 im Rahmen eines Modellversuchs eingerichtet. Darauf hat die Revisionserwiderung zutreffend hingewiesen. Ferner gab und gibt es in Bayern keine Berufsakademien; auch darauf hat die Revisionsbeantwortung zutreffend verwiesen.
        • Sonstige Auslegungsgesichtspunkte führen nicht zu einem anderen Ergebnis.

          • Der systematische Gesamtzusammenhang der Tarifbestimmungen der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie für Auszubildende steht lediglich dafür, daß Auszubildende iSd. Berufsbildungsgesetzes gemeint sind, nicht aber andere Personen.

            Sonach ist davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien mit den Normen, die sich auf Auszubildende beziehen, nur Ausbildungsverhältnisse iSd. § 3 Abs. 2, allenfalls noch ein Vertragsverhältnis iSd. § 19 BBiG iVm. § 3 Abs. 2 BBiG geregelt, nicht aber auch praktische Ausbildungsphasen erfaßt haben, die Bestandteil eines Hoch-, Fachhochschul-, Fachschul- oder Berufsakademiestudiums sind.

          • Daran ändert nichts, daß der Berufsakademiestudent nicht an einer praktischen Ausbildung durch die Berufsakademie teilnimmt, etwa in berufsakademieeigenen Werkstätten als Unterrichtsveranstaltung der Berufsakademie, sondern in einer betrieblichen Ausbildungsstätte außerhalb der Berufsakademie ausgebildet wird. Es handelt sich nämlich nicht um irgendeinen Betrieb, sondern um “beteiligte Ausbildungsstätten”, § 1 Abs. 1 BAG BW, die von der Berufsakademie anerkannt sind, vgl. § 1 Abs. 6 BAG BW. Die praktische Ausbildung – Lernort Praxis – ist so gesehen Teil der Ausbildung an der Berufsakademie.
          • Wenn nach dem “Protokoll über 64. Sitzung des Kuratoriums der Berufsakademien am 7. Mai 1996” TOP 6 “Höhe der Ausbildungsvergütungen” Abs. 2 bei Tarifgebundenheit beider Parteien des Ausbildungsvertrages kraft Organisationszugehörigkeit oder Allgemeinverbindlichkeit die tariflichen Ausbildungsvergütungen maßgeblich seien sollen, so setzt das voraus, daß der Berufsakademiestudent vom persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages erfaßt ist. Das ist bei dem hier in Rede stehenden MTV nicht der Fall.
          • Auf die weiteren Argumente der Revision und auf die ausführliche, detail- und materialreiche weitere Argumentation der Revisionserwiderung braucht der Senat nicht mehr einzugehen.
      • Nach alledem hat der Kläger als Berufsakademiestudent bei seiner Ausbildung an der Berufsakademie und an der betrieblichen Ausbildungsstätte trotz beiderseitiger Verbandszugehörigkeit keinen Anspruch auf die begehrte Alterszulage “für über 21 Jahre alte Auszubildende”. Er fällt nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des MTV.
  • Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
 

Unterschriften

Bott, Wolter, Friedrich, Kiefer, Valentien

 

Fundstellen

Haufe-Index 893418

BAGE 2004, 131

BB 2003, 692

BB 2003, 906

DB 2003, 946

ARST 2003, 237

FA 2003, 122

SAE 2003, 275

AP, 0

EzA-SD 2003, 22

EzA

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