Entscheidungsstichwort (Thema)

Sicherungsfall des außergerichtlichen Vergleichs

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) hat als Träger der Insolvenzsicherung den Versorgungsanspruch eines Betriebsrentners nur zu erfüllen, wenn ein Sicherungsfall nach den Bestimmungen des § 7 BetrAVG eingetreten ist. Die Leistungspflicht beginnt grundsätzlich mit dem Eintritt des Sicherungsfalles.

2. Wird die Versorgung über eine Unterstützungskasse abgewickelt, muß der Sicherungsfall beim Trägerunternehmen (Arbeitgeber) eingetreten sein. Die wirtschaftliche Lage der Kasse ist nicht entscheidend.

3. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Eintritt des Sicherungsfalles des außergerichtlichen Vergleiches (§ 7 Abs 1 Satz 3 Nr 3 BetrAVG) ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmer seine Zahlungsunfähigkeit sämtlichen Gläubigern bekannt gibt. Die Einstellung der Zahlungen allein reicht nicht aus.

4. Im Interesse der Rechtssicherheit sind Absprachen zwischen dem insolventen Arbeitgeber und dem PSV über den Zeitpunkt des Sicherungsfalles innerhalb von Grenzen zulässig. Den Parteien steht ein Ermessensspielraum zu.

5. Wird die Versorgung über eine Unterstützungskasse zugesagt, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, jede Änderung der Versorgungsrichtlinien jedem betroffenen Arbeitnehmer persönlich mitzuteilen. Eine allgemeine Bekanntmachung im Betrieb oder Unternehmen reicht aus. Der betroffene Arbeitnehmer muß nur die Möglichkeit haben, von der Änderung Kenntnis zu nehmen (Bestätigung des Urteils vom 12. 2. 1992 - 3 AZR 113/92 = AP Nr 33 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen).

6. Bei einer Unterstützungskasse, deren Wirkungskreis sich auf einen Konzern bezieht, ist der Konzernbetriebsrat das für die Ausübung der Mitbestimmungsrechte zuständige betriebsverfassungsrechtliche Organ.

Der Betriebsrat des Unternehmens, das zusammen mit anderen Unternehmen betriebliche Altersversorgung über eine Unterstützungskasse (Gruppenunterstützungskasse) gewährt, hat nach § 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG mitzubestimmen über das Abstimmungsverhalten des Unternehmens bei Beschlüssen der Organe dieser Unterstützungskasse in Fragen der Ausgestaltung eines Leistungsplans (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl zuletzt BAG Urteil vom 9.5.1989 3 AZR 439/88 = BAGE 62, 26 = AP Nr 18 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung).

7. Die Verletzung des Mitbestimmungsrechtes im einzelnen Betrieb kann nur dann zur Unwirksamkeit der Entscheidung des zuständigen Organs der Gruppenkasse führen, wenn mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die Ablehnung der Änderung des Leistungsplanes im einzelnen Unternehmen die Änderung insgesamt hätte verhindern können.

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 23.06.1993; Aktenzeichen 7 Sa 250/92)

ArbG Köln (Entscheidung vom 08.11.1991; Aktenzeichen 5 Ca 6091/91)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem beklagten Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) Insolvenzschutz für eine zurückliegende Zeit sowie Zahlung einer höheren monatlichen Betriebsrente (Invalidenrente).

Der Kläger, geboren am 14. März 1933, war vom 3. Mai 1955 bis zum 31. Oktober 1983 bei der Offset-Druckerei M KG in D beschäftigt. Dort bezog er zuletzt ein monatliches Arbeitsentgelt von 2.352,80 DM.

Die M KG gewährte ihren Mitarbeitern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über eine Gruppenunterstützungskasse, den Unterstützungsverein W e.V. München. Sie sagte auch dem Kläger mit Schreiben vom 16. Dezember 1969 eine entsprechende Versorgung zu. Dem Schreiben war als Anlage eine Informationsbroschüre beigefügt, die den ab 1. Dezember 1969 geltenden Leistungsplan enthielt, der seinerseits an die Stelle eines früheren Leistungsplans aus dem Jahre 1963 getreten war.

Die Broschüre beschreibt einleitend das Ziel des Versorgungswerks. Es heißt dort:

"Heute gilt als erklärtes Ziel der Sozialpolitik,

daß jeder Arbeitnehmer analog der Regelung beim

Beamten 75 % seines zuletzt bezogenen Arbeitsent-

gelts als Altersruhegeld erhalten soll. Der in

diesem Zusammenhang entwickelten sogenannten

Drei-Säulen-Theorie zufolge übernimmt mit rd.

50 % die staatliche Rentenversicherung den Grund-

schutz, die fehlenden 25 % sollen durch ein be-

trieblich zugesichertes Ruhegeld bzw. private

Vorsorge gedeckt werden. Damit ist aber auch

schon die Größenordnung aufgezeigt, innerhalb

derer sich eine im modernsten Sinne sozial gel-

tende betriebliche Altersversorgung zu bewegen

hat und welche Verantwortung und Kosten auf ihr

lasten."

Der Leistungsplan sieht in § 1 Alters-, Invaliden-, Witwen- und Waisenrenten vor. Die Invalidenunterstützung setzt gem. § 7 der Leistungsordnung Berufsunfähigkeit im Sinne der Reichsversicherungsordnung voraus. Sie entspricht gem. § 7 Nr. 4 der Höhe nach der Anwartschaft auf Altersrente, die der Arbeitnehmer zur Zeit des Eintritts des Ereignisses erreicht hatte.

Mit Wirkung vom 1. Dezember 1972 wurde die Leistungsordnung um folgende Bestimmung ergänzt (§ 10 Abs. 2):

"Der Unterstützungsverein behält sich vor, die

Renten insoweit zu kürzen, als sie zusammen mit

den sonstigen Leistungen des Unternehmens und der

Sozialversicherung einschließlich der gesetzli-

chen Unfallversicherung 75 % des letzten Brutto-

lohnes übersteigen. Kommt eine Kürzung der zu

zahlenden Rente in Frage, so erhält der Betriebs-

angehörige jedoch mindestens eine Rente in Höhe

des Grundbetrages."

Der Kläger schied zum 31. Oktober 1983 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Die Unterstützungskasse erteilte ihm eine Auskunft gem. § 2 Abs. 6 BetrAVG, derzufolge ihm eine Anwartschaft in Höhe von 297,-- DM, zahlbar bei Vollendung des 65. Lebensjahres, zustehe. Zum 31. Dezember 1983 stellte die M KG ihre Produktion ein und entließ sämtliche Arbeitnehmer.

Ausweislich des Rentenbescheids der Landesversicherungsanstalt Schwaben vom 2. Mai 1989 ist der Kläger seit dem 21. Dezember 1988 erwerbsunfähig. Seither bezieht er eine Erwerbsunfähigkeitsrente, die anfänglich 1.712,06 DM betrug. Eine Betriebsrente erhielt der Kläger nicht.

Ende des Jahres 1988 teilte die M KG ihre Insolvenz dem PSV mit und bat um Insolvenzschutz. Nach den Feststellungen der Stern Treuhand war die M KG zu diesem Zeitpunkt zwar überschuldet, aber nicht zahlungsunfähig. Unter anderem bestanden noch Guthaben bei Kreditinstituten in Höhe von über 1,6 Mill. DM. Durch einen Vertrag vom 30. Juni/5. Juli 1989 wurde eine Einigung über einen Sicherungsfall nach § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BetrAVG (außergerichtlicher Vergleich) herbeigeführt. Als Zeitpunkt des Eintritts des Sicherungsfalls wurde der 30. Juni 1989, 24.00 Uhr, festgelegt. Die M KG sollte liquidiert werden. Der beklagte PSV übernahm ab 1. Juli 1989 die Erfüllung der laufenden Versorgungsansprüche sowie der unverfallbaren Versorgungsanwartschaften. Als Ausgleich der gem. § 9 Abs. 2 BetrAVG auf ihn übergegangenen Forderungen erhielt der beklagte PSV eine Vergleichsquote von 83,65 % (Barwert ca. 2,04 Mill. DM, Quote ca. 1,70 Mill. DM).

Mit Leistungsbescheid vom 5. Februar 1990 errechnete der Beklagte für den Kläger eine Invalidenrente in Höhe von monatlich 149,40 DM, beginnend mit dem 1. Juli 1989. Aus den Erläuterungen dazu ergibt sich, daß der PSV der Berechnung den 30. Juni 1989 als Insolvenzdatum zugrundelegte und, entsprechend der Gesamtversorgungsobergrenze gem. § 10 Abs. 2 der Leistungsordnung i.d.F. vom 1. Dezember 1972, den Anspruch auf 75 % der letzten Bruttobezüge kürzte; die Sozialversicherungsrente wurde fiktiv aufgrund der persönlichen Bemessungsgrundlage des Klägers zur Zeit des Ausscheidens am 31. Oktober 1983 ermittelt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte müsse schon ab 21. Dezember 1988, seit Beginn seiner Erwerbsunfähigkeit, eintreten. Der Sicherungsfall sei vor dem vereinbarten Termin des 30. Juni 1989 eingetreten, und zwar spätestens Ende des Jahres 1988. Dazu hat er behauptet, der Betrieb sei Ende 1983 vollständig eingestellt worden. Ein Konkursverfahren sei wegen offensichtlicher Masselosigkeit nicht in Betracht gekommen. Die M KG sei zahlungsunfähig gewesen, und zwar schon vor Beginn seiner Erwerbsunfähigkeit.

Der Beklagte habe auch seine Rente nicht richtig berechnet. Insbesondere brauche er die Änderung des Leistungsplans ab 1. Dezember 1972 nicht gegen sich gelten zu lassen. Die Änderung sei ihm nicht mitgeteilt worden. Der Betriebsrat der M KG habe der Änderung nicht zugestimmt. Bei richtiger Berechnung stehe ihm eine monatliche Rente von 313,10 DM zu. In der Revisionsinstanz hat der Kläger erklärt, daß er das Zahlenwerk im einzelnen nicht bestreite, falls die Gesamtversorgungsobergrenze (§ 10 Abs. 2 der Leistungsordnung vom 1. Dezember 1972) wirksam sei.

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

1. an ihn für die Zeit vom 21. Dezember 1988 bis

zum 30. September 1991 rückständige Rente in

Höhe von 8.202,40 DM nebst 4 % Zinsen hieraus

seit dem 13. September 1991 zu zahlen;

2. an ihn ab Oktober 1991 weitere 163,70 DM

monatlich betriebliche Altersversorgung,

zahlbar jeweils am letzten des Monats für den

laufenden Monat, zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Vor dem 30. Juni 1989 sei kein Sicherungsfall eingetreten. Die KG sei zwar überschuldet, aber nicht zahlungsunfähig gewesen. Für einen Konkurs habe ausreichend Masse zur Verfügung gestanden. Die Vereinbarung vom 30. Juni/5. Juli 1989 enthalte nicht nur die verbindliche Festlegung des Insolvenzstichtags, sondern auch die verbindliche Erklärung des Schuldners, die laufenden Renten bis zu diesem Zeitpunkt zu zahlen.

Die Rente des Klägers sei richtig berechnet worden. Die Einführung der Gesamtversorgungsobergrenze im Jahre 1972 sei wirksam. Jede Unterstützungskassenversorgung stehe unter dem Vorbehalt späterer Änderungen des Leistungsplans. Einer besonderen Benachrichtigung des Klägers habe es nicht bedurft. Die Zustimmung des Betriebsrats sei entbehrlich gewesen; der Kläger habe keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, daß eine Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats der M KG die Einführung der Gesamtversorgungsobergrenze in der für den gesamten W Konzern zuständigen Gruppenunterstützungskasse hätte verhindern können.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der beklagte PSV ist nicht verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 21. Dezember 1988 bis zum 30. Juni 1989 eine Betriebsrente zu zahlen. Der PSV ist auch nicht verpflichtet, dem Kläger eine höhere Rente zu zahlen, als er sie seit dem 1. Juli 1989 erhält.

I. Für die Zeit vor dem 1. Juli 1989 kann der Kläger vom PSV keine Leistungen beanspruchen. Der beklagte PSV hat den Versorgungsanspruch eines Betriebsrentners nur zu erfüllen, wenn ein Sicherungsfall nach den Bestimmungen des § 7 BetrAVG eingetreten ist. Die Leistungspflicht beginnt grundsätzlich mit dem Eintritt des Sicherungsfalls. Der Sicherungsfall ist nicht vor dem 30. Juni 1989 eingetreten.

1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Invalidenrente zu. Er hatte bei seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis am 31. Oktober 1983 eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben. Seine Dienstzeit betrug mehr als 28 Jahre, die Zusage vom 16. Dezember 1969 hatte länger als zehn Jahre bestanden und der Kläger war älter als 35 Jahre (§ 1 Abs. 1 BetrAVG).

Mit dem Eintritt der Erwerbsunfähigkeit des Klägers am 21. Dezember 1988 ist der Versorgungsfall der Invalidität gem. § 7 Nr. 1 der Versorgungsordnung eingetreten. Die Versorgungsanwartschaft des Klägers ist damit zum Versorgungsanspruch erstarkt.

Der Anspruch richtete sich ursprünglich gegen die Unterstützungskasse der W GmbH oder gegen die M KG, da diese die Versorgung über die Unterstützungskasse zugesagt hatte (§ 1 Abs. 4 BetrAVG). Ob und gegebenenfalls wann die M KG als Trägerunternehmen aus der Unterstützungskasse ausgeschieden ist, ist nicht vorgetragen.

2. Wird die Versorgung über eine Unterstützungskasse abgewickelt, muß gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG der Sicherungsfall beim Arbeitgeber (Trägerunternehmen) eingetreten sein. Die wirtschaftliche Lage der Kasse ist nicht entscheidend (BAG Urteil vom 26. August 1986 - 3 AZR 98/85 - AP Nr. 20 zu § 59 KO, zu I 1 der Gründe; Urteil vom 6. Oktober 1992 - 3 AZR 41/92 - AP Nr. 16 zu § 9 BetrAVG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen).

3. Der Kläger hat geltend gemacht, bei der M KG sei der Sicherungsfall der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit bei offensichtlicher Masseunzulänglichkeit eingetreten (§ 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 BetrAVG).

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Zwar hat die M KG ihren Betrieb zum 31. Dezember 1983 eingestellt; für eine Vermögenssituation, in der eine Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse offensichtlich nicht in Betracht gekommen wäre, sind aber keine Anhaltspunkte hervorgetreten. Der mit Wirkung vom 30. Juni 1983 abgeschlossene Sozialplan hatte ein Volumen von ca. 400.000,-- DM. Der zum 31. Oktober 1988 ermittelte Vermögensstatus der M KG weist noch ein Umlaufvermögen von über 2,6 Mill. DM auf.

4. Jedoch ist der Sicherungsfall des außergerichtlichen Vergleichs nach § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BetrAVG eingetreten. Dieser Sicherungsfall und die dadurch begründete Eintrittspflicht wird vom beklagten PSV nicht bestritten. Die Parteien streiten aber über den Zeitpunkt des Sicherungsfalls. Nach der eigenen Darstellung des Klägers ist der Sicherungsfall nicht vor dem 30. Juni 1989 eingetreten.

a) Gem. § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BetrAVG ist Sicherungsfall "der außergerichtliche Vergleich (Stundungs-, Quoten- oder Liquidationsvergleich) des Arbeitgebers mit seinen Gläubigern nach vorausgegangener Zahlungseinstellung im Sinne der Konkursordnung, wenn ihm der Träger der Insolvenzsicherung zustimmt". Nach dem Gesetzeswortlaut ist damit der Vergleich als solcher der Sicherungsfall. Danach müßte maßgeblicher Zeitpunkt der Tag sein, an dem der Vergleich durch die Vergleichsannahme seitens des Versorgungsberechtigten, evtl. sogar erst durch die Zustimmung des letzten Gläubigers, zustandekommt (so Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 7 Rz 117).

Ein solches Vorgehen könnte allerdings zu Verzögerungen beitragen und dazu führen, daß Versorgungsberechtigte vorübergehend ohne Versorgungsleistungen bleiben. Im Interesse der Rechtssicherheit und des Sicherungsbedürfnisses der Rentner hat daher der PSV in § 3 Abs. 3 AIB den (früheren) Zeitpunkt als Insolvenzstichtag anerkannt, in dem der Arbeitgeber seine Zahlungsunfähigkeit seinen sämtlichen Gläubigern bekanntgibt (AIB s. Blomeyer/Otto, Anhang S. 1390). An dieser für die Rentner günstigeren Regelung muß sich der PSV festhalten lassen.

b) Im Streitfall hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt, daß ein außergerichtlicher Vergleich vor dem 30. Juni 1989 zustandegekommen ist. Der Kläger hat nicht behauptet, daß die M KG vor dem 30. Juni 1989 ihre Zahlungsunfähigkeit sämtlichen Gläubigern bekanntgegeben habe (§ 3 Abs. 3 AIB). Fest steht nur, daß die M KG zum Ende des Jahres 1983 ihre Produktion eingestellt und die Arbeitnehmer entlassen hat. Der Kläger trägt nur vor, die M KG habe später, im Laufe des Jahres 1988, aber vor Eintritt seiner Erwerbsunfähigkeit, die Zahlungen eingestellt. Im übrigen macht der Kläger geltend, durch eine Absprache von Schuldner und PSV könne der Zeitpunkt des Sicherungsfalls nicht beliebig festgelegt werden. Die vom Gesetz geforderte Zustimmung könne der PSV noch nachträglich erteilen.

Dieses Vorbringen des Klägers ist unerheblich. Nach seiner eigenen Darstellung ist nicht davon auszugehen, daß er - vor dem 30. Juni 1989 - als Gläubiger eines Versorgungsanspruchs mit seiner früheren Arbeitgeberin einen Vergleich abgeschlossen hat, dem der PSV hätte zustimmen können. Auch eine allgemeine Bekanntgabe der Zahlungsunfähigkeit der M KG ist nicht zu erkennen. Dem Vertrag der M KG mit dem PSV vom 30. Juni/5. Juli 1989 ist insoweit nur zu entnehmen, daß eine Einigung mit einem Teil der Gläubiger stattgefunden hat und der PSV unter Reduzierung der auf ihn übergehenden Versorgungsansprüche (§ 9 Abs. 2 BetrAVG) die Verbindlichkeiten gegenüber den Versorgungsberechtigten ab 1. Juli 1989 übernommen hat. Ein früherer Sicherungsfall ist somit nicht ersichtlich.

Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge der Revision ist unbeachtlich. Die Behauptung des Klägers, der Schuldner sei nicht zahlungsfähig gewesen und habe seine Zahlungen eingestellt, reicht nicht aus, um den Sicherungsfall des außergerichtlichen Vergleichs schlüssig zu begründen.

c) Im übrigen erscheint es im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit sinnvoll, wenn sich der insolvente Arbeitgeber und der PSV über den Zeitpunkt des Sicherungsfalls verständigen. Dabei muß beiden ein gewisser Ermessensspielraum zustehen. Die Gefahr, daß ein willkürlicher Zeitpunkt gewählt wird, ist nicht groß. Dem Arbeitgeber muß daran gelegen sein, seine Liquidationsentscheidung zügig umzusetzen. Je eher ein Vergleich angeboten wird, umso mehr Mittel stehen zur Verfügung und umso eher besteht eine Aussicht auf das Zustandekommen des Vergleichs. Dem PSV als Erwerber der übergehenden Versorgungsrechte muß ebenfalls an einer frühzeitigen und sachgerechten Festsetzung des Stichtags gelegen sein; er muß mit einer geringeren Vergleichsquote rechnen, je länger die Entscheidung hinausgezögert wird und einzelne Gläubiger noch die Gelegenheit wahrnehmen, beim Versorgungsschuldner zu vollstrecken. Schließlich werden auch die berechtigten Belange der Rentner gewahrt, wenn zwischen PSV und Versorgungsschuldner verbindlich geklärt wird, bis wann der Arbeitgeber und ab wann der PSV zur Erfüllung der Versorgungsverbindlichkeiten verpflichtet ist.

5. Der beklagte PSV braucht auch nicht rückwirkend den Versorgungsanspruch des Klägers zu sichern. Eine um sechs Monate rückwirkende Insolvenzsicherung wie im Falle des Konkurses des Arbeitgebers kommt für den Sicherungsfall des außergerichtlichen Vergleiches nicht in Betracht. Der Bundesgerichtshof hat die Annahme einer rückwirkenden Insolvenzsicherung im Falle des Konkurses des Arbeitgebers unter Heranziehung der Regelungen über das Konkursausfallgeld vom 17. Juli 1974 (BGBl. I, 1481) und die daran anschließende Änderung des § 59 KO (Nr. 3 a und d) begründet; er hat ausgeführt, es entspreche dem Zweck der Insolvenzsicherung, im Falle der Konkurseröffnung rückständige Versorgungsleistungen zeitlich begrenzt in den Insolvenzschutz einzubeziehen, und zwar für einen Zeitraum, für den typischerweise ein Zusammenhang mit den zum Konkurs führenden Zahlungsschwierigkeiten des Arbeitgebers zu vermuten sei (BGH Urteil vom 14. Juli 1980 - II ZR 106/79 - AP Nr. 5 zu § 7 BetrAVG).

Auf den außergerichtlichen Vergleich lassen sich diese Erwägungen nicht übertragen. In diesem Sicherungsfall hat der Versorgungsberechtigte, anders als nach der Konkurseröffnung (§ 14 KO), die Möglichkeit, sich solange einen Titel zu verschaffen und gegebenenfalls in das Vermögen des Vergleichsschuldners zu vollstrecken, wie er selbst dem Vergleich nicht zugestimmt hat. Zudem setzt der außergerichtliche Quoten- oder Liquidationsvergleich die Zustimmung des Gläubigers zur Reduzierung seines Anspruchs auf die angebotene Vergleichsquote voraus. Kommt es zu einem außergerichtlichen Vergleich, so läßt sich auch nicht davon ausgehen, schon sechs Monate vorher komme es typischerweise zur Nichterfüllung von Lohn- und Versorgungsforderungen.

II. Bei der Berechnung des Versorgungsanspruchs hat der PSV zu Recht § 10 Abs. 2 der Leistungsordnung vom 1. Dezember 1972 angewendet und den Anspruch des Klägers auf 75 % seiner letzten Bezüge als aktiver Arbeitnehmer gekürzt.

1. § 10 Abs. 2 der Leistungsordnung in der Fassung vom 1. Dezember 1972 enthält eine ohne weiteres anwendbare Kürzungsklausel. So haben das Berufungsgericht und der PSV die Regelung verstanden. Die Revision rügt diese Auffassung unter Hinweis auf den Wortlaut der Bestimmung ("der Unterstützungsverein behält sich vor ..."). Die Versorgungseinrichtung habe eine Ermessensentscheidung treffen müssen, sie habe aber keine Ermessensentscheidung getroffen, jedenfalls habe sie dem Kläger keine entsprechende Mitteilung gemacht. Der Auslegung des Berufungsgerichts ist zu folgen. Die Formulierung der Bestimmung läßt erkennen, daß Versorgungsleistungen, die insgesamt 75 % des letzten Bruttogehalts übersteigen, unerwünscht sind und nicht gewährt werden sollen. Die Bestimmung überträgt das in der Einleitung beschriebene Versorgungsziel in den Leistungsplan. Die Formulierung sagt mit hinreichender Deutlichkeit, daß eine Kürzung stattfindet, falls sich eine Überversorgung in dem dargestellten Sinn ergibt. Dies sollte für alle von der Unterstützungskasse versorgten Arbeitnehmer gelten. Eine Ermessensentscheidung in Gestalt einer von Fall zu Fall vorzunehmenden Abwägung nach individuellen Gesichtspunkten sieht die Bestimmung nicht vor.

2. Die Versorgungsrichtlinien konnten zum Nachteil des Klägers geändert werden. Dem Kläger war eine Versorgung über eine Unterstützungskasse zugesagt. Ein Rechtsanspruch auf die im Leistungsplan vorgesehenen Renten war ausdrücklich ausgeschlossen. Eine solche Gestaltung der Zusage enthält den Vorbehalt, die Leistungsrichtlinien aus sachlichen Gründen zu ändern. Die Zusage einer Unterstützungskassenversorgung enthält daher inhaltlich eine Verweisung auf die jeweils geltenden Richtlinien. Der begünstigte Arbeitnehmer kann nicht darauf vertrauen, daß Änderungen der Leistungsrichtlinien unterbleiben (Urteil des Senats vom 12. November 1991 - 3 AZR 520/90 - AP Nr. 26 zu § 2 BetrAVG, zu II 6 der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen; Urteil vom 17. November 1992 - 3 AZR 76/92 - AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Besitzstand, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen).

3. Die Änderung ist nicht deshalb unwirksam, weil sie dem Kläger nicht mitgeteilt worden ist. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, jede Änderung der Versorgungsrichtlinien jedem betroffenen Arbeitnehmer persönlich mitzuteilen. Eine allgemeine Bekanntmachung im Betrieb oder Unternehmen reicht aus. Es genügt, daß der betroffene Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, von der Änderung Kenntnis zu nehmen (BAG Urteil vom 12. Februar 1992 - 3 AZR 113/91 - AP Nr. 33 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen, zu I 4 b der Gründe). Daß eine Bekanntgabe in allgemeiner Form unterblieben sei, hat der Kläger nicht behauptet. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß er die Möglichkeit hatte, sich die von ihm vermißte Kenntnis zu verschaffen.

4. Die Änderung des Leistungsplans ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht deshalb unwirksam, weil - nach seiner Darstellung - eine Zustimmung des Betriebsrats der M KG nicht eingeholt wurde.

a) Bei dem Unterstützungsverein W e.V. handelt es sich um eine Gruppenunterstützungskasse, der alle Unternehmen der "W Gruppe" angeschlossen waren. Zwar unterliegen grundsätzlich auch die Leistungspläne einer Gruppenunterstützungskasse der Mitbestimmung des Betriebsrats. Im Streitfall ist jedoch die Vorschrift des § 10 Abs. 2 der Leistungsordnung nicht wegen eines Verstoßes gegen das Mitbestimmungsrecht unwirksam.

Ob das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG verletzt ist, kann der Senat nicht feststellen. Gem. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist. Hierunter kann auch eine Gruppenunterstützungskasse fallen. Es ist jedoch nicht festgestellt, ob die M KG ein Unternehmen war, das einem Konzern angehörte. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, daß, falls es sich um ein konzernangehöriges Unternehmen handelte, ein Konzernbetriebsrat gebildet war. Als zuständiges Mitbestimmungsorgan auf Konzernebene (§ 58 BetrVG) hätte es jedoch einen Konzernbetriebsrat geben müssen, der der Regelung in der Versorgungsordnung hätte zustimmen können. Fehlt das für die Entscheidungsebene zuständige Mitbestimmungsorgan, kann keine Mitbestimmung stattfinden, mithin auch nicht das Mitbestimmungsrecht auf Konzernebene verletzt sein.

Eine mögliche Verletzung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bleibt im vorliegenden Fall ohne individualrechtliche Folgen. Wenn in einer Gruppenunterstützungskasse die Versorgungsrichtlinien geändert werden, werden zugleich im einzelnen Betrieb und Unternehmen Angelegenheiten der innerbetrieblichen Lohngestaltung geregelt. Ist das Entscheidungsgremium der Gruppenkasse nicht paritätisch mit Vertretern des Arbeitgebers und Betriebsratsmitgliedern besetzt, folgt die Mitbestimmungspflicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Da indes durch die Mitbestimmung im Einzelunternehmen nicht gewährleistet werden kann, daß eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit in der Gruppenunterstützungskasse nur in einer bestimmten Weise durchgesetzt werden kann, etwa weil Arbeitgeber und Betriebsräte anderer Betriebe eine andere Auffassung vertreten, kann auch die Verletzung des Mitbestimmungsrechts im einzelnen Betrieb nur dann zur Unwirksamkeit der Entscheidung des zuständigen Organs der Gruppenkasse führen, wenn mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die Ablehnung der Änderung des Leistungsplans im einzelnen Unternehmen die Änderung insgesamt hätte verhindern können (BAG Urteil vom 22. April 1986 - 3 AZR 100/83 - AP Nr. 13 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; BAGE 62, 26 = AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung).

Für eine dahingehende Annahme hat der Kläger nichts vorgetragen. Hier sprechen vielmehr die Begleitumstände gegen eine Ablehnung der Einführung der Gesamtversorgungsobergrenze von 75 % des letzten Bruttogehalts: Die Gruppenunterstützungskasse der W GmbH hatte schon in ihrer Broschüre aus dem Jahre 1969 das Ziel beschrieben, das mit ihren Leistungen erreicht werden sollte. Es wurde - für den Idealfall - eine Gesamtversorgung in Höhe von 75 % des zuletzt bezogenen Arbeitsentgelts und damit eine Erhaltung der letzten Effektiveinkünfte im Arbeitsverhältnis angestrebt. Es erscheint daher konsequent und keinesfalls unangemessen, daß diese Vorstellung später, im Jahre 1972, in der Weise verbindlich festgeschrieben wurde, daß darüber hinausgehende höhere Leistungen auf das als angemessen erachtete Versorgungsziel zurückgeführt werden sollten.

5. Mit den vorstehenden Erwägungen erledigt sich zugleich der Einwand des Klägers, der Eingriff sei unverhältnismäßig und aus Gründen der erforderlichen Besitzstandswahrung unwirksam. Die Reduzierung der möglichen Höhe der Gesamtversorgung auf eine Höhe, die etwa dem letzten Nettoeinkommen entspricht, enthält eine angemessene Korrektur.

6. Der Hinweis des Klägers, angesichts der Auskunft der Unterstützungskasse über die Höhe seiner Anwartschaft am 31. Oktober 1983 sei der dort genannte Betrag (297,-- DM) verbindlich, trifft nicht zu. Die Auskunft des Arbeitgebers oder der Kasse nach § 2 Abs. 6 BetrAVG hat keine konstitutive Wirkung, sie enthält insbesondere kein Anerkenntnis (BAG Urteil vom 8. November 1983 - 3 AZR 511/81 - AP Nr. 3 zu § 2 BetrAVG).

7. Damit ist das vom Kläger am 21. Dezember 1988 erreichbare Ruhegeld an der Gesamtversorgungsobergrenze von 75 % der letzten Bezüge im Arbeitsverhältnis zu messen. Davon ist der PSV zutreffend ausgegangen. Da die Höhe des Versorgungsanspruchs im übrigen nicht mehr umstritten ist, braucht das Rechenwerk nicht mehr im einzelnen dargestellt zu werden.

Dr. Heither Griebeling Dr. Wittek

Dr. Jesse Köhne

 

Fundstellen

Haufe-Index 438709

BAGE 00, 00

BAGE, 196

BB 1994, 652

DB 1994, 686-687 (LT1-7)

AiB 1994, 574-576 (LT1-7)

EWiR 1994, 737 (L)

JR 1994, 484

KTS 1994, 296-299 (LT1-4)

NZA 1994, 554

NZA 1994, 554-557 (LT1-7)

ZIP 1994, 800

ZIP 1994, 800-804 (LT1-7)

AP § 7 BetrAVG (LT1-7), Nr 81

AR-Blattei, ES 460.6 Nr 77 (LT1-7)

EzA § 7 BetrAVG, Nr 47 (LT1-7)

JZ 1994, 484 (L)

VersR 1994, 1007 (L)

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