Entscheidungsstichwort (Thema)

Jahressonderzuwendung - befristetes Arbeitsverhältnis

 

Leitsatz (redaktionell)

Macht eine tarifvertragliche Regelung (hier: § 10 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer der obst- und gemüseverarbeitenden Industrie in der Bundesrepublik Deutschland vom 6. Juni 1990 - gültig ab 1. Januar 1990) den Anspruch auf eine Jahressonderzuwendung davon abhängig, daß das Arbeitsverhältnis am Stichtag "ungekündigt" ist, steht eine Befristung des Arbeitsverhältnisses einer Kündigung nicht gleich (im Anschluß an BAG Urteil vom 7. Oktober 1992 - 10 AZR 186/91 = AP Nr 146 zu § 611 BGB Gratifikation).

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 21.08.1992; Aktenzeichen 10 Sa 765/92)

ArbG Minden (Entscheidung vom 01.04.1992; Aktenzeichen 2 Ca 390/92)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer anteiligen tariflichen Jahressonderzuwendung.

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 30. November 1990 als gewerblicher Arbeitnehmer befristet beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war u.a. geregelt:

"...

Der Arbeitsvertrag ist befristet für die Zeit vom

30.11.90 bis 20.12.91. Damit endet das Arbeits-

verhältnis automatisch, ohne daß es insoweit

einer Kündigung bedarf, am 20.12.91.

...

Die Tarifverträge des Verbandes der Obst- und Ge-

müse verarbeitenden Industrie Nordrhein-Westfa-

lens, sowie die betrieblichen Ordnungsvorschrif-

ten und Betriebsvereinbarungen sind in ihrer je-

weils geltenden Fassung Bestandteil des Vertra-

ges."

Am 12. oder 13. November 1991 erkundigte sich der Kläger im Personalbüro der Beklagten im Hinblick auf die bevorstehende Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der vereinbarten Befristung auf den 20. Dezember 1991 nach seinem Resturlaub. Mit Schreiben vom 13. November 1991 teilt ihm die Beklagte daraufhin mit:

"Beendigung Ihres befristeten Arbeitsverhältnis-

ses

Sehr geehrter Herr Kastning,

hiermit bestätigen wir Ihnen, daß das bis zum

20.12.91 befristete Arbeitsverhältnis zwischen

Ihnen und dem Hause Z Feinkost GmbH & CoKG auf

Ihren Wunsch hin mit dem 20.12.91 ausläuft.

Unter Berücksichtigung des Ihnen zustehenden Er-

holungsurlaubs ist Ihr letzter Arbeitstag in un-

serem Hause der 05.12.91. Bitte geben Sie zu die-

sem Termin die empfangene Arbeitskleidung und die

empfangenen Schlüssel bei Frau S ab.

Ihre Arbeitspapiere sowie die Lohnabrechnung

12/91 erhalten Sie am 10.01.92 zugeschickt.

Mit freundlichen Grüßen"

Im übrigen ist der Inhalt des Gesprächs am 12. oder 13. November 1991 im Personalbüro der Beklagten zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 13. Dezember 1991 und vom 4. Februar 1992 verlangte der Kläger von der Beklagten die tarifvertragliche Jahressonderzuwendung. Der Manteltarifvertrag vom 6. Juni 1990 für die obst- und gemüseverarbeitende Industrie in der Bundesrepublik Deutschland - gültig ab 1. Januar 1990 - (im folgenden MTV) enthält hierzu folgende Regelung:

"§ 10 Jahressonderzuwendung

1. Höhe und Anspruch

Arbeitnehmer, die am 1. Dezember eines Kalen-

derjahres eine ununterbrochene Betriebszugehö-

rigkeit von 11 Monaten haben und sich an die-

sem Tage im ungekündigten Arbeitsverhältnis

befinden, erhalten eine Jahressonderzuwendung.

Diese Jahressonderzuwendung beträgt:

im Jahre 1990 75 %

im Jahre 1991 80 %

im Jahre 1992 90 %

im Jahre 1993 100 %

des tariflichen Monatsentgelts bzw. der tarif-

lichen Ausbildungsvergütung für Auszubildende.

...

5. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Scheidet ein Arbeitnehmer vor dem 1. April

aus, so hat er ein Viertel (25 %) der im Vor-

jahr erhaltenen Jahressonderzahlung zurückzu-

zahlen.

..."

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 11. Februar 1992 diese Zahlung ab.

Der Kläger ist der Auffassung, er erfülle die Voraussetzungen des § 10 Nr. 1 in Verb. mit Nr. 5 des MTV für die Zahlung der Jahressonderzuwendung. Er habe am 1. Dezember 1991 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zur Beklagten gestanden und eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von 11 Monaten aufzuweisen gehabt. Da er vor dem 1. April 1992 aus dem Arbeitsverhältnis zur Beklagten ausgeschieden sei, sei die Jahressonderzuwendung nach § 10 Nr. 5 MTV um ein Viertel zu kürzen. Bei der vereinbarten Beendigung seines Arbeitsverhältnisses habe er sich vertragstreu verhalten; daß das Arbeitsverhältnis befristet gewesen sei, sei allein von der Beklagten veranlaßt gewesen. Nach den tariflichen Bestimmungen betrage die Jahressonderzuwendung 1.237,20 DM brutto (2.062,-- DM brutto mal 80 % = 1.649,60 DM, reduziert um 25 % nach § 10 Nr. 5 MTV = 1.237,20 DM brutto).

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.237,20 DM

brutto nebst 4 % Zinsen aus diesem Betrag ab dem

28. Februar 1992 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, der Kläger habe keinen Anspruch auf die tarifliche Jahressonderzuwendung; der Kläger habe bei seiner Vorsprache am 12. oder 13. November 1991 ausdrücklich erklärt, er wünsche keine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, und um eine schriftliche Bestätigung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 20. Dezember 1991 gebeten. Sie sei bereit gewesen, den Kläger in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis über den 20. Dezember 1991 hinaus zu beschäftigten. Die Erklärung des Klägers sei daher einer Kündigung zumindest gleich zu erachten; sie lasse nur den Schluß zu, daß der Kläger das Arbeitsverhältnis jedenfalls am 20. Dezember 1991 beenden wollte. Die Sonderzuwendung nach § 10 MTV sei eine Treueprämie; sie stehe dem Kläger nicht zu, weil im Zeitpunkt des Stichtags bereits festgestanden habe, daß das Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt werde. Jedenfalls müsse ihr Schreiben vom 13. November 1991 als Kündigungserklärung aufgefaßt werden, da dem Kläger unmißverständlich mitgeteilt worden sei, daß das Arbeitsverhältnis am 20. Dezember 1991 enden werde. Die Zahlung der Jahressonderzuwendung an den Kläger würde zudem eine ungerechtfertigte Besserbehandlung des Klägers gegenüber denjenigen Arbeitnehmern bedeuten, die sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befänden und nur aufgrund einer Kündigung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden könnten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß dem Kläger Zinsen lediglich aus dem Nettobetrag und nicht aus dem Bruttobetrag zustehen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Der Kläger hat nach § 10 Nr. 1 und 5 MTV einen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten anteiligen tariflichen Jahressonderzuwendung für das Jahr 1991, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht aber den Zinsanspruch auf den dem Klageantrag entsprechenden Nettobetrag beschränkt.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Voraussetzungen für den Anspruch des Klägers auf Zahlung der tariflichen Jahressonderzuwendung lägen vor, da der Kläger sich am 1. Dezember 1991 in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten mit einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von elf Monaten befunden habe und dieses Arbeitsverhältnis am 1. Dezember 1991 ungekündigt gewesen sei. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis sei weder vom Kläger noch von der Beklagten gekündigt worden, sondern habe aufgrund der vereinbarten Befristung mit Ablauf des 20. Dezember 1991 geendet. In dem Verhalten des Klägers am 12. und 13. November 1991 könne keine Kündigungserklärung gesehen werden. Auch das Bestätigungsschreiben der Beklagten vom 13. November 1991 stelle keine eigenständige Kündigung dar. Die Beklagte sei daher nicht berechtigt gewesen, den Kläger - über die Kürzungsmöglichkeit des § 10 Nr. 5 MTV hinaus - vom Bezug der tariflichen Jahressonderzuwendung auszuschließen. Der Kläger sei erst nach Ablauf des Stichtages und der Wartezeit des § 10 Nr. 1 MTV aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden; daß dies der Gratifikationszahlung nicht entgegenstehe, ergebe sich auch aus der Kürzungsmöglichkeit des § 10 Nr. 5 MTV. Diese habe der Kläger bei seiner Forderung berücksichtigt.

Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis und in der Begründung zuzustimmen.

II. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Zahlung der anteiligen Jahressonderzuwendung für 1991 aus § 10 Nr. 1 und 5 MTV hergeleitet.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der MTV kraft einzelvertraglicher Vereinbarung Anwendung. Der MTV vom 6. Juni 1990, der räumlich für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gilt (§ 1), ist von der Bezugnahme im Arbeitsvertrag vom 30. November 1990 erfaßt; er ist als Tarifvertrag des Verbandes der obst- und gemüseverarbeitenden Industrie Nordrhein-Westfalens anzusehen, weil er vom Bundesverband der obst- und gemüseverarbeitenden Industrie e.V. im Auftrag und in Vollmacht seiner Mitglieder abgeschlossen worden ist.

2. Der Kläger erfüllt die tarifvertraglichen Voraussetzungen für die Zahlung der Jahressonderzuwendung nach § 10 MTV. Er hatte am 1. Dezember 1991 eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von elf Monaten (seit 30. November 1990) zurückgelegt und befand sich an diesem Tag in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis.

3. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem 20. Dezember 1991 steht für sich allein dem Anspruch auf die tarifliche Jahressonderzuwendung nicht entgegen. Der MTV bestimmt die Voraussetzungen für die Zahlung der Jahressonderzuwendung dahin, daß am 1. Dezember ein Arbeitsverhältnis bestehen muß, das bereits ununterbrochen elf Monate gedauert hat und an diesem Tage nicht gekündigt ist. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem 20. Dezember 1991 bedeutet lediglich - wie es der Kläger in seinem Klageantrag auch berücksichtigt hat -, daß die Jahressonderzuwendung um ein Viertel (25 %) zu kürzen ist. Der Kläger hätte nämlich nach § 10 Nr. 5 MTV wegen seines Ausscheidens vor dem 1. April des folgenden Jahres ein Viertel (25 %) der im Vorjahr erhaltenen Jahressonderzuwendung zurückzuzahlen und kann daher diesen (25 %igen-)Teil der Jahressonderzuwendung nicht verlangen.

4. Der Kläger befand sich am 1. Dezember 1991 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis. Nach dem Arbeitsvertrag vom 30. November 1990 "endet das Arbeitsverhältnis automatisch, ohne daß insoweit es einer Kündigung bedarf, am 20. Dezember 1991". Eine einseitige Kündigung vor dem 1. Dezember 1991 ist weder vom Kläger noch von der Beklagten erklärt worden. Zu Recht führt das Landesarbeitsgericht aus, eine Kündigung müsse als einseitige, empfangsbedürftige, rechtsgestaltende Willenserklärung so deutlich und zweifelsfrei erfolgen, daß der Kündigungsempfänger Klarheit über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses hat; insbesondere müsse deutlich werden, daß der Kündigende gerade durch diese Willenserklärung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bewirken will.

a) Nach diesen Grundsätzen können das von der Beklagten behauptete Verhalten bzw. die Erklärungen des Klägers am 12. und 13. November 1991 nicht als Kündigung gewertet werden. Dies gilt ohne Zweifel insoweit, als sich der Kläger - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - nach seinem Resturlaub erkundigt hat. Aber auch wenn der Kläger - wie die Beklagte vorträgt - erklärt haben sollte, er wünsche keine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 20. Dezember 1991 hinaus, kann darin keine Kündigungserklärung gesehen werden. Da das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht über den 20. Dezember 1991 hinaus andauerte, konnte er ein solches auch nicht kündigen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete - wie im Arbeitsvertrag vom 30. November 1990 ausdrücklich vereinbart - ohne Kündigung am 20. Dezember 1991. Sollte der Kläger tatsächlich erklärt haben, er wünsche keine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, hat er damit lediglich den Abschluß eines "neuen, weiteren" Arbeitsvertrages für die Zeit ab 21. Dezember 1991 abgelehnt. Der Wille, das Arbeitsverhältnis konstitutiv durch diese Erklärung zu beenden, wie er für eine Kündigung vorauszusetzen ist, kann daraus nicht hergeleitet werden. Das bestehende Arbeitsverhältnis des Klägers endete automatisch und ohne Kündigung am 20. Dezember 1991. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger dieses Arbeitsverhältnis auch noch durch eine konstitutive eigene Kündigungserklärung beenden wollte. Insoweit geht die Rüge der Beklagten, § 139 ZPO sei verletzt, ins Leere.

b) Auch das Schreiben der Beklagten vom 13. November 1991 enthält keine Kündigungserklärung. Daß die Beklagte nicht den Erklärungswillen hatte, das Arbeitsverhältnis durch dieses Schreiben einseitig zu beenden, folgt schon daraus, daß sie mit diesem Schreiben dem Kläger bestätigt, das bis zum 20. Dezember 1991 befristete Arbeitsverhältnis laufe auf seinen Wunsch hin aus. Unabhängig davon, ob die Befristung des Arbeitsverhältnisses auf den 20. Dezember 1991 bei deren Vereinbarung dem Wunsch des Klägers entsprach oder nicht, folgt daraus, daß die Beklagte nicht ihrerseits das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger durch eine Kündigungserklärung einseitig beenden wollte.

c) Die im Arbeitsvertrag vom 30. November 1990 enthaltene Befristung selbst kann einer Kündigung im Sinne des Tarifvertrags ("ungekündigtes Arbeitsverhältnis" in § 10 MTV) nicht gleichgestellt werden. Dies folgt aus der Auslegung dieser Tarifbestimmung nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen und auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Der Wortlaut der tariflichen Bestimmung des § 10 Nr. 1 MTV, wonach Arbeitnehmer, die am 1. Dezember eines Kalenderjahres eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von elf Monaten haben und sich an diesem Tage im ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden, ist eindeutig. Nur die Arbeitnehmer sollen die Jahressonderzuwendung erhalten, deren Arbeitsverhältnis am Stichtag bereits ununterbrochen elf Monate besteht und von keiner Seite gekündigt worden ist. Der Begriff "Kündigung" hat im Arbeitsleben und Arbeitsrecht einen eindeutigen Inhalt. Verwenden die Tarifvertragsparteien - wie in § 10 MTV - einen solchen Begriff, so ist davon auszugehen, daß sie dabei von der allgemein gebräuchlichen Bedeutung des Begriffes ausgehen. Für einen anderen Willen sind Anhaltspunkte nicht gegeben.

Auch aus dem Sinn und Zweck dieser tariflichen Bestimmung kann - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht entnommen werden, daß eine bereits am Stichtag feststehende Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Befristung nach dem Stichtag einer Kündigung gleichzustellen ist. Die Tarifvertragsparteien fordern als Voraussetzung für den Anspruch auf die Jahressonderzuwendung den ununterbrochenen Bestand des Arbeitsverhältnisses über elf Monate am 1. Dezember eines Jahres. Damit setzen sie eine bestimmte Betriebstreue voraus, die dann den Anspruch auf die Jahressonderzuwendung begründet, wenn das Arbeitsverhältnis am 1. Dezember ungekündigt ist. Maßgeblich ist demnach nicht die fehlende zukünftige Betriebstreue; die Tarifvertragsparteien haben vielmehr bestimmt, daß die fehlende zukünftige Betriebstreue den Anspruch auf die Jahressonderzuwendung nur dann entfallen läßt, wenn sie durch eine Kündigung herbeigeführt wird (BAG Urteil vom 7. Oktober 1992 - 10 AZR 186/91 - AP Nr. 146 zu § 611 BGB Gratifikation). Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen Beendigungstatbestand außerhalb des Kündigungsrechts, wie hier durch eine Befristung, hat dann ebenso wie z.B. die Beendigung durch eine gerichtliche Auflösung nach § 9 KSchG oder einen Aufhebungsvertrag keine Auswirkung auf den Bestand des Anspruchs auf die Jahreszahlung (BAGE 63, 385 = AP Nr. 14 zu § 1 TVG Tarifverträge: Textilindustrie). Zwar ist auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Befristung der Arbeitnehmer gehindert, zukünftige Betriebstreue zu zeigen; die fehlende zukünftige Betriebstreue ist aber nicht - wie der MTV voraussetzt - durch eine Kündigung herbeigeführt.

5. Entgegen der Auffassung der Beklagten verstößt die tarifvertragliche Regelung in § 10 Nr. 1 MTV nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. Danach ist Gleiches gleich zu behandeln, Ungleiches kann auch ungleich behandelt werden. Die von der Beklagten herangezogenen Arbeitnehmer, einerseits ein befristet angestellter, andererseits ein unbefristet angestellter, gekündigter Beschäftigter stellen in diesem Sinne ungleiche Vergleichspersonen dar, auf die der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht angewendet werden kann. Das zeigt sich schon daran, daß ein unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer sich im Falle einer Kündigung auf die Kündigungsschutzvorschriften z.B. im Kündigungsschutzgesetz berufen kann, während bei einer wirksamen Befristung - auch nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz - Kündigungsschutzbestimmungen nicht eingreifen. Von daher läßt sich eine Gleichbehandlungspflicht hinsichtlich der Zahlung einer Jahressonderzuwendung für befristet beschäftigte Arbeitnehmer und in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehende, aber gekündigte Arbeitnehmer nicht begründen. Die Tarifvertragsparteien tragen mit einer derartigen Regelung vielmehr der unterschiedlichen Interessenlage beim Ausspruch einer Kündigung und beim Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrags Rechnung. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis, führt diese Kündigung nur dann zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn sie sozial gerechtfertigt ist. Es müssen also entweder Gründe in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen bzw. dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen. Der Wegfall zukünftiger Betriebstreue beruht in diesem Fall damit auf Umständen, die es den Tarifvertragsparteien als gerechtfertigt erscheinen ließen, einen Anspruch auf die Jahressonderzuwendung zu versagen. Bei einer wirksam vereinbarten Befristung des Arbeitsverhältnisses wird der Wegfall zukünftiger Betriebstreue dagegen nicht durch eine einseitige Erklärung herbeigeführt, sondern durch Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien verursacht. Der von der Beklagten aufgestellte Rechtsgrundsatz, daß unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer ohne sachlich rechtfertigenden Grund nicht schlechter behandelt werden dürfen als befristet beschäftigte Arbeitnehmer, läßt sich dem BeschFG in dieser allgemeinen Form auch nicht entnehmen.

Im übrigen übersieht die Beklagte, daß der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zwar dem zu Unrecht benachteiligten Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Gleichbehandlung mit dem begünstigten Arbeitnehmer gibt, nicht aber den Arbeitgeber berechtigt, dem begünstigten Arbeitnehmer den Ausgleich zu nehmen, der dem benachteiligten Arbeitnehmer vorenthalten worden ist.

Dem Kläger steht somit der der Höhe nach unstreitige Anspruch auf die anteilige Jahressonderzuwendung 1991 zu.

6. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht dem Kläger die Zinsen aus dem dem mit der Klage geltend gemachten Bruttobetrag entsprechenden Nettobetrag zugesprochen. Der Senat hat sich insoweit der ständigen Rechtsprechung des Vierten Senats (BAGE 42, 244 = AP Nr. 2 zu § 21 TVAL II) angeschlossen, wonach Zinsen nicht aus dem Brutto-, sondern aus dem entsprechenden Nettobetrag zu zahlen sind (Urteil vom 2. Dezember 1992 - 10 AZR 261/91 -).

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Matthes Dr. Freitag ist Hauck

durch Urlaub an der

Unterschrift verhindert.

Matthes

Femppel Hickler

 

Fundstellen

Haufe-Index 436654

BAGE 00, 00

BAGE, 178

BB 1994, 652

DB 1994, 1625 (LT1)

EBE/BAG 1994, 43-45 (LT1)

AiB 1994, 432 (LT1)

WiB 1994, 368-370 (LT)

ARST 1994, 108-109 (LT1)

NZA 1994, 463

NZA 1994, 463-465 (LT1)

SAE 1994, 342-344 (LT1)

ZAP, EN-Nr 331/94 (S)

AP § 611 BGB Gratifikation (LT1), Nr 160

AR-Blattei, ES 820 Nr 118 (LT1)

AuA 1995, 180-181 (LT1)

EzA-SD 1994, Nr 7, 9-11 (LT1)

EzA § 611 BGB, Gratifikation, Prämie Nr 107 (LT1)

MDR 1994, 1017-1018 (LT)

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