Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilanfechtung. Verzicht auf Versorgungsrechte. Umdeutung. Auslegung von Willenserklärungen. Unklarheitenregel. Verzicht auf Versorgungsanwartschaften. Abfindungsverbot. Ablösung von Gesamtzusagen. Feststellungsinteresse. Vorrang der Leistungsklage

 

Orientierungssatz

  • Die Unklarheitenregel spielte im vorliegenden Fall bei der Vertragsauslegung keine Rolle, weil Wortlaut und Systematik keine ernsthaften Zweifel aufkommen ließen und der Kläger die Vereinbarungen auch richtig verstanden hatte.
  • Ein Teilverzicht auf eine Versorgungsanwartschaft, der nicht im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern im laufenden Arbeitsverhältnis vereinbart wird, verstößt nicht gegen § 3 BetrAVG.
  • Die Anfechtungserklärung des Klägers richtete sich nicht gegen den gesamten Vertrag, sondern nur gegen die darin enthaltene Verschlechterung seiner Versorgungsrechte. Eine derartige Teilanfechtung wäre nur dann wirksam gewesen, wenn die Parteien den Vertrag auch ohne die angefochtene Erklärung abgeschlossen hätten. Diese Voraussetzung war nicht erfüllt.
  • Eine salvatorische Klausel regelt lediglich, wie sich die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen des Vertrages auf die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen auswirkt. Sie schafft aber nicht die Möglichkeit, den Vertrag durch Teilanfechtung aufzuspalten und durch eine derartige rechtsgeschäftliche Willenserklärung die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen herbeizuführen.
  • Die Teilanfechtung konnte nicht nach § 140 BGB in eine Gesamtanfechtung umgedeutet werden, denn die rechtlichen Wirkungen des Ersatzgeschäfts hätten weiter gereicht als die des unwirksamen Geschäfts.
 

Normenkette

BGB §§ 139-140, 142, 157; BetrAVG § 1 Ablösung, § 3; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Nürnberg (Urteil vom 10.03.2004; Aktenzeichen 4 Sa 244/03)

ArbG Nürnberg (Urteil vom 17.12.2002; Aktenzeichen 14 Ca 4012/02)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, nach welchen Versorgungsregelungen die Betriebsrente des Klägers zu berechnen ist.

Der Kläger war vom 24. September 1973 bis zum 31. Januar 2002 bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen, zuletzt als angestellter Steuerberater und Wirtschaftsprüfer beschäftigt. Der Aufsichtsrat einer Rechtsvorgängerin der Beklagten beschloss folgende ab 26. November 1962 gültige “Allgemeine Pensionszusage” (PZ 62):

“I

Der Vorstand wird ermächtigt, den Mitarbeitern …, soweit sie nicht mit besonderer Genehmigung des Aufsichtsrates Zusagen anderen Inhalts erhalten, Pensionszusagen gemäß Ziffer II zu gewähren. Die Pensionszusage ist jedem Mitarbeiter vom Vorstand gesondert schriftlich zu erteilen. Die nachfolgenden Bestimmungen (Ziffer II) sind der Zusage beizufügen und als Bestandteil derselben zu bezeichnen. Der Berechtigte hat sein Einverständnis dem Vorstand gegenüber schriftlich zu erklären.

Die Gesellschaft ist zur Erteilung einer Zusage nicht verpflichtet. Sie soll aber nur verweigert werden, wenn besondere Gründe dafür vorliegen.

Die Zusage an die Anwartschaftsberechtigten wird durch den Vorstand nach Erfüllung der vorgeschriebenen Wartezeit von 10 Jahren und Erreichung des vorgesehenen Mindestalters von 40 Jahren gegeben.

Wenn der Vorstand in Einzelfällen von diesen Voraussetzungen abweichen will, hat er die Zustimmung des Aufsichtsrates einzuholen.

II

Pensionszusage

Der Vorstand der ‘D…’ ist aufgrund des Beschlusses des Aufsichtsrats vom 20. Oktober 1959 berechtigt, Mitarbeitern der ‘D…’ Pensionszusagen gemäß den folgenden Bestimmungen und auf Grund der beigefügten Rententabelle zu machen.

1. Bei ununterbrochener Zugehörigkeit zur ‘D…’ während mindestens 10 Dienstjahren, die nach der Vollendung des 30. Lebensjahres des Betreffenden beginnen, erhält ein Mitarbeiter mit Erreichung des 65. Lebensjahres oder auch vorher, bei nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit, ein lebenslängliches Ruhegeld. …

14. Der Vorstand wird ermächtigt, Mitarbeitern der ‘D…’, die Tätigkeit nachweisen können, in Anerkennung ihrer treuen Dienste eine Einzel-Pensionszusage dergestalt zu erteilen, daß diesen Mitarbeitern bei der Arbeitsunfähigkeit oder Übertritt in den Ruhestand eine Pension von 60 % des zuletzt bezogenen Gehalts ohne Weihnachts- und Abschlußvergütung gewährt wird. Die dem Mitarbeiter zustehende Altersrente aus der Angestelltenversicherung wird auf diese Pension nicht angerechnet.”

Eine Rechtsvorgängerin der Beklagten übergab dem Kläger bei Beginn seines Arbeitsverhältnisses die PZ 62, erteilte ihm aber zu keinem Zeitpunkt die in Abschn. I Abs. 1 der PZ 62 angesprochene schriftliche Pensionszusage.

Das Versorgungswerk der PZ 62 wurde von der Rechtsvorgängerin der Beklagten geschlossen. Durch Betriebsvereinbarung vom 17. März 1982 trat “anstelle des geschlossenen Versorgungswerks … die dieser Vereinbarung beigefügte neue Versorgungsordnung (VERSORGUNGSORDNUNG 1982)”. Diese VO 82 ist mit Wirkung zum 1. Januar 1982 in Kraft getreten und wurde dem Kläger im Juli 1982 zugeleitet. Er wies mit Schreiben vom 29. Juli 1982 daraufhin, dass er die Neuregelung nicht anerkennen könne, soweit sie Verschlechterungen enthalte.

Mit Schreiben vom 24. März 1994 ernannte ihn eine Rechtsvorgängerin der Beklagten zum Partner mit weiter gehenden Rechten. Sie unterrichtete ihn mit Schreiben vom 13. April 1994 davon, dass seine “betriebliche Altersversorgung … gemäß … VERSORGUNGSORDNUNG 1982” in dem angegebenen Umfang erweitert werde. “Alle anderen Bestimmungen der VERSORGUNGSORDNUNG 1982” hätten “weiterhin uneingeschränkt Gültigkeit”. Anschließend wurde dem Kläger ein Dienstvertrag mit Datum vom 5. Mai 1994 (Partner-Dienstvertrag 94) zur Unterzeichnung vorgelegt. Er enthielt folgende Vereinbarungen:

“§ 10 Versorgungsbezüge

Der Partner erhält von der D… Versorgungsbezüge aufgrund der gesondert zugesagten ALLGEMEINEN PENSIONSORDNUNG 1982 und der erweiterten Zusage vom 13. April 1994.

§ 11 Schlußbestimmungen

3 Sollte eine Bestimmung dieses Vertrags rechtsunwirksam sein oder werden, so wird die Geltung der übrigen Bestimmungen dieses Vertrags hierdurch nicht berührt. An die Stelle der rechtsunwirksamen Bestimmung treten hierfür bestehende Regelungen in der BASPO, ersatzweise einschlägige gesetzliche Regelungen. Für den Fall, daß solche nicht bestehen, sind die Vertragsteile verpflichtet, die rechtsunwirksame Bestimmung durch eine rechtlich zulässige und mit den Bestimmungen der BASPO und dieses Vertrags vereinbare Regelung zu ersetzen, welche dem wirtschaftlichen Zweck der rechtsunwirksamen Bestimmung am nächsten kommt. Gleiches gilt, soweit der Dienstvertrag Lücken hat.

7 Mit Inkrafttreten dieses Vertrags werden alle früheren dienstvertraglichen Vereinbarungen der D… mit dem Partner aufgehoben, ausgenommen die Versorgungszusage. (Siehe § 10)”

Zu diesem Vertragsangebot erklärte der Kläger mit Schreiben vom 28. Juni 1994 Folgendes:

“…

Ich habe über den Vertrag lange nachgedacht und bin hier zu dem Ergebnis gekommen, daß die angesprochenen Regelungen mir die wirtschaftliche Basis für meine späteren Jahre weitgehend entziehen würden. …

Ich bitte Sie deshalb um Verständnis, daß ich keinen Vertrag unterzeichnen kann, der einen Verzicht auf die Regelung zur ursprünglichen Altersversorgung zum Ausdruck bringt.

…”

In der Antwort der Beklagten vom 7. Juli 1994 hieß es:

“…

Gehen Sie davon aus, daß die von Ihnen verfolgte Pensionsregelung endgültig geschlossen ist und Ihnen, wie in allen gleichgelagerten Fällen, nicht mehr zusteht. Wir haben dafür eine angemessene und für beide Seiten vertretbare Regelung gefunden. Auch die übrigen Bestimmungen des einheitlichen Partnervertrages tragen den beiderseitigen Interessen ausreichend Rechnung.

Sollten Sie mit unserem Angebot, und das gilt nur insgesamt, nicht einverstanden sein, steht Ihnen selbstverständlich frei, auf der Basis ihres bestehenden Vertrages weiter tätig zu sein. …”

Nachdem ein weiterer Briefwechsel stattgefunden und die Arbeitgeberin eine zusätzliche Bedenkzeit abgelehnt hatte, unterzeichnete der Kläger den Partner-Dienstvertrag 94. Ergänzend zum Partner-Dienstvertrag 94 erhielt er eine Versorgungszusage vom 14. Dezember 1995. Die “Schlußbestimmungen” in Nr. 14 Abs. 7 lauten:

“Etwa früher von uns oder einer Gruppengesellschaft erteilte Versorgungszusagen treten außer Kraft. Unberührt bleiben etwaige von uns oder einer Gruppengesellschaft abgeschlossene Versicherungen.”

Am 10. Januar 1996 unterschrieb der Kläger die Einverständniserklärung zu dieser Versorgungszusage. Am 27. Mai 1997 lösten die Parteien den Partner-Dienstvertrag 94 durch den Partner-Dienstvertrag 97 ab, der folgende Vereinbarungen enthielt:

“§ 9

Versorgungsbezüge

Für die Versorgungsleistungen an den Partner bzw. seine Hinterbliebenen gilt die gesonderte Versorgungszusage.

§ 10

Dauer des Dienstverhältnisses, Kündigung

(3) Das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. Ein wichtiger Grund ist insbesondere der Ausschluß des Partners aus der Partnerschaft gemäß 3.1.3.b) und 4.4. des Partnerstatuts.

§ 13

Schlußbestimmungen

(1) Der vorstehende Dienstvertrag gilt mit Wirkung zum 1. Januar 1997. Gleichzeitig erlöschen die bisherigen Vereinbarungen, soweit vorstehend nichts anderes vereinbart ist.”

In der Partnerinformation vom 19. April 2001 zum Partnerausschussprotokoll Nr. 2/2001/Sitzung vom 12. April 2001 wurde darauf hingewiesen, dass der Kläger bis zu seinem offiziellen Ausscheiden auf Wunsch der N… Partner vom Dienst wegen seiner mangelhaften Wahrnehmung der Partnerpflichten ausgeschlossen worden sei. Weiter heißt es darin, dass ein Partnerausschlussverfahren betrieben werden solle, soweit der Kläger eine gerichtliche Auseinandersetzung, insbesondere wegen seiner Pensionsregelung, anstrebe.

Seit dem 1. Februar 2002 ist der Kläger im Ruhestand. Sein letztes Gehalt belief sich auf mindestens 8.615,22 Euro. In einem weiteren Verfahren hat der Kläger eine höhere Vergütung eingeklagt. Die Beklagte zahlte ihm ausgehend von der VO 82 und den sie ergänzenden vertraglichen Vereinbarungen eine Betriebsrente von monatlich 869,00 Euro. Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30. Januar 2002, der Beklagten zugegangen am 12. Februar 2002, verlangte er eine höhere Betriebsrente mit der Begründung, die PZ 62 besitze für ihn nach wie vor Gültigkeit. Hieran würden auch die Partner-Dienstverträge vom 5. Mai 1994 und 27. Mai 1997 nichts ändern. Außerdem enthielt dieses Schreiben folgende Erklärung:

“Rein vorsorglich erklären wir in diesem Zusammenhang namens und im Auftrag unseres Mandanten

die Anfechtung der Erklärung unseres Mandanten zu § 10 seines Partnerdienstvertrages vom 05.05.1994 bzw. § 9 seines Partnerdienstvertrages vom 27.05.1997, soweit in den bezeichneten Vorschriften folgendes festgelegt ist:

‘§ 10 Versorgungsbezüge

Der Partner erhält von der D… Versorgungsbezüge aufgrund der gesondert zugesagten ALLGEMEINEN PENSIONSORDNUNG 1982 und der erweiterten Zusage vom 13. April 1994.’ (Dienstvertrag vom 05.05.1994)

‘§ 9 Versorgungsbezüge

Für die Versorgungsleistungen an den Partner bzw. seine Hinterbliebenen gilt die gesonderte Versorgungszusage.’ (Dienstvertrag vom 27.05.1997)”

Mit Schriftsatz vom 14. August 2003 fochten seine Prozessbevollmächtigen vorsorglich auch seine Einverständniserklärung vom 10. Januar 1996 zur Versorgungszusage vom 14. Dezember 1995 an.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe eine Betriebsrente von monatlich mindestens 5.169,13 Euro nach der PZ 62 zu. Ihm sei eine Altersversorgung nach den Regelungen der PZ 62 durch Übergabe dieser Versorgungsordnung verbindlich zugesagt worden. Abschnitt I und II Nr. 14 der PZ 62 änderten daran nichts, wie die tatsächliche Umsetzung der Regelungen und die Argumentation der Beklagten bei den späteren Gehaltsverhandlungen zeige. Die für einen Eingriff in die erdiente Anwartschaftsdynamik erforderlichen triftigen Gründe hätten gefehlt. Diese Versorgungsrechte seien auch nicht durch die Partner-Dienstverträge 94 und 97 verschlechtert worden. Die Hinweise auf die VO 82 hätten nur deklaratorische Bedeutung. Jedenfalls habe er nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit auf die Versorgungsrechte verzichtet. Etwaige Verzichtserklärungen habe er mit Schreiben vom 30. Januar 2002 wirksam angefochten. Diese Anfechtung beziehe sich auch auf die Einverständniserklärung vom 10. Januar 1996 zur Versorgungszusage vom 14. Dezember 1995. Da nach § 11 Abs. 3 des Partner-Dienstvertrages 94 und § 13 Abs. 3 des Partner-Dienstvertrages 97 bei Unwirksamkeit einzelner Vertragsbestimmungen die Gültigkeit des übrigen Vertragsinhalts nicht berührt werde, sei es ihm möglich gewesen, nur den Verzicht auf die Versorgungsrechte anzufechten. Selbst wenn eine Teilanfechtung unwirksam wäre, ändere sich im Ergebnis nichts. Sie sei dann in eine Gesamtanfechtung der Partner-Dienstverträge 94 und 97 umzudeuten.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem Monat Februar 2002 ein monatliches betriebliches Ruhegehalt nach Abschnitt II Ziff. 14 der Pensionszusage vom 20. Oktober 1959, idF vom 26. November 1962, in Höhe von 60 % des zuletzt vor Übergang in den Ruhestand von ihm bezogenen Bruttogehalts ohne Weihnachts- und Abschlussvergütung, jeweils zum 15. des betreffenden Monats auszubezahlen, wobei die ihm zustehende Rente aus der Angestelltenversicherung (gesetzliche Rentenversicherung) auf dieses Ruhegeld nicht anzurechnen ist.

2. hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm eine schriftliche Einzelpensionszusage gemäß Abschnitt II Ziff. 14 der Pensionszusage vom 20. Oktober 1959, idF vom 26. November 1962, dergestalt zu erteilen, dass ihm ab dem 1. Februar 2002 eine monatliche Pension in Höhe von 60 % des zuletzt vor Übergang in den Ruhestand von ihm bezogenen Bruttogehalts ohne Weihnachts- und Abschlussvergütung gewährt wird und die ihm zustehende Altersrente aus der Angestelltenversicherung (gesetzliche Rentenversicherung) auf diese Pension nicht anzurechnen ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, dem Kläger sei eine Versorgung nach den Regelungen der PZ 62 nicht verbindlich zugesagt worden. Die PZ 62 enthalte nur eine Ermächtigung des Vorstandes durch den Aufsichtsrat, aber keine Verpflichtung des Vorstandes, eine betriebliche Altersversorgung in der beschriebenen Höhe zuzusagen. Von dieser Ermächtigung sei dem Kläger gegenüber kein Gebrauch gemacht worden. Er habe die in der PZ 62 vorgeschriebene schriftliche Einzelzusage nicht erhalten. Selbst wenn ihm eine Altersversorgung nach den Bestimmungen der PZ 62 zugesagt worden wäre, seien diese Regelungen durch die VO 82 wirksam abgelöst worden. Im Übrigen habe er durch den Abschluss der Partner-Dienstverträge 94 und 97 auf etwaige Rechte aus der PZ 62 verzichtet. Abgesehen davon, dass kein Anfechtungsgrund vorliege, sei die von ihm erklärte Teilanfechtung unzulässig. Sie könne nicht in eine Gesamtanfechtung der Partner-Dienstverträge 94 und 97 umgedeutet werden. Nicht nur aus den Partner-Dienstverträgen 94 und 97, sondern auch aus der Einverständniserklärung vom 10. Januar 1996 zu der geänderten Versorgungszusage vom 14. Dezember 1995 ergebe sich ein Verzicht auf weiter gehende Versorgungsrechte. Die Anfechtungserklärung vom 30. Januar 2002 erfasse diesen Verzicht nicht. Die Anfechtung vom 14. August 2003 beziehe sich zwar hierauf, sei aber nach § 124 BGB verspätet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt er sein bisheriges Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf höhere Betriebsrente nicht zu.

I. Sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag sind zulässig. Sie genügen den an Feststellungsklagen zu stellenden prozessualen Anforderungen. Dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse steht nicht entgegen, dass der Versorgungsfall bereits eingetreten ist. Der Kläger war nicht gezwungen, Leistungsklage zu erheben. Die Feststellungsklage führt zu einer prozesswirtschaftlich sinnvollen Bereinigung der zwischen den Parteien bestehenden Meinungsverschiedenheiten, zumal die Höhe der dem Kläger zustehenden Versorgungsleistungen ohnehin noch nicht endgültig geklärt werden könnte. Die dem Kläger zustehende Versorgung hängt vom letzten Gehalt ab. Die Parteien führen einen weiteren Rechtsstreit darüber, welches Gehalt die Beklagte dem Kläger schuldete.

II. Beide Klageanträge sind jedoch unbegründet. Wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, richten sich die Versorgungsrechte des Klägers nicht nach der PZ 62. Selbst wenn eine Rechtsvorgängerin der Beklagten ihm eine Versorgungszusage nach diesem Regelungswerk erteilt hätte, wären seine Versorgungsrechte durch den Partner-Dienstvertrag 94 geändert worden. Die vom Kläger erklärte Anfechtung seiner Verzichtserklärung stellt eine unzulässige Teilanfechtung dar und kann nicht in eine Gesamtanfechtung umgedeutet werden.

1. Es spricht viel dafür, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Kläger bereits mit der Aushändigung der PZ 62 eine verbindliche Versorgungszusage iSd. § 1 Abs. 1 BetrAVG in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung erteilt hatte. Wenn dem Arbeitgeber nach Ablauf einer vereinbarten Vorschaltzeit kein Entscheidungsspielraum über den Inhalt und den Umfang der Versorgungszusage bleibt, beginnt die Unverfallbarkeitsfrist mit der “Zusage der Versorgungszusage” (BAG 24. Februar 2004 – 3 AZR 5/03 – BAGE 109, 354). Im vorliegenden Fall kommt es nicht darauf an, wie die PZ 62 auszulegen und das Verhalten der Arbeitgeberin bei der Umsetzung dieses Versorgungswerks zu bewerten ist. Eine Zusage, den Kläger nach den Regelungen der PZ 62 zu versorgen, ist jedenfalls durch spätere einzelvertragliche Versorgungsvereinbarungen wirksam abgelöst worden.

2. Für diesen Rechtsstreit spielt es keine Rolle, ob die Versorgungsrechte aus der PZ 62 durch die mit der Betriebsvereinbarung vom 17. März 1982 geschaffene neue Versorgungsordnung (VO 82) eingeschränkt werden konnten. Zumindest bis zum Bekanntwerden des Urteils des Sechsten Senats vom 12. August 1982 (– 6 AZR 1117/79 – BAGE 39, 295) durften die Betriebspartner davon ausgehen, dass eine Betriebsvereinbarung ein geeignetes Regelungsmittel ist, die auf einer Gesamtzusage oder einer vertraglichen Einheitsregelung beruhenden Versorgungsvereinbarungen insgesamt ungünstiger auszugestalten (BAG 20. November 1990 – 3 AZR 573/89 – BAGE 66, 228, 236 ff.). Dies ändert aber nichts daran, dass Eingriffe durch Betriebsvereinbarung an den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu messen sind, die durch das vom Senat entwickelte dreistufige Prüfungsschema lediglich präzisiert worden sind (vgl. dazu BAG 17. November 1992 – 3 AZR 76/92 – BAGE 71, 372, 379 f.). Ob die VO 82 diesen Anforderungen genügt, bedarf hier keiner Entscheidung; denn die Arbeitsvertragsparteien haben die Regelungen der VO 82 durch einzelvertragliche Vereinbarung wirksam übernommen.

3. Bereits im Partner-Dienstvertrag 94 wurde die betriebliche Altersversorgung des Klägers abweichend von der PZ 62 geregelt. Hierdurch wurden weiter gehende Versorgungsrechte aus der PZ 62 aufgehoben.

a) §§ 10 und 11 Abs. 7 des Partner-Dienstvertrages 94 enthalten nicht lediglich einen klarstellenden Hinweis auf ohnehin geltende Versorgungsbestimmungen, sondern regeln verbindlich den Inhalt der dem Kläger zustehenden betrieblichen Altersversorgung. Nach § 11 Abs. 7 des Partner-Dienstvertrages 94 werden alle früheren Vereinbarungen der Vertragspartner aufgehoben. Ausgenommen ist die Versorgungszusage. Sie wird in dem in § 10 des Partner-Dienstvertrages 94 aufgeführten Umfang, aber auch nur insoweit aufrechterhalten. Dies bringt der Klammerzusatz “Siehe § 10” deutlich zum Ausdruck.

b) Nach § 10 des Partner-Dienstvertrages 94 erhält der Kläger “Versorgungsbezüge aufgrund der gesondert zugesagten ALLGEMEINEN PENSIONSORDNUNG 1982 und der erweiterten Zusage vom 13. April 1994”. Seine Versorgung richtet sich nach den in § 10 des Partner-Dienstvertrages 94 aufgeführten Regelungen, nicht jedoch nach den weiter gehenden Bestimmungen der PZ 62. Die in Bezug genommene Zusage vom 13. April 1994 modifizierte den § 9 VO 82 zugunsten des Klägers und übernahm alle übrigen Bestimmungen der VO 82 ohne Einschränkung. Die Regelungen der PZ 62 wurden nicht aufrechterhalten, sondern durch die aufgeführten Regelungen ersetzt.

c) Da Wortlaut und Systematik des Partner-Dienstvertrages 94 zu einem eindeutigen Auslegungsergebnis führen und keine ernsthaften Zweifel aufkommen lassen, spielt die Unklarheitenregel keine Rolle. Der Kläger hat den Inhalt der in diesem Vertrag enthaltenen Versorgungsvereinbarungen auch richtig verstanden. Mit Schreiben vom 28. Juni 1994 lehnte er den ihm von der Beklagten angebotenen Partner-Dienstvertrag 94 ab. Zur Begründung wies er unter anderem daraufhin, dass er nicht einen Vertrag unterzeichnen könne, der einen Verzicht auf die – in der PZ 62 enthaltenen – Regelung zur ursprünglichen Altersversorgung zum Ausdruck bringe. Die Beklagte hat den Änderungswünschen des Klägers nicht entsprochen. Nachdem er sich in den Vertragsverhandlungen nicht durchsetzen konnte, unterschrieb er den Partner-Dienstvertrag 94 mit den von ihm kritisierten Versorgungsvereinbarungen.

d) Das vom Kläger zitierte Urteil des Senats vom 17. Juli 1965 (– 3 AZR 302/64 – AP BGB § 242 Ruhegehalt Nr. 101) spielt im vorliegenden Fall keine Rolle. Diese Entscheidung hat sich mit der Frage befasst, ob ein stillschweigender Änderungsvertrag dadurch zustande kommt, dass ein Arbeitnehmer sich zu einem vom Arbeitgeber angetragenen Angebot einer verschlechternden Vertragsänderung nicht äußert, sondern ohne Widerspruch weiterarbeitet. Dies ist in der Regel zu verneinen, wenn es sich um Bedingungen handelt, die für den Arbeitnehmer nicht unmittelbar und sogleich bei der Arbeit, sondern erst bei der Altersversorgung praktisch werden (BAG 17. Juli 1965 – 3 AZR 302/64 – aaO, zu 4 der Gründe). Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Bewertung einer widerspruchslosen Weiterarbeit, sondern um die Auslegung der in einem schriftlichen Arbeitsvertrag enthaltenen Versorgungsvereinbarungen.

4. Der in § 11 Abs. 7 iVm. § 10 des Partner-Dienstvertrages 94 enthaltene Teilverzicht verstößt nicht gegen § 3 BetrAVG in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung. Zwar steht nach ständiger Senatsrechtsprechung ein entschädigungsloser Erlass der Versorgungsanwartschaft einer Abfindung gleich (22. September 1987 – 3 AZR 194/86 – BAGE 56, 148, 154). § 3 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG aF findet aber nur Anwendung auf Vereinbarungen, die im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen werden (BAG 14. August 1990 – 3 AZR 301/89 – BAGE 65, 341, 344 f.). Vereinbarungen im laufenden Arbeitsverhältnis werden nicht erfasst (BAG 21. Januar 2003 – 3 AZR 30/02 – AP BetrAVG § 3 Nr. 13 = EzA BetrAVG § 3 Nr. 9, zu II 2 der Gründe), woran sich durch § 3 Abs. 1 BetrAVG nF nichts geändert hat. Durch den Partner-Dienstvertrag 94 wurde jedoch das Arbeitsverhältnis nicht beendet, sondern lediglich inhaltlich geändert. Es bestand noch über sieben Jahre fort.

5. Der Kläger hat seine für den Teilverzicht maßgebliche Willenserklärung nicht wirksam angefochten.

a) Das Anfechtungsschreiben vom 30. Januar 2002 lässt zweifelsfrei erkennen, dass sich seine Anfechtungserklärung gegen die im Partner-Dienstvertrag 94 enthaltenen Vereinbarungen richtet, die seine Versorgungsrechte aus der PZ 62 einschränken. Unschädlich ist es, dass er nur § 10 des Partner-Dienstvertrages 94, nicht aber § 11 Abs. 7 des Partner-Dienstvertrages 94 erwähnt. § 11 Abs. 7 des Partner-Dienstvertrages 94 verweist ohnehin auf § 10 des Partner-Dienstvertrages 94. Das Anfechtungsziel ist im Schreiben vom 30. Januar 2002 klar zum Ausdruck gebracht worden.

b) Der Kläger konnte sich jedoch nicht darauf beschränken, nur die im Partner-Dienstvertrag 94 enthaltenen Versorgungsvereinbarungen anzufechten. Dabei handelt es sich um eine unwirksame Teilanfechtung. Sie kann nicht in eine Anfechtung des gesamten Dienstvertrages umgedeutet werden.

aa) Der Kläger hat klar und unmissverständlich erklärt, dass er mit seiner Anfechtung nur einen möglichen Verzicht auf seine Versorgungsrechte aus der PZ 62 beseitigen wollte, nicht aber den gesamten Partner-Dienstvertrag 94. Folgerichtig hat er in einem anderen Rechtsstreit höhere Vergütungsansprüche aus seinem Partner-Dienstvertrag 94 eingeklagt.

Eine derartige Teilanfechtung setzt jedoch voraus, dass die Parteien den Vertrag auch ohne die angefochtene Erklärung abgeschlossen hätten (BAG 22. Januar 1981 – 3 AZR 541/78 –, zu II 2a der Gründe). Zutreffend haben die Vorinstanzen einen entsprechenden hypothetischen Parteiwillen verneint. Die Parteien haben vor Abschluss des Partner-Dienstvertrages 94 über die darin enthaltenen Versorgungsvereinbarungen intensiv verhandelt. Die Beklagte wies in ihrem Schreiben vom 7. Juli 1994 ausdrücklich daraufhin, dass der Kläger das unterbreitete Vertragsangebot nur “insgesamt” mit allen Vor- und Nachteilen annehmen könne. Eine Aufspaltung des Vertrages durch Teilanfechtung wäre mit diesen Äußerungen und dem darin zum Ausdruck gebrachten Parteiwillen nicht zu vereinbaren.

bb) Die salvatorische Klausel des § 11 Abs. 3 des Partner-Dienstvertrages 94 ändert an diesem Parteiwillen nichts und führt nicht zur Zulässigkeit einer Teilanfechtung. § 11 Abs. 3 des Partner-Dienstvertrages 94 regelt lediglich, wie sich die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen des Vertrages auf die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen auswirkt. Diese Rechtsfolgenvereinbarung setzt voraus, dass eine einzelne Bestimmung des Vertrages unwirksam ist. Sie schafft aber nicht die Möglichkeit, durch Teilanfechtung den Vertrag aufzuspalten und durch eine derartige rechtsgeschäftliche Willenserklärung die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen herbeizuführen.

cc) Eine Umdeutung nach § 140 BGB ist nicht möglich, wenn die rechtlichen Wirkungen des Ersatzgeschäfts weiter reichen würden als die des unwirksamen Rechtsgeschäfts. Die Rechtsfolgen einer Gesamtanfechtung gehen jedoch über die einer Teilanfechtung hinaus.

c) Ob der Kläger einen ausreichenden Grund zur Anfechtung hatte, spielt demnach für den Ausgang des Rechtsstreits keine Rolle. Ebenso wenig kommt es auf die Einverständniserklärung des Klägers vom 10. Januar 1996 zur Versorgungszusage vom 14. Dezember 1995 und die Versorgungsvereinbarungen im Partner-Dienstvertrag 97 an. Sie enthalten keine Abreden, aus denen der Kläger Versorgungsrechte nach der PZ 62 herleiten könnte. Vielmehr handelt es sich um zusätzliche Ablösungstatbestände.

 

Unterschriften

Reinecke, Kremhelmer, Zwanziger, Fasbender, Schepers

 

Fundstellen

DB 2006, 959

WPg 2006, 850

EzA-SD 2006, 12

EzA

NZA-RR 2006, 336

ArbRB 2006, 72

NJOZ 2006, 1859

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