Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer tariflichen auflösenden Bedingung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 20 Abs 1a Manteltarifvertrag Nr 3 für das Bordpersonal der Deutschen Lufthansa AG und der Condor Flugdienst GmbH endet das Arbeitsverhältnis eines Angehörigen des Bordpersonals bei Feststellung seiner Fluguntauglichkeit, ohne daß es einer Kündigung bedarf, auch dann, wenn nach § 22 MTV eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist.

2. Das gilt nur dann, wenn der fluguntaugliche Arbeitnehmer nicht auf einem freien Arbeitsplatz im Bodendienst zu zumutbaren Bedingungen weiterbeschäftigt werden kann.

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 19.02.1986; Aktenzeichen 10 Sa 403/85)

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 16.01.1985; Aktenzeichen 11 Ca 189/84)

 

Nachgehend

Hessisches LAG (Urteil vom 14.06.1989; Aktenzeichen 10 Sa 1456/87)

 

Tatbestand

Die 1940 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit dem 15. März 1966 im Flugdienst beschäftigt und seit einer Reihe von Jahren als Purserette tätig. Grundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien bildet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme das für die Beklagte maßgebende Tarifwerk für das Bordpersonal, darunter insbesondere der Manteltarifvertrag Nr. 3 für das Bordpersonal (MTV) in der seit 1. Januar 1979 gültigen Fassung. Der MTV enthält folgende hier näher interessierende Bestimmungen:

§ 20 Verlust der Flugtauglichkeit, Beendigung des

Arbeitsverhältnisses

(1)

a) Wird durch eine fliegerärztliche Untersuchungsstelle

festgestellt, daß ein Angehöriger des Bordpersonals

wegen körperlicher Untauglichkeit seinen Beruf nicht

mehr ausüben kann, so endet das Arbeitsverhältnis,

ohne daß es einer Kündigung bedarf, zu dem Zeitpunkt,

zu dem nach Feststellung und Bekanntgabe der Fluguntauglichkeit

an den Betroffenen eine Beendigung des

Arbeitsverhältnisses gemäß § 22 frühestens zulässig

gewesen wäre.

§ 21 Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Verlusts

der behördlichen Erlaubnisscheine

(1) Verliert ein Angehöriger des Bordpersonals die Berechtigung

zur Ausübung seines Berufes durch Verfall

oder Entzug der behördlichen Erlaubnis/Bestätigung

aus anderen Gründen als aus denen körperlicher Untauglichkeit

im Sinne des vorstehenden Paragraphen,

so entfällt mit dem Tage des Lizenzverlustes jeder

Vergütungsanspruch, es sei denn, die L haben

den Verlust der Erlaubnis/Bestätigung zu vertreten.

§ 22 Kündigung

(1) ...

(2) Im übrigen beträgt die Kündigungsfrist bei einer

Beschäftigung

- bis zu 5 Jahren

6 Wochen zum Schluß eines Kalendervierteljahres

- von mehr als 5 Jahren bis zu 8 Jahren

3 Monate zum Schluß eines Kalendervierteljahres

- von mehr als 8 Jahren bis zu 10 Jahren

4 Monate zum Schluß eines Kalendervierteljahres

- von mehr als 10 Jahren bis zu 12 Jahren

5 Monate zum Schluß eines Kalendervierteljahres

- von mehr als 12 Jahren

6 Monate zum Schluß eines Kalendervierteljahres.

Nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren ist eine

ordentliche Kündigung einschließlich der ordentlichen

Änderungskündigung durch D ausgeschlossen. Dies

gilt nicht in den Fällen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses

nach § 21.

Das Recht von D, dem unkündbaren Mitarbeiter aus

gerechtfertigtem Grunde andere Aufgaben zu übertragen,

bleibt hiervon unberührt. D sind zur Übertragung

anderer angemessener Aufgaben verpflichtet, wenn der

bisherige Arbeitsplatz des unkündbaren Mitarbeiters

wegfällt.

Mit Bescheid vom 15. März 1984 stellte der fliegerärztliche Dienst der Beklagten eine dauernde Fluguntauglichkeit der Klägerin ab 13. März 1984 fest. Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 16. März 1984, der Klägerin zugegangen am 20. März 1984, mit, das Beschäftigungsverhältnis habe mit allen Rechten und Pflichten zum 12. März 1984 geendet. Mit einem weiteren Schreiben vom 4. April 1984 unterrichtete die Beklagte die Klägerin, sie gehe davon aus, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien erst zum 30. September 1984 enden werde.

Mit der vorliegenden, am 10. April 1984 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin auch gegen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 1984.

Sie hat vorgetragen, die Vorschrift des § 20 Abs. 1 a MTV in Verbindung mit § 22 Abs. 2 MTV sei nicht anwendbar, da ihr nach einer Betriebszugehörigkeit von 18 Jahren nicht mehr ordentlich gekündigt werden könne. Unabhängig davon sei das Arbeitsverhältnis nicht beendet, weil die Vorschrift des § 20 Abs. 1 MTV wegen Umgehung des im KSchG verankerten Bestandsschutzes sowie der Grundgedanken der Rechtsprechung zur krankheitsbedingten Kündigung nichtig sei. Die Fluguntauglichkeit bedeute auch keine dauernde Arbeitsunfähigkeit, sondern gestatte jeden anderen, nicht fliegerischen Arbeitseinsatz. Dementsprechend sei die Beklagte gehalten, ihr über den 30. September 1984 hinaus eine geeignete Tätigkeit beim Bodenpersonal zuzuweisen. Die Beklagte habe in den letzten Jahren stark expandiert. In einer Vielzahl von Zeitungsanzeigen suche sie Arbeitnehmer für die verschiedensten Beschäftigungen. Die Klägerin habe eine kaufmännische Lehre und sei aus diesem Grunde vielfältig einsatzfähig.

Die Klägerin hat beantragt

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien

durch die Erklärungen der Beklagten vom 16. März und

4. April 1984 nicht aufgelöst worden ist und über den

30. September 1984 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen

fortbesteht;

2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin über den

30. September 1984 hinaus in einem ihrer Ausbildung

angemessen Arbeitsverhältnis weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat zur Begründung vorgetragen, nach dem klaren Willen der Tarifvertragsparteien solle das Arbeitsverhältnis unkündbarer Mitarbeiter des Bordpersonals im Falle der Fluguntauglichkeit automatisch beendet werden. An der Zulässigkeit von § 20 MTV könne kein Zweifel bestehen. Eine Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes scheide schon deshalb aus, weil § 20 MTV kein besonderes Kündigungsrecht gewähre, sondern das Arbeitsverhältnis bei Eintritt der auflösenden Bedingung der Fluguntauglichkeit beenden lasse. § 20 Abs. 1 a MTV entspreche den Voraussetzungen, die das Bundesarbeitsgericht für eine materiell-rechtliche Schiedsgutachtenvereinbarung im Sinne der §§ 317 ff. BGB aufgestellt habe. Die in der Konzernbetriebsvereinbarung geregelte fliegerärztliche Untersuchung richte sich nach den Richtlinien, die der Bundesminister für Verkehr hierfür aufgestellt habe. Im übrigen bestehe nach dem seit dem 1. Januar 1976 geltenden TV-Übergangsversorgung Flugbegleiter eine besondere Versicherung für Fluguntauglichkeit, die in derartigen Fällen zur Auszahlung beträchtlicher Versicherungssummen führe. Die Klägerin habe aufgrund dieser Versicherung einen Betrag von 56.000,-- DM erhalten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 1985, an der die ehrenamtlichen Richter B und N teilgenommen haben, die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Am 22. Januar 1986 ist vom Landesarbeitsgericht in anderer Besetzung das angefochtene Urteil verkündet worden, dessen Tenor von den Richtern unterschrieben worden ist, die an der Verhandlung vom 18. Dezember 1985 mitgewirkt haben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren bisher gestellten Feststellungsantrag nur eingeschränkt und den Antrag zu 2) als Feststellungsantrag weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

A. Die Klägerin hat in der Verhandlung vom 14. Mai 1987 die Anträge ihrem Klagevortrag in den Tatsacheninstanzen angepaßt. Sie hat hinsichtlich des in der Revisionsschrift angekündigten Antrages zu 2) nur beantragt festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Erklärungen der Beklagten vom 16. März 1984 und 4. April 1984 nicht aufgelöst worden ist, nicht mehr jedoch darüber hinaus, daß das Arbeitsverhältnis zu "unveränderten Arbeitsbedingungen" fortbesteht. Den Antrag zu 3), die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin über den 30. September 1984 hinaus in einem ihrer Ausbildung angemessenen Arbeitsverhältnis weiterzubeschäftigen, hat die Klägerin nur mit der Maßgabe gestellt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin über den 30. September 1984 hinaus in einem ihrer Ausbildung angemessenen Arbeitsverhältnis weiterzubeschäftigen.

Soweit hierin eine Klageänderung zu erblicken ist, verstößt diese nicht gegen § 561 Abs. 1 ZPO, sondern ist zulässig, da es sich nur um eine Klagebeschränkung handelt (vgl. dazu BGHZ 26, 37). Die Feststellungsanträge sind auch zulässig, da sie auf die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses bzw. einer Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung, also eines Rechtsverhältnisses, gerichtet sind und die Klägerin ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung hat, weil die Beklagte sie mit der Begründung nicht mehr beschäftigt, die Fluguntauglichkeit habe zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt.

B. Die Revision ist begründet, weil eine restriktive Auslegung von § 20 Abs. 1 a MTV ergibt, daß das Arbeitsverhältnis nach Feststellung der Fluguntauglichkeit eines Mitglieds des Bordpersonals nur dann endet, wenn der betreffende Arbeitnehmer nicht auf einem freien Arbeitsplatz beim Bodenpersonal weiterbeschäftigt werden kann.

I. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts ist unstreitig, daß die Klägerin seit 13. März 1984 flugdienstuntauglich ist. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Flugdienstuntauglichkeit habe nach § 20 Abs. 1 a MTV zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 1984 geführt. Wortlaut, Gesamtzusammenhang der einschlägigen Tarifnormen und der Zweck der Regelung des § 20 Abs. 1 a MTV ergäben, daß die auflösende Bedingung der Flugdienstuntauglichkeit auch für Arbeitnehmer gelte, denen nur noch außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt werden könne. Die Auslauffrist betrage sechs Monate zum Quartalsende. Die tarifliche Regelung sei auch zulässig. Durch derartige tarifliche Regelungen könne von zwingenden gesetzlichen Vorschriften zugunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden, wenn der entsprechende Wille der Tarifvertragsparteien aus der Tarifnorm eindeutig hervorgehe. Inwiefern die auflösende Bedingung die Arbeitnehmer zu begünstigen vermag, hat das Berufungsgericht aber nicht ausgeführt. Es hat angenommen, die Fluguntauglichkeit stelle einen geradezu zwingenden Sachgrund dar, um eine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeizuführen. Mit der von der Beklagten finanzierten Fluguntauglichkeitsversicherung werde auch eine soziale Absicherung erreicht, die im Falle der Klägerin zur Auszahlung einer Versicherungssumme von 56.000,-- DM geführt habe. Die Hinweise der Klägerin auf den Schutzgedanken des KSchG gehe ins Leere, weil vorliegend gerade keine Kündigung, sondern eine auflösende Bedingung in Streit stehe. Insofern unterscheide sich der vorliegende Fall von dem Sachverhalt, der dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Dezember 1980 (BAGE 34, 365 = AP Nr. 4 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bundesbahn) zugrundeliege; dort habe das Bundesarbeitsgericht eine materiell-rechtliche Schiedsgutachtensabrede wegen fehlender Eindeutigkeit für unwirksam erklärt, mit der die alle Parteien bindende Bahnunfähigkeit im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses einem von der Deutschen Bundesbahn bestellten Bahnarzt übertragen war. Richtig sei zwar, daß die Fluguntauglichkeit die sonstige Arbeitsfähigkeit nicht berühre. Das sei aber für die Wirksamkeit der Tarifnorm ohne jede rechtliche Bedeutung. Einen Anspruch auf Beschäftigung im Bodendienst habe die Klägerin nicht, weil die Beklagte sorgfältig zwischen Bord- und Bodenpersonal unterscheide.

II. Diesen Ausführungen des Berufungsgerichts hat der Senat nur zum Teil folgen können.

1. Die Rüge der Revision, der gesetzliche Richter sei nicht gewahrt, weil in der Verhandlung vom 18. Dezember 1985 andere ehrenamtliche Richter anwesend gewesen seien als bei der Verkündung des Urteils am 19. Februar 1986, ist unbegründet. Das Urteil ist von den drei Richtern unterschrieben, die an der letzten mündlichen Verhandlung mitgewirkt haben. Nach § 60 Abs. 3 ArbGG ist die Wirksamkeit der Verkündung von der Anwesenheit der ehrenamtlichen Richter nicht abhängig. Es reicht aus, wenn die Urteilsformel vorher von dem Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richtern unterschrieben worden ist.

2. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, § 20 Abs. 1 a MTV gelte grundsätzlich auch für Arbeitnehmer, bei denen nach § 22 MTV eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist.

a) Zwar ergibt sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 a MTV in Verbindung mit § 22 MTV noch nicht, daß das Arbeitsverhältnis bei Fluguntauglichkeit auch für Arbeitnehmer automatisch endet, deren ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist. Das folgt auch nicht zwingend aus der Unterscheidung zwischen den Beendigungstatbeständen der auflösenden Bedingung und der Kündigung. Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daß § 20 Abs. 1 a MTV zwei Regelungen enthält: Einmal endet das Arbeitsverhältnis des Bordpersonals bei festgestellter Flugdienstuntauglichkeit, ohne daß es einer Kündigung bedarf. Wegen des Zeitpunktes, zu dem das Arbeitsverhältnis enden soll, verweist § 20 Abs. 1 a MTV zwar auf § 22 MTV. § 22 MTV sieht aber für die Arbeitnehmer, deren ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, keine Kündigungsfrist vor, eben weil sie nicht kündbar sind. Aus diesem Grunde ist vom Wortlaut und dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen her auch denkbar, daß die Tarifvertragsparteien bei Fluguntauglichkeit gerade die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei den unkündbaren Arbeitnehmern nicht gewollt haben. Dafür spricht auch, daß in § 22 Abs. 2 MTV für unkündbare Mitarbeiter geregelt ist, wie ihre Beschäftigung auszusehen hat, wenn sie nicht mehr mit den bisherigen Aufgaben betraut werden können. Nach § 22 Abs. 2 MTV bleibt das Recht der Beklagten, dem unkündbaren Mitarbeiter aus gerechtfertigtem Grunde andere Aufgaben zu übertragen, von der Unkündbarkeit unberührt. Dagegen kann entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus der Bestimmung des § 22 Abs. 2 MTV, nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren sei eine ordentliche Kündigung ausnahmsweise zulässig, wenn ein Fall des § 21 MTV vorliegt, der Schluß gezogen werden, nach Eintritt der Unkündbarkeit solle § 20 Abs.1 a MTV ausgeschlossen sein. § 21 MTV begründet nämlich dann ein besonderes Kündigungsrecht der Beklagten, wenn ein Angehöriger des Bordpersonals die Berechtigung zur Ausübung seines Berufs durch Verfall oder Entzug der behördlichen Erlaubnis aus anderen Gründen als aus denen körperlicher Untauglichkeit im Sinne des vorstehenden Paragraphen verliert. Die Verweisung in § 22 Abs. 2 auf § 21 MTV bedeutet also nur, daß für den Tatbestand der Lizenzentziehung ausnahmsweise eine ordentliche Kündigung auch nach Ablauf einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren zulässig ist. Dagegen regelt § 20 Abs. 1 a MTV die Tatbestände der auflösenden Bedingung.

b) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die auflösende Bedingung der Fluguntauglichkeit gelte grundsätzlich auch für Arbeitnehmer, deren ordentliche Kündigung ausgeschlossen sei, ist jedoch im Ergebnis zutreffend. Das ergibt sich aus der ergänzend zu berücksichtigenden Tarifgeschichte (vgl. BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). In dem ab 1. Januar 1973 gültigen Manteltarifvertrag Nr. 1 für das Bordpersonal hatten die Tarifvertragsparteien in dem damaligen § 20 a Abs. 1 a die Fluguntauglichkeit noch nicht zur auflösenden Bedingung gemacht. Sie gab nach der damaligen Regelung nur ein Recht, gemäß § 22 MTV a.F. zu kündigen. In § 22 Abs. 2 MTV a.F. war schon damals die ordentliche Kündigung nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren ausgeschlossen, nach einer Beschäftigungszeit von 20 Jahren auch der Ausspruch einer ordentlichen Änderungskündigung. Das galt nicht in den Fällen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der §§ 20 a oder 21 MTV. Nach § 20 a in Verbindung mit § 22 Abs. 2 MTV Nr. 1 begründete also die Fluguntauglichkeit nur ein besonderes Kündigungsrecht des Arbeitgebers, das dann aber auch bestehen blieb, wenn nach 15jähriger Betriebszugehörigkeit die ordentliche Kündigung ausgeschlossen war. In § 20 Abs. 1 a MTV Nr. 3 sind die Tarifvertragsparteien einen Schritt weitergegangen und haben die Fluguntauglichkeit zur auflösenden Bedingung gemacht. Es kann bei Berücksichtigung der Tarifgeschichte nicht davon ausgegangen werden, daß einerseits der Arbeitgeber bei Fluguntauglichkeit von den Risiken eines Kündigungsverfahrens befreit werden sollte, andererseits aber bei Eintritt der "Unkündbarkeit" eine Lösung überhaupt unmöglich sein sollte, obwohl nach dem weniger weitgehenden MTV Nr. 1 in Fällen der Fluguntauglichkeit eine ordentliche Kündigung auch nach 15jähriger Betriebszugehörigkeit nicht ausgeschlossen war.

3. Dagegen hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen für den Eintritt der auflösenden Bedingung nach § 20 Abs. 1 a MTV unrichtig bestimmt, denn die gebotene restriktive Auslegung von § 20 Abs. 1 a MTV ergibt, daß das Arbeitsverhältnis nach Feststellung der Fluguntauglichkeit eines Mitglieds des Bordpersonals nur dann endet, wenn der betreffende Arbeitnehmer nicht auf einem freien Arbeitsplatz beim Bodenpersonal weiterbeschäftigt werden kann. Bei dieser Auslegung führt die auflösende Bedingung nicht zur Umgehung des § 1 KSchG oder der §§ 626, 622 BGB und ist deshalb unbedenklich (vgl. BAG Urteil vom 20. Dezember 1984 - 2 AZR 3/84 - AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung, zu B I 4 der Gründe).

a) Der Wortlaut von § 20 Abs. 1 a MTV spricht zwar eher dafür, daß nach dem MTV bei Feststellung der Fluguntauglichkeit das Arbeitsverhältnis unabhängig davon endet, ob der betreffende Arbeitnehmer im Bodendienst beschäftigt werden könnte, denn eine Einschränkung des Inhalts, das Arbeitsverhältnis ende nur, wenn auch keine Beschäftigungsmöglichkeit beim Bodenpersonal bestehe, enthält § 20 Abs. 1 a MTV nicht.

b) Wie aber aus dem Zweck von § 20 Abs. 1 a MTV und dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen von § 20 Abs. 1 a und § 22 MTV folgt, gilt die auflösende Bedingung der Fluguntauglichkeit nur für die Fälle, in denen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Bodendienst nicht besteht.

aa) Die Tarifvertragsparteien haben mit der auflösenden Bedingung der Fluguntauglichkeit in § 20 Abs. 1 a MTV erreichen wollen, daß das Arbeitsverhältnis endet, wenn infolge der Fluguntauglichkeit eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht mehr besteht. Dies ist nicht der Fall, wenn der betreffende Arbeitnehmer auf einem freien Arbeitsplatz im Bodendienst weiterbeschäftigt werden kann. Solange das Mitglied des Bordpersonals auf einem freien Arbeitsplatz im Bodendienst eingesetzt werden kann, erfordert es auch das Interesse des Arbeitgebers nicht, das Arbeitsverhältnis zu beenden.

bb) Dementsprechend folgt aus dem Gesamtzusammenhang von § 20 Abs. 1 a und § 22 MTV, daß die auflösende Bedingung sich auf die Fälle beschränkt, in denen eine zumutbare Weiterbeschäftigung des fluguntauglichen Arbeitnehmers im Bodendienst nicht möglich ist.

§ 22 Abs. 2 MTV begründet nämlich die Verpflichtung des Arbeitgebers, dem unkündbaren Mitarbeiter angemessene Aufgaben zu übertragen, wenn sein bisheriger Arbeitsplatz wegfällt. Das bedeutet in einem solchen Falle, daß die Beklagte auch verpflichtet ist, den unkündbaren Arbeitnehmer auf einem freien Arbeitsplatz im Bodendienst weiterzubeschäftigen, wenn angemessene Aufgaben beim Bordpersonal nicht übertragen werden können, weil beispielsweise alle in Frage kommenden Arbeitsplätze besetzt sind. Es würde dem Verantwortungsbewußtsein der Tarifvertragsparteien nicht Rechnung getragen, würde man ihnen unterstellen, sie wollten in den anderen Fällen, in denen bei Fluguntauglichkeit eine Beschäftigungsmöglichkeit beim Bodenpersonal besteht, durch auflösende Bedingung das Arbeitsverhältnis beenden und damit in den Bestandsschutz nach § 1 KSchG eingreifen. Dementsprechend führt eine restriktive Auslegung des § 20 Abs. 1 a MTV zu dem Ergebnis, daß bei festgestellter Fluguntauglichkeit das Arbeitsverhältnis endet, wenn nicht eine beiden Seiten zumutbare Beschäftigungsmöglichkeit des fluguntauglichen Arbeitnehmers auf einem freien Arbeitsplatz beim Bodenpersonal besteht.

Bei dieser Auslegung der Bestimmung des § 20 Abs. 1 a MTV scheidet eine objektive Umgehung des § 1 KSchG durch die auflösende Bedingung aus, weil in den Fällen, in denen eine Einsatzmöglichkeit des Arbeitnehmers wegen Fluguntauglichkeit auch an einem anderen Arbeitsplatz nicht mehr besteht, eine ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt wäre.

c) Auch § 626 und § 622 BGB werden bei zutreffender Auslegung der § 20 Abs. 1 a, § 22 Abs. 2 MTV nicht umgangen.

aa) § 20 Abs. 1 a MTV regelt unmittelbar, bei Fluguntauglichkeit ende das Arbeitsverhältnis, ohne daß es einer Kündigung bedarf. Wegen des Zeitpunktes, zu dem das Arbeitsverhältnis enden soll, verweist § 20 Abs. 1 a MTV auf § 22 MTV, der die Kündigung regelt. Nach § 22 Abs. 2 MTV beträgt die Kündigungsfrist bei einer Beschäftigung von mehr als zwölf Jahren sechs Monate zum Schluß eines Kalendervierteljahres. Nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren ist eine ordentliche Kündigung des Arbeitgebers ausgeschlossen. Ist die auflösende Bedingung aber, wie die Tarifgeschichte (vgl. oben B II 2 b) zeigt, auch auf Arbeitsverhältnisse anwendbar, deren ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, ist die längste im Tarifvertrag vorgesehene Kündigungsfrist als Auslauffrist einzuhalten.

Wie der erkennende Senat bereits im Urteil vom 28. März 1985 (BAGE 48, 220 = AP Nr. 86 zu § 626 BGB = EzA § 626 BGB n.F. mit Anm. Buchner) für die betriebsbedingte außerordentliche Kündigung von Arbeitnehmern, deren ordentliche Kündigung tarifvertraglich ausgeschlossen ist, ausgeführt hat, ist Tarifverträgen, die eine Alterssicherung vorsehen, zugleich der Rechtsgedanke zu entnehmen, den geschützten Arbeitnehmern solle aus der Alterssicherung bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber den anderen Belegschaftsangehörigen kein Nachteil entstehen. Aus diesem Grunde habe der Arbeitgeber bei einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung die längste im Tarifvertrag vorgesehene Kündigungsfrist einzuhalten.

Dies gilt auch für den vorliegenden Tarifvertrag. Die Tarifvertragsparteien haben mit dem Ausschluß der ordentlichen Kündigung für die Arbeitnehmer, die eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren erreicht haben, bestimmt, daß sie diese Arbeitnehmergruppe für besonders schutzbedürftig halten. Es wäre deshalb ein Wertungswiderspruch, wenn die auflösende Bedingung bei den Arbeitnehmern mit einer Betriebszugehörigkeit von zwölf Jahren zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Auslauffrist von sechs Monaten zum Schluß eines Kalendervierteljahres führen würde, bei sogenannten "unkündbaren" Arbeitnehmern eine Auslauffrist dagegen nicht eingehalten werden müßte. § 20 Abs. 1 a in Verbindung mit § 22 Abs. 2 MTV ist deshalb dahin auszulegen, daß nach Feststellung der Fluguntauglichkeit das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers, dessen ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, mit einer Auslauffrist von sechs Monaten zum Quartalsende beendet wird.

Bei dieser Auslegung umgehen § 20 Abs. 1 a, § 22 Abs. 2 MTV nicht die §§ 626, 622 BGB, da die Fluguntauglichkeit, die zur Nichteinsetzbarkeit führt, weil der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen freien zumutbaren Arbeitsplatz im Bodendienst weiterbeschäftigt werden kann, bei unkündbaren Arbeitnehmern auch eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist rechtfertigen würde.

bb) Die Beklagte hat den Tarifvertrag insoweit auch zutreffend angewandt. Nachdem der fliegerärztliche Dienst mit Bescheid vom 15. März 1984 die dauernde Fluguntauglichkeit der Klägerin zum 13. März 1984 festgestellt hatte, vertrat die Beklagte zwar zunächst den Standpunkt, das Arbeitsverhältnis habe bereits zum 12. März 1984 geendet. In einem weiteren Schreiben vom 4. April 1984 korrigierte sich die Beklagte jedoch und teilte der Klägerin mit, sie gehe davon aus, das Arbeitsverhältnis ende am 30. September 1984.

III. Der Rechtsstreit war an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, da das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent - nicht geprüft hat, ob für die Klägerin eine angemessene Beschäftigungsmöglichkeit im Bodendienst bestanden hat. Das Berufungsgericht wird nunmehr zu prüfen haben, ob zum Zeitpunkt der Feststellung der Fluguntauglichkeit die Klägerin auf einem freien Arbeitsplatz beim Bodenpersonal in etwa ihrer Ausbildung entsprechend hat weiterbeschäftigt werden können.

Hillebrecht Triebfürst Dr. Weller

Brocksiepe Dr. Wolter

 

Fundstellen

Haufe-Index 437844

NZA 1988, 67-68 (LT1-2)

RdA 1987, 382

ZTR 1987, 310-311 (LT1-2)

AP § 1 TVG, Nr 12

AR-Blattei, ES 1170 Nr 8 (LT1-2)

AR-Blattei, Lufthansa Entsch 8 (LT1-2)

EzA § 620 BGB Bedingung, Nr 7 (LT1-2)

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