Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialkassenverfahren. Darlegung der Beitragshöhe. Rückzahlung unter Vorbehalt entrichteter Beiträge zur Urlaubskasse. Darlegungs- und Beweislast. Bedeutung eines bei der Beitragszahlung erklärten Vorbehalts. Korrekturmeldungen des Bauarbeitgebers entsprechend der Mindestlohnberechnung in Verfallbescheiden. schlüssige Begründung eines Beitragsanspruchs durch die ULAK

 

Orientierungssatz

  • Entrichtet ein Arbeitgeber Beiträge zur Urlaubskasse unter Vorbehalt mit dem Hinweis, die Frage der Beitragsschuld gerichtlich klären zu lassen, bringt er damit zum Ausdruck, dass die Beitragszahlung auf den Ausgang des angekündigten Rechtsstreits keinen Einfluss haben soll. Ein solcher Vorbehalt bewirkt, dass im Rückzahlungsrechtsstreit nicht dem Arbeitgeber der Nachweis einer rechtsgrundlosen Beitragszahlung obliegt, sondern die Urlaubskasse des Baugewerbes (ULAK) ihren Beitragsanspruch darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat.
  • Wird gegen einen Bauarbeitgeber wegen Nichtzahlung des Mindestlohnes der Verfall von Geldbeträgen angeordnet, korrigiert dieser seine monatlichen Beitragsmeldungen daraufhin entsprechend der Mindestlohnberechnung in den Verfallbescheiden und zahlt er die sich aus den Korrekturmeldungen ergebenden Beiträge unter Vorbehalt, so hat er im Rückzahlungsrechtsstreit die Unrichtigkeit seiner Korrekturmeldungen darzutun, wenn die ULAK ihren Beitragsanspruch auf diese Meldungen stützt.
  • Für die Höhe des Urlaubskassenbeitrags ist die vom Bauarbeitgeber geschuldete und nicht die tatsächlich gezahlte Bruttolohnsumme maßgebend. Die Verweisung auf das Lohnsteuerrecht in § 18 Abs. 4 Buchst. a VTV betrifft nicht den Grund, sondern nur die Höhe der Beitragsforderung.
 

Normenkette

AEntG § 1 Abs. 3 S. 2; BGB §§ 133, 362 Abs. 1, § 812 Abs. 1 S. 1, § 814; ZPO § 138

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 14.03.2005; Aktenzeichen 16/10 Sa 879/04)

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 24.02.2004; Aktenzeichen 2 Ca 955/03)

 

Tenor

  • Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 14. März 2005 – 16/10 Sa 879/04 – aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat.
  • Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 24. Februar 2004 – 2 Ca 955/03 – wird insgesamt zurückgewiesen.
  • Die Klägerin hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch darüber, ob der Beklagte an die Klägerin die von dieser für die Monate Juli 2001 bis März 2002 unter Vorbehalt geleisteten Beiträge zur Urlaubskasse iHv. insgesamt 5.630,86 Euro zurückzuzahlen hat.

Der Beklagte ist die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAK). Diese ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Sie hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten Vorschriften des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV) und des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tariflichen Urlaubsvergütung zu sichern. Zur Finanzierung ihrer Leistungen erhebt die ULAK von den Arbeitgebern Beiträge, die sie von Arbeitgebern mit Sitz im Ausland selbst einzieht. Den Beitragseinzug regelte im Klagezeitraum der allgemeinverbindliche Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 20. Dezember 1999 in den jeweils gültigen Fassungen.

Die Klägerin ist eine juristische Person polnischen Rechts mit Sitz in Warschau. In Köln unterhält sie eine ins Handelsregister eingetragene Zweigniederlassung. Auf der Grundlage von Werkverträgen führte sie als Subunternehmerin mit aus Polen entsandten und zum deutschen Arbeitsmarkt zugelassenen Arbeitnehmern in Deutschland bauliche Tätigkeiten aus.

In der Zeit vom 1. Juli 2001 bis zum 30. September 2001 erbrachte die Klägerin mit bis zu 16 Arbeitskräften im Rahmen eines Werkvertrages Bauarbeiten bei der Errichtung eines Geschäftshauses in H…. Eine vom Arbeitsamt H… am 28. September 2001 durchgeführte Prüfung ergab, dass die Klägerin die auf dieser Baustelle eingesetzten polnischen Arbeitnehmer über die in den Stundenaufstellungen aufgeführten Stunden hinaus beschäftigt hat und dadurch der tarifliche Mindestlohn um 19.587,22 Euro unterschritten wurde. Auf Grund der Nichtzahlung des vorgeschriebenen Mindestlohnes ordnete das Arbeitsamt H… mit Verfallbescheid vom 22. April 2002 gegen die Klägerin den Verfall eines Geldbetrages iHv. 50.000,00 Euro an. Dem Verfallbescheid, der Rechtskraft erlangte, war als Anlage eine Mindestlohnberechnung vom 18. April 2002 für die von der Klägerin bei der Errichtung des Geschäftshauses in H… eingesetzten Arbeitnehmer beigefügt.

Vom 9. November 2001 bis zum 28. März 2002 erbrachte die Klägerin für die G… GmbH Rohbauarbeiten im Rahmen des Bauvorhabens “K…” in W…. Nach einer Überprüfung der Arbeitsbedingungen, insbesondere der Arbeitszeit der von der Klägerin zur Ausführung des Auftrags eingesetzten Arbeitnehmer, sowie der Auswertung von Unterlagen, die anlässlich eines anderweitigen Ermittlungsverfahrens bei einer Durchsuchung der Geschäftsräume der G… GmbH aufgefunden worden waren, kam das Arbeitsamt A… zu dem Ergebnis, dass die Klägerin bei dem Bauvorhaben “K…” in W… bis zu 20 polnische Arbeitnehmer eingesetzt und diesen nicht den vorgeschriebenen Mindestlohn gezahlt hat. Mit Verfallbescheid vom 18. Dezember 2002, der Rechtskraft erlangte, ordnete das Arbeitsamt A… gegen die Klägerin den Verfall eines Geldbetrages iHv. 24.000,00 Euro an. In der Begründung des Verfallbescheides heißt es ua., dass der vorgeschriebene Mindestlohn um mindestens 24.000,00 Euro unterschritten wurde, der Mindestlohnverstoß von den Verteidigern der Klägerin nach Rücksprache mit der Klägerin eingeräumt worden und dessen Umfang mit ca. 24.000,00 Euro beziffert worden sei.

In einem Schreiben vom 25. Juni 2002 teilte die ULAK der Klägerin mit, sie habe erfahren, dass die Klägerin die tatsächlich geschuldeten Bruttolöhne in den für die Jahre 1999, 2000 und 2001 abgegebenen monatlichen Beitragsmeldungen nicht korrekt angegeben habe, und forderte die Klägerin auf, diese Meldungen zu korrigieren. In einem weiteren Schreiben vom 11. September 2002 wies die ULAK darauf hin, dass keine Grundlage mehr bestehe, der Klägerin die ordnungsgemäße Teilnahme am Urlaubskassenverfahren zu bescheinigen, falls diese keine Korrekturmeldungen abgebe. Mit ihrem Antwortschreiben vom 1. Oktober 2002 übersandte die Klägerin der ULAK berichtigte Monatsmeldungen für die Monate Juli bis September 2001, wobei sie bei elf Arbeitnehmern die in die Anlage zum Verfallbescheid des Arbeitsamtes H… als zusätzlich geschuldete Löhne eingestellten Beträge zu Grunde legte und bei fünf Arbeitnehmern andere Löhne angab. Im Schreiben der Klägerin vom 1. Oktober 2002 heißt es ua.:

“Die Berichtigung der Monatsmeldungen erfolgt unter dem Vorbehalt, dass wir die Frage, ob wir tatsächlich verpflichtet sind, die Meldungen für den vorgenannten Zeitraum auf der Grundlage des Verfallbescheides des Arbeitsamtes H… vom 22.04.2002 zu berichtigen, gerichtlich überprüfen lassen werden. Wie bereits durch unseren Rechtsanwalt mitgeteilt wurde, sind wir nach unserer Auffassung nicht verpflichtet, die Monatsmeldungen für den vorgenannten Zeitraum zu berichtigen.”

Den sich aus ihrer Korrekturmeldung für die Monate Juli bis September 2001 ergebenden zusätzlichen Urlaubskassenbeitrag iHv. 2.110,42 Euro zahlte die Klägerin an die ULAK.

Nachdem die ULAK von der Klägerin unter Bezugnahme auf den Verfallbescheid des Arbeitsamtes A… vom 18. Dezember 2002 mit Schreiben vom 3. und 30. Januar 2003 erneut die Berichtigung der monatlichen Beitragsmeldungen gefordert hatte, überreichte die Klägerin als Anlage zu ihrem Schreiben vom 10. Februar 2003 korrigierte Monatsmeldungen für die Zeit vom 9. Oktober 2001 bis zum 28. März 2002. Auch in diesem Schreiben wies sie die ULAK darauf hin, dass die Korrektur der Monatsmeldungen unter dem Vorbehalt erfolgt, dass sie die Frage, ob sie tatsächlich verpflichtet sei, ihre Meldungen auf der Grundlage des Verfallbescheides des Arbeitsamtes A… vom 18. Dezember 2002 zu korrigieren, gerichtlich überprüfen lassen werde. Auch den sich aus ihren Korrekturmeldungen für die Zeit vom 9. Oktober 2001 bis zum 28. März 2002 ergebenden zusätzlichen Urlaubskassenbeitrag iHv. 3.520,44 Euro führte die Klägerin an die ULAK ab.

Die Klägerin hat gemeint, sie sei zur Abgabe der Korrekturmeldungen nicht verpflichtet gewesen und habe Anspruch auf Rückzahlung der auf der Grundlage dieser Meldungen unter Vorbehalt abgeführten Beiträge. Sie habe auf Druck der ULAK die Korrekturmeldungen abgegeben und die sich daraus ergebenden Beiträge entrichtet, um Schwierigkeiten bei der Erteilung der Arbeitserlaubnisse für die von ihr nach Deutschland entsandten polnischen Arbeitnehmer zu vermeiden. Diese seien dem deutschen Lohnsteuerrecht unterlegen, hätten nicht die in die Verfallbescheide eingestellten, sondern nur die der ULAK in den ursprünglichen Beitragsmeldungen mitgeteilten Bruttolöhne erhalten und hätten auch keine weitergehenden Lohnansprüche geltend gemacht. Für die Höhe des von ihr zu entrichtenden Beitrags zur Urlaubskasse sei die von ihr tatsächlich gezahlte Bruttolohnsumme maßgebend. Den Verwaltungsbehörden geschuldete Verfallbeträge seien nicht in die Lohnsteuerkarten ihrer Arbeitnehmer einzutragen und damit für die Höhe ihrer Beitragsschuld ohne Bedeutung.

Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Interesse – beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 5.630,86 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf den Betrag von 3.520,44 Euro seit dem 12. Februar 2003 und auf den Betrag von 2.110,42 Euro seit dem 2. Oktober 2002 zu zahlen.

Die ULAK hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, sie sei zur Rückzahlung der von der Klägerin auf der Grundlage ihrer berichtigten Monatsmeldungen geleisteten Beiträge nicht verpflichtet. Mangels eines qualifizierten Vorbehalts bei der weiteren Beitragsleistung für die streitbefangenen Zeiträume trage die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für eine rechtsgrundlose Beitragszahlung. Die Klägerin habe jedoch nicht substantiiert dargetan, aus welchen Gründen ihre Korrekturmeldungen unrichtig seien und sie die sich daraus ergebenden Urlaubskassenbeiträge nicht geschuldet habe. Im Übrigen ergebe sich aus den rechtskräftigen Verfallbescheiden, dass die Klägerin ihren nach Deutschland entsandten Arbeitnehmern nicht die tariflichen Mindestlöhne gezahlt habe. Die Klägerin habe deshalb eine Mindestlohnunterschreitung nicht mehr dem Grunde nach bestreiten, sondern nur noch zur Höhe der Mindestlohnunterschreitung vortragen können. An einem solchen Vortrag der Klägerin fehle es. Diese habe keine Angaben dazu gemacht, inwiefern die Feststellungen der Arbeitsämter in den Verfallbescheiden unrichtig seien.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin – soweit für die Revision von Interesse – das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und der Rückzahlungsklage der Klägerin stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die ULAK ihr Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision der ULAK zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der ULAK hat Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat der Rückzahlungsklage der Klägerin zu Unrecht stattgegeben.

I. Das Landesarbeitsgericht hat zusammengefasst angenommen, die Klägerin habe gemäß § 812 Abs. 1 BGB Anspruch auf die Rückzahlung von 5.630,86 Euro, weil sie in dieser Höhe rechtsgrundlos Urlaubskassenbeiträge an die ULAK entrichtet habe. Die ULAK habe nicht nachgewiesen, dass die Klägerin ihren Arbeitnehmern höhere als die von ihr gezahlten Bruttolöhne geschuldet habe. Es treffe zwar zu, dass derjenige, der Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung herleite, im Streitfalle nachweisen müsse, dass ein Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung nicht vorgelegen habe. Jedoch habe die Klägerin die Beitragszahlungen von 2.110,42 Euro und 3.520,44 Euro unter Vorbehalt geleistet. Dies führe dazu, dass die ULAK für das Bestehen weiterer Beitragsansprüche darlegungs- und beweispflichtig sei. Die Klägerin habe gegenüber der ULAK mit den erklärten Vorbehalten deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Zahlungen auf den Ausgang eines Rechtsstreits über weitere Beitragsansprüche keinen Einfluss haben und an der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für eine weitere Beitragsschuld nichts ändern sollten. Mit den Verfallbescheiden habe die ULAK den Nachweis einer weiteren Beitragsschuld der Klägerin nicht führen können. Diese Bescheide seien nicht mehr als die Zusammenfassung des durch die Vernehmung von Zeugen, die Einsicht in Unterlagen und Anhörungen gefundenen, auf Wertung beruhenden Ergebnisses der Ermittlungen der Behörden, aus denen bestimmte rechtliche Schlussfolgerungen gezogen worden seien. Einen Rechtssatz, wonach diese Folgerungen für den vorliegenden Rechtsstreit bindend seien, gebe es nicht. Der sich aus den rechtskräftigen Verfallbescheiden der Arbeitsämter H… und A… ergebende Indizwert sei durch die plausible Erklärung der Klägerin beseitigt, wonach diese gegen die Verfallbescheide keinen Einspruch eingelegt habe, um Streitigkeiten bei der Erteilung der Arbeitserlaubnisse für ihre polnischen Arbeitnehmer und damit die Gefahr zu vermeiden, ihre baugewerbliche Tätigkeit in Deutschland nicht fortsetzen zu können. Soweit die Bevollmächtigten der Klägerin gegenüber dem Arbeitsamt A… eine Mindestlohnunterschreitung eingeräumt hätten, binde dies die Klägerin im vorliegenden Verfahren nicht.

II. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern und halten den Angriffen der Revision nicht stand. Die ULAK hat die von der Klägerin auf der Grundlage ihrer berichtigten monatlichen Beitragsmeldungen entrichteten Urlaubskassenbeiträge iHv. 2.110,42 Euro und 3.520,44 Euro nicht ohne rechtlichen Grund erlangt. Sie ist deshalb nicht nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet, an die Klägerin 5.630,86 Euro zurückzuzahlen.

1. Ohne Erfolg rügt die ULAK allerdings, das Landesarbeitsgericht habe verkannt, dass nicht sie einen weiteren Urlaubskassenbeitragsanspruch in Höhe der von der Klägerin als ungerechtfertigte Bereicherung zurückgeforderten Beträge darlegen und nachweisen musste, sondern die Darlegung und der Nachweis rechtsgrundloser Zahlungen der Klägerin oblegen habe.

a) Bei den Mitteilungen der Klägerin an die ULAK in ihren Schreiben vom 1. Oktober 2002 und 10. Februar 2003 handelt es sich um nichttypische Willenserklärungen. Die Auslegung dieser Erklärungen durch das Landesarbeitsgericht ist in der Revisionsinstanz deshalb nur daraufhin überprüfbar, ob sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstößt oder wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt und ob sie rechtlich möglich ist (st. Rspr. vgl. BAG 3. Mai 2006 – 10 AZR 310/05 – EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 18; 16. November 2005 – 10 AZR 108/05 –; 13. März 2003 – 6 AZR 585/01 – BAGE 105, 205, 208; 5. Juni 2002 – 7 AZR 241/01 – BAGE 101, 262; 15. November 2000 – 5 AZR 296/99 – BAGE 96, 237, 241 mwN). Dieser eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung hält die Auslegung des Landesarbeitsgerichts stand, wonach die Klägerin mit den in den beiden Schreiben erklärten Vorbehalten deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass die Zahlungen auf den Ausgang eines Rechtsstreits über weitere Beitragsansprüche keinen Einfluss haben und an der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für eine weitere Beitragsschuld nichts ändern sollten. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landesarbeitsgericht bei der Auslegung der Erklärungen der Klägerin weder gegen anerkannte Auslegungsregeln verstoßen noch wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen.

b) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein vom Schuldner bei einer Leistung erklärter Vorbehalt unterschiedliche Bedeutung haben kann. Im Allgemeinen will der Schuldner mit dem Vorbehalt lediglich dem Verständnis seiner Leistung als Anerkenntnis entgegentreten und die Wirkung des § 814 BGB ausschließen, sich also die Möglichkeit offen halten, das Geleistete gemäß § 812 BGB zurückzufordern (vgl. BGH 6. Oktober 1998 – XI ZR 36/98 – BGHZ 139, 357). Eine andere Bedeutung hat ein vom Schuldner erklärter Vorbehalt jedoch, wenn dieser in der Weise unter Vorbehalt leistet, dass den Leistungsempfänger bei einem späteren Rückforderungsstreit die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen des Anspruchs treffen soll. Ist der Vorbehalt dahin zu verstehen, dass der Schuldner die Leistung ohne Veränderung der den Gläubiger treffenden Darlegungs- und Beweislast erbringen will, braucht der Gläubiger die Leistung nicht anzunehmen, unterwirft sich aber dem Vorbehalt, wenn er sie annimmt (BGH 8. Juni 1988 – IVb ZR 51/87 – NJW 1989, 161). Ein Vorbehalt dieser Art ist keine Erfüllung iSv. § 362 Abs. 1 BGB und liegt insbesondere dann vor, wenn ein Schuldner während eines Rechtsstreits zahlt und seine Rechtsverteidigung fortsetzt, weil damit zum Ausdruck kommt, dass die Zahlung auf den Ausgang des Rechtsstreits keinen Einfluss haben soll (BGH 6. Oktober 1998 – XI ZR 36/98 – aaO). Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, dass die Vorbehalte der Klägerin diese Bedeutung hatten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

c) Allerdings hat die Klägerin die von ihr zurückgeforderten Urlaubskassenbeiträge nicht während eines Beitragsrechtsstreits mit der ULAK unter Vorbehalt entrichtet. Sie hat jedoch die ULAK in ihren Schreiben vom 1. Oktober 2002 und 10. Februar 2003 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie die Frage, ob sie tatsächlich verpflichtet sei, die Meldungen auf der Grundlage der Verfallbescheide zu berichtigen, gerichtlich überprüfen lassen werde. Ihrem Wortlaut nach bezogen sich die Vorbehaltserklärungen der Klägerin damit nur auf die Korrekturmeldungen. Gemäß § 133 BGB ist bei der Auslegung einer Willenserklärung allerdings der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, wonach sich die Vorbehalte der Klägerin in ihren Schreiben an die ULAK nicht nur auf die Korrekturmeldungen, sondern auch auf die sich daraus ergebenden weiteren Beitragszahlungen bezogen haben, ist nicht nur rechtlich möglich, sondern berücksichtigt auch den wirklichen Willen der Klägerin, keine weiteren Zahlungen an die ULAK für die streitbefangenen Zeiträume zu leisten. Entgegen der Auffassung der ULAK verstößt die Auslegung des Landesarbeitsgerichts damit nicht gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze. Dies gilt auch für die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, mit den Vorbehalten und dem Hinweis auf die von ihr beabsichtigte gerichtliche Überprüfung habe sich die Klägerin nicht nur die Möglichkeit offen halten wollen, die gezahlten Beträge zurückzufordern, sondern – für die ULAK erkennbar – die Zahlungen ohne Veränderung der die ULAK treffenden Darlegungs- und Beweislast für die Beitragsschuld erbringen wollen.

2. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die ULAK habe eine weitere Beitragsschuld der Klägerin in Höhe der unter Vorbehalt geleisteten Zahlungen nicht dargelegt und nachgewiesen. Der ULAK stehen nach § 1 Abs. 3 Satz 2 AEntG iVm. § 3 Abs. 1 Satz 1, § 18 Abs. 1 VTV die sich aus den Korrekturmeldungen der Klägerin ergebenden weiteren Urlaubskassenbeiträge iHv. insgesamt 5.630,86 Euro zu.

a) Die ULAK hat eine weitere Beitragsschuld der Klägerin iHv. 2.110,42 Euro für die Monate Juli bis September 2001 und iHv. 3.520,44 Euro für die Zeit vom 9. Oktober 2001 bis zum 28. März 2002 schlüssig dargelegt, indem sie sich die Angaben der Klägerin in den berichtigten Beitragsmeldungen zu eigen gemacht und diese damit als zutreffend anerkannt hat.

b) Mit ihren Einlassungen hat die Klägerin die Richtigkeit ihrer Korrekturmeldungen und damit auch die Behauptungen der ULAK zur Beitragshöhe nicht wirksam bestritten.

aa) § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO regeln die konkrete Darlegungs- und Behauptungslast (Substantiierungslast). Diese betrifft die Frage, wie detailliert eine Partei in der jeweiligen prozessualen Situation Tatsachen darzulegen hat. Gemäß § 138 Abs. 1 ZPO haben die Parteien Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. Nach § 138 Abs. 2 ZPO hat sich jede Partei über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Erklärt sie sich nicht, gilt die Behauptung des Gegners nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Erklärt sie sich, richtet sich der Umfang der Darlegungslast nach der Einlassung des Gegners (BGH 23. April 1991 – X ZR 77/89 – NJW 1991, 2707). Der Tatsachenvortrag des Gläubigers bedarf nur dann der Präzisierung oder Ergänzung, wenn er auf Grund der Einlassungen des Schuldners nach § 138 Abs. 2 ZPO unklar wird oder nicht mehr den Schluss auf die begehrte Rechtsfolge zulässt. Danach konnte die ULAK auf die berichtigten monatlichen Beitragsmeldungen der Klägerin Bezug nehmen, ohne ihren Vortrag zur Beitragshöhe in den streitbefangenen Zeiträumen auf Grund von Einlassungen der Klägerin präzisieren oder ergänzen zu müssen.

bb) Soweit die Klägerin geltend macht, sie sei zur Abgabe der Korrekturmeldungen nicht verpflichtet gewesen und habe diese auf Druck der ULAK abgegeben, um Schwierigkeiten bei der Erteilung der Arbeitserlaubnisse für die von ihr nach Deutschland entsandten polnischen Arbeitnehmer zu vermeiden, ist dieses Vorbringen nicht geeignet, die Schlüssigkeit des Vorbringens der ULAK zur Beitragshöhe zu beeinträchtigen. Selbst wenn zu Gunsten der Klägerin angenommen würde, dass sie gegen die Verfallbescheide der Arbeitsämter H… und A… keinen Einspruch eingelegt und die von der ULAK geforderten Korrekturmeldungen abgegeben hat, um ihre polnischen Arbeitnehmer in Deutschland weiterhin ohne Schwierigkeiten einsetzen zu können, musste sich die Klägerin gemäß § 138 Abs. 2 ZPO dazu erklären, aus welchen Gründen und inwieweit die von ihr abgegebenen Korrekturmeldungen und die diesen zu Grunde liegenden Prüfergebnisse der Arbeitsämter H… und A… unrichtig sind, zumal sie Mindestlohnunterschreitungen selbst eingeräumt hatte. An einer solchen Erklärung der Klägerin fehlt es.

cc) Mit ihrer Behauptung, sie habe ihren vollständig dem deutschen Lohnsteuerrecht unterliegenden polnischen Arbeitnehmern nicht die in die Verfallbescheide der Arbeitsämter H… und A… eingestellten Mindestbruttolöhne, sondern nur die der ULAK in den ursprünglichen Beitragsmeldungen mitgeteilten Bruttolöhne gezahlt, hat die Klägerin ihre Angaben in den berichtigten Monatsmeldungen weder ausdrücklich noch konkludent bestritten. Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass für die Berechnung der Höhe des Urlaubskassenbeitrags die vom Bauarbeitgeber geschuldete und nicht die von ihm tatsächlich gezahlte Bruttolohnsumme maßgebend ist. § 18 Abs. 4 Buchst. a VTV spricht von dem in die Lohnsteuerkarte oder die Lohnsteuerbescheinigung einzutragenden Bruttoarbeitslohn. Das ist der vom Bauarbeitgeber geschuldete Lohn. Die Verweisung auf das Lohnsteuerrecht betrifft nicht den Grund, sondern nur die Höhe der Beitragsforderung (BAG 20. Oktober 1982 – 4 AZR 1211/79 – BAGE 40, 262; zum Begriff des Bruttoarbeitslohnes iSd. VTV vgl. auch 9. Juli 2003 – 10 AZR 585/02 – sowie 9. Juli 2003 – 10 AZR 625/02 –). Ein Arbeitgeber kann sich seiner Verpflichtung zur Zahlung von Sozialkassenbeiträgen nicht dadurch vollständig oder teilweise entziehen, dass er seinen Arbeitnehmern keinen oder einen niedrigeren als den geschuldeten Lohn zahlt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Einzugsstellen der Sozialkassenbeiträge – insbesondere dann, wenn ein Bauarbeitgeber keine Beiträge meldet – auch berechtigt, Beitragsforderungen unter Heranziehung der tariflichen Normalarbeitszeit und der tariflichen Mindestlöhne zu berechnen und einzuziehen, ohne dass es darauf ankommt, dass die Arbeitnehmer die so berechneten Mindestlöhne beanspruchen oder tatsächlich erhalten (BAG 25. Juni 2002 – 9 AZR 264/01 – mwN).

dd) Mit Nichtwissen konnte die Klägerin die von der ULAK behauptete Zahl der in den streitbefangenen Zeiträumen jeweils eingesetzten Arbeitnehmer und deren Einsatzzeiten nicht wirksam bestreiten. Nach der Ausnahmebestimmung des § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Dies trifft auf die Zahl und die Einsatzzeiten der von der Klägerin beschäftigten polnischen Arbeitnehmer nicht zu.

c) Schließlich greift auch die Einwendung der Klägerin nicht durch, an die Verwaltungsbehörde zu zahlende Verfallbeträge seien nicht in die Lohnsteuerkarte einzutragen und damit für die Höhe der Beitragsschuld ohne Bedeutung. Die ULAK hat nicht Beitragsansprüche in Höhe der in die Verfallbescheide der Arbeitsämter H… und A… eingestellten Verfallbeträge beansprucht. Die Höhe der von der ULAK verlangten und von der Klägerin zurückgeforderten Urlaubskassenbeiträge ergibt sich vielmehr aus den berichtigten Monatsmeldungen der Klägerin für die streitbefangenen Zeiträume.

 

Unterschriften

Dr. Freitag, Marquardt, Brühler, Bittelmeyer, N. Schuster

 

Fundstellen

Haufe-Index 1722856

NZA 2007, 1456

EzA-SD 2007, 14

NZA-RR 2007, 300

NJOZ 2007, 5829

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