Leitsatz (amtlich)

Eine Tarifbestimmung, nach, der eine Erhöhung des tariflichen Stundenlohns je Arbeitnehmer und Stunde voll wirksam werden muß (sog. begrenzte Effektivklausel), ist unwirksam.

 

Normenkette

TVG § 4

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 19.04.1967; Aktenzeichen 6 Sa 523/66)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 19. April 1967 – 6 Sa 523/66 – aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 17. August 1964 als Näherin im Zeitlohn beschäftigte. Ihr Arbeitsverhältnis unterliegt den zwischen dem Industrieverband Bekleidung-Bergisch Land und der Gewerkschaft Textil-Bekleidung Bezirk Nordrhein für die gewerblichen Arbeitnehmer der Bekleidungsindustrie Bergisch Land abgeschlossenen Tarifverträgen.

Im Arbeitsvertrag der Klägerin vom 18. August 1964 heißt es:

„Wir bestätigen Ihnen im Rahmen der Einzelbestimmungen auf der Rückseite dieses Schreibens sowie auf dem Lohnblatt mit Wirkung vom 17.8.64

Ihre Anstellung als Näherin

Ihre auf der Grundlage der Lohngruppe 10 c beruhende Vergütung pro Stunde in Höhe von zur Zeit insgesamt 2.50/ab 1.9. 2,70 DM brutto.”

Unter Ziffer 3 der „Einzelbestimmungen” ist bestimmt:

„Übertarifliche, nicht leistungsbedingte Lohnbestandteile sind auf die Laufdauer des jeweiligen Lohntarifs befristet.”

Im Zeitpunkt der Einstellung der Klägerin galt der Lohntarifvertrag vom 13. Januar 1964, in dem für die von der Klägerin verrichtete Arbeit (Lohngruppe 10 c, Ortsklasse B) ab 1. Juli 1964 ein Stundenlohn von 2,37 DM festgesetzt war. Die Beklagte zahlte der Klägerin als Stundenlohn vom 1. September 1964 bis 28. Februar 1966 2,70 DM und seit dem 1. März 1966 2,87 DM.

Am 1. Oktober 1965 trat der Lohntarifvertrag vom 4. Oktober 1965 (LTV) in Kraft, mit dem der für die Klägerin maßgebliche Stundenlohn um 0,17 DM auf 2,54 DM erhöht wurde. In § 3 dieses Tarifvertrages ist unter der Überschrift „Lohntarifsätze” folgendes bestimmt:

„Ab 1. Oktober 1965 erhöhen sich die Zeitlöhne und. Akkordrichtsätze des Lohntarifvertrages vom 13. Januar 1964 (bei Anlage D zum Lohntarifvertrag vom 13.1.1964 die betrieblichen Akkordrichtsätze) um 17 Pfg und ab 1. Juli 1966 um weitere 4 Pfg.

Bei Wochenlöhnern erhöhen sich die Sätze …

Die tarifliche Erhöhung muß je Arbeitnehmer und Stunde voll wirksam werden. Bei Zeitakkord …”

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte müsse ihr aufgrund dieser Klausel auf die in der Zeit von Oktober 1965 bis März 1966 abgeleisteten 995 Arbeitsstunden zu dem vereinbarten Stundenlohn 17 Pfennige hinzuzahlen, Mit der Klage hat sie Zahlung von 169,15 DM gefordert.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Sie hat sich darauf berufen, daß nach dem Arbeitsvertrage über tarifliche, nicht leistungsbedingte Lohnbestandteile auf die Laufdauer des jeweiligen Lohntarifvertrages befristet seien. Der Klägerin sei keine Leistungsaulage, sondern ein schlichter übertariflicher Lohn gewährt worden. Nach dem Inkrafttreten des neuen Lohntarifvertrags ab 1. Oktober 1965 habe ihr daher nur der auf 2,54 DM erhöhte Tariflohn zugestandene Dieser Anspruch sei erfüllt, da die Klägerin weiterhin 2,70 DM als Stundenlohn erhalten habe.

Daraufhin hat die Klägerin geltend gemacht, es handele sich bei dem übertariflichen Teil ihres Stundenlohnes um eine Leistungszulage.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Es läßt dahingestellt, ob durch die Bestimmung in § 3 LTV, daß die tarifliche Erhöhung je Arbeitnehmer und Stunde voll wirksam werden müsse, nach dem Willen der Tarifpartner einzelvertraglich vereinbarte höhere Löhne im Rahmen der einzelnen Arbeitsverhältnisse zum unabdingbaren Tariflohn erhoben werden sollten. Die Klageforderung halt es für begründet, weil der den früheren Tariflohn übersteigende Lohnbestandteil als Leistungszulage anzusehen sei, die als Vergütung für besonders qualifizierte Arbeit neben den jeweiligen Tariflohn trete. Das sei, obwohl die Parteien nur einen einheitlichen Lohn vereinbart und somit nicht ausdrücklich einen Vergütungsteil als gesonderte Leistungszulage bestimmt hätten, daraus zu entnehmen, daß die Beklagte nicht allen in der Lohngruppe 10 c stehenden Arbeitnehmerinnen dieselbe Vergütung wie der Klägerin gezahlt und für diese unterschiedliche Bezahlung keine Erklärung gegeben habe.

Mit der Berufung hat sich die Beklagte gegen die nach ihrer Meinung nicht gerechtfertigte Annahme einer Leistungszulage gewandt und hat darauf hingewiesen, daß der Tarif selbst für die Lohngruppe 10 c schon schwierige Arbeiten voraussetze.

Demgegenüber hat die Klägerin behauptet, daß im Betriebe der Beklagten von den Näherinnen eine von der Norm abweichende besonders sorgfältige Arbeit verlangt werde. Sie hat mit Rücksicht darauf, daß die Beklagte ihr ab 1. März 1966 einen um 0,17 DM erhöhten Stundenlohn gezahlt hat, ihre Klageforderung auf 136,12 DM ermäßigt.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte entsprechend dem ermäßigten Antrage der Klägerin nur 136,12 DM zu zahlen hat. Es zieht in Zweifel, ob der übertarifliche Bestandteil des im Arbeitsvertrage der Klägerin vereinbarten Stundenlohnes im Sinne von Ziffer 3 der Einselbestimmungen des Vertrages leistungsbedingt gewesen sei, meint aber, daß es auf diesen Streit der Parteien für die Entscheidung nicht ankomme. Nach § 3 LTV sei es nämlich der Beklagten versagt, die Klägerin von der tariflichen Lohnerhöhung um 17 Pfennige je Stunde auszuschließen. Die Bestimmung, daß die Erhöhung des Tariflohns je Arbeitnehmer und Stunde voll wirksam werden müsse, sei nicht im. Sinne einer allgemeinen Effektivklausel (Effektivgarantieklausel) dahin aufzufassen, daß vereinbarte höhere Löhne im Rahmen der einzelnen Arbeitsverhältnisse zum unabdingbaren Tariflohn erhoben werden sollten. Sie könne vielmehr nur im Sinne einer normativ gemeinten, mit zwingend-ergänzender Wirkung ausgestatteten begrenzten Effektivklausel verstanden werden. Ihre Normenwirkung bestehe darin, daß jeder Arbeitnehmer unabdingbar den Erhöhungsbetrag des neuen Tarifvertrages erhalte, auch wenn ihm schon bisher ein übertariflicher Lohn gezahlt worden sei, wie das bei der Klägerin vor dem 1. Oktober 1965 der Fall gewesen sei.

Demgegenüber könne die Beklagte, so führt das Landesarbeitsgericht weiter aus, sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß nach Ziffer 3 der Einzelbestimmungen des Arbeitsvertrages der Effektivlohn der Klägerin im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Tarifvertrages gleich dem bisherigen Tariflohn gewesen sei. Diese Bestimmung des Arbeitsvertrages sei von der Effektivklausel des neuen Lohntarifvertrages verdrängt worden. Man könne nicht zwischen dem Zeitpunkt des Außerkrafttretens des alten Tarifvertrages und dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Tarifvertrages unterscheiden. Beide Zeitpunkte – 24 Uhr am 30. September 1965 und 0 Uhr am 1. Oktober 1965 – fielen zusammen. In diesem Zeitpunkt aber habe nach der begrenzten Effektivklausel des neuen Tarifvertrages die Lohnerhöhung um 17 Pfennige je Stunde bei jedem Arbeitnehmer voll wirksam werden müssen, sei also die im Arbeitsvertrage der Klägerin vorgesehene Herabsetzung des vereinbarten Stundenlohnes ausgeschlossen gewesen.

Mit der Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Sie stimmt dem Berufungsurteil darin zu, daß § 3 LTV eine sog. begrenzte Effektivklausel enthalte. Sie hält diese Klausel aber für unwirksam, weil die Gewährung übertariflicher Lohnbestandteile im tariffreien Raum liege und deshalb der Normsetzungsbefugnis der Tarif Partner entzogen sei. Aber selbst wenn man eine begrenzte Effektivklausel für wirksam halte, habe sie sich auf den mit der Klägerin vereinbarten übertariflichen Lohnbestandteil nicht auswirken können, weil dieser Anspruch von vornherein auf die Laufzeit des im Zeitpunkt der Vereinbarung geltenden Lohntarifvertrages befristet gewesen sei; eine solche Befristung sei ebenso wirksam wie eine Abdingung nach dem Inkrafttreten des mit einer Effektivklausel ausgestatteten Tarifvertrages. Da der Anspruch der Klägerin auf übertarifliche Vergütung zugleich mit dem Inkrafttreten des neuen Tarifvertrages geendet habe, habe die Effektivklausel die übertarifliche Vergütung auch nicht mehr erfassen können.

Die Klägerin verteidigt das Berufungsurteil und bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg.

Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, daß es sich bei der Bestimmung in § 3 LTV, die Erhöhung des Tariflohns müsse je Arbeitnehmer und Stunde voll wirksam werden, um eine normative Regelung handelt. Daß diese Bestimmung als Inhaltsnorm gemeint ist, ergibt sich schon aus ihrem unmittelbaren Zusammenhang mit der Neuregelung der Tariflöhne.

Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin beizutreten, daß diese Tarifvorschrift ihrem Inhalt nach nicht als Effektivgarantieklausel (allgemeine Effektivklausel), sondern als sog. begrenzte Effektivklausel auszulegen ist. Sie soll bewirken, daß die Erhöhung des tariflichen Stundenlohns um 0,17 DM allen tarifgebundenen Arbeitnehmern tatsächlich in vollem Umfange zugute kommt, und zwar auch dann, wenn sie bisher übertariflich entlohnt wurden. Es ist aber aus der Tarifbestimmung kein Anhalt dafür zu entnehmen, daß etwa die beim Inkrafttreten des Tarifvertrages in dessen Geltungsbereich bestehenden, der Höhe nach durchaus unterschiedlichen und nicht einmal bekannten effektiven Stundenlöhne, jeweils erhöht um die beschlossene Tariflohnerhöhung von 0,17 DM, nunmehr zum neuen unabdingbaren Tariflohn gemacht werden sollten. Insofern bedarf es in diesem Zusammenhange keines Eingehens auf die Gründe, aus denen eine Effektivgarantieklausel, wenn der Tarif eine solche enthielte, unwirksam sein würde.

Zu Recht greift aber die Revision die Annahme des Landesarbeitsgerichts an, die in § 3 LTV getroffene Regelung begründe als sog. begrenzte Effektivklausel einen unabdingbaren Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Tariflohnerhöhung von 0,17 DM neben ihrem bisherigen übertariflichen Lohn. Damit will sich das Landesarbeitsgericht, wie sich auch aus dem. Hinweis auf das Lehrbuch von Hueck-Nipperdey ergibt, die Auffassung derjenigen zu eigen machen, die der sog. begrenzten Effektivklausel Tarifwirkung zuerkennen Diese Wirkung soll darin bestehen, daß der den bisherigen Tariflohn übersteigende Lohnbestandteil durch die Tariflohnerhöhung nicht „aufgesogen” werde. Der arbeitsvertraglich vereinbarte übertarifliche Lohnbestandteil sei neben dem neuen tariflichen Mindestlohn weiterzuzahlen. Diese Rechtsfolge beruhe auf der „zunächst eintretenden” unmittelbaren und zwingenden Normwirkung der Tarifklausel. Jedoch soll der übertarifliche Lohnbestandteil weiter einzelvertraglich geschuldet werden und deshalb für die Zukunft der Disposition der Arbeitsvertragsparteien unterliegen. Siehe hierzu Hueck BB 1954, 777; Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts II, 1 (7. Aufl.), § 30 VIII 3 b, c; Tophoven, Anm. II zu AP Nr. 1 zu § 4 TVG Effektivklausel; Stahlhacke, RdA 1957, 446 und 1962, 225 f.

Damit ist aber nur die erstrebte Wirkung umschrieben, die sich aus Wesen und Zweck der Klausel ergeben soll. Über ihre Rechtfertigung ist damit noch nichts ausgesagt. Auch in einer Entscheidung des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG 2, 297 = AP Nr. 1 zu § 4 TVG Effektivklausel), die sieh – wenn auch ohne ausdrückliche Unterscheidung zwischen Effektivgarantieklausel und begrenzter Effektivklausel – bei sinngemäßer Auslegung mit einer begrenzten Effektivklausel befaßt und sie für wirksam hält, wird außer Ausführungen über die normative Natur einer solchen Klausel die Problematik ihrer Wirksamkeit nicht näher behandelt. Ebenso fehlt es insoweit an einer Problemerörterung in der Entscheidung AP Nr. 5 zu § 4 TVG Effektivklausel, in der der erkennende Senat in einer die Entscheidung nicht tragenden Bemerkung begrenzte Effektivklauseln als rechtswirksam bezeichnet hat.

Gegen die Rechtswirksamkeit solcher Klauseln hat sich vor allem Nikisch (BB 1956, 468 und 1961, 1205; Arbeitsrecht II, 2. Aufl., S. 453) ausgesprochen (vgl. ferner Dietz, Freiheit und Bindung im kollektiven Arbeitsrecht S. 21; Wlotzke, Günstigkeitsprinzip S. 61 ff.). Dieser Auflassung ist aus den im folgenden dargelegten Gründen beizutreten.

Wenn von einer bei Tariflohnerhöhung eintretenden „Aufsaugung” eines übertariflichen Lohnes gesprochen wird, die durch eine tarifliche Effektivklausel verhindert werde, so ist zunächst klarzustellen, daß es sich bei der sog. Aufsaugung nicht um eine rechtsändernde Einwirkung der Tariflohnerhöhung auf den übertariflichen Lohn handelt. Grundsätzlich wird ein vereinbarter übertariflicher Lohn, mangels entgegenstehender Abreden durch eine Tariflohnerhöhung so lange nicht berührt, als der Tariflohn den vereinbarten Lohn nicht überschreitet (BAG 15, 110 = AP Nr. 7 zu § 4 TVG übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung; AP Nr. 9 a.a.O.). Ist also z.B. ein Stundenlohn von 3 DM vereinbart, während der tarifliche Mindestlohn 2,50 DM beträgt, so bleibt die Vereinbarung von 3 DM wirksam und für den Lohnanspruch des Arbeitnehmers maßgebend, solange sie nicht durch eine diesen Satz übersteigende Erhöhung des Tariflohns kraft der unmittelbaren und zwingend-ergänzenden Wirkung der Tarifnorm verdrängt wird (§ 4 Abs. 1 und 3 TVG). Wird der Tariflohn auf 2,70 DM erhöht, so ändert das nichts daran, daß weiterhin der vereinbarte Stundenlohn von 3 DM aufgrund des Arbeitsvertrages geschuldet wird; es ändert sich lediglich die tatsächlich bestehende rechnerische Differenz zwischen dem vereinbarten und unverändert weiterzuzahlenden Lohn und demjenigen Betrug, den die Vertragspartner als tariflichen Mindestlohn wegen der zwingenden Tarifwirkung durch Vertragsänderung wirksam nicht unterschreiten können.

Demnach bedarf es einer besonderen Rechtfertigung, wenn eine Tariflohnerhöhung, die den vereinbarten Lohn nicht zu einem untertariflichen macht und somit nicht die bestehende Lohnvereinbarung kraft ihrer unmittelbaren und zwingend-ergänzenden Wirkung verdrängt, zu einer Erhöhung des bisherigen Lohnanspruchs führen soll. Der Rechtsgrund für eine solche Folge kann nur in den arbeitsvertraglichen Abreden liegen.

So kann etwa eine Zulage als relativ selbständiger Lohnbestandteil neben den Tariflohn vereinbart sein (vgl. die zuletzt zitierten Entscheidungen des BAG), oder der jeweilige Tariflohn kann in der Weise zum Berechnungsfaktor eines gleitenden Lohnes gemacht sein, daß ein fester Betrag oder Prozentsatz über dem jeweiligen Tariflohn als einheitlicher Gesamtlohn ausgemacht ist. In der Ausgestaltung des Lohnanspruchs, soweit er über den tariflichen Mindestlohn hinausgeht, sind die Parteien des Arbeitsvertrages frei.

Die begrenzte Effektivklausel soll nun „sicherstellen”, daß eine bisher übertarifliche Vergütung nicht von einer Tariferhöhung „aufgesogen” wird, sondern der Abstand zu dem bisherigen Tariflohn auch zu dem neuen Tariflohn erhalten bleibt (vgl. BAG 2, 297 [298] = AP Nr. 1 zu § 4 TVG Effektivklausel; Hueck-Nipperdey, a.a.O., Note 64). Diese Wirkung soll auch und gerade dann erreicht worden, wenn ein dahingehender arbeitsvertraglicher Anspruch nicht besteht. Denn soweit bereits ein einzelvertraglicher Anspruch auf Fortzahlung eines übertariflichen Lohnbestandteils besteht, ist die tarifliche Effektivklausel allenfalls insofern von praktischer Bedeutung, als sie einen Streit über das Bestehen des einzelvertraglichen Anspruchs gegenstandslos macht; die Frage nach ihrer Rechtswirksamkeit bleibt freilich auch hier dieselbe.

Danach soll also die begrenzte Effektivklausel dem Arbeitnehmer einen Anspruch verschaffen, der ihm nach den arbeitsvertraglichen Abreden nicht zusteht. Diese Wirkung soll, wie schon bei der Auslegung der hier in Rede stehenden Tarifbestimmung gesagt wurde, nicht dadurch erreicht werden, daß der den einzelnen Arbeitnehmern bisher zustehende Effektivlohn zuzüglich der Tariflohnerhöhung zum neuen unabdingbaren Tariflohn erklärt wird. Sondern der Arbeitgeber soll durch die begrenzte Effektivklausel mit zwingender Wirkung verpflichtet werden, die Tariflohnerhöhung zusätzlich zu dem bisher gezahlten effektiven Lohn, zu zahlen, obwohl der neue Tariflohn den vereinbarten, übertariflichen Lohn nicht überschreitet. Dabei ist es gleichgültig, ob man von einer „Aufstockung” der Tariflohnerhöhung auf den effektiven übertariflichen Lohn oder von einer „Aufstockung” des bisherigen übertariflichen Lohnbestandteils auf den neuen höheren Tariflohn spricht. In dieser vom Tarif angeordneten „Aufstockung” soll sich aber die unmittelbare und zwingende Wirkung der Tarifklausel erschöpfen, denn fortan soll der neben dem neuen Tariflohn zu zahlende Lohnbestandteil seinen Rechtsgrund allein in der arbeitsvertraglichen Lohnabrede haben und demgemäß wieder der freien Parteidisposition unterliegen (vgl. insbesondere Stahlhacke, RdA 1962, 226).

Mit Recht bezeichnet Nikisch (a.a.O.) diese Vorstellung als einen Widerspruch in sich. Die Tarifpartner können zur Begründung von Ansprüchen aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis nur Normen setzen (§ 1 Abs. 1 TVG), die als Inhaltsnormen die Arbeitsverhältnisse der Tarifgebundenen unmittelbar und zwingend beherrschen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Die Tarifnorm kann neben einer bereits bestehenden, arbeitsvertraglichen Verpflichtung gleichen Inhalts einen besonderen Rechtsgrund bilden oder beim Fehlen einer einzelvertraglichen Abrede auf das Arbeitsverhältnis zwingend-ergänzend einwirken. Immer handelt es sich bei den Tarifnormen um von den Tarifvertragsparteien gesetztes objektives Recht, Durch Tarifvertrag kann deshalb nicht bewirkt werden, daß ein Anspruch auf einen den Tariflohn übersteigenden Lohnteil durch eine tarifliche Effektivklausel, also normativ, begründet wird, daß aber dieser Lohnteil dennoch nicht als Tariflohn, sondern als arbeitsvertraglicher geschuldet wird. In dieser Weise können die Rechtsquellen für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nicht vertauscht werden. Zwar können tarifliche Bestimmungen, die den Inhalt von Arbeitsverhältnissen unmittelbar und zwingend regeln, ihre normative Wirkung nur auf bestehende Arbeitsverhältnisse ausüben. Insofern ist auch ein tariflicher Anspruch ein Anspruch aus dem dem Tarif unterworfenen Arbeitsverhältnis. Es steht aber nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien, einen kraft Normwirkung begründeten. Anspruch als einzelvertraglichen fortbestehen zu lassen. Dafür ist es im übrigen unerheblich, ob ein mit dem tariflich begründeten Anspruch gleichlautender vertraglicher Anspruch schon bestanden hat und noch fortbesteht; denn ein solcher vertraglicher Anspruch hätte seinen eigenen Rechtsgrund und sein eigenes Schicksal. Wollte man der Auffassung folgen, daß die tarifliche Effektivklausel durch einen „einmaligen Effekt” die „Aufstockung” des bisherigen übertariflichen Lohnbestandteils auf den erhöhten Tariflohn mit unabdingbarer Normwirkung herbeiführe, daß aber der Rechtsgrund für die Weiterzahlung des übertariflichen Lohnbestandteils nicht der Tarifvertrag, sondern der Arbeitsvertrag sei (so Stahlhacke a.a.O.), so liefe das auf einen Rückfall in die früher herrschende, heute aber allgemein und vor allem durch das Tarifvertragsgesetz selbst aufgegebene Vorstellung hinaus, die Tarifbestimmungen würden zum Inhalt des Arbeitsvertrages und gälten damit als vereinbart.

Da eine Tarifnorm zwar eine tarifwidrige einzelvertragliche Abrede unwirksam machen und durch die normative Regelung auf der Ebene des objektiven Rechts ersetzen, aber keine arbeitsvertraglichen Abreden schaffen oder verändern kann, ist auch eine „Einflußnahme” der Tarifpartner auf die Erhaltung eines arbeitsvertraglich vereinbarten übertariflichen Lohnbestandteils nur in der Weise denkbar, daß die bisher im tariffreien Raum liegenden, vertraglichen Regelungen nunmehr zum Inhalt tariflicher Regelung und damit zum Gegenstand objektiven Rechts gemacht werden. Dann aber unterliegt die Wirksamkeit einer tariflichen Effektivklausel auch in jeder Hinsicht den für die Setzung normativen Tarifrechts geltenden Regeln.

Die Wirksamkeit einer solchen Tarifklausel kann nun nicht schon damit gerechtfertigt werden, daß die Aufstockung der bisher bestehenden übertariflichen Lohnbestandteile auf den neuen erhöhten Tariflohn, da sie von den Arbeitsvertragsparteien vereinbart werden könne, von den Tarifpartnern ebenso im Tarif bestimmt werden könne. Die Freiheit zur arbeitsvertraglichen Regelung unterliegt nicht denselben Gesetzen wie die Befugnis der Tarifpartner zur normativen Gestaltung des Inhalts der tarifunterworfenen Arbeitsverhältnisse (so auch Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts II, 7. Aufl., § 15 II 4 b). Wollte man einmal der schon aus Gründen der Logik abzulehnenden Vorstellung folgen, die begrenzte Effektivklausel habe nur die „einmalige, punktuelle” normative Wirkung der „Aufstockung” des bisherigen übertariflichen Lohnbestandteils auf den neuen Tariflohn, das „Aufgestockte” aber sei wie bisher aus dem Rechtsgrunde des Einzelarbeitsvertrages zu zahlen (so Stahlhacke a.a.O. S. 225 f.), dann müßten auch für eine solche einmalige, d.h. nicht auf dauernde Unabdingbarkeit angelegte tarifliche Regelung die für tarifliche Inhaltsnormen geltenden Rechtsgrundsätze Anwendung finden. Die begrenzte Effektivklausel müßte dann aus denselben Gründen für unwirksam angesehen werden, aus denen die Unwirksamkeit der Effektivgarantieklausel heute allgemein angenommen wird.

Die Effektivgarantieklausel verstößt nämlich, indem sie zusätzlich zu dem erhöhten Tariflohn auch die bisher gezahlten übertariflichen Lohnbestandteile zu tariflichen Mindestlöhnen macht, gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. An ihn sind nach Art. 1 Abs. 3 GG auch die Tarifpartner gebunden, wenn sie für die tarifunterworfenen Arbeitsverhältnisse Normen setzen (vgl. BAG 1, 258 [262 f., 264] = AP Nr. 4 zu Art. 3 GG). Auch für die Inhaltsnormen eines Tarifvertrages, insbesondere für die Festsetzung der tariflichen Hindestlöhne, gilt daher das Verbot der Willkür und der sachfremden Differenzierung. Durch eine Effektivgarantieklausel werden aber die tarifgebundenen Arbeitnehmer nur formal gleichmäßig begünstigt. In Wirklichkeit werden für gleiche Tatbestände ohne sachliche Rechtfertigung völlig unterschiedliche Mindestlöhne festgesetzt, indem die im Zeitpunkt des Tarifabschlusses in ganz verschiedener Höhe gewährten übertariflichen Lohnbestandteile tariflich „zementiert” werden (vgl. Hueck-Nipperdey, Lehrbuch II, 7. Aufl., § 30 VIII 3 d Note 72). Dem Gleichheitssatz wird aber nicht schon dadurch genügt, daß ein Gesetz durch eine abstrakt-allgemeine Umschreibung dem Wortlaut nach eine ungleiche Behandlung vermeidet. Es kommt nicht auf die äußere Form, sondern auf den materiell-rechtlichen Gehalt an. Der Gleichheitssatz ist daher auch, dann verletzt, wenn sich aus der praktischen Auswirkung des Gesetzes eine offenbare Ungleichheit ergibt und diese ungleiche Auswirkung gerade auf die rechtliche Gestaltung zurückzuführen ist (BVerfGE 8, 51 [64] Leibholz DVBl. 1951, 195; Leibholz-Rinck, Grundgesetz Anm. 4 zu Art. 3).

Die Effektivgarantieklausel verstößt auch gegen Grundprinzipien des Tarifrechts. Gegenstand kollektiver Regelung durch tarifliche Inhaltsnormen kann, wie sich aus § 4 Abs. 1 und 3 TVG ergibt, nur die Festsetzung allgemeiner und gleicher Mindestarbeitsbedingungen sein. Darüber hinausgehende, dem Arbeitnehmer günstigere Regelungen sollen der freien und frei abänderlichen Vereinbarung durch den Einzelarbeitsvertrag vorbehalten seine. Das ist schon deshalb notwendig, weil die über allgemeine Mindestbedingungen hinausgehenden individuellen Regelungen in der Vielfalt der ihnen zugrunde liegenden Anlässe und Bedürfnisse kollektiv gar nicht erfaßbar sind. Solche außerhalb der allgemeinen und gleichen Mindestbedingungen liegenden Einzelvereinbarungen können daher nicht zum Inhalt einer Tarifnorm gemacht werden. Das würde einmal auf eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung hinauslaufen; denn die bestehende unterschiedliche einzelvertragliche Gestaltung, an die die Effektivgarantieklausel anknüpft, vermag eine entsprechende Differenzierung bei der Normierung der tariflichen Mindestbedingungen nicht zu rechtfertigen. In ihrer unmittelbaren und zwingenden Wirkung würde die tarifliche Effektivgarantieklausel ferner einen Eingriff in den Bereich darstellen, der nicht nur nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) nicht durch Setzung von Höchstnormen nach oben begrenzt werden darf, sondern überhaupt der individuellen einzelvertraglichen Gestaltung vorbehalten ist. Vgl. Hueck, BB 1954, 778; Nikisch, Arbeitsrecht II, § 83 IV 3; Hueck-Nipperdey, Lehrbuch II a.a.O.; Dietz, Freiheit und Bindung im kollektiven Arbeitsrecht, S. 21; Stahlhacke, RdA 1962, 224; Wlotzke, Günstigkeitsprinzip S. 67; Knitter, Möglichkeiten und Grenzen der Lohnänderung durch Tarifverträge, S. 160 ff, 164 ff; die abweichende Ansicht von Hueck-Nipperdey-Tophoven in der 3. Auflage des Kommentars zum TVG § 4 Anm 86 ist in der 4. Auflage § 1 Anm. 176 aufgegeben worden.

Schließlich ermangelt die Effektivgarantieklausel auch der nach § 1 Abs. 2 TVG vorgeschriebenen Schriftform, da die Tariflöhne nicht betragsmäßig bestimmt sind, sondern erst aufgrund der Einzelarbeitsverträge nach den bisher in unterschiedlicher Höhe gewährten übertariflichen Lohnbestandteilen ermittelt werden müßten; sie ist daher auch nach § 125 BGB nichtig (BAG 6, 31 [33] = AP Nr. 2 zu § 4 TVG Effektivklausel).

Alles dies gilt auch für den „einmaligen Effekt” der „Aufstockung” der bisherigen übertariflichen Lohnbestandteile auf den neuen erhöhten Tariflohn, wie er kraft zwingender normativer Wirkung der begrenzten Effektivklausel eintreten soll. Denn für das Gleichheitsgebot, dem die Setzung objektiven materiellen Rechts unterliegt, kann es keinen Unterschied machen, ob die Rechtsnorm einen einmaligen Effekt bewirkt oder auf Dauerwirkung angelegt ist. Es trifft auch nicht zu, daß bei der begrenzten Effektivklausel im Gegensatz zur Effektivgarantieklausel die bewirkte Ungleichheit der Lohnansprüche nicht auf dem Tarif, sondern auf der Verschiedenheit der arbeitsvertraglichen Zusagen Übertariflicher Entlohnung beruhe. Denn die Verpflichtung der Arbeitgeber, auf den für alle Arbeitnehmer gleichen erhöhten Tariflohn die unterschiedlichen übertariflichen Lohnbestandteile „aufzustocken”, soll ja erst durch die unabdingbare Normwirkung der Effektivklausel herbeigeführt werden. Sofern aber ein Arbeitnehmer ohnehin aufgrund seines Arbeitsvertrages einen Anspruch auf Fortzahlung des bisherigen übertariflichen Lohnbestandteils neben dem neuen Tariflohn hat, ist das eine Sache für sich und ohne Einfluß auf die Wirksamkeit und Wirkung der tariflichen Effektivklausel. Wie die Effektivgarantieklausel verstößt auch die begrenzte Effektivklausel gegen Grundprinzipien des Tarifrechts. Denn sie beschränkt sich ebenfalls nicht auf die Festsetzung allgemeiner und gleicher Mindestbedingungen und greift infolgedessen in einen Bereich ein, der einer individuellen einzelvertraglichen Gestaltung vorbehalten ist. Hierzu kann auf das verwiesen werden, was zuvor zur Effektivgarantieklausel gesagt worden ist. Einzuräumen ist allein, daß dieser Eingriff bei der begrenzten Effektivklausel insofern eine weniger weit reichende Wirkung hätte, als bei der begrenzten Effektivklausel nach der Vorstellung der Verfechter ihrer Wirksamkeit eine zwingende normative Wirkung nur „zunächst” eintreten, der übertarifliche Lohnbestandteil sodann aber wieder abdingbar sein soll. Die gegen die Zulässigkeit der normativen Regelung bestehenden Bedenken würden aber nicht gegenstandslos, wenn die durch die normative Regelung begründete Verpflichtung zur Fortzahlung übertariflicher Lohnbestandteile nicht tariflich „zementiert” ist, sondern von den Partnern der einzelnen Arbeitsverträge für die Zukunft wieder aufgehoben werden kann (wie hier Nikisch BB 1961, 1207 unter II, 6; Dietz a.a.O. S. 21; Wlotzke a.a.O. S. 61 f.). Schließlich vermag die begrenzte Effektivklausel ebensowenig wie die Effektivgarantieklausel die vorgeschriebene Schriftform zu wahren, da die Höhe der übertariflichen Lohnbeständteile, deren Weiterzahlung neben dem erhöhten Tariflohn angeordnet wird, weder im Tarif bestimmt ist noch aus ihm bestimmt werden kann. Der Wahrung der für Tarifnormen vorgeschriebenen Form bedarf es aber für eine einmalige normative Wirkung ebenso wie für eine auf Dauer angelegte Regelung.

Die Vorstellung, daß durch eine tarifliche begrenzte Effektivklausel der einmalige Effekt der Aufstockung kraft unabdingbarer normativer Regelung erzielt, die Fortzahlung der übertariflichen Lohnbestandteile aber als einzelvertragliche und deshalb abdingbare Verpflichtung geschuldet werde, ist jedoch, wie ausgeführt wurde, schon deshalb abzulehnen, weil die Tarifpartner durch die Setzung von Tarifnormen nur tarifliche, aber keine einzelvertraglichen Ansprüche schaffen können. Dagegen wäre die erstrebte Wirkung einer abdingbaren Aufstockung nach dem System des geltenden Tarifrechts in der Weise verstellbar, daß bisher übertarifliche Lohnbestandteile über den erhöhten allgemeinen Tariflohn hinaus zum zusätzlichen Tariflohn gemacht worden, daß aber der Tarifvertrag insoweit die Abdingung gestattet (§ 4 Abs. 3 TVG). Auf die Möglichkeit einer solchen Auslegung von Effektivklauseln hat schon Nikisch (BB 1961, 1206) hingewiesen. Aber auch als dispositive Tarifnorm würde die begrenzte Effektivklausel denselben Regeln unterliegen, denen die Setzung materiellen Tarifrechts allgemein unterworfen ist; sie würde also aus denselben Gründen wie die Effektivgarantieklausel unwirksam sein. Von den Anhängern der begrenzten Effektivklausel wird das auch erkannt (vgl. Stahlhacke, RdA 1962, 225 Note 20). Sie wollen deshalb die begrenzte Effektivklausel auch nicht als dispositive Tarifnorm aufgefaßt wissen, sondern suchen den Rechtsgrund für die Verpflichtung zur Fortzahlung übertariflicher Lohnbestandteile ausschließlich in die einzelvertraglichen Abreden zu verlegen.

Wenn dabei darauf hingewiesen wird, schon das Reichsarbeitsgericht habe die begrenzte Effektivklausel für zulässig gehalten, so läßt sich daraus jedenfalls für den heutigen Rechtszustand nichts herleiten. Denn das Reichsarbeitsgericht ging ausdrücklich von der vom Tarifvertragsgesetz abgelehnten Vorstellung aus, daß Tarifbestimmungen in die Arbeitsverträge übergehen (vgl. ARS 7, 23 [27]). Außerdem waren damals die Tarifvertragsparteien nicht auf die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen beschränkt (vgl. RAG ARS 5, 50).

Die Klägerin hat schließlich vorgetragen, für die Zulassung tariflicher begrenzter Effektivklausen bestehe ein allgemeines Regelungsbedürfnis. Dieses richte sich nicht darauf, daß eine Tariflohnerhöhung sich auch in einer entsprechenden Steigerung des effektiven Lohns der bisher schon übertariflich entlohnten Arbeitnehmer auswirken solle. Vielmehr solle die Effektivklausel die bei jeder Tariflohnerhöhung in den Betrieben auftretenden Zweifel und Streitigkeiten darüber, ob und inwieweit übertarifliche Lohnbestandteile von der Tariflohnerhöhung aufgesogen würden, durch eine klare Regelung ausschalten. Dem ist entgegenzuhalten, daß ein solcher Beweggrund es nicht rechtfertigen kann, sich über zwingendes Recht hinwegzusetzen oder sich systemwidriger und deshalb nicht verfügbarer Denkkategorien (Schaffung einzelvertraglicher nichttariflicher Ansprüche durch normative tarifliche Regelung) zu bedienen. Es könnten auch nicht etwa vereinbarte übertarifliche Lohnbestandteile mit Hilfe tariflicher Effektivklauseln abgebaut worden, indem der Tarif bestimmt, daß sie zu einem bestimmten Betrag oder Prozentsatz auf die Tariflohnerhöhung anzurechnen seien (vgl. hierzu Stahlhacke, RdA 1962, 224). Denn soweit nach den arbeitsvertraglichen Abreden ein übertariflicher Lohnbestandteil auch im Falle einer Tariflohnerhöhung weiterzuzahlen ist, bleibt eine solche günstigere Regelung bestehen; ein Tarifvertrag könnte sie nicht beseitigen, da er nur Mindestlöhne festsetzen kann (§ 4 Abs. 3 TVG; vgl. BAG AP Nr. 5 zu § 4 TVG Effektivklausel, vorletzter Absatz). Es käme also doch wieder auf die Feststellung des Bestehens einzelvertraglicher übertariflicher Ansprüche an. Da somit die Frage, ob der Arbeitnehmer im Falle einer Tariflohnerhöhung Anspruch auf Fortzahlung eines übertariflichen Lohnbestandteils auch neben dem erhöhten Tariflohn hat, allein aus den vertraglichen Abmachungen zu beantworten ist, können Rechtssicherheit und Rechtsklarheit hierüber nur durch klare Abreden erzielt werden. Das ist für die Praxis des Arbeitsvertragsrechts nichts Ungewöhnliches.

Hiernach steht der Klägerin ein Anspruch auf einen höheren als den tariflichen Stundenlohn aufgrund der Bestimmung in § 3 LTV, daß die Tariflohnerhöhung je Arbeiter und Stunde voll wirksam werden müsse, nicht zu, weil diese Bestimmung unwirksam ist. Dabei kann es offen bleiben, ob diese Klausel an die vor dem Inkrafttreten des LTV tatsächlich gezahlten Effektivlöhne oder an die beim Inkrafttreten des LTV bestehenden Lohnvereinbarungen anknüpfen will. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Klausel in § 3 LTV auch solche übertariflichen Lohnbestandteile erfassen will und im Falle ihrer Wirksamkeit erfassen könnte, die einzelvertraglich auf die Laufzeit des jeweils geltenden Tarifvertrages befristet sind. Deshalb bedarf es auch keines näheren Eingehens auf die unzutreffende Ansicht des Landesarbeitsgerichts, die Effektivklausel des § 3 LTV habe sich auf den der Klägerin gewährten übertariflichen Lohnbestandteil, falls dieser nicht leistungsbedingt gewesen sei, schon deshalb erstreckt, weil das Ende der für diesen Fall vereinbarten Befristung mit dem Inkrafttreten des LTV zusammengefallen sei. Es kommt vielmehr nur noch darauf an, ob der Klägerin ein Anspruch auf Fortzahlung des bisherigen übertariflichen Lohnanteils neben dem erhöhten Tariflohn aus einer einzelvertraglichen Abmachung zusteht, wenn nämlich der den bisherigen Tariflohn übersteigende Teil des vereinbarten Lohnes eine Leistungszulage darstellt, wie die Klägerin behauptet. Denn nicht leistungsbedingte übertarifliche Lohnbestandteile sind nach. Ziffer 3 der „Einzelbestimmungen” des Arbeitsvertrages der Klägerin auf die Laufdauer des jeweiligen Lohntarifs befristet.

Das Arbeitsgericht hatte seine der Klage stattgebende Entscheidung nicht auf § 3 LTV gestützt, sondern damit begründet, daß der den früheren Tariflohn übersteigende Teil des zwischen den Parteien vereinbarten Stundenlohnes eine Leistungszulage für besonders qualifizierte Arbeit darstelle, die neben dem jeweiligen Tariflohn zu zahlen sei. Das Landesarbeitsgericht, das umgekehrt das erstinstanzliche Urteil aufgrund der tariflichen Effektivklausel bestätigt hat, bemerkt, es spreche manches dafür, daß die übertarifliche Entlohnung der Klägerin als „nicht leistungsbedingt” im Sinne von Ziffer 3 der „Einzelbestimmungen” des Arbeitsvertrages anzusehen sei, läßt dies aber dahingestellt. Ob die Klägerin einen einzelvertraglichen Anspruch darauf hat, daß ihr die Differenz zwischen dem vereinbarten Stundenlohn von 2,70 DM und dem seiner Zeit geltenden tariflichen Mindestlohn von 2,37 DM auch zu einem erhöhten Tariflohn gezahlt wird, so daß sich infolge der am 1. Oktober 1965 eingetretenen Tariflohnerhöhung um 0,17 DM um diesen Betrag der vertragliche Lohn der Klägerin erhöhen würde, richtet sich nach den zwischen den Parteien getroffenen Lohnabreden, deren Inhalt der tatrichterlichen Feststellung unterliegt. Das Landesarbeitsgericht hat von einer Auslegung der Lohnvereinbarung abgesehen, da es nach seiner Rechtsauffassung auf sie nicht ankäme. Es fehlt deshalb an tatsächlichen Feststellungen zu der Behauptung der Klägerin, der den Tariflohn übersteigende Teil des vereinbarten Lohnes stelle eine Leistungszulage dar. Trifft es zu, daß der übertarifliche Lohnbestandteil zur Abgeltung oder in der Erwartung besonderer Leistungen versprochen worden ist, so kann das den Schluß rechtfertigen, daß damit nach dem Willen der Parteien eine besondere Vergütung neben dem Tariflohn gewährt werden sollte.

Allerdings können Zweifel bestehen, ob der bisherige Sachvortrag der Klägerin einen solchen Schluß und damit die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen rechtfertigt. Aus dem schriftlichen Arbeitsvertrag ergibt sich nicht, aus welchem Grunde ein übertariflicher Lohn vereinbart worden ist. Der übertarifliche Lohnbestandteil ist auch nicht gesondert neben dem Tariflohn ausgewiesen, sondern es ist ein einheitlicher, den tariflichen Mindestlohn übersteigender Betrag als Stundenlohn vereinbart. Die Klägerin hat auch nicht behauptet, daß über den Grund oder Zweck der übertariflichen Entlohnung mündlich ausdrücklich etwas abgesprochen worden sei; sie hat vielmehr vorgetragen, die Beklagte habe ihr den übertariflichen Lohn „kommentarlos” gezahlt. Unter diesen Umständen ist von dem schon oben erörterten Grundsatz auszugehen, daß im Zweifel ein übertariflicher Lohn von einer Tariflohnerhöhung so lange nicht berührt wird, als der Tariflohn den vereinbarten Lohn nicht überschreitet.

Für eine davon abweichende Willenseinigung der Vertragspartner ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig. Sie kann sich allerdings auch aus den Umständen ergeben. Dafür genügt es aber nicht, wenn objektiv Umstände gegeben sind, die ein Motiv für eine Regelung über die sog. Tarifbeständigkeit des übertariflichen Lohnbestandteils in dem einen oder anderen Sinne abgegeben haben könnten. Sondern es kommt darauf an, ob die Umstände den vom Tatsachengericht zu ziehenden Schluß auf eine Willenseinigung der Vertragspartner rechtfertigen. Dabei ist für eine ergänzende Vertragsauslegung jedenfalls im vorliegenden Falle insofern kein Raum, als sich nicht die Frage stellen kann, was die Vertragspartner über das Schicksal des übertariflichen Lohnbestandteils vereinbart haben würden, wenn sie an die Möglichkeit einer Tariflohnerhöhung gedacht hätten. Denn daß sie sich dieser Möglichkeit bewußt gewesen sind, ergibt sich, abgesehen von der Wahrscheinlichkeit nach, der Lebenserfahrung, eindeutig schon daraus, daß sie für diesen Fall in § 3 LTV eine Befristung der nicht leistungsbedingten übertariflichen Lohnbestandteile vereinbart haben. Ist eine Willenseinigung über die Fortzahlung des übertariflichen Lohnbestandteils zu er höhten Tariflöhnen nicht festzustellen, so wird sie auch nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung unterstellt werden können.

Soweit das Arbeitsgericht sich darauf gestützt hat, daß die Beklagte einzelne andere Arbeitnehmerinnen der Lohngruppe 10 c zu einem übertariflichen Lohn unterschiedlicher Höhe eingestellt hat (die eine am 21. Juli 1964 mit einem Stundenlohn von 2,40 DM, eine andere am 12. November 1964 mit 2,60 DM, während mit der Klägerin nach dem Bestätigungsschreiben vom 18. August 1964 zunächst 2,50 DM und ab 1. September 1964 2,70 DM vereinbart worden sind), so ist nicht ersichtlich, inwiefern allein aus der Tatsache der unterschiedlichen Lohnhöhe auf die vereinbarte Gewährung einer Leistungszulage zu schließen sei. Es ist nichts darüber vorgetragen, daß etwa diese unterschiedliche Entlohnung wegen unterschiedlicher Leistungen vereinbart worden sei. Im übertariflichen Raum kann aber der Arbeitgeber nach seinem Ermessen auch nicht leistungsbedingte Löhne in unterschiedlicher Höhe vereinbaren. Dafür können ganz verschiedene Anlässe gegeben sein (z.B. die Höhe des Lohnes, den ein neu eingestellter Arbeitnehmer auf seiner früheren Arbeitsstelle erhalten hat, die wechselnde Lage am Arbeitsmarkt u.a.). Das nimmt dem Arbeitnehmer nicht den Beweis dafür ab, daß mit ihm ein leistungsbedingter übertariflicher Lohnbestandteil vereinbart worden sei.

Die Klägerin hat aber behauptet, die Beklagte stelle nur ganz hochwertige Kleidungsstücke her und verlange von den Näherinnen eine von der Norm abweichende besonders sorgfältige Arbeit; allein deshalb erhielten ihre Näherinnen einen übertariflichen Festlohn, während bei der Herstellung normaler Qualitäten solche Arbeiten üblicherweise gegen Akkordlohn vergeben würden. Die Beklagte hat das bestritten und hat darauf hingewiesen, daß die Lohngruppe 10 c bereits für die tarifliche Entlohnung schwierige Arbeiten voraussetze. Das Landesarbeitsgericht wird als Tatsacheninstanz zu prüfen haben, ob der Sachvortrag der Klägerin, sofern er zutrifft, für die Feststellung ausreicht, daß der übertarifliche Bestandteil des vereinbarten Lohnes als leistungsbedingte Zulage zum jeweiligen Tariflohn versprochen sei; gegebenenfalls wird es auch angebracht sein, die Klägerin gemäß § 139 ZPO zu weiterem Sachvortrag unter den hier erörterten rechtlichen Gesichtspunkten anzuhalten. Aus diesen Gründen erschien die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht geboten.

Über die Kosten des Revisionsverfahrens wird das Landesarbeitsgericht mit zu befinden haben.

 

Unterschriften

gez. Dr. Poelmann, Dr. Neumann, Dr. Pecher, Hugo Karpf, Clemens

 

Fundstellen

Haufe-Index 1454390

BAGE, 308

Nachschlagewerk BGH

JZ 1968, 743

MDR 1968, 702

Belling / Luckey 2000, 309

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