Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleichbehandlung. Altersteilzeitarbeitsvertrag

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Arbeitgeber hat den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten, wenn er mit Arbeitnehmern Altersteilzeitarbeitsverträge abschließt, obwohl er wegen Überschreitens der in § 3 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 AltTZG geregelten Überlastquote hierzu nicht verpflichtet ist.

 

Normenkette

AltTZG § 3 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LAG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 18.08.2015; Aktenzeichen 6 Sa 193/14)

ArbG Stendal (Urteil vom 25.02.2014; Aktenzeichen 3 Ca 456/13)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 18. August 2015 – 6 Sa 193/14 – aufgehoben.

2. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stendal vom 25. Februar 2014 – 3 Ca 456/13 – wird zurückgewiesen.

3. Das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags.

Der am 11. Dezember 1958 geborene Kläger ist seit dem 1. November 1992 bei dem beklagten Land beschäftigt. Er ist als Dezernent für das Sachgebiet „F” im Dezernat … am Standort I der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau (LLG) tätig. Die LLG ist durch den Zusammenschluss mehrerer, an unterschiedlichen Standorten gelegener Landeseinrichtungen im Geschäftsbereich des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft und Energie des Landes Sachsen-Anhalt entstanden. Am Standort I ist der Kläger der einzige Beschäftigte, der dem Dezernat … zugeordnet ist. Die weiteren Mitarbeiter dieses Dezernats üben ihre Tätigkeit am Hauptsitz der LLG in B aus.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit im Bereich der Landesverwaltung Sachsen-Anhalts vom 24. Januar 2012 (TV ATZ LSA) Anwendung. Dieser enthält ua. folgende Regelungen:

㤠1

Geltungsbereich

Dieser Tarifvertrag gilt für die Beschäftigten der Landesverwaltung Sachsen-Anhalts, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) fallen.

§ 2

Voraussetzungen der Altersteilzeitarbeit

(1)

Der Arbeitgeber kann mit Beschäftigten, die

  1. das 55. Lebensjahr vollendet und
  2. innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Dritten Buch Sozialgesetz- buch gestanden haben,

die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes (AltTZG) vereinbaren; das Altersteilzeitarbeitsverhältnis muss ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sein.

(2)

Beschäftigte, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und die Voraussetzung nach Abs. 1 Buchst. b) erfüllen, haben Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Der Beschäftigte hat den Arbeitgeber drei Monate vor dem geplanten Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses über die Geltendmachung des Anspruchs zu informieren, von dem Fristerfordernis kann einvernehmlich abgewichen werden.

(3)

Der Arbeitgeber kann die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ablehnen, soweit dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe entgegenstehen.

(4)

Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis soll mindestens für die Dauer von zwei Jahren vereinbart werden. Es muss vor dem 1. Januar 2017 beginnen. Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis muss sich auf die Zeit erstrecken, bis eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann.”

Der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit in der Fassung vom 30. Juni 2000 (TV ATZ), der zuvor zwischen den Parteien Anwendung fand, ist hinsichtlich seiner Anspruchsvoraussetzungen für Altersteilzeit im Wesentlichen wortgleich.

Das beklagte Land schloss im Bereich der LLG bis zum Jahr 2007 auf der Grundlage des TV ATZ mit mehreren Arbeitnehmern und im Jahr 2012 mit einem Arbeitnehmer Altersteilzeitarbeitsverträge, so zB mit:

  • Herrn D: Abschluss im Oktober 2005 vor Vollendung des 60. Lebensjahrs;
  • Frau R: Abschluss am 28. November 2006 vor Vollendung des 60. Lebensjahrs;
  • Herrn H: Abschluss am 26. Oktober 2007 nach Vollendung des 60. Lebensjahrs;
  • Herrn Dr. S: Abschluss am 30. Mai 2012 nach Vollendung des 60. Lebensjahrs.

Das beklagte Land vereinbarte diese Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, obwohl es hierzu wegen der Überschreitung der Überlastquote nach § 2 Abs. 1 TV ATZ iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 AltTZG nicht verpflichtet war. In einem „Schnellbrief” des beklagten Landes vom 2. August 2012 zum TV ATZ LSA heißt es ua.:

„Ein sachlicher Grund liegt dann vor, wenn der Arbeitsplatz des Antragstellers während der Freistellungsphase nach Prüfung von Aufgabenverzicht oder anderen Maßnahmen der Aufgabenkritik nicht entbehrlich ist oder dieser nicht durch Bedienstete der Titelgruppe 96 wahrgenommen werden kann. Entsprechendes gilt für die freiwerdenden Arbeitszeitanteile im Teilzeitmodell. Die Annahme, dass der betroffene Arbeitsplatz bereits während der Freistellungsphase im Blockmodell oder die freiwerdenden Arbeitszeitanteile im Teilzeitmodell unentbehrlich sein werden, ist im Einzelnen zu begründen. Ist eine Nachbesetzung des Arbeitsplatzes oder der Arbeitszeitanteile mit Überhangpersonal erforderlich, ist die Personalvermittlungsstelle zu beteiligen.”

In Kap. 2 „Voraussetzungen der Altersteilzeitarbeit (§ 2 TV ATZ LSA)” unter Ziff. 2.3 „Anspruch auf Altersteilzeitarbeit” heißt es in Ziff. 2.3.2 „Haushaltsrechtliche Vorgaben” der vom Ministerium der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt erlassenen Durchführungshinweise vom 4. Dezember 2012 ua.:

„Die Genehmigung von Altersteilzeit ist nur zulässig, wenn das Personalausgabevolumen in Höhe der Personalausgaben des Tarifbeschäftigten nach Ablauf der Freistellungsphase dauerhaft eingespart wird. Diese Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn nach Ablauf der Freistellungsphase die Stelle des Tarifbeschäftigten nicht wiederbesetzt wird und ersatzlos wegfällt. Die Verwendung von Mitteln für Aushilfskräfte zur Wahrnehmung der Aufgaben der wegfallenden Stelle ist nicht zulässig.”

Mit Schreiben vom 17. Oktober 2012 beantragte der Kläger die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses im Blockmodell ab dem 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2024. Zu diesem Zeitpunkt war ebenfalls die Überlastquote nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 AltTZG überschritten. Das beklagte Land lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 19. März 2013 ab. Es begründete die Ablehnung mit dem Hinweis, dies entspreche billigem Ermessen. Der vom Kläger wahrgenommene Arbeitsplatz sei nicht entbehrlich. Deshalb sei die personelle Absicherung seines Arbeitsplatzes dienstlich erforderlich.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land sei aus Gründen der Gleichbehandlung verpflichtet, seinen Antrag anzunehmen. Das beklagte Land könne sich nicht erfolgreich auf die Überlastquote berufen, da es in den Jahren 2002 bis 2007 und erneut im Jahr 2012 mit Herrn Dr. S im Geschäftsbereich der LLG Altersteilzeitarbeitsverträge geschlossen habe. Die Geltung eines anderen Tarifvertrags sei kein zulässiges Differenzierungsmerkmal. Seine Vergleichbarkeit mit Herrn Dr. S scheitere nicht an der Tatsache, dass dieser bei Abschluss des Altersteilzeitarbeitsvertrags das 60. Lebensjahr vollendet habe. Gleiches gelte für die unterschiedlichen Aufgabengebiete und die unterschiedlichen Laufzeiten der Altersteilzeitarbeitsverhältnisse. Im Hinblick auf den auch die LLG betreffenden Stellenabbau in der Landesverwaltung sei davon auszugehen, dass sein Arbeitsplatz entbehrlich sei.

Der Kläger hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, mit ihm eine Altersteilzeitvereinbarung im Blockmodell vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2024 zu vereinbaren, wobei die Arbeitsphase vom 1. Januar 2014 bis 30. Juni 2019 und die Freistellungsphase vom 1. Juli 2019 bis 31. Dezember 2024 dauern soll.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe kein tariflicher Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses zu. Einem solchen stehe § 3 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 AltTZG entgegen. Der Anspruch folge auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Kläger befinde sich nicht in einer vergleichbaren Situation mit den von ihm benannten Beschäftigten der LLG, da die in den Jahren 2002 bis 2007 geschlossenen Altersteilzeitarbeitsverträge nicht auf Basis des seit 1. April 2012 geltenden TV ATZ LSA, sondern auf Basis des TV ATZ geschlossen worden seien. Da Altersteilzeitarbeitsverhältnisse nach dem TV ATZ vor dem 1. Januar 2010 hätten beginnen müssen, habe zwischen diesem Zeitpunkt und dem 31. März 2012 keine Rechtsgrundlage für den Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen existiert. Mit Abschluss des TV ATZ LSA sei eine maßgebliche zeitliche Zäsur eingetreten, die es berechtigte, seine Praxis zu ändern. Mit dem einzigen Arbeitnehmer, dessen Angebot auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags unter Anwendung des TV ATZ LSA angenommen worden sei, Herrn Dr. S, sei der Kläger nicht vergleichbar, da jener – anders als der Kläger – bei Abschluss des Altersteilzeitarbeitsvertrags bereits das 60. Lebensjahr vollendet hatte. Eine Vergleichbarkeit scheitere auch an der unterschiedlichen Ausgestaltung der Arbeitsplätze und der abweichenden Laufzeit. Die Arbeitsleistung des Klägers als einziger Beschäftigter des Dezernats … in I sei nicht entbehrlich.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung des beklagten Landes abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung des beklagten Landes zu Unrecht stattgegeben. Die zulässige Klage ist begründet.

A. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

I. Der Antrag ist so zu verstehen, dass das beklagte Land verurteilt werden soll, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags anzunehmen. Mit Rechtskraft eines obsiegenden Urteils gilt die Annahmeerklärung nach § 894 Satz 1 ZPO als abgegeben. Zu welchem Zeitpunkt die fingierte Abgabe der Annahmeerklärung wirkt, beurteilt sich nach materiellem Recht. Seit Inkrafttreten des § 311a Abs. 1 BGB idF des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) kommt auch die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung in Betracht, mit der ein Vertragsangebot angenommen werden soll, das rückwirkend auf eine Vertragsänderung zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gerichtet ist (BAG 17. August 2010 – 9 AZR 414/09 – Rn. 15; 15. September 2009 – 9 AZR 643/08 – Rn. 15 mwN).

II. Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis soll im Blockmodell in der Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2024 durchgeführt werden. Die bisher geschuldete Arbeitszeit soll halbiert und insgesamt in der ersten Hälfte des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses erbracht werden. Daran soll sich die Freistellungsphase anschließen. Die Arbeitsphase soll vom 1. Januar 2014 bis zum 30. Juni 2019 und die Freistellungsphase vom 1. Juli 2019 bis zum 31. Dezember 2024 dauern. Das folgt aus dem schriftlichen Angebot des Klägers auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags vom 17. Oktober 2012. Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis soll sich inhaltlich nach den Regelungen des TV ATZ LSA richten.

B. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz Anspruch darauf, dass das beklagte Land mit ihm den angebotenen Altersteilzeitarbeitsvertrag schließt.

I. Der Anspruch folgt nicht aus dem TV ATZ LSA.

1. Die Bestimmungen des TV ATZ LSA finden zwar kraft einzelvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Der Kläger erfüllt auch die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 TV ATZ LSA.

2. Ein tariflicher Anspruch des Klägers scheitert aber daran, dass in der LLG die in § 3 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 AltTZG bestimmte Überlastquote dauerhaft überschritten war.

a) Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 AltTZG muss für Erstattungsleistungen der Arbeitsverwaltung die freie Entscheidung des Arbeitgebers sichergestellt sein, ob er mit über fünf vH der Arbeitnehmer seines Betriebs Altersteilzeitarbeitsverträge schließt (BAG 15. November 2011 – 9 AZR 387/10 – Rn. 20; 18. Oktober 2011 – 9 AZR 225/10 – Rn. 25).

b) Ist diese Überlastquote überschritten, hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch nach § 2 Abs. 1 TV ATZ LSA gegen den Arbeitgeber, dass dieser nach billigem Ermessen darüber entscheidet, ob er mit dem Arbeitnehmer einen Altersteilzeitarbeitsvertrag schließt. Die tarifliche Anspruchsgrundlage des § 2 Abs. 1 TV ATZ LSA, die die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis nur „auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes (AltTZG)” vorsieht, bezieht das öffentlich-rechtliche System der an bestimmte Erfordernisse gebundenen Refinanzierung durch Erstattungsleistungen der öffentlichen Hand nach §§ 3, 4 AltTZG in die privatrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen mit ein (zum TV ATZ vgl. BAG 15. April 2008 – 9 AZR 111/07 – Rn. 35, BAGE 126, 264). Durch den Verweis auf das AltTZG stellt § 2 Abs. 1 TV ATZ LSA den Anspruch auf eine billigem Ermessen entsprechende Entscheidung unter den tariflichen Vorbehalt, dass die Überlastquote in dem Betrieb nicht überschritten ist. Die Überschreitung der Überlastquote ist ein negatives Tatbestandsmerkmal, das bereits die Entstehung des Anspruchs hindert (vgl. BAG 18. Oktober 2011 – 9 AZR 225/10 – Rn. 30). Die gesetzliche Quotierung dient auch dazu, altersteilzeitbedingte finanzielle Mehraufwendungen des Arbeitgebers in Grenzen zu halten (BAG 15. November 2011 – 9 AZR 387/10 – Rn. 21; 18. Oktober 2011 – 9 AZR 225/10 – Rn. 26; 14. Oktober 2008 – 9 AZR 511/07 – Rn. 24).

c) Der Kläger beantragte unter dem 17. Oktober 2012 Altersteilzeit, die am 1. Januar 2014 beginnen sollte. Zu beiden Zeitpunkten war die Quote von fünf vH der Beschäftigten der LLG überschritten.

d) Das beklagte Land hat das Recht, sich auf die Überlastquote zu berufen, nicht dadurch verwirkt (§ 242 BGB), dass es bis zum Jahr 2007 und im Jahr 2012 mit Beschäftigten Altersteilzeitarbeitsverträge schloss. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Altersteilzeitarbeitsverträge die Überlastquote überschritten war. Der Arbeitgeber bleibt nach § 2 Abs. 1 und Abs. 2 TV ATZ LSA iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 AltTZG in seiner Entscheidung über die Annahme weiterer Altersteilzeitangebote frei, auch wenn bereits die Quote von fünf vH überschritten ist. Eine Verwirkung kommt nur in Betracht, wenn besondere Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, der Arbeitgeber werde sich dauerhaft nicht auf die Überlastquote berufen (vgl. BAG 15. November 2011 – 9 AZR 387/10 – Rn. 24; 15. April 2008 – 9 AZR 111/07 – Rn. 43, BAGE 126, 264). Solche besonderen Tatsachen sind nicht vorgetragen oder ersichtlich.

II. Der Anspruch des Klägers folgt aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Das beklagte Land hat gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, indem es bis zum Jahr 2007 mit mehreren Arbeitnehmern und im Jahr 2012 mit einem Arbeitnehmer Altersteilzeitarbeitsverträge geschlossen, dies aber gegenüber dem Kläger verweigert hat.

1. Schließt der Arbeitgeber mit Arbeitnehmern Altersteilzeitarbeitsverträge, obwohl er wegen Überschreitens der in § 3 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 AltTZG geregelten Überlastquote hierzu nicht verpflichtet ist, erbringt er eine freiwillige Leistung und hat deshalb bei der Entscheidung über den Antrag eines Arbeitnehmers auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten (BAG 15. November 2011 – 9 AZR 387/10 – Rn. 26; vgl. auch BAG 15. April 2008 – 9 AZR 111/07 – Rn. 54, BAGE 126, 264).

Das Landesarbeitsgericht hat mit bindender Wirkung für das Revisionsgericht festgestellt (§ 559 Abs. 2 ZPO), dass die Überlastquote bereits bei Abschluss der Altersteilzeitarbeitsverträge mit den vom Kläger genannten Arbeitnehmern überschritten war.

2. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleich zu behandeln. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird inhaltlich durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt. Bei freiwilligen Leistungen muss der Arbeitgeber die Leistungsvoraussetzungen so abgrenzen, dass Arbeitnehmer nicht aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen werden. Verstößt der Arbeitgeber bei der Gewährung freiwilliger Leistungen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, hat der benachteiligte Arbeitnehmer Anspruch auf die vorenthaltene Leistung (st. Rspr., vgl. BAG 15. November 2011 – 9 AZR 387/10 – Rn. 27; 4. Mai 2010 – 9 AZR 155/09 – Rn. 23, BAGE 134, 223). Bildet der Arbeitgeber Gruppen von begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmern, muss diese Gruppenbildung sachlichen Kriterien entsprechen. Dabei kommt es darauf an, ob sich nach dem Zweck der Leistung Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, der einen Arbeitnehmergruppe Leistungen vorzuenthalten, die der anderen Gruppe eingeräumt worden sind. Eine unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer ist dann mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, wenn die Unterscheidung gerade nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt ist (BAG 19. März 2003 – 10 AZR 365/02 – zu II 1 der Gründe mwN, BAGE 105, 266).

3. Nach diesen Grundsätzen liegt ein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Das beklagte Land schloss trotz überschrittener Überlastquote freiwillig Altersteilzeitarbeitsverträge, soweit eine tarifliche Grundlage hierfür bestand.

a) Das beklagte Land vereinbarte mit den Arbeitnehmern D, R und H Altersteilzeit zu einem Zeitpunkt, zu dem noch mit dem TV ATZ ein grundsätzlicher tariflicher Anspruch bestand. Es verzichtete dabei darauf, sich auf die Überlastquote nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 AltTZG zu berufen. Zum Zeitpunkt, zu dem der Kläger den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags verlangte, bestand mit dem TV ATZ LSA eine vergleichbare tarifliche Regelung. Das beklagte Land schloss mit dem Arbeitnehmer Dr. S wiederum trotz überschrittener Überlastquote einen Altersteilzeitarbeitsvertrag. Gegenüber dem Kläger beruft es sich dennoch auf die Erreichung der Überlastquote.

b) Entgegen der Auffassung des beklagten Landes stellt die zeitliche Unterbrechung zwischen der Geltung des TV ATZ und des TV ATZ LSA keine Zäsur dar, die es ausschließt, eine Fortsetzung der Gewährung freiwilliger Leistungen anzunehmen. Das beklagte Land hat im Hinblick auf die Überlastquote nicht durch Gruppenbildung zwischen Arbeitnehmern, für die noch der TV ATZ Anwendung fand, und Arbeitnehmern, die unter den Anwendungsbereich des TV ATZ LSA fielen, unterschieden. Dem steht schon die Vereinbarung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer Dr. S unter Geltung des TV ATZ LSA trotz überschrittener Überlastquote entgegen. Mit Recht weist der Kläger darauf hin, dass das beklagte Land bei der Ermittlung der Überlastquote nicht nur die nach dem Inkrafttreten des TV ATZ LSA geschlossenen Altersteilzeitarbeitsverträge berücksichtigt, sondern auch die unter der Geltung des TV ATZ geschlossenen und somit selbst insoweit nicht von der von ihm behaupteten Zäsur ausgeht.

c) Es hat auch nicht unterschieden zwischen Arbeitnehmern, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags das 60. Lebensjahr bereits vollendet hatten, und Arbeitnehmern, bei denen dies nicht der Fall war. Wie sich aus dem Ablehnungsschreiben des beklagten Landes vom 19. März 2013 ergibt, verweigerte es gegenüber dem Kläger den Abschluss des Altersteilzeitarbeitsvertrags nicht, weil er das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Es berief sich vielmehr darauf, der Arbeitsplatz des Klägers sei nicht entbehrlich und könne nicht eingespart werden. Dies entspricht den vom Ministerium der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt am 4. Dezember 2012 erlassenen Durchführungshinweisen sowie dem Inhalt des „Schnellbriefs” vom 2. August 2012 an die Personalreferate der Landesbehörden, mit dem eine einheitliche Praxis der Behörden gewährleistet werden sollte. Danach soll ein sachlicher Grund für die Ablehnung der Altersteilzeit ua. gegeben sein, wenn der Arbeitsplatz des Antragstellers nicht entbehrlich ist. Die Genehmigung der Altersteilzeit soll nur zulässig sein, wenn die Stelle des Tarifbeschäftigten nach Ablauf der Freistellungsphase dauerhaft eingespart wird. Damit wird deutlich, dass das beklagte Land die Vereinbarung von Altersteilzeit ausschließlich als Instrument des Personalabbaus nutzte.

4. Die Ablehnung des beklagten Landes widersprach billigem Ermessen gemäß § 2 Abs. 1 TV ATZ LSA iVm. § 315 BGB.

a) Nach § 2 Abs. 1 TV ATZ LSA kann der Arbeitgeber mit Beschäftigten, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und – wie der Kläger – die zusätzlichen dort genannten Voraussetzungen erfüllen, die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis vereinbaren. Mit der Formulierung „kann” bringen die Tarifvertragsparteien regelmäßig zum Ausdruck, dass dem Arbeitnehmer kein uneingeschränkter Anspruch eingeräumt werden soll. Er hat lediglich Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber über seinen Antrag auf Wechsel in die Altersteilzeit nach billigem Ermessen iSv. § 315 Abs. 1 BGB entscheidet (vgl. BAG 10. Mai 2005 – 9 AZR 294/04 – zu B II 2 b der Gründe; 3. Dezember 2002 – 9 AZR 457/01 – zu A II 2 a cc (2) und A II 2 a dd (1) der Gründe, BAGE 104, 55; 26. Juni 2001 – 9 AZR 244/00 – zu II 2 der Gründe, BAGE 98, 114; 12. Dezember 2000 – 9 AZR 706/99 – zu B II 1 a der Gründe, BAGE 96, 363).

b) Die Überprüfung der angemessenen Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen ist in erster Linie Aufgabe der Tatsachengerichte, die dazu die Umstände des Einzelfalls abzuwägen und die hierfür erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Es spricht deshalb viel dafür, dass die Überprüfung der Ermessensentscheidung des Arbeitgebers durch das Landesarbeitsgericht als Tatsachengericht nur einer eingeschränkten Kontrolle des Revisionsgerichts unterliegt, nämlich dahin, ob der Rechtsbegriff „billiges Ermessen” verkannt, der äußere Ermessensrahmen überschritten, innere Ermessensfehler begangen, unsachliche Erwägungen zugrunde gelegt oder wesentlicher Tatsachenstoff außer Acht gelassen worden ist (BAG 30. Oktober 2001 – 9 AZR 426/00 – zu II 4 b aa der Gründe, BAGE 99, 274; für eine uneingeschränkte Überprüfung: BAG 23. September 2004 – 6 AZR 567/03 – zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80; 3. Dezember 2002 – 9 AZR 457/01 – zu A II 2 a cc (2) und A II 2 a dd (1) der Gründe, BAGE 104, 55).

c) Das Revisionsgericht kann dennoch eine eigenständige Ermessensüberprüfung vornehmen, wenn der Tatsachenstoff abschließend festgestellt worden ist. Das ist hier der Fall, da sich die Ermessensgründe des beklagten Landes aus seinem Ablehnungsschreiben, den erlassenen Durchführungshinweisen und seinem „Schnellbrief” zum TV ATZ LSA ergeben. Danach muss die Stelle des Antragstellers dauerhaft eingespart werden können.

d) Nur die Annahme des Angebots auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags mit einer Verteilung der Arbeitszeit im Blockmodell entspricht im Streitfall der Billigkeit. Der vom beklagten Land angegebene Grund ist ermessensfehlerhaft. Er widerspricht den Vorgaben des AltTZG sowie des TV ATZ LSA. Gemäß § 1 Abs. 2 AltTZG soll die Altersteilzeit „die Einstellung eines sonst arbeitslosen Arbeitnehmers ermöglichen”. Sie dient damit gerade nicht der Einsparung von Arbeitsplätzen, sondern deren Besetzung mit Arbeitssuchenden. Dies entspricht auch dem Willen der Tarifvertragsparteien des TV ATZ LSA. Denn nach § 2 Abs. 1 TV ATZ LSA erfolgt die Vereinbarung der Altersteilzeit auf der Grundlage des AltTZG. Da das beklagte Land damit im Rahmen der Ermessensausübung keine eigenen, der Altersteilzeit widersprechenden berechtigten Belange geltend macht, überwiegen die Interessen des Klägers an der Altersteilzeit im Blockmodell. Mit dem Wunsch nach Altersteilzeit und Verteilung der Arbeitszeit im Blockmodell bringt der Arbeitnehmer eine bestimmte Lebensplanung zum Ausdruck. Der Arbeitgeber ist im Gegenzug gehalten, hiergegen Sachgründe vorzubringen. Genügt er seiner diesbezüglichen Darlegungslast nicht oder kann er die entgegenstehenden Gründe nicht beweisen, überwiegen die Belange des Arbeitnehmers (vgl. BAG 21. Februar 2012 – 9 AZR 479/10 – Rn. 28). Dem Wunsch des Klägers auf Altersteilzeit hat das beklagte Land keine berechtigten Interessen entgegengehalten.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Brühler, Suckow, Krasshöfer, Merte, Spiekermann

 

Fundstellen

RiA 2017, 260

ArbR 2017, 115

RdW 2017, 215

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