Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratsmitglied und Beförderung. Entgeltsicherung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das in § 37 Abs 4 BetrVG enthaltene Verbot der geringeren Bemessung des Arbeitsentgelts findet auf nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder Anwendung, wenn ihre Bewerbung um einen höher dotierten Arbeitsplatz zu Unrecht erfolglos geblieben ist.

2. Bewerben sich neben dem nicht freigestellten Betriebsratsmitglied andere Arbeitnehmer des Betriebes um den höher dotierten Arbeitsplatz, so ist der Anspruch des nicht berücksichtigten Betriebsratsmitgliedes auf das höhere Arbeitsentgelt gerechtfertigt, wenn eine personelle Auswahl im Rahmen der betriebsüblichen beruflichen Entwicklung zu dem Ergebnis geführt hätte, daß nur das Betriebsratsmitglied nach den betriebsüblichen Auswahlkriterien hätte befördert werden dürfen.

3. Wird der höher dotierte Arbeitsplatz im Wege der Neueinstellung besetzt, können Ansprüche des nicht freigestellten Betriebsratsmitgliedes im Rahmen der §§ 99ff BetrVG zu berücksichtigen sein.

 

Normenkette

BetrVG §§ 99, 37 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Entscheidung vom 19.06.1986; Aktenzeichen 7 Sa 21/86)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 13.12.1985; Aktenzeichen S 1 Ca 98/85)

 

Tatbestand

Die Beklagte betreibt eine Fährschiffreederei. Bis zum Frühjahr 1978 setzte sie vier Fährschiffe mit einer entsprechenden Zahl von Schiffsoffizieren und Kapitänen ein, seitdem nur noch zwei Fährschiffe mit einer entsprechend geringeren Zahl von Schiffsoffizieren und Kapitänen. Neben der Beklagten existiert als Schwesterreederei die O-Linie.

Der Kläger ist bei der Beklagten am 15. Februar 1975 als 2. Offizier eingestellt worden. Zu einem nicht vorgetragenen Zeitpunkt ist er zum 1. Offizier befördert worden. Bei seiner Einstellung besaß der Kläger das Patent "AGW". Sein Kapitänspatent "AG" hat er am 12. März 1976 erhalten. Seit dem Frühjahr 1981 gehört der Kläger als nicht freigestelltes Mitglied dem Betriebsrat bei der Beklagten an.

Bei der Beklagten werden u. a. Wachoffiziere, zu denen auch 1. Offiziere zählen, und Leitende 1. Offiziere beschäftigt. Darüber stehen die Kapitäne. Den Leitenden 1. Offizieren wird neben einer Zulage für Verwaltungsarbeit von 100,-- DM brutto im Monat ein Zuschlag von 5 % der Festheuer gezahlt.

Vor und nach der Einstellung des Klägers ist es bei der Beklagten zu folgenden Einstellungen/Beförderungen gekommen:

Name Einstellung Einstellung Einstellung Ausgeschieden

als Wach- als, Beför- als, Beför-

offizier derung zum derung zum

Leitenden Kapitän

1.Offizier

D ----- ----- ja 1976 Rente

S ----- ----- ja 1984 Rente

Bo ----- ----- ja Juli 1981

O

We ----- ----- ja 1972

V ----- ----- ja 1976 Rente

H ----- ja 1973

Scha ----- ja 1973 1984 O

L Dez.1968 1971 1973/74 1980 O

G ----- ja ----- 1973 Dei

M 24.02.1968 Frühjahr 1973/74

1973

Sch 18.08.1969 28.03.1973 -----

W 13.10.1969 Sommer 1972 -----

Bu Juni 1970 April 1973 ----- 1978 Lotse

K Sept. 1970 Juli 1973 ----- 1976 verstorben

Vo 01.10.1970 Juli 1974 -----

Ha 01.09.1972 Sept. 1974 01.04.1975 1979 O

P Juni 1974 Mai 1976 ----- 1979 Lotse

R 10.01.1975 Dez. 1976 -----

B 15.02.1975 ----- -----

(Kläger)

He 01.05.1975 Dez. 1976 ----- 1983 O

Ger 16.02.1976 -----

Ge 09.04.1976 -----

N 15.04.1976 01.04.1983 01.10.1984

F 27.05.1976 -----

Wi 18.09.1978 -----

So 15.11.1978 -----

Kä 25.07.1980 -----

T 25.04.1984 -----

Z ----- Nach

Beförderung

N

zum Kapitän

He hatte das Kapitänspatent schon länger als der Kläger. N besitzt dieses Patent bereits seit 1968 und ist in den Jahren 1974/1975 vor seinem Eintritt bei der Beklagten bereits bei einer anderen Reederei als Kapitän gefahren. Alle übrigen nach dem Kläger eingestellten Wachoffiziere sind bisher nicht Leitende 1. Offiziere bei der Beklagten geworden. Z war bei der Schwesterreederei der Beklagten, der O-Linie, als 1. Offizier gefahren, bis ihn die Beklagte als Leitenden 1. Offizier einstellte.

Bereits 1983, als N zum Leitenden 1. Offizier befördert worden war, hatte sich auch der Kläger um diese Stelle beworben. Als jene Stelle infolge der Beförderung N's zum Kapitän am 1. Oktober 1984 wieder frei wurde, bewarben sich hierum der Kläger sowie die Wachoffiziere F und Ger. Die Beklagte besetzte die Stelle mit dem 1. Offizier Z; der Kläger sowie F und Ger blieben unberücksichtigt.

Mit seiner am 15. März 1985 erhobenen Klage nimmt der Kläger die Beklagte unter Hinweis auf § 37 Abs. 4 BetrVG auf Zahlung des Unterschiedsbetrages zwischen der Heuer eines Leitenden 1. Offiziers bei der Beklagten und der dem Kläger als 1. Offizier gezahlten Heuer für die Zeit vom 1. November 1984 bis 30. November 1985 in unstreitiger Höhe der Klageforderung in Anspruch. Er begehrt außerdem die Feststellung, daß ihm die Heuer eines Leitenden 1. Offiziers zustehe.

Der Kläger hat behauptet, bei der Beklagten sei es bis zur Einstellung von Z ausschließlich so gewesen, daß lediglich solche Offiziere zu Leitenden 1. Offizieren befördert worden seien, die zuvor bei der Beklagten als Wachoffiziere tätig gewesen seien. Es komme nicht darauf an, daß während seiner Zeit als Betriebsrat nur ein Offizier (N) derart befördert worden sei. Es könne ihm, dem Kläger, nicht zum Nachteil gereichen, wenn andere vergleichbare Arbeitnehmer Beförderungschancen nicht wahrnähmen. Seine, des Klägers, berufliche Qualifikation unterscheide sich nicht von der N's, da beide das Kapitänspatent besäßen. Es sei unerheblich, daß N früher bei einer anderen Reederei als Kapitän gefahren sei, wesentlich sei vielmehr, daß er und N beide Wachoffiziere gewesen seien, als N zum Leitenden 1. Offizier befördert worden sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den

Kläger 4.712,80 DM brutto zu zahlen,

und zwar jeweils nebst 4 % Zinsen

auf 357,65 DM brutto ab jeweils dem

Monatsersten der Monate Dezember

1985 bis Mai 1985 sowie auf 366,70 DM

brutto ab jeweils dem Monatsersten

der folgenden Monate bis Dezember 1985;

2. festzustellen, daß dem Kläger ein Arbeitsentgelt

zusteht, welches jenem

eines bei der Beklagten beschäftigten

Leitenden 1. Offiziers entspricht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht: Die berufliche Entwicklung von N stelle bei ihr eine Ausnahmeerscheinung dar. N besitze sein Kapitänspatent bereits seit 1968 und sei in den Jahren 1974 und 1975 bereits bei einer anderen Reederei als Kapitän gefahren; hieraus resultiere gegenüber dem Kläger, der dieses Patent erst 1976 erlangt habe, eine zusätzliche berufliche Qualifikation. Dementsprechend sei N nicht nur als einziger ihrer Wachoffiziere während der Betriebsratszeit des Klägers zum Leitenden 1. Offizier befördert worden, sondern anschließend im Oktober 1984 sogar zum Kapitän. Für Z habe sie sich entschieden, weil sie ihn für den geeigneteren Bewerber gehalten habe.

Das Arbeitsgericht hat dem Zahlungsantrag wie dem Feststellungsantrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.

Die Parteien haben sich im Revisionsrechtszug mit einer Verhandlung und Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt aufgrund des vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalts (vgl. § 561 ZPO) zur Abweisung der Klage.

I. Der Kläger verfolgt sein Begehren in der zutreffenden Verfahrensart, nämlich im Urteilsverfahren. Er macht auf betriebsverfassungsrechtlicher Grundlage (§ 37 Abs. 4 BetrVG) einen ihm angeblich zustehenden Individualanspruch geltend. Hierfür ist das Urteilsverfahren vorgesehen (vgl. im Ergebnis: Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung, z. B. Urteile vom 31. August 1983 - 4 AZR 67/81 -, nicht veröffentlicht; vom 21. April 1983 - 6 AZR 407/80 - AP Nr. 43 zu § 37 BetrVG 1972 = DB 1983, 2253; vom 17. Mai 1977 - 1 AZR 458/74 - AP Nr. 28 zu § 37 BetrVG 1972).

II. Die Sachanträge sind zulässig.

1. Der Zahlungsantrag ist ohne weiteres zulässig.

2. Zulässig ist aber auch der Feststellungsantrag. Er ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Für ihn liegt auch ein hinreichendes Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO vor, obwohl der Kläger zumindest im Berufungsrechtszug noch für einen längeren Zeitraum in der Vergangenheit als nur bis zum 30. November 1985 sein Begehren auch im Wege der Zahlungsklage hätte verfolgen können.

Zwar ist grundsätzlich für eine Feststellungsklage kein Raum, wenn der Kläger sein Klagebegehren im Wege der Leistungsklage verfolgen kann (vgl. BGHZ 5, 314; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 45. Aufl., § 256 Anm. 3 D a; Thomas/Putzo, ZPO, 15. Aufl., § 256 Anm. 5 d). Dieser Grundsatz gilt auch im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren (vgl. statt vieler: BAGE 4, 149, 151 = AP Nr. 6 zu § 256 ZPO). Hiervon gibt es jedoch nach der konkreten Fallgestaltung Ausnahmen (vgl. BAGE 28, 83, 86 = AP Nr. 34 zu § 138 BGB). Eine solche Ausnahmesituation liegt auch hier vor.

Für die in der Zukunft liegenden Zeiträume war dem Kläger die Erhebung einer Leistungsklage wegen der sich ständig ändernden Höhe der Heuer nicht möglich. Eine Klage aus § 258 ZPO konnte er schon deswegen nicht erheben, weil Gehaltsansprüche keine wiederkehrenden Leistungen sind (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 258 Anm. 1 B; Thomas/Putzo, aaO, § 258 Anm. 2). Eine Klage aus § 259 ZPO kann zwar grundsätzlich auch auf Lohnforderungen für die Zukunft gehen (vgl. BAG Urteil vom 29. Juli 1960 - 5 AZR 532/59 - AP Nr. 2 zu § 259 ZPO; BAG Beschluß vom 26. Juli 1959 - 2 AZR 25/57 - AP Nr. 1 zu § 259 ZPO m. w. N.). Dem Kläger ist es jedoch nicht möglich, gegenüber den Instanzgerichten für die Zukunft die Höhe seiner Gehaltsforderung ziffernmäßig genau zu bezeichnen. Deswegen muß ihm trotz der grundsätzlichen Möglichkeit einer Leistungsklage nach § 259 ZPO auch die Möglichkeit der Rechtsverfolgung im Wege der allgemeinen Feststellungsklage verbleiben. Insoweit steht dem Kläger ein Wahlrecht zu. Bei einer anderen Beurteilung hätte der Kläger mit zunehmendem Zeit- und Prozeßverlauf ständig Leistungsklagen erheben müssen. Dies wäre mit dem Grundsatz der Prozeßwirtschaftlichkeit nicht zu vereinbaren. Die begehrte Feststellung ist auch geeignet, den Sachstreit der Parteien beizulegen.

III. In der Sache selbst erweist sich die auf Verletzung materiellen Rechts (§ 37 Abs. 4 BetrVG) gestützte Revision als begründet. Dem Landesarbeitsgericht kann weder im Ergebnis noch in allen Teilen der Begründung seiner Entscheidung gefolgt werden. Vielmehr erweist sich die Klage vollen Umfangs als unbegründet.

1. Das Landesarbeitsgericht ist der Begründung des Arbeitsgerichts gefolgt und hat sich diese gemäß § 543 Abs. 1 ZPO zu eigen gemacht. Ergänzend hat es ferner ausgeführt:

Vergleichbar im Sinne des § 37 Abs. 4 BetrVG seien nur solche Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Wahl eine im wesentlichen gleiche qualifizierte Tätigkeit wie das Betriebsratsmitglied ausgeübt hätten. Das Arbeitsgericht habe zutreffend als mit dem Kläger vergleichbar die Herren Ger, Ge, N und F angesehen, die - wie der Kläger - im Frühjahr 1981 zum Zeitpunkt der Wahl des Klägers in den Betriebsrat Wachoffiziere gewesen seien. Der Kläger und N seien vergleichbare Mitarbeiter gewesen. Beide besäßen unstreitig das Kapitänspatent. Das Arbeitsgericht gehe zu Recht davon aus, daß sich die objektivierbare Qualifikation beider Mitarbeiter aus dem Patent ergebe. Lediglich diese Qualifikation aufgrund des Patentes und die Tätigkeit als Wachoffizier wirkten sich bei beiden Mitarbeitern auf die Bemessung des Arbeitsentgelts im Frühjahr 1981 aus. Daß N vor Beginn seiner Tätigkeit bei der Beklagten bereits als Kapitän gefahren sei und sein Kapitänspatent länger besitze als der Kläger, sei keine Qualifikation, die sich auf die Tätigkeit zum damaligen Zeitpunkt ausgewirkt habe. Entscheidend für die Vergleichbarkeit sei, daß sich gleiche Qualifikation und gleiche Tätigkeit auf die Bemessung des Arbeitsentgelts auswirkten. Das sei hier der Fall. Unerheblich für die Frage der Vergleichbarkeit sei die Tatsache, daß N später sehr schnell nach seiner Beförderung zum Leitenden 1. Offizier auch zum Kapitän befördert worden sei.

Die Beförderung von N vom Wachoffizier zum Leitenden 1. Offizier am 1. April 1983 stelle - auch darin sei dem Arbeitsgericht zu folgen - eine betriebsübliche berufliche Entwicklung dar. Zutreffend beziehe das Arbeitsgericht bei der Beurteilung der betriebsüblichen beruflichen Entwicklung die Vergangenheit auch vor der Wahl des Klägers in den Betriebsrat mit ein. Hier zeige sich, daß tatsächlich alle Wachoffiziere der Beklagten, zumindest soweit sie zeitlich vor dem Kläger in die Dienste der Beklagten getreten seien, vom Wachoffizier zum Leitenden 1. Offizier befördert worden seien. Von den Wachoffizieren, die später als der Kläger ihren Dienst bei der Beklagten begonnen hätten, seien Herr He bereits im Dezember 1976 und Herr N bereits am 1. April 1983 zum Leitenden 1. Offizier befördert worden. Es müsse somit als betriebsübliche berufliche Entwicklung angesehen werden, daß die bei der Beklagten beschäftigten Wachoffiziere im Laufe der Zeit zum Leitenden 1. Offizier befördert würden.

Im vorliegenden Fall habe nach der Wahl des Klägers in den Betriebsrat nur ein vergleichbarer Arbeitnehmer diese betriebsübliche berufliche Entwicklung, nämlich die Beförderung vom Wachoffizier zum Leitenden 1. Offizier, durchgemacht. Dies sei Herr N gewesen. Die Beförderung dieses einzigen Arbeitnehmers genüge jedoch, um die Voraussetzungen des § 37 Abs. 4 BetrVG als erfüllt anzusehen. Andernfalls würde der Kläger erst als letzter einen Anspruch aus § 37 Abs. 4 BetrVG auf die Vergütung eines Leitenden 1. Offiziers erhalten, sofern er nicht zuvor befördert werde. Dies widerspräche jedoch Sinn und Zweck des § 37 Abs. 4 BetrVG.

2. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsgerichtlichen Prüfung im Ergebnis und in wesentlichen Teilen der Einzelbegründung nicht stand.

a) Für das Begehren des Klägers kommt - wie die Vorinstanzen zu Recht erkannt haben - lediglich die Bestimmung in § 37 Abs. 4 BetrVG als Anspruchsgrundlage in Betracht. Hiernach darf "das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrates einschließlich eines Zeitraumes von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers". Dabei ist zu berücksichtigen, daß diese Gesetzesnorm auf Empfehlung des Ausschusses des Bundestages für Arbeit und Sozialordnung in das Betriebsverfassungsgesetz eingefügt worden ist, um sicherzustellen, "daß die Mitglieder des Betriebsrats weder in wirtschaftlicher noch in beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung Nachteile erleiden" (zu BT-Drucks. VI/2729 S. 23). Nach dieser Zielsetzung durch den Gesetzgeber sind im Sinne eines objektiven Kriteriums solche Arbeitnehmer "als vergleichbar" anzusehen, die im Zeitpunkt der Wahl des Betriebsratsmitglieds eine im wesentlichen gleichwertige Tätigkeit wie das Betriebsratsmitglied ausgeübt haben. Nach dem Sinn und Zweck des § 37 Abs. 4 BetrVG hat jedoch - anders als z. B. bei der Bewertung von Tätigkeiten nach tariflichen Tätigkeitsmerkmalen - darüber hinaus im Sinne eines weiteren Kriteriums zur Feststellung der Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer auch deren jeweilige fachliche und persönliche Qualifikation Berücksichtigung zu finden; außergewöhnliche Leistungen müssen dabei ebenso besondere Beachtung finden wie unterdurchschnittliche Leistungen (vgl. insgesamt: BAG Urteil vom 17. Mai 1977 - 1 AZR 458/74 - AP, aaO; Urteil vom 21. April 1983 - 6 AZR 407/80 - AP, aaO; Urteil vom 31. August 1983 - 4 AZR 67/81 -, nicht zur Veröffentlichung vorgesehen; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl. 1981, § 37 Rz 54; Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 37 Rz 83; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 37 Rz 67/68; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 37 Rz 66/67; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl. 1982, § 37 Rz 57; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 37 Rz 44; Etzel, Betriebsverfassungsrecht, 3. Aufl. 1987 Rz 1049; Hennecke, RdA 1986, 241, 242).

b) Demgegenüber hat das Landesarbeitsgericht den Begriff der Vergleichbarkeit verkannt, indem es im Ergebnis lediglich auf zwei Aspekte abgestellt hat, nämlich auf die Tatsache, daß der Kläger und N im Zeitpunkt der Wahl des Klägers in den Betriebsrat Wachoffiziere gewesen sind und daß beide damals das Kapitänspatent innehatten. Mit dieser Betrachtungsweise hat das Landesarbeitsgericht dem Begriff der vergleichbaren Arbeitnehmer einen zu engen Bedeutungsgehalt beigemessen. Der Begriff der vergleichbaren Arbeitnehmer erfordert, auch individuelle Leistungs- und Qualifikationsmerkmale zu berücksichtigen, nämlich insoweit, als es darauf ankommt, auch insoweit einen Vergleich des jeweiligen Betriebsratsmitgliedes mit entsprechenden anderen Arbeitnehmern vorzunehmen. Ist ein Betriebsratsmitglied z. B. besonders qualifiziert und in seiner beruflichen Tätigkeit überdurchschnittlich gewesen, so kommt als vergleichbarer Arbeitnehmer nur ein solcher mit ähnlicher Qualifikation und ebensolchen überdurchschnittlichen Leistungen in Betracht (vgl. BAG Urteil vom 21. April 1983 - 6 AZR 407/80 - AP, aaO). Entsprechendes gilt aber auch im umgekehrten Fall (vgl. insbesondere Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, Rz 67).

c) Zwar spricht für die Vergleichbarkeit zwischen dem Kläger und N, daß beide im Zeitpunkt der Wahl des Klägers als Wachoffiziere tätig waren und beide zu diesem Zeitpunkt ihr Kapitänspatent hatten. Darin erschöpft sich hier aber die Vergleichbarkeit entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts gerade nicht. Entscheidend kommt vielmehr als Unterschied hinzu, daß N aufgrund hinlänglich langer Fahrenszeiten bereits seit 1968 das Kapitänspatent innehat, während der Kläger dieses Patent erst im Laufe seiner Tätigkeit als Wachoffizier ab 15. Februar 1975, nämlich erst am 12. März 1976, ausgefahren hatte. Gerade die Tatsache, daß es zur Erlangung des Kapitänspatentes einer hinlänglich langen Fahrenszeit als Schiffsoffizier bedarf, macht deutlich, daß bei der Frage der Vergleichbarkeit von Schiffsoffizieren auch darauf abzustellen ist, wie lange der jeweilige Offizier bereits im Besitz des Kapitänspatentes ist. Denn insoweit liegen unterschiedliche Erfahrungen vor. Rechtlich erheblich ist im Gegensatz zur Auffassung des Landesarbeitsgerichts aber insbesondere auch die Tatsache, daß N bereits vor seiner Einstellung bei der Beklagten in den Jahren 1974 und 1975 als Kapitän gefahren ist. Die hieraus objektiv resultierende Erfahrung der Tätigkeit eines Kapitäns hat der Kläger nicht, er war noch nicht als Kapitän gefahren. Er war lediglich Inhaber des Kapitänspatentes und als Wachoffizier eingesetzt.

3. Auch den Ausführungen des Berufungsurteils zur Frage der Betriebsüblichkeit der Beförderung von Offizieren vom Wachoffizier zum Leitenden 1. Offizier bei der Beklagten kann nicht in allen Punkten gefolgt werden.

a) Das Landesarbeitsgericht hat den Begriff der "betriebsüblichen beruflichen Entwicklung" nicht in abstrakter Weise definiert. Seine subsumierenden Ausführungen zeigen jedoch, daß es entweder den Rechtsbegriff verkannt hat oder aber bei der Subsumierung nicht alle zu berücksichtigenden Tatsachen hinreichend gewürdigt hat. Der Rechtsbegriff der "betriebsüblichen beruflichen Entwicklung" muß ebenfalls nach der gesetzgeberischen Zielsetzung ausgelegt werden. Demgemäß ist unter "betriebsüblicher beruflicher Entwicklung" die Entwicklung zu verstehen, die bei objektiv vergleichbarer Tätigkeit Arbeitnehmer mit vergleichbarer fachlicher und persönlicher Qualifikation bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen haben (vgl. BAG Urteil vom 31. August 1983, aaO m.w.N.). Unberücksichtigt zu bleiben haben demgemäß außergewöhnliche, atypische Entwicklungen in der betrieblichen Situation oder in der Personalsituation (BAG Urteil vom 31. August 1983, aaO). Die berufliche Entwicklung eines Arbeitnehmers ist auch dann nicht betriebsüblich, wenn sie eine individuelle, nur auf diesen Arbeitnehmer persönlich zugeschnittene Beförderung darstellt (vgl. Hennecke, RdA 1986, 241, 243).

b) Das Landesarbeitsgericht hat die Tatsache unberücksichtigt gelassen, daß die Beklagte bis Frühjahr 1978 vier Fährschiffe mit entsprechend vielen Stellen für Leitende 1. Offiziere betrieben hat und daß die Beklagte seit dem Frühjahr 1978 ihren Fährschiffbetrieb nur noch mit zwei Fährschiffen führt mit der Folge, daß auch der Bedarf an Leitenden 1. Offizieren dementsprechend zurückgegangen ist. Tatsächlich ist es bei der Beklagten nach der Umstellung im Frühjahr 1978 auf nur noch zwei Fährschiffe nur noch in einem einzigen Fall zur Beförderung zum Leitenden 1. Offizier gekommen, nämlich im Fall N am 1. April 1983. Bereits diese Tatsache macht deutlich, daß es nicht angeht, zur Feststellung der Betriebsüblichkeit einer beruflichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer auf die Verhältnisse bei der Beklagten vor Umstellung des Fährschiffbetriebes abzustellen.

c) Doch selbst wenn man hierauf mit den Vorinstanzen abstellen wollte, zeigt sich, daß es die vom Kläger gesehene "Üblichkeit" im Sinne eines Senioritätsprinzips im strengen Sinne bei der Beklagten nicht gegeben hat. So ist z. B. der Wachoffizier W erst am 13. Oktober 1969 eingestellt, aber bereits im Sommer 1972 zum Leitenden 1. Offizier befördert worden. Dagegen mußte der Wachoffizier Sch, der etwa zwei Monate vor W als Wachoffizier bei der Beklagten angestellt worden ist, bis 28. März 1973 warten, um erst dann zum Leitenden 1. Offizier befördert zu werden. Entsprechendes gilt für M. Er ist am 24. Februar 1968, also sogar noch eineinhalb Jahre vor Sch und ein Jahr und acht Monate vor W als Wachoffizier eingestellt worden. Er wurde erst im Frühjahr 1973 zum Leitenden 1. Offizier befördert. Des weiteren wurde der erst am 1. Mai 1975 eingestellte Wachoffizier He im Dezember 1976 zum Leitenden 1. Offizier befördert, während der Kläger bereits am 15. Februar 1975 und damit vor He eingestellt worden ist. He hatte aber, wie der Kläger selbst vorgetragen hat, sein Kapitänspatent schon länger als der Kläger. Bereits dieses zeigt, daß es das vom Kläger postulierte Senioritätsprinzip als allein ausschlaggebendes Kriterium für die Frage der Reihenfolge bei der Beförderung zu Leitenden 1. Offizieren bei der Beklagten auch in der Vergangenheit nicht gegeben hat. Vielmehr hat die Beklagte auch in der Vergangenheit nach anderen, zusätzlichen Kriterien Beförderungen zum Leitenden 1. Offizier vorgenommen. Sie hat dieses auch nach der Umstellung des Fährbetriebes auf nur zwei Fährschiffe durchgeführt. Andernfalls wären nämlich bei Durchführung des reinen Senioritätsprinzips, bezogen auf den Zeitpunkt der Einstellung, vor N auch noch die Wachoffiziere Ger und Ge nach dem Kläger "an der Reihe" gewesen. Ger ist am 16. Februar 1976, Ge am 9. April 1976 eingestellt worden, N dagegen erst am 15. April 1976.

d) Demgegenüber ist die Feststellung des Landesarbeitsgerichts wie auch des Arbeitsgerichts, daß "alle anderen Wachoffiziere" vor dem Kläger regelmäßig zu Leitenden 1. Offizieren befördert worden sind, soweit sie nicht ausgeschieden sind, als rechtlich nicht erheblich anzusehen. Denn für die Begründetheit der Klage ist nicht entscheidend, ob der Kläger - gäbe es ein solches Prinzip bei der Beklagten - überhaupt damit rechnen kann, zu einem nicht näher definierten Zeitpunkt Leitender 1. Offizier bei der Beklagten zu werden, sondern entscheidend ist, ob es eine Betriebsüblichkeit bei der Beklagten hinsichtlich der beruflichen Entwicklung gegeben hat oder gibt, aus der folgt, daß der Kläger bereits zu dem Zeitpunkt, als N Leitender 1. Offizier geworden ist (1. April 1983), seinerseits hätte damit rechnen können, Leitender 1. Offizier zu werden, weil er "an der Reihe" war. Eine derartige Üblichkeit läßt sich jedoch nach den vom Landesarbeitsgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen, an die das Revisionsgericht gemäß § 561 ZPO gebunden ist, nicht feststellen.

IV. Bei dieser Sach- und Rechtslage kann dahinstehen, ob nicht nur N, sondern auch die Wachoffiziere Ge, Ge und F als vergleichbare Arbeitnehmer im Sinne des § 37 Abs. 4 BetrVG in Betracht kommen. Auf sie kommt es schon deswegen nicht an, weil diese Wachoffiziere nicht zum Leitenden 1. Offizier befördert worden sind. Ebensowenig kann sich der Kläger auf Z als vergleichbaren Arbeitnehmer stützen. Z ist mit dem Kläger nicht vergleichbar i. S. des § 37 Abs. 4 BetrVG, denn er ist bei der Beklagten überhaupt nicht als Wachoffizier tätig geworden, sondern sogleich als Leitender 1. Offizier eingestellt worden. Bei der Besetzung einer Beförderungsstelle durch einen neu einzustellenden Arbeitnehmer kann insoweit eine Zustimmungsverweigerung nach § 99 BetrVG in Betracht kommen.

Dahinstehen kann auch, ob die Erwägung des Landesarbeitsgerichts, wonach bereits die betriebsübliche berufliche Entwicklung eines einzigen vergleichbaren Arbeitnehmers auch in dem Fall ausreichend sein soll, in dem mehr als dieser einzige Arbeitnehmer mit dem Betriebsratsmitglied vergleichbar sind, zutrifft. Das Landesarbeitsgericht hat nicht verkannt, daß die von ihm angezogene Entscheidung des Sechsten Senats (Urteil vom 21. April 1983 - 6 AZR 407/80 - AP, aaO) im Sachverhalt von der Besonderheit geprägt ist, daß das Betriebsratsmitglied freigestellt war, es neben ihm nur einen einzigen vergleichbaren Arbeitnehmer gegeben hat und es nicht um einen beruflichen Aufstieg gegangen ist, sondern um eine Zulage. Keineswegs hat das Bundesarbeitsgericht in jener Entscheidung den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, daß dann, wenn mehrere Arbeitnehmer mit dem Betriebsratsmitglied vergleichbar sind, bereits die betriebsübliche berufliche Entwicklung eines einzigen dieser mehreren anderen Arbeitnehmer ausreiche, um den Anspruch nach § 37 Abs. 4 BetrVG zu begründen. Der vom Landesarbeitsgericht als entscheidend angesehene Gesichtspunkt, daß sonst das Betriebsratsmitglied abwarten müsse, bis alle übrigen vergleichbaren Arbeitnehmer die betriebsübliche berufliche Entwicklung genommen hätten, und daß es nicht darauf ankomme, ob andere vergleichbare Arbeitnehmer ihre "Beförderungschancen wahrnähmen", wird dem Sinn und Zweck des § 37 Abs. 4 BetrVG nicht gerecht. Auf die Nichtwahrnehmung von Beförderungschancen kommt es überhaupt nicht an. Entscheidend ist vielmehr folgendes:

Steht im Falle einer Beförderung nur eine Stelle zur Verfügung, so müßte zwischen den mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern des Betriebes einschließlich des nicht freigestellten Betriebsratsmitgliedes insgesamt eine Auswahl getroffen werden. Diese Auswahl müßte sich in die "betriebsübliche berufliche Entwicklung", wie sie sich etwa aus Tarifvertrag, Auswahlrichtlinien, Selbstbindung des Arbeitgebers ergeben kann, einfügen. Dies hätte zur Folge, daß der Anspruch nach § 37 Abs. 4 BetrVG nur ausgelöst wird, wenn gerade das Betriebsratsmitglied nach den betriebsüblichen Auswahlkriterien in einem solchen Fall auf die höher dotierte Stelle hätte befördert werden müssen.

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Dr. Becker Dr. Steckhan Schliemann

Neumann Breier

 

Fundstellen

Haufe-Index 441355

NZA 1988, 403-405 (LT1-3)

RdA 1988, 187

SAE 1988, 317-320 (LT1-3)

ZTR 1988, 189-190 (LT1-3)

AP § 37 BetrVG 1972 (LT1-3), Nr 61

AR-Blattei, Betriebsverfassung VIII Entsch 17 (LT1-3)

AR-Blattei, ES 530.8 Nr 17 (LT1-3)

EzA § 37 BetrVG 1972, Nr 88 (LT1-3)

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