Entscheidungsstichwort (Thema)

Karenzentschädigung bei bedingtem Wettbewerbsverbot

 

Leitsatz (amtlich)

  • Eine Vertragsbestimmung, in der sich ein Arbeitgeber vorbehält, einem Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Wettbewerbsverbot aufzuerlegen, ist unverbindlich.
  • Gibt der Arbeitgeber keine Erklärung ab, so kann der Arbeitnehmer nur dann Karenzentschädigung verlangen, wenn er zu Beginn des vorbehaltenen Verbotszeitraums dem Arbeitgeber erklärt, er werde Wettbewerb unterlassen.
 

Normenkette

HGB §§ 74, 75d; BGB § 626; ZPO §§ 554, 561

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 28.11.1984; Aktenzeichen 2 Sa 106/84)

ArbG Reutlingen (Urteil vom 26.06.1984; Aktenzeichen 2 Ca 84/84)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 28. November 1984 – 2 Sa 106/84 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger trat am 1. Oktober 1981 als Vertriebsbeauftragter in die Dienste der G… mbH. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach einem Arbeitsvertrag vom 2. Oktober 1981, in dem es heißt:

“Die G… behält sich die Möglichkeit vor, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Wettbewerbsverbot gemäß den Vorschriften der §§ 74 ff. HGB auszusprechen. Das Verbot ist auf höchstens 12 Monate Dauer begrenzt und beinhaltet die Gewährung einer monatlichen Entschädigung in Höhe des 20. Teils der Bezüge des letzten Jahres für die Dauer des Verbotes.”

Im Jahre 1982 geriet die Gesellschaft in finanzielle Schwierigkeiten. Mit einer Massenkündigung vom 18. November 1982 kündigte sie dem Kläger zum 31. Dezember 1982. Am 3. Januar 1983 wurde über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet. Zum Konkursverwalter wurde der Beklagte bestellt, der bereits zuvor vorläufiger Vergleichsverwalter gewesen war. Am 18. August 1983 schlossen die Parteien über die vom Kläger angestrengte Kündigungsschutzklage einen Vergleich (Arbeitsgericht Reutlingen 1 Ca 891/82). In ihm einigten sich die Parteien, daß das Arbeitsverhältnis mit dem 31. März 1983 sein Ende gefunden habe. Seit dieser Zeit ist der Kläger arbeitslos. Mit Schreiben vom 30. Januar 1984 verlangte er von dem Beklagten die Zahlung einer Karenzentschädigung. Das lehnte dieser am 31. Januar 1984 ab. Zugleich erhob er die Einrede der Masseunzulänglichkeit.

Der Kläger hat behauptet, er habe bereits im März 1983 dem Beklagten erklärt, daß er sich an das Wettbewerbsverbot halten werde. Dies könne er möglicherweise nicht beweisen. Jedoch habe er sich konkludent für dessen Einhaltung entschieden, da er ihm angetragene Konkurrenztätigkeiten ausgeschlagen habe. Im übrigen habe nach seiner Auffassung bei einem bedingten Wettbewerbsverbot der Arbeitnehmer kein Wahlrecht, sich für die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes zu entscheiden, sondern ihm werde ein Rücktrittsrecht eingeräumt, wenn er das Wettbewerbsverbot nicht einhalten wolle. Ihm stehe mithin die zugesagte Karenzentschädigung in Höhe von 4.761,02 DM monatlich für die Zeit vom 1. April 1983 bis zum 31. März 1984 zu, die er als Masseschuld geltend mache. Der Kläger hat beantragt,

  • festzustellen, daß ihm ein Masseanspruch in Höhe von 57.132,24 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen aus jeweils 4.761,02 DM monatlich seit dem 1. Mai 1983 bis 1. April 1984 zusteht;
  • den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger die auf seinen festgestellten Masseanspruch entfallende Quote zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat bestritten, daß überhaupt ein Wettbewerbsverbot zustande gekommen sei. Weder die Gemeinschuldnerin noch er habe dessen Einhaltung verlangt. Er habe von der umstrittenen Vertragsklausel ohnehin erst am 7. Februar 1984 Kenntnis genommen, als der Kläger seinen Arbeitsvertrag übersandt habe. Der Kläger habe ihm nicht erklärt, er werde sich des Wettbewerbs enthalten. Wenn er nicht in die Dienste eines Konkurrenzunternehmens getreten sei, so habe dies andere Gründe. Der Anspruch auf Karenzentschädigung sei einfache Konkursforderung; er werde nur dann Masseforderung, wenn der Konkursverwalter die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes verlange. Schließlich müsse sich der Kläger auf die Karenzentschädigung anderweitige Einkünfte, insbesondere bezogenes Arbeitslosengeld, anrechnen lassen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Dem Kläger steht eine Karenzentschädigung nicht zu, weil er sich nicht zu Beginn des Verbotszeitraumes auf das Wettbewerbsverbot berufen hat.

1. Zwischen den Parteien besteht ein für den Kläger unverbindliches Wettbewerbsverbot.

a) Nach dem Wortlaut des Arbeitsvertrages ist der Gemeinschuldnerin das Recht vorbehalten, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Wettbewerbsverbot gemäß den Vorschriften der §§ 74 ff. HGB für die Dauer eines Jahres auszusprechen. Die Entstehung des Wettbewerbsverbotes ist aufschiebend bedingt von der Willensentscheidung des Arbeitgebers, den Kläger mit einem Wettbewerbsverbot zu belegen. Es ist damit nicht nur ein bloßer Vorvertrag auf Abschluß eines Wettbewerbsverbotes, sondern bereits ein von der Willensentscheidung des Arbeitgebers abhängiges Verbot vereinbart worden, das dieser verwirklichen kann, ohne daß es noch einer Mitwirkung des Klägers bedürfte.

b) Das bedingte Wettbewerbsverbot ist für den Kläger unverbindlich. Nach § 75d Satz 1 HGB kann sich der Arbeitgeber auf eine Vereinbarung, durch die von den Vorschriften der §§ 74 bis 75c HGB zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen wird, nicht berufen. Die Parteien haben in mehrfacher Weise gegen die Schutzvorschriften des HGB zum Nachteil des Klägers verstoßen. Sie haben abweichend von § 74 Abs. 1 HGB die Entstehung der Pflicht zur Wettbewerbsunterlassung von einer Willensentscheidung des Arbeitgebers abhängig gemacht, die dieser auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch treffen kann. Sie haben dementsprechend abweichend von § 74 Abs. 2 HGB eine Karenzentschädigung nur für den Fall vereinbart, daß der Arbeitgeber das Wettbewerbsverbot in Anspruch nimmt.

2. Aus einem aufschiebend bedingten Wettbewerbsverbot können zugunsten des Arbeitnehmers Ansprüche auf Karenzentschädigungen erwachsen, obwohl es für den Arbeitnehmer unverbindlich ist.

a) Der Senat ist anfänglich davon ausgegangen, daß bei einem unverbindlichen bedingten Wettbewerbsverbot zugunsten des Arbeitnehmers keine Ansprüche auf Karenzentschädigung erwachsen können (BAG 22, 324 = AP Nr. 26 zu § 74 HGB mit Anmerkung vom Buchner; Urteil vom 2. August 1971 – 3 AZR 12/71 – AP Nr. 27, aaO, mit Anmerkung von Hofmann; Urteil vom 26. November 1971 – 3 AZR 127/71 – AP Nr. 29, aaO, mit Anmerkung vom Grunsky). Er hat sich dabei im wesentlichen von der Erwägung leiten lassen, daß ein Arbeitgeber nicht gezwungen werden könne, eine Karenzentschädigung zu zahlen, die er nur unter Bedingungen zugesagt habe. Diese Rechtsprechung ist vielfach auf Kritik gestoßen (vgl. die vorstehend zitierten Anmerkungen).

Seit seiner Entscheidung vom 19. Januar 1978 hat der Senat angenommen, daß der Arbeitgeber die bedingt versprochene Karenzentschädigung zahlen muß, wenn der Arbeitnehmer während der ganzen Karenzzeit Wettbewerb unterläßt (BAG 30, 23 = AP Nr. 36 zu § 74 HGB; Urteil vom 24. April 1980 – 3 AZR 1047/77 – AP Nr. 37, aaO; Urteil vom 14. Juli 1981 – 3 AZR 414/80 – AP Nr. 38, aaO, zu I 1c der Gründe; Urteil vom 5. Oktober 1982 – 3 AZR 451/80 – AP Nr. 42, aaO, zu II 2a der Gründe). In allen Fällen handelte es sich jedoch um Fallgestaltungen, in denen das Wettbewerbsverbot auflösend bedingt war, also entfallen sollte, wenn der Arbeitgeber darauf verzichtete. Derartige Verbote enthalten eine Umgehung von § 74 Abs. 2 HGB, da sie dem Arbeitgeber eine entschädigungslose Unterlassung von Wettbewerb verschaffen.

b) Die Rechtsgrundsätze über das bedingte Wettbewerbsverbot müssen auch dann Anwendung finden, wenn es sich um ein suspensiv bedingtes Wettbewerbsverbot handelt. Ob ein suspensiv oder resolutiv bedingtes Wettbewerbsverbot vereinbart wird, ist eine Frage der Vertragsgestaltung und im Ergebnis für den Arbeitgeber von gleicher Bedeutung. Ein vom Willen des Arbeitgebers abhängiges suspensiv bedingtes Wettbewerbsverbot belastet den Arbeitnehmer in gleicher Weise wie ein resolutiv bedingtes. Auch dann, wenn sich der Arbeitgeber vorbehält, das Wettbewerbsverbot noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verhängen, ist der Arbeitnehmer in unzulässiger Weise in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt. Während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses und sogar noch nach dessen Beendigung ist der Arbeitnehmer daran gehindert, sich im gesperrten Raum zu bewerben. Er müßte gewärtigen, daß der Arbeitgeber das vorbehaltene Recht ausübt und ein Wettbewerbsverbot festsetzt, wenn er eine diesem nicht genehme Stelle antritt. Bewirbt er sich dagegen ausschließlich im konkurrenzfreien Raum, muß er damit rechnen, daß der Arbeitgeber das Verbot nicht ausspricht und sich so der Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung entzieht. Dies gebietet es, zugunsten des Arbeitnehmers von der Unwirksamkeit des Vorbehalts auszugehen, jedoch den Anspruch auf Karenzentschädigung dennoch entstehen zu lassen, wenn sich der Arbeitnehmer zur Einhaltung des Verbotes entschließt.

3. Der Arbeitnehmer muß sich jedoch zumindest bei suspensiv bedingten Wettbewerbsverboten zu Beginn des Verbotszeitraumes darauf berufen, daß er sich für die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes entscheidet, wenn er Karenzentschädigung vom Arbeitgeber verlangen will.

a) Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung zu Wettbewerbsverboten, deren Fortbestand vom Willen des Arbeitgebers abhängig sein sollte, angenommen, daß sich der Arbeitnehmer schon bei Beginn der Karenzzeit entscheiden muß, ob er sich auf die Unverbindlichkeit der Wettbewerbsklausel berufen oder aber die Unterlassungspflicht erfüllen und dafür Karenzentschädigung verlangen will. Ihm steht ein Wahlrecht zu. Lediglich in Ausnahmefällen ist dem Arbeitnehmer das Recht eingeräumt worden, vorübergehend das Wettbewerbsverbot einzuhalten und Karenzentschädigung zu verlangen, wenn dessen teilweise Erfüllung für den Arbeitgeber von Interesse ist und die Parteien eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit des Verbots abwarten wollen (BAG 30, 23, 30 = AP Nr. 36 zu § 74 HGB, zu II 4 der Gründe; Urteil vom 24. April 1980 – 3 AZR 1047/77 – AP Nr. 37, aaO, zu 2 der Gründe; Urteil vom 14. Juli 1981 – 3 AZR 414/80 – AP Nr. 38, aaO, zu I 1c, 2 der Gründe; Urteil vom 5. Oktober 1982 – 3 AZR 451/80 – AP Nr. 42, aaO, zu II 2b der Gründe). Der Senat mußte bislang nicht entscheiden, wer das Risiko der ungeklärten Lage trägt, wenn die Parteien des Arbeitsvertrages keine Erklärungen abgeben und damit die nach dem Vertrag bestehende Unklarheit fortbestehen lassen.

b) Jedenfalls bei Wettbewerbsverboten, bei denen es dem Arbeitgeber vorbehalten ist, sie dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufzuerlegen, bedarf es zu Beginn des vorbehaltenen Verbotszeitraumes einer Erklärung des Arbeitnehmers, ob er trotz des Schweigens des Arbeitgebers sich als gebunden betrachten und Karenzentschädigung beanspruchen will oder ob er es vorzieht Konkurrenz zu treiben. Erst mit Ausübung des Wahlrechts durch den Arbeitnehmer werden die nachvertraglichen Wirkungen des Wettbewerbsverbots erzeugt. Der Arbeitnehmer bedarf zwar des Schutzes davor, daß die gesetzliche Entschädigungspflicht von vertraglichen Wettbewerbsverboten umgangen wird. Entscheidet er sich jedoch für die Einhaltung des bedingten Wettbewerbsverbotes, so bedarf er keiner Begünstigung, die über ein von vornherein wirksam vereinbartes Wettbewerbsverbot hinausginge.

c) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß der Kläger sich erst am 3. Januar 1984 für die Einhaltung des Wettbewerbsverbots entschieden hat. Dies war zehn Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Gegen diese Feststellung sind Verfahrensrügen nicht erhoben (§ 554 Abs. 3 Nr. 3b ZPO), so daß der Senat daran gebunden ist (§ 561 Abs. 2 ZPO). Soweit der Kläger zunächst behauptet hat, er habe den Beklagten bereits im März 1983 über die Einhaltung des Wettbewerbsverbots unterrichtet, hat er seine entsprechenden Beweisanträge fallengelassen.

4. Der Kläger konnte im Januar 1984 nicht mehr für den verbleibenden Teil des Verbotszeitraumes die Einhaltung des Wettbewerbsverbots und Zahlung der Karenzentschädigung wählen. Gründe, die eine Ausnahme von dem Rechtsgrundsatz rechtfertigten, daß sich der Arbeitnehmer zu Beginn der Verbotsfrist entscheiden muß, sind nicht ersichtlich. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber Teilleistungen zurückweisen (§ 266 BGB). Eine teilweise Erfüllung der Unterlassungspflicht war für die Beklagte und den Konkursverwalter wertlos, nachdem der Betrieb der Gemeinschuldnerin seit langem zum Erliegen gekommen war.

 

Unterschriften

Schaub, Griebeling, Dr. Steckhan, Kunze, Dr. Menzel

 

Fundstellen

Haufe-Index 872422

RdA 1986, 339

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