Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Ruhezeit. tariflicher Freizeitausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

  • Das Gebot, Arbeitnehmern nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zu gewähren (§ 12 Abs. 1 Satz 1 AZO), und das Verbot, eine regelmäßige werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden zu überschreiten (§ 3 AZO), erfordern eine Arbeitszeitgestaltung, die gewährleistet, daß der Arbeitnehmer während der arbeitsfrei zu haltenden Zeit nicht zur Arbeitsleistung herangezogen wird.
  • Dies kann auch dadurch geschehen, daß dem Arbeitnehmer ein tariflich vorgeschriebener Freizeitausgleich für geleistete Überzeitarbeit gewährt wird.
 

Normenkette

AZO §§ 3, 12; Lohntarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn (LTV) § 3 Abs. 2; Lohntarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn (LTV) § 15 Abs. 8; Lohntarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn (LTV) § 18 Abs. 1; Lohntarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn (LTV) § 18 Abs. 9; Lohntarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn (LTV) § 18 Abs. 10; BAT § 17 Abs. 1, 5; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Teilurteil vom 19.10.1989; Aktenzeichen 14 Sa 1045/87)

ArbG Hannover (Urteil vom 03.06.1987; Aktenzeichen 1 Ca 603/86)

 

Tenor

  • Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 19. Oktober 1989 – 14 Sa 1045/87 – aufgehoben.
  • Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 3. Juni 1987 – 1 Ca 603/86 – wird hinsichtlich des Zwischenfeststellungsantrags zurückgewiesen. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
  • Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Gewährung von Freizeitausgleich für Überzeitarbeit.

Der Kläger ist seit dem 1. November 1973 bei der Beklagten als Arbeiter im Bereich der Bahnmeisterei H… im Baudienst beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Lohntarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn (LTV) Anwendung.

Der Kläger hatte im Jahr 1984 eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden, die nach § 3 Abs. 2 LTV auf fünf Tage pro Woche (Montag bis Freitag) verteilt war und in der Zeit von 7.00 Uhr bis 15.30 Uhr geleistet wurde. Hinsichtlich des Freizeitausgleichs für Überzeitarbeit galten folgende tarifliche Bestimmungen:

§ 18

Überzeitarbeit, Freizeitausgleich, Überzeitzuschlag

  • Überzeitarbeit der in § 3 Abs. 2 genannten Arbeiter

    • 1. a) Bei den in § 3 Abs. 2 genannten Arbeitern ist Überzeitarbeit die Arbeit, die auf Anordnung über die nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 festgesetzte tägliche Arbeitszeit hinaus geleistet wird. Dabei werden Überschreitungen unter 10 Minuten nicht berücksichtigt.
  • Freizeitausgleich

    • Überzeitarbeit ist grundsätzlich durch Freizeit auszugleichen. Der Ausgleich ist durchzuführen

      • für Überzeitarbeit nach Abschnitt A – ausgenommen nach Abs. 1 Nr. 2 – nur bis zum Ablauf des folgenden Kalendermonats,
      • für Überzeitarbeit nach Abschnitt B sowie nach Abs. 1 Nr. 2 nur bis zum Ablauf der folgenden 3 Kalendermonate.
  • Überzeitzuschlag

    • Ein Überzeitzuschlag von 25 v.H. wird gezahlt

Für den Lohnanspruch bei Arbeitsausfall infolge einer vorübergehenden anderweitigen Arbeitseinteilung (sog. Hättelohn) war in § 15 Abs. 8 Nr. 1 LTV bestimmt:

§ 15

Lohnanspruch

(8) 1. Bleibt bei einem Arbeiter infolge einer vorübergehenden anderweitigen Arbeitseinteilung (z.B. wegen Verwendung als Ablöser oder Heranziehung zur Unfall-, Störungs- oder Schneebereitschaft bei der Dienststelle) die von ihm insgesamt erreichte Arbeitszeit hinter der festgesetzten wöchentlichen Arbeitszeit zurück, wird die hierdurch ausgefallene Arbeitszeit durch den Monatslohn abgegolten; dagegen erhält er für die ausgefallene Arbeitszeit die Zulagen und Zuschläge (ausgenommen Aufwandsentschädigungen, es sei denn, daß diese dem Arbeiter nach den hierfür geltenden besonderen Bestimmungen zustehen) fortgezahlt, die er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Ist die regelmäßige Arbeitszeit über einen längeren Zeitraum als eine Kalenderwoche ungleichmäßig verteilt, errechnet sich der mit Lohnausfallvergütung abzugeltende Arbeitszeitausfall aus dem Unterschied zwischen der regelmäßigen Arbeitszeit dieses längeren Zeitraums und der in diesem Zeitraum tatsächlich erreichten Arbeitszeit.

Auf der Grundlage dieser tariflichen Bestimmungen verfuhr die Beklagte bei der Anordnung von Überzeitarbeit und der Gewährung des Freizeitausgleichs wie folgt: Sofern die dienstlichen Bedürfnisse einen von der regelmäßigen Arbeitszeit abweichenden Personaleinsatz erforderten, wurden entsprechende Dienstpläne erstellt. Wurde dienstplanmäßig eine Nachtschicht vorgesehen, war der darauf folgende Tag stets dienstfrei. Die Anordnung von Arbeitszeiten über die festgesetzte tägliche Arbeitszeit hinaus oder die Anordnung von Nachtschichten erfolgte in dringenden, unvorhersehbaren Fällen auch ohne vorherige Aufstellung eines Dienstplans. Die Mitarbeiter der Bahnmeisterei wurden durch die Aushändigung eines Auftragszettels über die Lage und Dauer ihrer Arbeitszeit informiert. Die Lohnabrechnung erfolgte auf der Grundlage des Tagewerksbuches, in dem die geleisteten Arbeitsstunden verzeichnet wurden. Die Beklagte führte für jeden Arbeitnehmer ein sog. Freizeitausgleichskonto. Auf diesem Konto wurden Überzeitarbeitsstunden gutgeschrieben. Der nach § 18 Abs. 9 LTV vorgeschriebene Freizeitausgleich wurde von der Beklagten in der Weise gewährt, daß sie die im Anschluß an eine Nachtschicht ausfallenden Stunden der dienstplanmäßigen Tagschicht als Freizeitausgleich bewertete und vom Freizeitkonto abbuchte, sofern dieses ein Guthaben auswies. Arbeitnehmern, die kein Guthaben auf dem Freizeitausgleichskonto hatten, wurde der Monatslohn trotz der ausgefallenen dienstplanmäßigen Tagschicht nach § 15 Abs. 8 Nr. 1 Satz 1 LTV nicht gekürzt (sog. Hättelohn).

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der von der Beklagten durchgeführte Freizeitausgleich sei rechtlich nicht zulässig. Dies folge daraus, daß die Beklagte den Freizeitausgleich in Zeiten gewähre, in denen nach §§ 3, 12 AZO nicht gearbeitet werden dürfe. Nach § 12 Abs. 1 AZO sei nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden zu gewähren. Nach Ableistung einer Nachtschicht dürfe somit eine Heranziehung zur Arbeitsleistung nicht vorgenommen werden. Falle die Arbeitszeit infolge der gesetzlichen Regelung aus, könne die Beklagte in dieser Zeit keinen Freizeitausgleich gewähren. Im übrigen läge eine Ungleichbehandlung in bezug auf die Kollegen vor, die den Hättelohn erhielten, weil ihr Freizeitausgleichskonto kein Guthaben aufwies, das mit ausfallenden Schichten hätte verrechnet werden können.

Der Kläger hat zunächst beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm für 68 Arbeitsstunden Freizeitausgleich zu gewähren,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.280,10 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu bezahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie habe für die vom Kläger im Jahre 1984 geleisteten Überzeitarbeitsstunden in rechtlich zulässiger Weise Freizeitausgleich gewährt. Die Überzeitarbeitsstunden seien auf dem Freizeitausgleichskonto verbucht worden. Bei Anordnung einer Nachtschicht sei stets für die am folgenden Tag dienstplanmäßig vorgesehene Tagschicht Freizeitausgleich gewährt worden. Die Gewährung des Freizeitausgleichs sei auch in Ruhezeiten nach § 12 Abs. 1 AZO möglich. Die gesetzliche Arbeitszeitregelung verbiete nur die tatsächliche Arbeitsleistung während der Ruhezeit, nicht aber die Durchführung eines Freizeitausgleichs. Nach den tariflichen Bestimmungen sei die Gewährung von Freizeitausgleich nach Nachtschichten auch deshalb geboten, weil Überzeitarbeit ansonsten in zweifacher Weise ausgeglichen würde. Der Arbeiter hätte nämlich wegen der ausfallenden Tagschicht Anspruch auf Hättelohn nach § 15 Abs. 8 Nr. 1 LTV und könne außerdem an einem weiteren Tag Freizeitausgleich nach § 18 Abs. 9 LTV beanspruchen. Dies stehe mit dem Sinn und Zweck der tariflichen Bestimmungen nicht in Einklang.

Das Arbeitsgericht hat dem Kläger einen Betrag von 28,96 DM als Überzeitzuschlag zugesprochen und die Klage im übrigen abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben der Kläger Berufung und die Beklagte Anschlußberufung eingelegt. In der Berufungsinstanz hat der Kläger einen Zwischenfeststellungsantrag gestellt.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte dem Kläger an den Tagen und Zeiten keinen rechtswirksamen Freizeitausgleich gewähren konnte, an denen aufgrund arbeitsrechtlicher Vorschriften (§§ 12 und 3 AZO) nicht gearbeitet werden durfte und mithin auch keine vertragliche Arbeitspflicht des Klägers bestanden hat, von der er durch die Gewährung des Freizeitausgleichs seitens der Beklagten noch hätte freigestellt werden können.

Die Beklagte hat auch insoweit Klageabweisung beantragt.

Das Landesarbeitsgericht hat durch Teilurteil über den Zwischenfeststellungsantrag entschieden und festgestellt, daß ein Freizeitausgleich nach § 18 Abs. 9 LTV nicht für Zeiten gewährt werden kann, in denen aufgrund der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften der §§ 3, 12 AZO nicht gearbeitet werden darf. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage in bezug auf den Zwischenfeststellungsantrag. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Teilurteils und zur Klageabweisung in bezug auf den vom Kläger in der Berufungsinstanz gestellten Zwischenfeststellungsantrag. Die Beklagte kann Freizeitausgleich nach § 18 Abs. 9 LTV auch in Zeiten gewähren, in denen aufgrund der arbeitszeit-rechtlichen Vorschriften der §§ 3, 12 AZO nicht gearbeitet werden darf.

I. Die Zwischenfeststellungsklage ist nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Die Entscheidung über den Haupt- bzw. Hilfsantrag hängt davon ab, ob die Beklagte den Freizeitausgleich in rechtlich zulässiger Weise durchgeführt hat. Der Kläger konnte deshalb durch Erweiterung seiner Klage in der Berufungsinstanz dieses streitige Rechtsverhältnis nach § 256 Abs. 2 ZPO vorab zur gerichtlichen Entscheidung stellen.

Der Zwischenfeststellungsantrag ist auch hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger begehrt die Feststellung, daß die Beklagte den Freizeitausgleich nicht in Zeiten gewähren darf, in denen aufgrund arbeitszeitrechtlicher Vorschriften nicht gearbeitet werden darf. Die begehrte Feststellung bezieht sich damit auf alle denkbaren Fälle des Freizeitausgleichs für Überzeitarbeit, unabhängig davon, wie die Überzeitarbeit entstanden ist und zu welchem Zeitpunkt der Freizeitausgleich angeordnet wird.

II. Die Klage ist jedoch insoweit unbegründet.

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, Freizeitausgleich für Überzeitarbeit könne nach § 18 Abs. 9 LTV nur dadurch gewährt werden, daß der Arbeitnehmer von einer bestehenden Arbeitspflicht befreit werde. Überzeitarbeit sei nach den tariflichen Bestimmungen als vorweggenommene Arbeitsleistung anzusehen. Durch den Freizeitausgleich müsse demnach eine im Zeitpunkt seiner Festlegung bestehende Arbeitspflicht entfallen. Dies sei nicht möglich, wenn für eine dienstplanmäßige Schicht eine Arbeitspflicht schon deshalb nicht bestehe, weil die Schichtzeit in die Ruhezeit nach § 12 AZO falle oder vom Verbot einer mehr als achtstündigen werktäglichen Arbeitszeit nach § 3 AZO erfaßt werde. Von einer nicht bestehenden Arbeitspflicht könne nicht nochmals durch Gewährung von Freizeitausgleich befreit werden.

2. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts vermag der Senat nicht zu folgen. Für die begehrte Feststellung fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Weder die tariflichen noch die gesetzlichen Vorschriften stehen der Gewährung von Freizeitausgleich nach § 18 Abs. 9 LTV in Zeiten entgegen, in denen nach §§ 3, 12 AZO nicht gearbeitet werden darf.

a) Die Beklagte hat durch die Gewährung des Freizeitausgleichs nicht gegen tarifliche Bestimmungen verstoßen.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte Überzeit nach § 18 Abs. 1 LTV auf dem Freizeitausgleichskonto des Klägers vermerkt. Wurde in Abweichung von der festgesetzten regelmäßigen Arbeitszeit eine Nachtschicht geleistet, so wurde im Falle einer für den folgenden Tag dienstplanmäßig vorgesehenen Tagschicht für die Dauer dieser Schicht Freizeitausgleich gewährt und die entsprechende Stundenzahl vom Freizeitausgleichskonto abgebucht. Dieses wies im Jahre 1984 beim Kläger stets ein entsprechendes Guthaben aus.

Damit hat die Beklagte Freizeitausgleich im Sinne von § 18 Abs. 9 LTV gewährt. Nach den tariflichen Bestimmungen ist Überzeitarbeit im Sinne von § 18 Abs. 1 LTV grundsätzlich durch Freizeit in den in § 18 Abs. 9 Nr. 1 und 2 LTV genannten Zeiträumen auszugleichen. Daraus folgt, daß die Tarifvertragsparteien die Leistung von Überzeitarbeit und ihren alsbaldigen Ausgleich durch Freizeit grundsätzlich als Arbeitszeitverlegung im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit ansehen. Überzeitarbeit im Sinne von § 18 Abs. 1 LTV soll damit, wie bei der vergleichbaren Rechtslage in § 17 Abs. 1 und 5 BAT, in der Regel vorweggenommene Arbeitsleistung sein. Der Freizeitausgleich stellt sich dann als der zweite zur Arbeitszeitverlegung erforderliche Schritt dar (vgl. BAGE 49, 273, 277 = AP Nr. 13 zu § 17 BAT). Ausgleich von Überzeitarbeit durch Freizeit im Sinne der tariflichen Bestimmungen kann somit nur in Zeiten durchgeführt werden, in denen der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet ist. Wie bei jeder Arbeitszeitverlegung setzt die Gewährung von Freizeitausgleich voraus, daß während des Zeitraums, in dem die Freizeit gewährt werden soll, eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung besteht.

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war der Kläger während der Zeiten, in denen die Beklagte Freizeitausgleich gewährte, arbeitsvertraglich zur Arbeitsleistung verpflichtet. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers auf fünf Tage pro Woche verteilt. Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit war einschließlich der Pause festgesetzt auf die Zeit von 7.00 Uhr bis 15.30 Uhr. War die Ableistung einer Nachtschicht erforderlich, so wurde in Abweichung von dieser regelmäßigen Arbeitszeit ein Dienstplan erstellt oder die Nachtschicht ohne Dienstplanerstellung angeordnet. In diesen Fällen wurde der Kläger für eine dienstplanmäßig vorgesehene Tagschicht, die im Anschluß an die Nachtschicht zu leisten gewesen wäre, nicht eingeteilt. Die ausfallenden Arbeitsstunden wurden als Freizeitausgleich behandelt und von seinem Freizeitausgleichskonto abgebucht.

Dies war tarifrechtlich unbedenklich. Die Gewährung des Freizeitausgleichs über eine Verrechnung auf dem entsprechenden Konto wäre allenfalls dann unzulässig gewesen, wenn durch die Ansammlung von Überzeitarbeitsstunden auf dem Konto nicht mehr gewährleistet gewesen wäre, daß die für den Freizeitausgleich in § 18 Abs. 9 Nr. 1 und 2 LTV vorgesehenen Zeiträume eingehalten würden. Dafür ergeben sich aus dem Sachvortrag des Klägers aber keine Anhaltspunkte.

Der Kläger wurde von der dienstplanmäßig zu leistenden Tagschicht dadurch befreit, daß die Beklagte geleistete Überzeitarbeit mit den ausfallenden Arbeitsstunden verrechnete. Damit hat die Beklagte in tariflich zulässiger Form den Freizeitausgleich im Sinne von § 18 Abs. 9 LTV durchgeführt.

b) Die Gewährung des Freizeitausgleichs ist auch nicht nach den arbeitszeitrechtlichen Vorschriften der §§ 3, 12 AZO unzulässig.

Nach § 3 AZO darf die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit die Dauer von acht Stunden nicht überschreiten. Dem Arbeitnehmer ist nach § 12 Abs. 1 AZO nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden zu gewähren. Diesen gesetzlichen Vorschriften muß der Arbeitgeber bei der Vertragsgestaltung in bezug auf die Arbeitszeit Rechnung tragen (BAG Urteil vom 5. Juli 1976 – 5 AZR 264/75 – AP Nr. 10 zu § 12 AZO, zu I 1b der Gründe). Er darf den Arbeitnehmer grundsätzlich werktäglich nicht über acht Stunden hinaus beschäftigen und muß die Arbeitszeit so regeln, daß die im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers erforderliche Ruhezeit gesichert ist. Durch welche arbeitsvertragliche Gestaltung er insbesondere die Einhaltung der Ruhezeit erreicht, wird durch die gesetzliche Vorschrift des § 12 Abs. 1 AZO aber nicht vorgeschrieben. Arbeitszeitrechtlich maßgebend ist nur, daß der Zeitraum von 11 Stunden zwischen zwei Schichten arbeitsfrei bleibt (vgl. BAGE 10, 191 = AP Nr. 6 zu § 12 AZO). Die Einhaltung der Ruhezeit kann sich mithin aufgrund unterschiedlicher Formen der Freistellung von der Arbeitspflicht ergeben. Zeiten eines Urlaubs, arbeitsfreie Feiertage und sonstige Zeiten der Arbeitsbefreiung erfüllen regelmäßig auch die Voraussetzungen der Ruhezeit (Meisel/Hiersemann, AZO, 2. Aufl., § 2 Anm. 108). Ist einem Arbeitnehmer z.B. ein Urlaubstag gewährt worden und wird er in einer am Vortage beginnenden Nachtschicht eingesetzt, so wird die Urlaubserteilung nicht deshalb rechtsunwirksam, weil sie auch die Ruhezeit nach § 12 Abs. 1 AZO umfaßt. Die gesetzliche Vorschrift gebietet nur eine Arbeitszeitgestaltung, die gewährleistet, daß der Arbeitnehmer nach der Beendigung der täglichen Arbeitszeit mindestens während der folgenden 11 Stunden nicht zur Arbeitsleistung herangezogen wird. Sie schreibt aber nicht vor, auf welche Weise die Einhaltung der Ruhezeit erreicht wird. Dasselbe gilt für das Verbot der Überschreitung der täglichen Arbeitszeit in § 3 AZO.

Diese arbeitszeitrechtlichen Vorschriften hat die Beklagte nicht verletzt. Die Beklagte hat sowohl bei der Erstellung der Dienstpläne als auch bei der Anordnung von Nachtschichten ohne Dienstplanerstellung eine Arbeitseinteilung des Klägers für den nächsten Tag nicht vorgenommen. Damit hat sie den gesetzlichen Vorschriften der §§ 3 und 12 AZO genügt. Diesen läßt sich nicht entnehmen, daß die Beklagte gehindert war, die Stunden, an denen sie den Kläger an dem auf die Nachtschicht folgenden Tag nicht zur Arbeitsleistung heranzog, mit Überzeitarbeit zu verrechnen und auf diese Weise den Freizeitausgleich nach § 18 Abs. 9 LTV durchzuführen.

c) Die Beklagte hat durch diese Form des Freizeitausgleichs auch nicht den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Insoweit macht der Kläger geltend, daß er bei der Verrechnung seines Freizeitausgleichskontos mit den nach einer Nachtschicht ausfallenden Arbeitsstunden schlechtergestellt werde als Kollegen, die keine Überzeitarbeit geleistet und deshalb keinen Anspruch auf Freizeitausgleich hätten. Diesen werde nämlich für die wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeit ausfallenden Stunden der sog. Hättelohn nach § 15 Abs. 8 LTV gezahlt.

Die Gleichstellung von Arbeitnehmern mit einem Guthaben auf dem Freizeitausgleichskonto und Arbeitnehmern ohne ein solches in bezug auf die Höhe des Monatslohns beruht nicht auf einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes hinsichtlich der Gewährung des Freizeitausgleichs, sondern auf den tariflichen Voraussetzungen für den Anspruch auf den sog. Hättelohn. Diese sehen vor, daß der Monatslohn in voller Höhe auch dann gezahlt wird, wenn bei einem Arbeiter infolge einer vorübergehenden anderweitigen Arbeitseinteilung die von ihm insgesamt erreichte Arbeitszeit hinter der festgesetzten wöchentlichen Arbeitszeit zurückbleibt. Dabei erfassen die Tarifvertragsparteien alle Fälle, in denen tatsächlich geleistete Arbeit die festgesetzte Arbeitszeit unterschreitet und differenzieren auch nicht danach, ob die ausfallende Arbeitszeit mit einem Freizeitausgleichsguthaben verrechnet werden kann oder nicht. Dadurch können zwar Arbeitnehmer begünstigt werden, die über kein Freizeitausgleichsguthaben verfügen. Der Kläger kann daraus aber nicht den Anspruch herleiten, ihm den tariflich vorgesehenen Freizeitausgleich nur in Zeiten zu gewähren, in denen ihm kein Anspruch auf Hättelohn zustünde. Denn Überzeitarbeit ist nach dem Tarifvertrag grundsätzlich durch Freizeit auszugleichen. Soweit Arbeitnehmer ohne Freizeitausgleichsguthaben für die Zeit, in der dem Kläger Freizeitausgleich gewährt wird, den sog. Hättelohn beziehen, geschieht dies, ohne daß das Gesetz (§ 12 Abs. 1 Satz 1 AZO) dazu zwingt (BAG Urteil vom 5. Juli 1976 – 5 AZR 264/75 – AP Nr. 10 zu § 12 AZO). Daraus läßt sich jedoch nicht schließen, daß die Beklagte gehindert wäre, den gesetzlich nicht verbotenen tariflichen Freizeitausgleich wie geschehen durchzuführen.

III. Das Landesarbeitsgericht wird im Schlußurteil auch über die in der Revisionsinstanz entstandenen Kosten mitzuentscheiden haben.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Jobs, Dr. Freitag, Ramdohr, Carl

 

Fundstellen

BAGE, 339

BB 1992, 1354

AiB 2011, 765

NZA 1992, 891

RdA 1992, 224

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