Entscheidungsstichwort (Thema)

Telefondatenerfassung bei einem angestellten Psychologen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der in einer Beratungsstelle für Erwachsene, Kinder und Jugendliche eines Landkreises tätige Psychologe mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlußprüfung ist dem Landkreis als Arbeitgeber gegenüber nicht berechtigt und verpflichtet, Auskunft darüber zu geben, mit welchen von ihm zu betreuenden Personen er ein Telefongespräch geführt hat.

2. Der Arbeitgeber darf sich diese Kenntnis nicht dadurch verschaffen, daß er bei der automatischen Erfassung der vom Psychologen geführten dienstlichen Telefongespräche mit zu betreuenden Personen die Zielnummer dieses Telefongesprächs erfaßt. Durch die Erfassung der Zielnummer ist in der Regel der Anschlußinhaber entweder als unmittelbarer Gesprächspartner oder doch als eine Person bestimmbar, die zu dem Gesprächspartner in einem nahen Verhältnis steht.

3. Die Tatsache, daß der Anschlußinhaber Gesprächspartner eines Gesprächs mit einem Psychologen war oder daß eine zu ihm in naher Beziehung stehende dritte Person dieser Gesprächspartner war, ist ein vom Psychologen zu wahrendes Geheimnis des Anschlußinhabers, von dem sich auch der Arbeitgeber durch die Erfassung der Zielnummer keine Kenntnis verschaffen darf.

 

Normenkette

BDSG § 23; DSG ND § 3; StGB § 203; PersVG ND § 75; DSG ND § 7 Abs. 2, § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 15.02.1985; Aktenzeichen 9 Sa 114/83)

ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 14.04.1983; Aktenzeichen 4 Ca 380/82)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Berechtigung des beklagten Landkreises zur Telefondatenerfassung und -verarbeitung.

Der beklagte Landkreis unterhält in eigener Trägerschaft eine Beratungsstelle für Erwachsene, Kinder und Jugendliche (BEKJ, im folgenden nur Beratungsstelle). Zu den betreuten Personen gehören auch Drogensüchtige und Suizidgefährdete. Die Aufgabe der Beratungsstelle umfaßt Diagnostik, Beratung und Therapie.

Der Kläger wird seit 1978 in dieser Einrichtung als Berater beschäftigt. Er ist Berufspsychologe mit der staatlich anerkannten wissenschaftlichen Abschlußprüfung "Diplom-Psychologe".

Der beklagte Landkreis führte zum 19. April 1982 nach vorheriger Unterrichtung des Personalrats eine zentrale Telefondatenerfassung und -auswertung über den Gebührencomputer 301 der Firma Siemens ein. Im Rahmen dieser Telefondatenverarbeitung werden für jedes ausgehende Gespräch die folgenden Daten jeder amtsberechtigten Nebenstelle des Landkreises automatisch erfaßt und elektronisch gespeichert:

Organisationseinheit

Nebenstellennummer

Datum und Uhrzeit

Telefonnummer des Gesprächspartners

Anzahl der Gebühreneinheiten und DM-Betrag.

Vor der Einführung dieses Systems waren von den rd. 200 Bediensteten der Landkreisverwaltung nur 20 bis 25 amtsberechtigt. Die Inhaber von Diensttelefonen ohne Amtsberechtigung mußten sich durch den Telefonisten der hausinternen Vermittlungsstelle den Anschluß an das Fernsprechnetz vermitteln lassen, wobei zugleich die Telefonnummer des externen Gesprächsteilnehmers und die anfallenden Gebühren schriftlich festgehalten wurden. Der Beratungsstelle waren zwei amtsberechtigte Nebenstellen für das Ortsnetz und eine amtsberechtigte Nebenstelle für das gesamte Fernsprechnetz der Deutschen Bundespost für das Selbstwählverfahren zugeteilt, so daß die Berater ohne Zwischenschaltung der Vermittlung betreute Personen anrufen konnten.

Mit Inbetriebnahme der neuen Telefonanlage erhielten alle Bediensteten die Möglichkeit, von der ihnen zugeteilten Nebenstelle ohne Zwischenschaltung der Vermittlung Teilnehmer aus dem gesamten Fernsprechnetz der Deutschen Bundespost anzurufen. Monatlich einmal werden die bei diesen Anrufen aufgezeichneten Telefondaten aus dem Speicher des Gebührencomputers abgerufen. Sie werden zu diesem Zweck in Form von Listen, geordnet nach den Nebenstellennummern, ausgedruckt. Zwei dienstlich zur besonderen Verschwiegenheit verpflichtete Mitarbeiter des Beklagten aus dem Sachgebiet "zentrale Dienste" werten diese Listen aus. In einem Aktenvermerk des Landkreises vom 13. August 1981 ist dazu festgelegt:

"Unter "Auswertung" ist in diesem Sinne vorrangig zu

verstehen:

a) Überschreitet die Gebührenhöhe eine festgelegte

Grenze?

b) Ergeben sich Anhaltspunkte dafür, daß geführte

Privatgespräche nicht als solche deklariert

worden sind?

In diesen Fällen wird regelmäßig - wie bisher - eine

Stellungnahme anzufordern sein. Nur in wenigen Fällen

wird sich die Notwendigkeit ergeben, auch den Fern-

sprechteilnehmer zu ermitteln.

In bezug auf die von der BEKJ geführten Telefongespräche

gilt vorstehend Gesagtes grundsätzlich auch. Um dem be-

sonderen Geheimnisschutz der BEKJ-Daten Rechnung zu tragen,

soll von einer Ermittlung der Fernsprechteilnehmer abge-

sehen werden."

Die festgelegte Grenze, bei der zur Zeit die Ermittlung der Auswerter beginnt, beträgt 6,-- DM.

Mit der am 3. August 1982 beim Arbeitsgericht eingereichten Klageschrift hat der Kläger geltend gemacht, er werde in der Ausübung seines Berufes als Diplom-Psychologe sowie als Berater in Ehe-, Erziehungs- und Jugendfragen beeinträchtigt. Ihm werde durch das eingeführte System der Telefondatenverarbeitung zugemutet, die ihm in seiner beruflichen Eigenschaft anvertrauten Telefonnummern betreuter Personen dem Landkreis mitzuteilen und so ein Privatgeheimnis im Sinne des § 203 StGB zu offenbaren. Unerheblich sei, daß der Name des Anschlußinhabers nicht immer mit dem der tatsächlich betreuten Person übereinstimme; nach dem Konzept der Beratungsstelle sei nach Möglichkeit die gesamte Familie in die Therapie einzubeziehen. Der zur Rufnummer gehörende Familienname sei unschwer festzustellen. Die Telefondatenauswerter des Beklagten seien zur Ermittlung des Namens u. a. durch Kontrollanrufe gehalten. Eine größere Anzahl von zugehörigen Namen sei den Auswertern persönlich bekannt. Das gelte insbesondere für Personen aus der Kleinstadt G und dem Kreis der rd. 200 Bediensteten des Beklagten. Wegen der Gefährdung ihrer Anonymität seien viele betreute Personen insbesondere nach den Veröffentlichungen der örtlichen Presse über die Praxis der Telefondatenverarbeitung des beklagten Landkreises nicht damit einverstanden, daß der Kläger sie vom Diensttelefon aus anrufe. Solche Anrufe von seiten des Beraters seien aber in vielen Fällen unerläßlich. Auf Dauer könne ein Berater diese telefonischen Kontakte nicht während der Dienstpausen von öffentlichen Fernsprechzellen oder von seinem Privatanschluß führen.

Der Kläger hat weiter die Ansicht vertreten, die Erfassung der Zielnummer verstoße gegen Art. 10 Abs. 1 GG. Schließlich fehle für die von dem beklagten Landkreis betriebene Telefondatenverarbeitung die nach § 75 Abs. 1 Ziff. 12 Nds.PersVG erforderliche Zustimmung des Personalrats.

Der Kläger hat vor dem Landesarbeitsgericht zuletzt beantragt

festzustellen, daß der beklagte Landkreis nicht

berechtigt ist, die ausgehenden dienstlichen

Telefongespräche des Klägers zu registrieren

und auszuwerten.

Der beklagte Landkreis hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat die Telefondatenerfassung für zulässig gehalten. Anlaß für die Installierung der neuen Anlage sei die Forderung der Deutschen Bundespost gewesen, zusätzliche Amtsleitungen in Anspruch zu nehmen. Aus Personalersparnisgründen habe er dann eine technische Lösung zur Bewältigung des vermehrten Arbeitsanfalls bei der Telefonvermittlung gewählt, die zudem neben der Personalersparnis auch das ursprüngliche Gebührenaufkommen auf die Hälfte reduziert habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im wesentlichen begründet. Der beklagte Landkreis ist nicht berechtigt, bei den von den Nebenstellen der Beratungsstelle ausgehenden dienstlichen Telefongesprächen die vollständige Rufnummer des Gesprächspartners zu erfassen, soweit der Kläger als Berufspsychologe betreute Personen anruft.

I. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage u. a. mit der Begründung zurückgewiesen, auf eine Verletzung etwaiger Mitbestimmungsrechte des Personalrats könne sich der Kläger nicht berufen. Die Speicherung der Telefondaten sei nach § 23 BDSG zulässig, da sie sich im Rahmen der Zweckbestimmung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und dem beklagten Landkreis halte und der Wahrung berechtigter Interessen des Landkreises an einer wirksamen Kontrolle der sparsamen Nutzung der Telefonanlage diene. Mit dieser Begründung hat das Landesarbeitsgericht zumindest die Zulässigkeitsgrenzen einer Datenspeicherung nach § 23 BDSG verkannt. Schon das nötigt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgerichts bedarf es nicht. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

II. Der Feststellungsantrag ist entgegen der Ansicht des beklagten Landkreises zulässig.

1. Der Antrag ist ausreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, um im Falle des Obsiegens den Umfang der Rechtskraft zu kennzeichnen. Der Antrag des Klägers bedarf allerdings der Auslegung, wie das Vorbringen des Klägers zur Begründung seines Antrages ergibt. Der Kläger wehrt sich allein dagegen, daß von ihm in seiner Eigenschaft als Berater geführte Telefongespräche mit zu betreuenden Personen in einer Weise erfaßt und aufgezeichnet werden, daß festgestellt werden kann, mit wem das Gespräch geführt worden ist. Darüber, ob der beklagte Landkreis zu einer solchen Erfassung und Aufzeichnung der von ihm geführten dienstlichen Telefongespräche berechtigt ist, begehrt der Kläger eine Entscheidung des Gerichts.

2. Der so zu verstehende Feststellungsantrag ist nach § 256 Abs. 1 ZP0 zulässig. Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Rechtsverhältnis, nämlich die Berechtigung des beklagten Landkreises gegenüber dem Kläger zur Telefondatenerfassung in der vom Kläger beanstandeten Weise. Der beklagte Landkreis nimmt dieses Recht für sich in Anspruch und verfährt trotz der vom Kläger geltend gemachten Bedenken entsprechend.

Der Kläger ist auch nicht aus Gründen der Prozeßökonomie gehalten, sein Begehren mit einer Klage auf Löschung bereits erfaßter Telefondaten und auf künftige Unterlassung der Telefondatenerfassung zu verfolgen. Der beklagte Landkreis ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, von der erwartet werden kann, daß sie sich einer gerichtlichen Feststellung entsprechend verhält, ohne daß es einer Zwangsvollstreckung bedarf (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 8. Mai 1984 - 3 AZR 68/82 - AP Nr. 20 zu § 7 BetrAVG, zu I der Gründe).

III. Die Parteien haben in den Vorinstanzen darüber gestritten, ob die Telefondatenerfassung gegenüber dem Kläger schon deswegen unzulässig ist, weil der beklagte Landkreis Mitbestimmungsrechte des Personalrats bei der Einführung der Telefondatenerfassung nicht beachtet hat. Der Senat kann diese Frage nicht abschließend entscheiden.

1. Zur Zeit der Einführung der Telefondatenerfassung galt das niedersächsische Personalvertretungsgesetz vom 4. März 1961 in der Fassung des 4. Gesetzes zur Änderung des Personalvertretungsgesetzes vom 20. März 1972. Dieses bestimmte in § 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12, daß der Personalrat mitbestimmt bei der Regelung der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Bediensteten. Ob diese Vorschrift ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Einführung einer Telefondatenerfassung begründete, erscheint fraglich. Eine Telefondatenerfassungsanlage ist eine technische Einrichtung, die dazu bestimmt ist, das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern zu überwachen (Beschluß des Senats vom 27. Mai 1986 - 1 ABR 48/84 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Einführung einer solchen Überwachungseinrichtung unterliegt im Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Eine dieser Bestimmung des Betriebsverfassungsgesetzes entsprechende Vorschrift enthielt das niedersächsische Personalvertretungsgesetz in seiner Fassung vom 20. März 1972 nicht. § 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 PersVG 1972 entsprach vielmehr § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG 1972 und der entsprechenden früheren Regelung in § 56 Abs. 1 Buchst. f) BetrVG 1952. Für diese letztgenannte Vorschrift war umstritten, ob sie dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung technischer Kontrolleinrichtungen gewährte. Bei dieser Rechtslage ist nicht auszuschließen, daß § 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 PersVG 1972 ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Einführung der Telefondatenerfassung begründete. Einer abschließenden Entscheidung dieser Frage bedarf es nicht.

2. Im Laufe des Revisionsverfahrens ist das niedersächsische Personalvertretungsgesetz durch das 6. Gesetz zur Änderung des Personalvertretungsgesetzes vom 10. Mai 1985 um die Vorschrift des § 80 a PersVG 1985 erweitert worden. Nach dieser Vorschrift hat der Personalrat, wenn zur Vorbereitung oder zum Vollzug personalrechtlicher Maßnahmen automatisierte Verfahren eingesetzt werden, mitzubestimmen bei der Festlegung der zu speichernden personenbezogenen Daten und der für sie geplanten Nutzungen. Diese inzwischen eingetretene Rechtsänderung hat das Revisionsgericht bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Es hat seine Entscheidung auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechts zu treffen (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 11. September 1974 - 4 AZR 560/73 - AP Nr. 5 zu § 44 BAT, zu IV 4 der Gründe; BGHZ 9, 101, 103).

Es spricht viel dafür, daß § 80 a PersVG 1985 ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Einführung einer Telefondatenerfassung begründet. Telefondaten sind personenbezogene Daten der Arbeitnehmer (Beschluß des Senats vom 27. Mai 1986, aa0). Die Erfassung erfolgt u. a. zur Kontrolle des Telefonverhaltens der Arbeitnehmer und damit zur Vorbereitung personalrechtlicher Maßnahmen für den Fall einer mißbräuchlichen oder nicht ordnungsgemäßen Nutzung der Telefonanlage. Einer abschließenden Entscheidung auch dieser Frage bedarf es nicht. Die Parteien haben darüber, ob der Personalrat der Telefondatenerfassung nach Inkrafttreten der Vorschrift in § 80 a PersVG 1985 zugestimmt hat, keine Angaben machen können. Der Senat muß daher zugunsten des beklagten Landkreises bei seiner Entscheidung davon ausgehen, daß dieser etwaige Mitbestimmungsrechte des Personalrats nach § 80 a PersVG 1985 beachtet hat.

3. Aus der somit unterstellten Zustimmung des Personalrats zur Telefondatenerfassung folgt jedoch nicht, daß diese dem Kläger gegenüber zulässig ist. In § 3 Satz 1 des niedersächsischen Datenschutzgesetzes (im folgenden Nds.DSG) ist eine Verarbeitung personenbezogener Daten zulässig, wenn sie durch das Datenschutzgesetz selbst oder eine andere Rechtsvorschrift erlaubt ist. Eine solche andere Rechtsvorschrift kann auch eine Betriebsvereinbarung sein (Beschluß des Senats vom 27. Mai 1986, aa0). Für eine zwischen Dienststelle und Personalrat abgeschlossene Dienstvereinbarung kann nichts anderes gelten. Von einer solchen, die Telefondatenerfassung erlaubenden Dienstvereinbarung kann jedoch auch dann nicht ausgegangen werden, wenn der beklagte Landkreis Mitbestimmungsrechte des Personalrats bei der Einführung der Telefondatenerfassung beachtet hat. Dienstvereinbarungen sind nach § 81 PersVG 1985 nur über die in § 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 PersVG 1985 genannten Angelegenheiten zulässig, nicht aber für eine Angelegenheit im Sinne von § 80 a oder § 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 PersVG 1985. Damit scheidet eine Dienstvereinbarung als Vorschrift, die die Telefondatenerfassung gegenüber dem Kläger unter Umständen zulässig machen könnte, aus. Die Zulässigkeit der umstrittenen Telefondatenerfassung gegenüber dem Kläger kann sich damit nur aus den das Arbeitsverhältnis des Klägers beherrschenden Normen des Individualrechts oder dem niedersächsischen Datenschutzgesetz selbst ergeben.

IV. Nach diesen Vorschriften ist der beklagte Landkreis dem Kläger gegenüber nicht berechtigt, bei den vom Kläger in seiner Eigenschaft als Berater geführten Dienstgesprächen auch die Zielnummer zu erfassen.

1. a) Der Kläger ist Psychologe mit staatlich anerkannter Abschlußprüfung als Diplom-Psychologe. Er ist als solcher in der Beratungsstelle des beklagten Landkreises beschäftigt. Seine arbeitsvertragliche Aufgabe ist die psychologische Beratung und Behandlung von Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen, die eine solche Beratung oder Behandlung wünschen oder bei denen die Behandlung aus anderen Gründen erfolgen muß. Zu diesen Personen gehören gefährdete Personen wie Drogensüchtige und Suizidgefährdete. Eine fachgerechte psychologische Beratung und Behandlung, die Aussicht auf Erfolg haben soll, setzt ein Vertrauensverhältnis zwischen der zu betreuenden Person und dem Psychologen voraus, dessen Entstehen wesentlich dadurch bedingt ist, daß die Beratung und Behandlung vertraulich bleibt, d. h. anderen Personen nicht bekannt wird. Davon, daß die psychologische Beratung und Behandlung von Personen eine solche Vertraulichkeit erfordert und daß die behandelte Person gegen den Psychologen einen Anspruch auf Wahrung dieser Vertraulichkeit hat, geht § 203 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB aus. Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer als Berufspsychologe mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlußprüfung oder als Ehe-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie Berater für Suchtfragen in einer öffentlichen oder öffentlich anerkannten Beratungsstelle ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis unbefugt offenbart. Schon die Tatsache, daß jemand die Beratung oder Behandlung des Klägers in seiner Eigenschaft als Berufspsychologe in Anspruch nimmt, ist ein solches Geheimnis im Sinne von § 203 StGB und nicht erst das Problem oder die Krankheit, die Anlaß für die Inanspruchnahme des Berufspsychologen ist.

Dieses Geheimnis zu wahren, ist der angestellte Berufspsychologe auch gegenüber seinem Arbeitgeber verpflichtet (OVG Lüneburg, NJW 1975, 2263; Lenckner in Schönke/Schröder, StGB, 22. Aufl., § 203 Rz 45 und 53; Thomas Scholz, NJW 1981, 1987, 1990; Kühne, NJW 1977, 1478, 1480). Davon ist auch der beklagte Landkreis bis zur Einführung der Telefondatenerfassung ausgegangen, als er für die Beratungsstelle amtsberechtigte Nebenstellen zur Verfügung stellte, so daß für den Kläger die Notwendigkeit entfiel, ein Dienstgespräch unter Angabe der Zielnummer bei der Vermittlung anzumelden. Ist damit der angestellte Berufspsychologe auch seinem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet, das ihm anvertraute fremde Geheimnis, nämlich die Beratung oder Behandlung einer anderen Person, zu wahren, so ist auf der anderen Seite der Arbeitgeber kraft seiner Fürsorgepflicht gegenüber dem angestellten Berufspsychologen gehalten, alles zu unterlassen, was diesen in einen Konflikt mit seiner Geheimhaltungspflicht bringen kann. Er darf vom angestellten Diplom-Psychologen nicht Auskunft darüber verlangen, wer ihn in seiner Eigenschaft als Berater in Anspruch genommen hat. Er muß die Arbeitsbedingungen so gestalten, daß der angestellte Diplom-Psychologe seiner Geheimhaltungspflicht auch nachkommen kann und bei Erfüllung seiner Arbeitspflicht mit den ihm zur Verfügung gestellten Arbeitsmitteln nicht notwendig und unvermeidbar von ihm zu wahrende fremde Geheimnisse offenbart.

b) Dadurch, daß der beklagte Landkreis bei den vom Kläger als Diplom-Psychologen geführten Dienstgesprächen mit zu betreuenden Personen die Zielnummer erfaßt, verschafft er sich Kenntnis von einem fremden Geheimnis, das der Kläger zu wahren verpflichtet ist. Bei Kenntnis der Zielnummer ist der Inhaber des durch diese Zielnummer ausgewiesenen Telefonanschlusses bestimmbar. Der Landkreis geht selbst davon aus, daß von den Auswertern der Fernsprechteilnehmer, jedenfalls aber der Anschlußinhaber eines bestimmten Telefongespräches ermittelt werden kann. Auf welche Weise dies geschieht, ist gleichgültig. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, daß die Auswerter bei Telefongesprächen der Beratungsstelle von einer Ermittlung des Gesprächsteilnehmers absehen sollen. Diese Weisung ist einmal jederzeit abänderbar, zum anderen kommt es allein darauf an, ob über die Zielnummer der Anschlußinhaber ermittelt werden kann.

Über die angewählte Zielnummer kann nur der Anschlußinhaber ermittelt werden. Dieser muß nicht notwendig mit derjenigen Person identisch sein, die die Beratung oder Behandlung des Klägers als Diplom-Psychologe in Anspruch genommen hat. Sind Anschlußinhaber und Gesprächspartner des Klägers nicht identisch, so wird durch das Bekanntwerden der Zielnummer noch kein Geheimnis des Gesprächspartners offenbar. Daß gerade mit ihm telefoniert worden ist, ist aus der Kenntnis des Anschlußinhabers nicht herzuleiten. Darauf kommt es jedoch nicht an. Ruft der Kläger als Diplom- Psychologe eine zu betreuende Person unter einer ihm bekannten Telefonnummer an, wird es sich bei dieser Telefonnummer regelmäßig, jedenfalls in einer Vielzahl der Fälle, um die Telefonnummer eines privaten Anschlußinhabers handeln. Zwischen dem Gesprächspartner und dem Anschlußinhaber müssen Beziehungen bestehen, die den Gesprächspartner berechtigen, die Telefonnummer des Anschlußinhabers anzugeben und diesen Anschluß für ein Gespräch mit dem Kläger zu nutzen. Bei diesen Beziehungen wird es sich vielfach um familiäre, zumindest aber um freundschaftliche Beziehungen handeln. Jedenfalls in einer Vielzahl von Fällen läßt daher die über die Zielnummer vermittelte Kenntnis des Anschlußinhabers zumindest den Schluß zu, daß - wenn schon nicht der Anschlußinhaber selbst, so doch - ein Familienmitglied oder Verwandter des Anschlußinhabers vom Kläger in seiner Eigenschaft als Berufspsychologe angerufen worden ist. Die Tatsache aber, daß ein Familienmitglied oder Verwandter des Anschlußinhabers psychologische Beratung oder Betreuung durch den Kläger erfahren hat, ist ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis auch des Anschlußinhabers selbst. Auch dieses Geheimnis zu offenbaren, ist dem Kläger verwehrt. Der beklagte Landkreis darf vom Kläger nicht die Offenbarung dieses Geheimnisses verlangen.

Wenn die Telefonanlage des beklagten Landkreises die Zielnummer des vom Kläger geführten Telefongesprächs schon in dem Moment erfaßt, in dem der Kläger die Nummer anwählt und das Gespräch zustande kommt, so führt diese Ausgestaltung der Telefonanlage dazu, daß der Kläger notgedrungen bei von ihm geführten Gesprächen mit zu betreuenden Personen ein fremdes Geheimnis, das zu wahren er verpflichtet ist, offenbart. Unabhängig davon, ob die Führung eines solchen Telefongesprächs in Kenntnis der Tatsache, daß die Zielnummer erfaßt und damit ein fremdes Geheimnis bekannt wird, schon ein strafbares Offenbaren eines fremden Geheimnisses im Sinne von § 203 StGB ist, verletzt der Kläger damit das in ihn gesetzte Vertrauen der betreuten Person, daß dieser über das geführte Telefongespräch Dritten keine Kenntnis gibt. Unter diesen Umständen kann der Kläger nur wählen zwischen der Möglichkeit, das Telefongespräch zu führen, davon aber dem beklagten Landkreis Kenntnis zu geben, oder das Telefongespräch zu unterlassen, wenn er nicht auf öffentliche Fernsprechzellen oder seinen Privatapparat ausweichen will.

c) Der beklagte Landkreis kann vom Kläger auch nicht verlangen, daß er solche Telefongespräche mit zu betreuenden Personen dann unterläßt, wenn deren Registrierung durch die Telefonanlage von diesen nicht gestattet wird. Soweit solche Gespräche aus der Sicht des beratenden Psychologen zur Erreichung des Beratungsziels oder Behandlungserfolgs erforderlich sind, kann der beklagte Landkreis dem Kläger diese Gespräche nicht untersagen oder letztlich nicht dadurch unmöglich machen, daß sie durch die automatische Erfassung der Zielnummer dieses Telefongesprächs den Kläger zwingt, ein fremdes Geheimnis im dargelegten Sinne zu offenbaren. Daß die Auswerter der Telefongespräche ihrerseits zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, ändert nichts daran, daß vom Kläger mit dem Telefongespräch schon ein fremdes Geheimnis offenbart wird (vgl. Lenckner in Schönke/Schröder, aa0, § 203 Rz 19; Dreher/Tröndle, StGB, 43. Aufl., § 203 Rz 26).

Der beklagte Landkreis ist daher schon aufgrund des Arbeitsvertrages dem Kläger gegenüber verpflichtet, die Erfassung der Zielnummer bei solchen Dienstgesprächen zu unterlassen, die der Kläger als Diplom-Psychologe mit von ihm zu beratenden oder zu behandelnden Personen führt.

2. Vorschriften des niedersächsischen Datenschutzgesetzes machen die Speicherung der Zielnummer dieser Telefongespräche des Klägers nicht zulässig.

a) Nach § 7 Abs. 2 Nds.DSG richtet sich die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten der Arbeitnehmer der in § 7 Abs. 1 genannten Körperschaften, Behörden und Stellen nach den Vorschriften der §§ 23 bis 27 des Bundesdatenschutzgesetzes.

Die Erfassung und Speicherung der Daten der vom Kläger geführten Telefongespräche ist eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne des Datenschutzgesetzes. Sie besagen, daß der Kläger als Inhaber einer bestimmten Nebenstelle zu einer bestimmten Zeit mit einem bestimmten Anschluß ein Telefongespräch von bestimmter Länge geführt hat. Das aber ist eine Einzelangabe über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten natürlichen Person.

Eine solche Verarbeitung personenbezogener Daten ist nach § 23 BDSG zulässig im Rahmen der Zweckbestimmung eines Vertragsverhältnisses, hier im Rahmen der Zweckbestimmung des Arbeitsverhältnisses des Klägers.

b) Die Verarbeitung der Telefondaten dient der Kontrolle des Telefonverhaltens der Arbeitnehmer. Mit ihrer Hilfe soll festgestellt werden, ob Arbeitnehmer Dienstgespräche nicht über eine zulässige Grenze hinaus ausdehnen und ob diese ihre Privatgespräche auch als solche deklarieren. Eine solche Kontrolle des Arbeitsverhaltens und der ordnungsgemäßen Nutzung der Telefonanlage für Privatgespräche wird durch den Zweck des Arbeitsverhältnisses und des durch die Gestattung von Privatgesprächen begründeten Rechtsverhältnisses grundsätzlich gerechtfertigt. Art und Weise der Arbeitsleistung bestimmt der Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts. Er ist berechtigt, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu überwachen und davon Kenntnis zu nehmen, in welcher Weise der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt. Eine dabei erfolgende Verarbeitung personenbezogener Daten der Arbeitnehmer hält sich daher grundsätzlich im Rahmen der Zweckbestimmung des Arbeitsverhältnisses. Das gilt jedoch insoweit nicht, als dem Arbeitgeber eine Kontrolle der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers aufgrund der besonderen Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses nicht gestattet ist. Es kann - wie oben dargelegt - der beklagte Landkreis die Arbeit des Klägers nicht so weit kontrollieren und überwachen, daß ihm dadurch ein vom Kläger zu wahrendes Geheimnis einer dritten Person bekannt wird. Die zum Zwecke einer solchen unzulässigen Kontrolle der Arbeitsleistung erfolgende Verarbeitung personenbezogener Daten des Klägers hält sich nicht mehr im Rahmen der Zweckbestimmung des Arbeitsverhältnisses und ist daher nicht nach § 23 Satz 1 1. Alternative BDSG zulässig.

c) Auch berechtigte Interessen des beklagten Landkreises außerhalb des mit dem Kläger bestehenden Vertragsverhältnisses machen die Erfassung und Speicherung der vom Kläger bei Dienstgesprächen angerufenen Zielnummer nicht zulässig. Zwar hat der beklagte Landkreis ein berechtigtes Interesse daran, die Ausgaben für Telefongespräche seiner Bediensteten dadurch zu senken, daß er diese aufzeichnet und überwacht, und auch daran, daß Privatgespräche als solche deklariert und damit auch bezahlt werden. Dieses Interesse berechtigt aber den beklagten Landkreis nicht, im Rahmen der zu diesem Zweck erfolgenden Telefondatenerfassung sich Kenntnisse von Umständen zu verschaffen, die ihm der Kläger nicht offenbaren darf und auf deren Mitteilung durch den Kläger er keinen Anspruch hat. Die Kenntnis solcher Umstände verschafft sich aber der beklagte Landkreis, wenn er bei den vom Kläger geführten dienstlichen Telefongesprächen mit zu betreuenden Personen die Zielnummer erfaßt. Fehlt es damit schon an einem berechtigten Interesse des beklagten Landkreises an der Speicherung dieser Zielnummer, so kann dahingestellt bleiben, ob dadurch nicht auch schutzwürdige Belange des Klägers und des jeweiligen Anschlußinhabers beeinträchtigt werden.

3. Nach allem ist der beklagte Landkreis nicht berechtigt, bei den vom Kläger geführten Telefongesprächen die vollständige Zielnummer zu erfassen, soweit der Kläger in seiner Eigenschaft als Berufspsychologe und Berater vom ihm zu betreuende Personen anruft. Auf die Revision des Klägers war daher das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die beantragte Feststellung zu treffen, wobei der Senat diese Feststellung entsprechend dem eigentlichen Begehren des Klägers formuliert hat.

Die Kosten des ersten Rechtszugs waren nach § 92 ZP0 gegeneinander aufzuheben, nachdem der vom Kläger vor dem Arbeitsgericht geltend gemachte Unterlassungsantrag rechtskräftig abgewiesen worden ist. Mit seinem Feststellungsantrag hat der Kläger in der Berufungs- und Revisionsinstanz obsiegt, so daß insoweit der beklagte Landkreis die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 ZP0 zu tragen hat. Nachdem der Kläger jedoch den in der Revisionsinstanz erneut gestellten Unterlassungsantrag zurückgenommen hat, waren ihm nach § 269 Abs. 3 ZP0 1/10 der Kosten des Revisionsrechtszugs aufzuerlegen.

Dr. Kissel Dr. Heither Matthes

Weinmann Lappe

 

Fundstellen

Haufe-Index 437221

BAGE 54, 67-79 (LT1-3)

BAGE, 67

BB 1987, 1037-1038 (LT1-3)

DB 1987, 1153-1154 (LT1-3)

NJW 1987, 1509

BetrR 1987, 572-577 (LT1-3)

CR 1987, 592-595 (ST1-3)

JR 1987, 352

NZA 1987, 121

NZA 1987, 515-517 (LT1-3)

RdA 1987, 253

SAE 1988, 114-117 (LT1-3)

AP § 23 BDSG (LT1-3), Nr 3

AR-Blattei, Datenschutz Entsch 9 (LT1-3)

AR-Blattei, ES 580 Nr 9 (LT1-3)

EzA § 87 BetrVG 1972 Kontrolle, nrichtung Nr 17 (LT1-3)

MedR 1988, 100-101 (LT)

NStE § 203 StGB (ST), Nr 2

PersR 1987, 152-153 (LT1-3)

RDV 1987, 136-140 (LT1-3)

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