Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung. Präklusion. Verfristung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist eine vom Arbeitgeber wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung des Arbeitnehmers ausgesprochene außerordentliche Kündigung rechtskräftig für unwirksam erklärt worden, weil die den Verdacht begründenden Umstände dem Arbeitgeber beim Zugang der Kündigung länger als zwei Wochen bekannt gewesen und daher nach § 626 Abs 2 BGB verfristet seien, so hindert die Rechtskraft dieses Urteils den Arbeitgeber nicht, später nach dem Abschluß des gegen den Arbeitnehmer eingeleitetem Strafverfahrens erneut eine nunmehr auf die Tatbegehung selbst gestützte außerordentliche Kündigung auszusprechen, auch wenn das Strafverfahren nicht zu einer Verurteilung des Arbeitnehmers geführt hat, sondern gegen Zahlung eines Geldbetrages nach § 153a Abs 2 StPO eingestellt worden ist.

2. Die zweiwöchige Ausschlußfrist des § 626 Abs 2 BGB für eine solche auf die Tatbegehung selbst gestützte außerordentliche Kündigung beginnt jedenfalls dann nicht vor dem Abschluß des Strafverfahrens gegen den Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber vorher zwar Verdachtsumstände kannte, diese Verdachtsumstände aber noch keine vernünftigen Zweifel ausschließende sichere Kenntnis der Tatbegehung selbst begründeten.

 

Normenkette

ZPO § 322; BGB § 626 Abs. 1-2; StPO § 153 a Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 29.09.1983; Aktenzeichen 13 Sa 760/83)

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 17.02.1983; Aktenzeichen 7 Ca 8129/82)

 

Tatbestand

Der Kläger, geboren 1942, ist seit 1964 bei dem beklagten Land als Regierungsangestellter beschäftigt. Er erhielt zuletzt eine Vergütung von 3.281,48 DM brutto monatlich.

Ende 1981 geriet der Kläger in den Verdacht, an einem Subventionsbetrug zu Lasten des beklagten Landes beteiligt gewesen zu sein. Bei einer polizeilichen Vernehmung gestand er zu Protokoll vom 5. November 1981 seine Tatbeteiligung. Den dadurch begründeten Verdacht einer strafbaren Handlung nahm das beklagte Land zum Anlaß, dem Kläger mit Schreiben vom 20. November 1981 außerordentlich zu kündigen. Der vom Kläger erhobenen Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit dieser außerordentlichen Kündigung gab das Landesarbeitsgericht Düsseldorf durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 25. Juni 1982 - 9 Sa 645/82 - mit der Begründung statt, die zweiwöchige Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei bei Zustellung des Kündigungsschreibens bereits überschritten gewesen.

Der Kläger wurde zusammen mit seiner Bekannten und einem Regierungsamtmann unter dem 3. September 1982 von der Staatsanwaltschaft Düsseldorf angeklagt. Während die beiden anderen Angeklagten vom Amtsgericht Düsseldorf am 18. November 1982 wegen Subventionsbetruges in Tateinheit mit Untreue in zwei Fällen bzw. wegen Beihilfe dazu zu Strafen verurteilt wurden, trennte das Amtsgericht Düsseldorf das Verfahren gegen den Kläger in der Sitzung vom 18. November 1982 ab, weil er seine Tatbeteiligung leugnete und sein polizeiliches Geständnis widerrufen hatte. In der Strafverhandlung gegen den Kläger am 29. November 1982 wurden die bereits Verurteilten als Zeugen vernommen. Sie sagten aus, der Kläger sei nicht beteiligt gewesen. Das Amtsgericht Düsseldorf stellte daraufhin das Verfahren gegen den Kläger mit dessen Zustimmung nach § 153 a StPO gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 3.000,-- DM ein.

Diese Einstellung des Strafverfahrens nahm das beklagte Land zum Anlaß, dem Kläger mit Schreiben vom 10. Dezember 1982, zugegangen am 11. Dezember 1982, erneut fristlos zu kündigen.

Mit seiner am 21. Dezember 1982 eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt und außerdem beantragt, ihn auch tatsächlich weiterzubeschäftigen. Er meint, aus seiner Zustimmung zur Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 a StPO gegen Zahlung einer Geldbuße könne kein Schuldeingeständnis hergeleitet werden. Es liege daher auch kein Grund zur fristlosen Kündigung vor.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis

durch die außerordentliche Kündigung des

beklagten Landes vom 10. Dezember 1982

nicht aufgelöst worden sei, und das be-

klagte Land zu verurteilen, ihn über den

10. Dezember 1982 hinaus zu unveränder-

ten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäf-

tigen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es meint, die Einstellung nach § 153 a StPO setze eine rechtswidrige und schuldhafte Tat voraus. Es stehe daher fest, daß der Kläger rechtswidrig und schuldhaft an der Tat der beiden Verurteilten beteiligt gewesen sei. Seine Zustimmung zur Einstellung des Strafverfahrens komme einem Geständnis des Klägers gleich. Für die Tatbeteiligung des Klägers hat das beklagte Land Zeugenbeweis angetreten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.

Das beklagte Land hat Berufung eingelegt und in der Berufungsinstanz hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung beantragt.

Der Kläger hat die Zurückweisung der Berufung und des Hilfsantrags beantragt.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen und den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag ebenfalls zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land sein Klageabweisungsbegehren und hilfsweise sein Auflösungsbegehren weiter. Der Kläger bittet, die Revision zurückzuweisen.

Wegen des eingeklagten Beschäftigungsanspruchs haben die Parteien vor dem Senat einen Teilvergleich abgeschlossen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des beklagten Landes führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht, soweit er nicht durch den Teilvergleich vom 12. Dezember 1984 (Weiterbeschäftigungsanspruch) erledigt worden ist.

I. Zur außerordentlichen Kündigung hat das Landesarbeitsgericht unter Bezugnahme auf das Urteil des Arbeitsgerichts ausgeführt, es habe kein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorgelegen, dem Kläger erneut fristlos zu kündigen, nachdem die erste Kündigung aus dem Jahre 1981 rechtskräftig für unwirksam erklärt worden sei. Neue Kündigungsgründe lägen nicht vor. Die für die erneute außerordentliche Kündigung maßgebenden Tatsachen seien identisch mit denen, die für die vorausgegangene rechtskräftig für unwirksam erklärte außerordentliche Kündigung angeführt worden seien. Das beklagte Land habe die außerordentliche Kündigung vom 20. November 1981 (1. Kündigung) auf den dringenden Verdacht einer strafbaren Handlung des Klägers zu Lasten seines Arbeitgebers gestützt. Dem beklagten Land seien alle Tatsachen hinreichend bekannt gewesen, die den wichtigen Grund hätten ausmachen sollen. Der Verdacht schwerwiegender Verfehlungen genüge nach herrschender Rechtsauffassung zur Begründung einer außerordentlichen Kündigung. Durch das polizeiliche Geständnis des Klägers sei die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB, § 54 Abs. 2 BAT in Lauf gesetzt worden. Das Ergebnis der weiteren Ermittlungen und des Strafverfahrens sei für die kündigungserheblichen Tatsachen insoweit ohne Belang, als sich daraus nicht zusätzliche, den Kläger belastende Umstände ergeben hätten. Soweit kündigungsbegründende Tatsachen für die Verdachtskündigung vom 20. November 1981 dem beklagten Land bekannt gewesen seien, könnten diese Tatsachen im Rahmen der Beurteilung der Wirksamkeit der erneuten außerordentlichen Kündigung nicht herangezogen werden. Die Versäumung der Ausschlußfrist für die außerordentliche Kündigung stehe dem Fehlen eines wichtigen Grundes gleich. Es komme entgegen der Ansicht des beklagten Landes nicht darauf an, ob sich der gegen den Kläger erhobene Tatvorwurf im Wege der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen B und W nunmehr klären lasse und ob der Schuldvorwurf durch die Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO in gewissem Umfang bestätigt worden sei. Das beklagte Land könne sich nämlich zur Begründung der zweiten außerordentlichen Kündigung nur auf solche Tatsachen stützen, die nicht Gegenstand des Tatkomplexes gewesen seien, die dem Kläger in Zusammenhang mit der ersten Kündigung, die aus formellen Gründen unwirksam sei, vorgeworfen worden seien. Das Verhalten des Klägers im Strafverfahren nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung sei nicht geeignet, neue Gründe für eine außerordentliche Kündigung zu schaffen, sofern der Kläger sich damit nicht neuer Verfehlungen in bezug auf das Arbeitsverhältnis schuldig gemacht habe. Ihm könne das Abrücken von seinem Geständnis im Strafverfahren und, wie das beklagte Land meine, sein massives Lügen im Strafprozeß nicht im Verhältnis zu seinem Arbeitgeber zur Last gelegt werden. Ihm könne auch nicht vorgeworfen werden, er habe seine Vernehmungsbeamten beleidigt und ihnen den Vorwurf pflichtwidriger Vernehmungsmethoden gemacht. Das Verteidigungsverhalten des Klägers habe im Rahmen zulässiger Interessenwahrnehmung gelegen.

II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Dem beklagten Land war es nicht verwehrt, nach dem Ausspruch der verspätet zugegangenen und deshalb unwirksamen außerordentlichen Verdachtskündigung vom 20. November 1981 später nach dem Abschluß des Strafverfahrens gegen den Kläger eine auf die Tatbegehung selbst gestützte außerordentliche Kündigung zu erklären. Wie die Revision zu Recht geltend macht, war das beklagte Land mit diesem Kündigungsgrund weder infolge der Präklusionswirkung der rechtskräftigen Entscheidung über die Unwirksamkeit der vorangegangenen Verdachtskündigung ausgeschlossen noch war dieser Kündigungsgrund gemäß § 626 Abs. 2 BGB verfristet.

1. Das Präklusionsprinzip ist die notwendige Folge der Rechtskraftwirkung. Die materielle Rechtskraft (§ 322 Abs. 1 ZPO) bedeutet, daß die Gerichte in einem späteren Rechtsstreit der Parteien über dieselbe Sache an die frühere Entscheidung gebunden sind. Gegenstand der Bindung ist die Entscheidung, daß ein bestimmter Tatbestand die in dem rechtskräftigen Urteil bejahte oder verneinte materielle oder prozessuale Rechtsfolge hat oder nicht hat. Die materielle Rechtskraft schließt demnach jede abweichende gerichtliche Entscheidung über denselben Streitgegenstand aus. Damit soll zwischen den streitenden Parteien Rechtsfrieden und Rechtsgewißheit hergestellt werden (BAG Urteil vom 12. April 1956 - 2 AZR 247/54 -, AP Nr. 11 zu § 626 BGB, zu 2 a der Gründe).

Das Präklusionsprinzip dient der Sicherung dieses Zieles der Rechtskraft. Es verwehrt der unterlegenen Partei, sich innerhalb der durch den Streitgegenstand gesetzten Grenzen nachträglich auf Tatsachen zu berufen, die schon zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung des rechtskräftigen Prozesses vorgelegen haben. Hat ein Rechtsstreit rechtskräftig sein Ende gefunden, so soll - von Fällen des Wiederaufnahmeverfahrens abgesehen - die entschiedene Frage nicht dadurch wieder aufgerollt werden können, daß der unterlegene Teil neue Tatsachen vorbringt. Das bedeutet zugleich, daß die Parteien gehalten sind, in dem Prozeß alles zum Streitgegenstand vorzutragen, was geeignet ist, mit ihrem Standpunkt durchzudringen (BAG, aaO; BAG 7, 36 = AP Nr. 17 zu § 3 KSchG).

In dem rechtskräftig entschiedenen Vorprozeß der Parteien war Streitgegenstand die Frage, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die mit Schreiben vom 20. November 1981 vom beklagten Land erklärte außerordentliche Kündigung mit deren Zugang beim Kläger beendet worden ist. Diese Frage ist rechtskräftig verneint worden. Im vorliegenden Falle geht es hingegen darum, ob die am 11. Dezember 1982, also mehr ein Jahr später zugegangene erneute fristlose Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien zu diesem späteren Zeitpunkt aufgelöst hat. Der Streitgegenstand des vorliegenden Prozesses ist also ein anderer als der des rechtskräftig entschiedenen; denn im Kündigungsprozeß mit einem Klageantrag nach § 4 Satz 1 KSchG ist Streitgegenstand die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis aus Anlaß einer ganz bestimmten Kündigung zu dem von dieser Kündigung gewollten Termin aufgelöst ist oder nicht (BAG 7, 36 = AP Nr. 17 zu § 3 KSchG).

Trotz fehlender Identität der Streitgegenstände bei zwei verschiedenen Kündigungen kann aber nach einer im Schrifttum weit verbreiteten Auffassung die Rechtskraft des Vorprozesses Auswirkungen auf einen wegen einer späteren Kündigung geführten Rechtsstreit haben, wenn der Kündigende denselben Kündigungssachverhalt, dessen Eignung zur Rechtfertigung einer Kündigung zuvor rechtskräftig verneint worden war, wiederum zum Anlaß der späteren Kündigung genommen hat. Dies wird mit der Präklusionswirkung der rechtskräftigen Entscheidung über die Unwirksamkeit der früheren Kündigung begründet, die es dem Kündigenden verwehre, den rechtskräftig aberkannten Kündigungsgrund zur Begründung einer weiteren Kündigung heranzuziehen (KR-Hillebrecht, 2. Aufl., § 626 BGB Rz 297, mit weiteren Literaturnachweisen; zweifelnd: KR-Friedrich, § 4 KSchG Rz 272; offengelassen in BAG AP Nr. 11 zu § 626 BGB). Im vorliegenden Falle sind jedoch auch die Gründe, auf die das beklagte Land die beiden von ihm ausgesprochenen außerordentlichen Kündigungen gestützt hat, nicht identisch. Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt.

Die erste, rechtskräftig für unwirksam erklärte außerordentliche Kündigung war eine sogenannte Verdachtskündigung. Sie war darauf gestützt, daß der Kläger aufgrund seiner Aussagen vor der Polizei dringend verdächtig sei, an einem Subventionsbetrug beteiligt zu sein. Bei einer derartigen Verdachtskündigung ist Kündigungsgrund nicht der Vorwurf eines entsprechenden strafbaren Verhaltens des Arbeitnehmers, sondern allein der durch bestimmte Umstände hervorgerufene dringende Tatverdacht als solcher, der die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber unzumutbar machen soll. Die zweite, hier zur Beurteilung stehende außerordentliche Kündigung ist dagegen auf die strafbare Handlung selbst und damit auf ein vertragswidriges Verhalten des Klägers gestützt. Das ist ein anderer Kündigungssachverhalt, der mit dem den Verdacht begründenden Kündigungssachverhalt nicht identisch ist. Das beklagte Land ist daher aus Gründen der Präklusionswirkung der vorprozessualen Entscheidung über die erste Kündigung mit dem Kündigungsgrund der Tatbeteiligung des Klägers im vorliegenden Rechtsstreit nicht ausgeschlossen.

2. Die streitbefangene Kündigung ist auch nicht wegen Versäumung der zweiwöchigen Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam.

Das Kündigungsschreiben des beklagten Landes ist dem Kläger am 11. Dezember 1982 und damit innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung des Strafverfahrens zugegangen. Das Strafverfahren gegen den Kläger wurde am 29. November 1982 vom Amtsgericht Düsseldorf gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt. Erst mit der Einstellung des Strafverfahrens begann die zweiwöchige Ausschlußfrist.

Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB beginnt die Ausschlußfrist mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Erforderlich ist die sichere und möglichst vollständige Kenntnis des Kündigungssachverhalts (BAG 23, 475; 24, 341 = AP Nr. 1 und 3 zu § 626 BGB Ausschlußfrist).

Im Streitfalle hatte das beklagte Land zwar schon im November 1981 Kenntnis von dem am 5. November 1981 vom Kläger zu Protokoll gegebenen Geständnis seiner Tatbeteiligung. Dieses polizeiliche Geständnis begründete aber nur einen dringenden Tatverdacht, weshalb das beklagte Land damals auch nur eine außerordentliche Verdachtskündigung aussprach. Nach seinem eigenen Vorbringen in der Berufungsinstanz (Schriftsatz vom 13. Juli 1983) ist der Kläger bereits bei seiner behördlichen Einvernahme vom 6. November 1981 von seinem Geständnis wieder abgerückt, das er nur zur Entlastung einer ihm befreundeten Tatbeteiligten abgelegt haben will. Nach dem Vortrag des beklagten Landes (Schriftsatz vom 4. August 1983) hat der Kläger, als er zu der damals beabsichtigten fristlosen Kündigung am 12. November 1981 telefonisch gehört wurde, erklärt, daß man seiner Meinung nach aus dem polizeilichen Protokoll kein Geständnis entnehmen könne. Aus dem Vorbringen beider Parteien ergibt sich demnach, daß das beklagte Land schon vor dem Ausspruch der ersten außerordentlichen Kündigung wußte, daß der Kläger sein polizeiliches Geständnis nicht mehr gelten lassen wollte und von ihm abrückte. Unter diesen Umständen genügte das zu polizeilichem Protokoll gegebene Eingeständnis des Klägers nicht, um dem beklagten Land in einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Weise sichere Kenntnis von der Tatbeteiligung des Klägers zu verschaffen. Eine weitere Klärung des Sachverhalts konnte das beklagte Land nur durch das gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren erwarten. Es durfte deshalb den Ausgang dieses Strafverfahrens abwarten, bevor es dem Kläger wegen des Vorwurfs, eine Straftat begangen zu haben, außerordentlich kündigte. Daß das Strafverfahren diese erwartete Klärung schließlich nicht brachte und ohne einen Urteilsspruch gegen Zahlung eines Geldbetrages eingestellt wurde, kann dem beklagten Land nicht zum Nachteil gereichen (vgl. BAG 24, 99, 105 = AP Nr. 2 zu § 626 BGB Ausschlußfrist; BAG Urteil vom 11. März 1976 - 2 AZR 29/75 -, AP Nr. 9 zu § 626 BGB Ausschlußfrist).

III. Nach alledem kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf an, ob dem Kläger die ihm zur Last gelegte Beteiligung an dem Subventionsbetrug nachgewiesen werden kann. Das Landesarbeitsgericht hätte daher den vom beklagten Land hierzu angetretenen Zeugenbeweis erheben müssen. Das wird es nachzuholen haben. Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

IV. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts, mit denen es die Abweisung des vom beklagten Land hilfsweise gestellten Auflösungsantrags begründet hat, sind entgegen der Ansicht der Revision an sich nicht zu beanstanden. Die Überlegungen von Grunsky in seiner Anmerkung zu AP Nr. 5 zu § 9 KSchG 1969 sind mit dem klaren Wortlaut und Sinn des § 13 Abs. 1 Satz 3 1. Halbsatz KSchG nicht zu vereinbaren. Dort ist ausdrücklich nur dem Arbeitnehmer die Befugnis zugestanden worden, einen Auflösungsantrag zu stellen. Entsprechend ist auch in § 13 Abs. 1 Satz 3 letzter Halbsatz nur auf die Vorschrift des § 9 Abs. 2 und gerade nicht auf § 9 Abs. 1 KSchG Bezug genommen worden, in dem geregelt worden ist, daß der Auflösungsantrag unter gewissen Voraussetzungen auch vom Arbeitgeber gestellt werden kann. Wenn im Regierungsentwurf eines KSchG (BT-Drucksache I/2090, S. 15) zur Begründung ausgeführt worden ist, eine unwirksame außerordentliche Kündigung werde als besonders schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitgebers angesehen mit der Folge, daß ihm die Möglichkeit verwehrt sei, seinerseits einen Auflösungsantrag zu stellen, so mag diese Bewertung nicht für jeden Fall einer unwirksamen fristlosen Kündigung zutreffen. Das ändert jedoch nichts daran, daß der Gesetzgeber generell nach einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers den Auflösungsantrag nur dem Arbeitnehmer zugestanden hat (vgl. hierzu auch BAG Urteil vom 26. Oktober 1979 - 7 AZR 752/77 -, AP Nr. 5 zu § 9 KSchG 1969, und BAG Urteil vom 15. März 1978 - 5 AZR 831/76 -, AP Nr. 45 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu III der Gründe).

Gleichwohl war das angefochtene Urteil auch hinsichtlich der Entscheidung über den Auflösungsantrag aufzuheben, denn über die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses kann nur entschieden werden, nachdem festgestellt worden ist, daß eine unwirksame Kündigung vorliegt.

Dr. Seidensticker Roeper Dr. Becker

Metzinger Dr. Sponer

 

Fundstellen

Haufe-Index 441372

BAGE 47, 307-314 (LT1-2)

BAGE, 307

BB 1985, 1734-1735 (LT1-2)

BB 1985, 1846-1846 (LT1-2)

NJW 1985, 3094

NJW 1985, 3094-3096 (LT1-2)

BlStSozArbR 1985, 307-308 (T)

JR 1986, 527

NZA 1985, 623-625 (LT1-2)

AP § 626 BGB Ausschlußfrist (LT1-2), Nr 19

AR-Blattei, ES 1010.8 Nr 63 (LT1-2)

AR-Blattei, Kündigung VIII Entsch 63 (LT1-2)

EzA § 626 nF BGB, Nr 97

MDR 1985, 874-875 (LT1-2)

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