Entscheidungsstichwort (Thema)

Abschließende Stellungnahme des Betriebsrats vor fristloser Kündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Arbeitgeber kann die Kündigung auch dann vor Ablauf der dem Betriebsrat eingeräumten Äußerungsfristen des § 102 Abs 2 BetrVG aussprechen, wenn der Betriebsrat, ohne sachlich zu der Kündigungsabsicht Stellung zu nehmen, lediglich erklärt hat, er werde sich zu der Kündigung nicht äußern und darin eine abschließende Stellungnahme liegt (im Anschluß an BAG Urteil vom 04.08.1975 - 2 AZR 266/74 = BAGE 27, 209 = AP Nr 4 zu § 102 BetrVG 1972).

2. Erklärt der Betriebsrat dies nicht ausdrücklich, so ist durch Auslegung zu ermitteln, ob eine bestimmte Äußerung, zB er nehme die Kündigungsabsicht zur Kenntnis, oder ein bestimmtes Verhalten diesen Erklärungsinhalt hat. Hierbei kann insbesondere die Übung des Betriebsrats von maßgeblicher Bedeutung sein.

 

Orientierungssatz

Auslegung des § 13 des Tarifvertrages über die Rechte des Betriebsrats der Vereinigung städtischer Kinder- und Jugendheime der Freien und Hansestadt Hamburg eV vom 2.12.1971 idF vom 2.1.1980.

 

Normenkette

TVG § 1; BGB § 626; BetrVG § 102

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 17.02.1986; Aktenzeichen 2 Sa 43/85)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 01.07.1985; Aktenzeichen 3 Ca 120/84)

 

Tatbestand

Die Klägerin war seit dem 17. August 1981 bei dem Beklagten, der als eingetragener Verein Kinder- und Jugendheime der Freien und Hansestadt Hamburg unterhält, als Erzieherin mit einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt DM tätig.

Auf den Betrieb des Beklagten findet der Tarifvertrag vom 2. Dezember 1971 in der Fassung vom 2. Januar 1980 über die Rechte des Betriebsrats beim Beklagten (künftig: TV) Anwendung. § 13 dieses Tarifvertrages lautet:

(1) Die Mitbestimmung des Betriebsrats erstreckt

sich auf alle Personalveränderungen, insbesondere

Einstellungen, Eingruppierungen, Umgruppierungen,

Übertragung höherwertiger Tätigkeit, Entlassungen

und Versetzungen, ebenso auf alle die

Arbeitsverträge berührenden Maßnahmen.

(2) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung,

so hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb

einer Woche nach Unterrichtung durch den

Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt

der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung

seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist

schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt.

Zwischen der Klägerin und ihrer Kollegin, Frau M, kam es am 27. und 28. März 1984 zu Auseinandersetzungen. Diese führten dazu, daß die Klägerin am 28. März 1984 gegenüber ihrer Kollegin tätlich wurde. In Gegenwart von sieben Kindern im Alter von drei bis sieben Jahren schlug sie ihre Kollegin mit Fäusten und mit einer Tür des Schreibsekretärfachs. Die Kollegin trug Prellungen und Blutergüsse davon. Die Klägerin erlitt eine Platzwunde an der Stirn. Die Verletzung führte bei der Klägerin zu einer bis zum 2. April und bei ihrer Kollegin bis zum 6. April 1984 andauernden Arbeitsunfähigkeit.

Mit Schreiben vom 3. April 1984 teilte der Beklagte dem Betriebsrat mit, er beabsichtige, wegen dieses Vorfalls der Klägerin fristlos zu kündigen, und bat um Zustimmung. Dieses Schreiben wurde dem Betriebsratsvorsitzenden, Herrn F S, noch am selben Tage während einer Betriebsratssitzung übergeben. Der Betriebsrat beriet in der Sitzung über den Antrag und entschied, sich hierzu nicht zu äußern.

Am 6. April 1984 wurde das Schreiben vom Betriebsrat ohne weitere Bemerkung an das Personalsachgebiet des Beklagten zurückgegeben. Es enthielt lediglich einen handschriftlichen Eingangsvermerk des Betriebsrats. Mit Schreiben vom selben Tage sprach der Beklagte der Klägerin die fristlose Kündigung aus.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Die Klägerin hat vorgetragen, die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil der Beklagte vor Ausspruch der Kündigung den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört habe. Er habe vor Ablauf der Drei-Tage-Frist des § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG die Kündigung ausgesprochen. Die kommentarlose Rückgabe des Zustimmungsantrages sei keine Zustimmung oder Ablehnung. Zudem sei die Kündigung auch sachlich nicht gerechtfertigt. Frau M habe sie, die Klägerin, mit den Worten "Du bist ja hysterisch" provoziert. Den Beklagten treffe auch ein erhebliches Verschulden an dem Vorfall, da Herr B, sein Vertreter, gewußt habe, daß Spannungen zwischen ihr und Frau M bestanden hätten. Statt der Zeugin M eine Begleitperson mitzugeben, habe er diese dann alleine in den Gruppenraum der Klägerin gehen lassen und daher die Auseinandersetzung bewußt in Kauf genommen. Da ihr während ihrer bisherigen Beschäftigungszeit nie ein Vorwurf gemacht worden sei und sie ohnehin nicht mit Frau M zusammen in einer Gruppe arbeiten sollte, bestehe keine Wiederholungsgefahr. Dem Beklagten sei es deshalb bei vernünftiger Abwägung der beiderseitigen Interessenlage nicht unzumutbar, das Arbeitsverhältnis mit ihr fortzusetzen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, daß die fristlose Kündigung

des Arbeitsverhältnisses durch den

Beklagten vom 6. April 1984 unwirksam ist

und das Arbeitsverhältnis der Parteien zu

unveränderten Bedingungen fortbesteht,

2. den Beklagten zu verpflichten, sie zu unveränderten

Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat die Ansicht vertreten, der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Dieser habe beschlossen, gegen die Kündigung keinen Widerspruch zu erheben. Mit der kommentarlosen Rückgabe des Kündigungsschreibens habe der Betriebsrat durch schlüssiges Verhalten der Kündigung zugestimmt. Zumindest habe er, der Beklagte, davon ausgehen dürfen, daß eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats im Sinne einer Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung vorliege und der Betriebsrat eine weitere Erörterung nicht wünsche. Der Betriebsrat habe auch den Mitarbeitern der Verwaltung mitgeteilt, daß entweder ein Beschluß oder zumindest eine Übung des Betriebsrats bestehe, Zustimmungen zu beabsichtigten Kündigungen niemals ausdrücklich zu erteilen. Da der Beklagte demnach von einer konkludent erteilten Zustimmung habe ausgehen können, sei auch die Frist des § 13 TV gewahrt.

Er habe auch einen berechtigten Grund für die fristlose Kündigung gehabt. Die Klägerin habe durch ihre Tätlichkeiten gegenüber Frau M in ihrer Aufgabe als Erzieherin, den Kindern Vorbild zu sein, gröblichst versagt und außerdem den Betriebsfrieden erheblich gestört.

Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

A. Das Landesarbeitsgericht hat die fristlose Kündigung des Beklagten für rechtswirksam angesehen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

1. Der Beklagte habe den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung gemäß § 102 Abs. 1 und 2 BetrVG ordnungsgemäß angehört. Dem stehe nicht entgegen, daß der Betriebsrat die ihm übersandten Unterlagen am 6. April 1984 ohne sachliche Stellungnahme an das Personalsachgebiet des Beklagten zurückgegeben und der Beklagte daraufhin die fristlose Kündigung noch am selben Tag und somit vor Ablauf der Drei-Tage-Frist des § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG ausgesprochen habe. Der Arbeitgeber könne bereits vor Ablauf dieser Frist wirksam kündigen, wenn ihm vorher eine abschließende Erklärung des Betriebsrats zugehe. Eine abschließende Erklärung liege auch dann vor, wenn der Betriebsrat zu erkennen gegeben habe, daß er sich mit der beabsichtigten Kündigung beschäftigt habe, aber eine weitere Erörterung des Falles nicht wünsche und keine weitere Erklärung mehr abgeben wolle. Zwar habe der Betriebsrat mit der kommentarlosen Rückgabe der Unterlagen nicht ausdrücklich eine abschließende Erklärung abgegeben. Sein Verhalten sei aber unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles eindeutig als Stellungnahme dahingehend anzusehen, daß er eine weitere Befassung mit der Angelegenheit nicht beabsichtigt habe. Dabei sei vor allem von Bedeutung, daß die Betriebsratssitzungen regelmäßig jeden Dienstag stattfänden und der Beklagte deshalb davon habe ausgehen können, daß sein Anliegen noch in der Sitzung am 3. April 1984 behandelt werde. Nachdem der Beklagte die Unterlagen erst am 6. April 1984 ohne Stellungnahme zurückerhalten habe, habe er daraus schließen dürfen, daß der Betriebsrat endgültig auf die Geltendmachung von Bedenken habe verzichten wollen.

2. Die Kündigung sei auch nicht deshalb unwirksam, weil bei der Beteiligung des Betriebsrats gegen tarifvertragliche Bestimmungen verstoßen worden sei. Die Regelung des § 13 TV gewähre dem Betriebsrat zum einen anstelle eines Anhörungsrechts ein Mitbestimmungsrecht. Zum anderen verlängere sie die Äußerungsfrist des § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG von drei Tagen auf eine Woche. Ob die Erweiterung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats durch Tarifvertrag möglich sei, brauche vorliegend nicht abschließend entschieden zu werden. Der Beklagte habe nämlich der Klägerin erst gekündigt, nachdem im Sinne der tariflichen Anforderungen eine ordnungsgemäße Mitbestimmung stattgefunden habe. Auch nach § 13 TV könne der Arbeitgeber vor Ablauf der tariflichen Wartefrist wirksam kündigen, sofern ihm vorher eine abschließende Äußerung des Betriebsrats zugegangen sei.

3. Die Kündigung sei auch materiell-rechtlich begründet. Die Klägerin habe in ihrer Berufungsbegründung nicht mehr ausdrücklich bestritten, in Gegenwart der Kinder ihrer Heimgruppe gegenüber ihrer Kollegin tätlich geworden zu sein und sie erheblich verletzt zu haben. In jedem Falle sei dieser Sachverhalt aufgrund der glaubhaften Bekundungen der Zeuginnen M und H erwiesen. Somit habe die Klägerin sich eines schweren Fehlverhaltens schuldig gemacht, aufgrund dessen dem Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht habe zugemutet werden können. Durch tätliche Auseinandersetzungen zwischen Arbeitskollegen werde regelmäßig der Betriebsfrieden und der reibungslose Arbeitsablauf gestört. Hinzu komme vorliegend, daß die Klägerin als Erzieherin gegenüber den ihr anvertrauten Kleinkindern eine besondere Verantwortung habe. Der Anblick einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen Erwachsenen habe für sie ein besonders erschreckendes Erlebnis bedeutet. Der Beklagte habe nicht mehr darauf vertrauen können, daß sich die Klägerin bei eventuellen künftigen Meinungsverschiedenheiten besser unter Kontrolle halten würde. Eine andere Bewertung sei auch dann nicht geboten, wenn Frau M die Klägerin mit der Bemerkung, sie sei hysterisch, provoziert haben sollte. Denn die Klägerin habe daraufhin eine derart grobe Tätlichkeit begangen, daß im Verhältnis zu der bloßen verbalen Äußerung dieser Schuldvorwurf keine wesentliche Abmilderung erfahren könne. Ebensowenig könne sich die Klägerin mit Erfolg darauf berufen, daß Herr B als Vertreter des Beklagten die tätliche Auseinandersetzung habe verhindern können. Zum einen sei für ihn nicht voraussehbar gewesen, daß es zu Tätlichkeiten kommen könnte. Zum anderen müsse von der Klägerin besonders in ihrem Aufgabenbereich als Erzieherin erwartet werden, daß sie sich auch in erregtem Zustand nicht zu Tätlichkeiten hinreißen lasse.

B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

I. Entgegen der Ansicht der Revision ist der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt worden.

1. Dies gilt zunächst für die Anhörung nach § 102 Abs. 1 und 2 Satz 3 BetrVG.

a) Danach muß der Arbeitgeber den Betriebsrat auch vor jeder außerordentlichen Kündigung anhören. Hat der Betriebsrat hiergegen Bedenken, muß er diese dem Arbeitgeber unter Angabe der Gründe unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitteilen. Der Arbeitgeber darf erst nach Abschluß des Anhörungsverfahrens beim Betriebsrat die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aussprechen.

b) Das Anhörungsverfahren ist abgeschlossen, wenn die Äußerungsfristen für den Betriebsrat gemäß § 102 Abs. 2 BetrVG abgelaufen sind, gleichgültig, ob er sich bis dahin geäußert hat oder nicht. Vor Ablauf dieser Fristen wird das Anhörungsverfahren nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 27, 209, 215; 28, 81 = AP Nr. 4 und 8 zu § 102 BetrVG 1972, zu III 2 bzw. II der Gründe; vgl. ferner Urteil vom 28. Juli 1982 - 7 AZR 1182/79 -, n.v., zu 2 der Gründe) nur dann ordnungsgemäß beendet, wenn der Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber zu dessen Kündigungsabsicht Stellung nimmt. Solange er schweigt, ist nicht auszuschließen, daß er bis zum Fristablauf noch eine Erklärung abgibt. Allerdings kommt nicht jeder Äußerung des Betriebsrats eine derartige fristverkürzende Wirkung zu. Vielmehr gilt dies nur dann, wenn der Arbeitgeber aus der Mitteilung entnehmen kann, daß der Betriebsrat eine weitere Erörterung des Falles nicht mehr wünscht, es sich also um eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats handelt. Nur unter dieser Voraussetzung kann der Arbeitgeber vor Ablauf der Anhörungsfrist wirksam kündigen. Diese Ansicht wird auch im Schrifttum überwiegend vertreten (vgl. KR-Etzel, 2. Aufl., § 102 BetrVG Rz 103, 134; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 102 Rz 32 a; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 102 Rz 42; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 102 Rz 75; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 102 Rz 80; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, § 102 Rz 43, 65; Meisel, Die Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten, 5. Aufl., Rz. 489).

c) Nach den vorstehend (unter b) bezeichneten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts ist eine Stellungnahme des Betriebsrats dann als abschließende anzusehen, wenn der Arbeitgeber aus der Mitteilung eindeutig entnehmen kann, daß der Betriebsrat eine weitere Erörterung des Falles nicht wünscht. Das bloße Schweigen des Betriebsrats reicht danach nicht aus; in diesem Fall wird das Anhörungsverfahren erst nach Ablauf der Fristen des § 102 Abs. 2 BetrVG abgeschlossen (BAGE 27, 273; 29, 114 = AP Nr. 6 und 11 zu § 102 BetrVG 1972, zu I 2 b bzw. 3 der Gründe). In den übrigen der bisher entschiedenen Fälle lag jeweils eine inhaltliche - positive oder negative - Äußerung des Betriebsrats vor. Umstritten ist in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im Schrifttum, ob eine solche qualifizierte Stellungnahme notwendige Voraussetzung für eine vorzeitige Beendigung des Anhörungsverfahrens ist (so Arbeitsgericht Hamburg, DB 1983, 2145; wohl auch Dietz/Richardi, aaO, § 102 Rz 80, 82 bis 83 und GK-Kraft, BetrVG, § 102 Rz 19), oder ob es ausreicht, daß der Betriebsrat, ohne sich zur Sache zu äußern, lediglich zum Ausdruck bringt, er wünsche keine weitere Erörterung mehr (so LAG Hamm, DB 1983, 48; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 102 Rz 32 a; Galperin/Löwisch, aaO, § 102 Rz 40, 42; Hess/Schlochauer/Glaubitz, aaO, § 102 Rz 75; KR-Etzel, aaO, § 102 Rz 103; Oetker, BB 1984, 1433).

d) Nach Ansicht des Senats genügt zur Beendigung des Anhörungsverfahrens jede Erklärung des Betriebsrats, der eindeutig zu entnehmen ist, daß er eine weitere Erörterung nicht mehr wünscht, auch wenn sie keine inhaltliche Stellungnahme zu der beabsichtigten Kündigung enthält.

aa) Entgegen der - nicht näher begründeten - Ansicht des Arbeitsgerichts Hamburg (aaO) entspricht dies auch dem Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens.

Durch die Anhörung nach § 102 BetrVG soll dem Betriebsrat die Möglichkeit eingeräumt werden, sich innerhalb einer bestimmten Frist zu der Kündigung zu äußern und dadurch den Kündigungsentschluß des Arbeitgebers zu beeinflussen (BAGE 21, 27 = AP Nr. 2 zu § 102 BetrVG 1972, zu I der Gründe). Ob er dieses Recht ausüben will, liegt jedoch in seinem Ermessen. Die Anhörung ist nicht nur dann wirksam durchgeführt, wenn er überhaupt Stellung genommen hat. Wie die Fristbestimmung in § 102 Abs. 2 Satz 1 und 2 BetrVG zeigt, ist selbst völliges Schweigen auf die Mitteilung des Arbeitgebers hin eine rechtlich mögliche Aktion des Betriebsrats (BAGE 27, 209 = AP Nr. 4 zu § 102 BetrVG 1972, zu III 2 der Gründe). Erklärt er, sich nicht äußern zu wollen, so gibt er damit zu erkennen, daß er von der Möglichkeit, den Entschluß des Arbeitgebers zu beeinflussen, keinen Gebrauch machen will. Darin liegt ebenfalls eine Stellungnahme, die sich auf die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers bezieht und im Gegensatz zum bloßen Schweigen den Erklärungsinhalt besitzt, daß der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung weder zustimmen noch widersprechen oder Bedenken anmelden will (so zutreffend Oetker, aaO). Deshalb besteht für ihn in einem solchen Falle ebensowenig wie nach einer abschließenden inhaltlichen Stellungnahme ein Bedürfnis, die Fristen des § 102 Abs. 2 BetrVG auszuschöpfen. Es wäre dann ebenfalls überflüssiger Formalismus, vom Arbeitgeber den Ablauf dieser Fristen zu verlangen, nachdem der Betriebsrat die Angelegenheit von seiner Seite aus für abgeschlossen angesehen hat.

bb) Auch der ohne inhaltliche Stellungnahme dem Arbeitgeber gegenüber abgegebenen Erklärung muß jedoch der Wille des Betriebsrats, die Angelegenheit als abgeschlossen anzusehen, eindeutig zu entnehmen sein. Erklärt der Betriebsrat dies nicht ausdrücklich, so ist der Inhalt seiner Stellungnahme durch Auslegung zu ermitteln. Hierbei ist vor allem der Übung des Betriebsrats maßgebliche Bedeutung beizumessen. So kann allein der Erklärung, er nehme die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers "zur Kenntnis", die Bedeutung einer abschließenden Stellungnahme generell weder beigemessen (so ArbG Köln, BB 1975, 1110; Meisel, aaO, Rz 490) noch abgesprochen werden (so Kammann/Hess/Schlochauer, aaO, § 102 Rz 74). Es kommt vielmehr auf die Umstände des Falles an. Bringt der Betriebsrat mit dieser Erklärung üblicherweise zum Ausdruck, daß er keine weitere Erörterung der Angelegenheit wünsche, so kann der Arbeitgeber auch im konkreten Fall von einer abschließenden Stellungnahme des Betriebsrats ausgehen (so zutreffend LAG Hamm; KR-Etzel; Oetker; jeweils aaO; wohl auch Fitting/Auffarth/ Kaiser/Heither, aaO).

e) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Betriebsrat habe am 6. April 1984 zu der Kündigungsabsicht des Beklagten abschließend Stellung genommen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Der Betriebsrat hat in seiner Sitzung am 3. April 1984 beschlossen, sich zu der Kündigungsabsicht nicht zu äußern. Er hat allerdings dem Beklagten diesen Beschluß nicht ausdrücklich mitgeteilt, sondern ihm lediglich am 6. April 1984, dem letzten Tag der gesetzlichen Anhörungsfrist, das Antragsschreiben vom 3. April 1984, versehen mit einem handschriftlichen Eingangsvermerk, ohne weitere Bemerkung zurückgegeben.

Das Landesarbeitsgericht hat diese Rückgabe unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles als eindeutige Stellungnahme des Betriebsrats ausgelegt, er habe keine weitere Befassung mit der Angelegenheit mehr gewünscht.

bb) Diese Auslegung ist als Teil der Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils für das Revisionsgericht gemäß § 561 ZPO bindend (vgl. BAGE 28, 81 = AP Nr. 8 zu § 102 BetrVG 1972, zu 2 der Gründe; Senatsurteil vom 1. Dezember 1977 - 2 AZR 426/76 - AP Nr. 11 zu § 103 BetrVG 1972, zu II 2 b aa der Gründe). In das Gebiet der Tatsachen gehören nicht nur die Feststellungen des inneren Willens der Parteien und der für die Auslegung bedeutsamen Begleitumstände, sondern auch die Ermittlung des Erklärungswerts einer Äußerung (vgl. Senatsurteil vom 17. Februar 1966 - 2 AZR 162/65 - AP Nr. 30 zu § 133 BGB). Somit ist diese Auslegung vom Senat nur daraufhin nachzuprüfen, ob das Berufungsgericht wesentlichen Tatsachenstoff verfahrensfehlerhaft unberücksichtigt gelassen oder gegen die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB, gegen die Gesetze der Logik oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat.

Die Verfahrensrüge der Revision, das Berufungsgericht habe die Aussage des Zeugen S unberücksichtigt gelassen, ist unbegründet. Der Zeuge hat ausgesagt, die kommentarlose Rückgabe des Zustimmungsantrages könne nur bedeuten, daß der Betriebsrat die Entscheidung über den Antrag des Arbeitgebers offengelassen habe; er könne die Betriebsratsmitglieder als Vorsitzender zu keiner Entscheidung zwingen. Diese Aussage widerspricht nicht der Auslegung des Berufungsgerichts, der Betriebsrat habe eine abschließende Stellungnahme abgegeben. Diese bestand hier im "Offenlassen der Entscheidung", mithin in der Erklärung, sich nicht (sachlich) äußern zu wollen. Denn der Zeuge hat nicht ausgesagt, der Betriebsrat befasse sich für den Fall, daß er eine Entscheidung "offenläßt", grundsätzlich innerhalb der Anhörungsfrist erneut mit der Kündigungsabsicht.

Das Berufungsgericht hat wesentlich darauf abgestellt, daß der Betriebsrat die Angelegenheit am 3. April 1984, einem regelmäßigen Sitzungstag, behandelt und die ihm übersandten Unterlagen erst am 6. April 1984 ohne Stellungnahme zurückgegeben hat. Seine Würdigung, der Beklagte habe aufgrund dieser Umstände davon ausgehen können, daß der Betriebsrat die Angelegenheit noch in dieser Sitzung behandelt und mit der Rückgabe der Unterlagen zum Ausdruck gebracht habe, er wolle sich mit der Kündigungsabsicht nicht weiter befassen, verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze. Sie steht ferner auch mit dem Grundsatz in Einklang, daß ein dahingehender Wille des Betriebsrats auch den Fallumständen und der Übung im Betrieb entnommen werden kann. Sie ist damit für das Revisionsgericht bindend.

f) Ohne Erfolg bleibt schließlich die weitere Rüge der Revision, es sei unaufgeklärt geblieben, ob das Kündigungsschreiben erst nach der Rückgabe des Zustimmungsantrags abgesandt worden sei. Dies müsse sich zugunsten der Klägerin auswirken. Zwar ist eine Kündigung unwirksam, wenn das Kündigungsschreiben vor Ablauf der Anhörungsfristen des § 102 Abs. 2 BetrVG oder vor Zugang einer abschließenden Stellungnahme des Betriebsrats beim Arbeitgeber dessen Machtbereich verlassen hat (BAGE 27, 331 = AP Nr. 7 zu § 102 BetrVG, zu 3 a der Gründe). Wie die Revision jedoch übersieht, hat das Berufungsgericht vorliegend festgestellt, der Betriebsrat habe das Schreiben am 6. April 1984 an das Personalsachgebiet des Beklagten zurückgegeben und daraufhin habe der Beklagte die fristlose Kündigung ausgesprochen. Diese Feststellung ist für den Senat bindend (§ 561 Abs. 2 ZPO). Mit ihrem Vortrag, die Reihenfolge der beiden Vorgänge stehe nicht fest, die Aussage der Zeugin Bl habe hierzu keine Klarheit erbracht, setzt die Revision nur ihre eigene Würdigung an die Stelle der Würdigung des Berufungsgerichts, zeigt aber keine Verfahrensfehler des Berufungsgerichts auf.

2. Der Beklagte hat den Betriebsrat auch ordnungsgemäß im Sinne des § 13 TV beteiligt.

Diese Tarifnorm macht u.a. die Wirksamkeit aller Entlassungen und damit auch der außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers von der Zustimmung des Betriebsrats abhängig. Die Verweigerung der Zustimmung ist dem Arbeitgeber unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat innerhalb dieser Frist dem Arbeitgeber die Verweigerung der Zustimmung nicht schriftlich mit, gilt die Zustimmung als erteilt. Kommt eine Einigung nicht zustande, ist gemäß § 17 TV die Einigungsstelle anzurufen, die die nach § 76 BetrVG zu bildende Einigungsstelle ist.

a) Nach § 102 Abs. 6 BetrVG können Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbaren, daß Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und bei Meinungsverschiedenheit über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet. Ob dies statt durch Betriebsvereinbarung in einem Tarifvertrag vereinbart werden kann, ist im Schrifttum umstritten (zum Streitstand vgl. Dietz/Richardi, aaO, § 102 Rz 289 und KR-Etzel, aaO, § 102 Rz 244). Der Senat unterstellt, wie auch das Berufungsgericht, die Zulässigkeit einer solchen tariflichen Regelung, da der Beklagte auch das Beteiligungsverfahren nach § 13 Abs. 2 TV ordnungsgemäß durchgeführt hat.

b) Hält man eine tarifliche Regelung der Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung des Arbeitgebers für zulässig, so können die Tarifvertragsparteien, ebenso wie die Betriebspartner in einer Betriebsvereinbarung, im Tarifvertrag auch das Verfahren bei der Beteiligung des Betriebsrats regeln. Soweit sie keine konkretisierende Regelung treffen, gilt hinsichtlich der Mitteilungspflichten des Arbeitgebers, der Durchführung des Beteiligungsverfahrens und der Äußerungsfristen für den Betriebsrat grundsätzlich die Regelung des § 102 Abs. 1 und 2 BetrVG entsprechend (vgl. Dietz/Richardi, aaO, § 102 Rz 299; KR-Etzel, aaO, § 102 Rz 249).

Im vorliegenden Fall haben die Tarifvertragsparteien in § 13 Abs. 2 TV festgelegt, in welcher Form und innerhalb welcher Frist der Betriebsrat die Zustimmung verweigern kann. Diese Regelung weicht insoweit von der gesetzlichen Fristenregelung ab, als die Äußerungsfrist für den Betriebsrat generell eine Woche beträgt, während § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG bei außerordentlichen Kündigungen eine Höchstfrist von drei Tagen vorsieht. Ferner enthält § 13 Abs. 2 Satz 2 TV eine Zustimmungsfiktion für den Fall der nicht fristgerechten Zustimmungsverweigerung. Diese Regelung entspricht, soweit es um eine ordentliche Kündigung geht, § 102 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, erstreckt sich aber über die gesetzliche Regelung hinaus auch auf die außerordentliche Kündigung. Es kann somit dahingestellt bleiben, ob ohne eine solche Regelung für das Zustimmungsverfahren nach § 102 Abs. 6 BetrVG die Zustimmungsfiktion des § 102 Abs. 2 Satz 2 BetrVG nicht gilt, sondern das Schweigen des Betriebsrats, wie im Zustimmungsverfahren nach § 103 BetrVG (vgl. dazu BAGE 29, 270 = AP Nr. 10 zu § 103 BetrVG 1972, zu II 3 d der Gründe), als Verweigerung der Zustimmung zu werten ist (so Dietz/Richardi, aaO, § 102 Rz 299; KR-Etzel, aaO, § 102 Rz 249).

c) Gelten somit für das Zustimmungsverfahren nach § 102 Abs. 6 BetrVG, soweit im Tarifvertrag keine besonderen Regelungen enthalten sind, die Vorschriften des § 102 Abs. 1 und 2 BetrVG über das Anhörungsverfahren entsprechend, so sind für dieses Verfahren auch die Rechtsprechungsgrundsätze zur Zulässigkeit der Kündigung bei Vorliegen einer abschließenden Stellungnahme des Betriebsrats vor Ablauf der Äußerungsfristen des § 102 Abs. 2 BetrVG anzuwenden.

Der Tarifvertrag geht zwar vom Konsensprinzip aus. Er führt es jedoch nicht konsequent durch, sondern fingiert die Zustimmung des Betriebsrats nach fruchtlosem Ablauf der ihm eingeräumten Frist zur Verweigerung der Zustimmung. Das Zustimmungsverfahren kann somit wie das Anhörungsverfahren nach § 102 Abs. 2 BetrVG nicht nur dann wirksam abgeschlossen werden, wenn der Betriebsrat - positiv oder negativ - Stellung genommen hat. Vielmehr ist auch in diesem Verfahren das Schweigen auf die Mitteilung des Arbeitgebers eine rechtlich mögliche Reaktion des Betriebsrats, mit der sich wie aus § 102 Abs. 2 Satz 2 BetrVG - dort beschränkt auf die ordentliche Kündigung - ergebenden Folge, daß die Zustimmung des Betriebsrats fingiert wird und der Arbeitgeber nach Fristablauf ohne Rücksicht auf das Mitbestimmungsrecht kündigen kann. Für das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG ist daraus, wie dargelegt (vorstehend unter 1), zu folgern, daß der Arbeitgeber erst recht dann kündigen kann, wenn der Betriebsrat vor Fristablauf tätig wird, indem er dem Arbeitgeber gegenüber eine abschließende Stellungnahme zu der beabsichtigten Kündigung abgibt, da in diesem Fall das Abwarten des Ablaufs der Äußerungsfristen überflüssiger Formalismus wäre.

d) Soweit die abschließende Stellungnahme nicht in einer formgerecht erklärten Verweigerung der Zustimmung besteht, die nach der tariflichen Regelung den Arbeitgeber zur Einleitung des Einigungsstellenverfahrens zwingt, gilt dies auch für das Zustimmungsverfahren, und zwar auch dann, wenn der Betriebsrat nicht ausdrücklich zustimmt, sondern, wie im vorliegenden Fall, das Beteiligungsverfahren von seiner Seite ohne sachliche Stellungnahme zu der beabsichtigten Kündigung für abgeschlossen erklärt. Dieser Erklärung ist im Hinblick auf die konkrete Regelung des Zustimmungsverfahrens die Wirkung einer Zustimmung beizumessen. Nach § 13 Abs. 2 TV ist die Kündigung nur unzulässig, wenn der Betriebsrat die Zustimmung innerhalb der einwöchigen Äußerungsfrist schriftlich und unter Angabe von Gründen verweigert. Erklärt er lediglich das Zustimmungsverfahren von seiner Seite für beendet, ohne sachlich zu der beabsichtigten Kündigung Stellung zu nehmen, kann seine Stellungnahme schon aus diesem Grund keine wirksame Zustimmungsverweigerung darstellen. Da der Betriebsrat jedoch zum Ausdruck gebracht hat, daß er eine weitere Stellungnahme nicht mehr abgeben werde, würde die einwöchige Äußerungsfrist ablaufen und die Zustimmungsfiktion eintreten. Deshalb wäre es überflüssiger Formalismus, vom Arbeitgeber zu verlangen, noch den Fristablauf abzuwarten.

e) Mit dieser Ansicht setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu dem bereits erwähnten Beschluß (BAGE 29, 270 = AP Nr. 10 zu § 103 BetrVG 1972). Danach ist zwar für das Zustimmungsverfahren nach § 103 BetrVG das Schweigen des Betriebsrats, anders als in § 102 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, als Ablehnung zu werten. Wie der Senat dort weiter ausgeführt hat (unter II 3 d, bb der Gründe), kann jedoch ein Schweigen dann als Zustimmung gewertet werden, wenn hierfür eine Rechtsgrundlage besteht. Sie fehlt in § 103 BetrVG, ist aber in der tariflichen Verfahrensregelung des § 13 Abs. 2 Satz 2 TV enthalten.

II. Auch die Würdigung des Berufungsgerichts, die KÜndigung des Beklagten sei materiell-rechtlich wirksam, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. An die dieser Würdigung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gemäß § 561 ZPO gebunden, weil hiergegen kein zulässiger und begründeter Revisionsantrag erhoben ist.

Die Revision rügt erfolglos, das Berufungsgericht habe § 286 ZPO verletzt, weil es die älteren, bei der tätlichen Auseinandersetzung anwesenden Kinder nicht als Zeugen vernommen habe. Wie die Revision selbst vorträgt, hat sich lediglich der Beklagte hilfsweise auf die Vernehmung des ältesten anwesenden Kindes berufen. Die Klägerin hätte deshalb als Gegnerin des Beweisführers eine Vernehmung dieses Zeugen nur dann erzwingen können, wenn er im Verhandlungstermin erschienen wäre (§ 399 ZPO). Da dies nicht der Fall war, ist die Verfahrensrüge der Revision schon mangels Beschwerde unzulässig.

2. Das Berufungsgericht hat den festgestellten Sachverhalt auch rechtsfehlerfrei gewürdigt.

a) Die Anwendung des § 626 Abs. 1 BGB durch das Berufungsgericht kann vom Revisionsgericht nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob der Sachverhalt unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben und ob alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei berücksichtigt worden sind (Senatsurteil vom 20. September 1984 - 2 AZR 633/82 - AP Nr. 80 zu § 626 BGB). Bei Anwendung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabes hält das angefochtene Urteil der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

b) Tätlichkeiten unter Arbeitskollegen sind grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben (vgl. KR-Hillebrecht, aaO, § 626 BGB Rz 107, m.w.N.). Da es sich hierbei um Verletzungen von Nebenpflichten handelt, die zu einer Störung im Betriebsbereich führen, bedarf es in diesen Fällen grundsätzlich keiner Abmahnung, es sei denn, das Arbeitsverhältnis ist durch die Vertragsverletzung noch nicht zu stark belastet und der Arbeitgeber kann damit rechnen, die Abmahnung werde zu einem vertragsgemäßen Verhalten in der Zukunft führen (Senatsurteil vom 12. Juli 1984 - 2 AZR 320/83 - AP Nr. 32 zu § 102 BetrVG 1972).

c) Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe nicht darauf vertrauen können, daß die Klägerin sich bei eventuellen künftigen Meinungsverschiedenheiten besser unter Kontrolle halten würde, ist angesichts des festgestellten Sachverhalts nicht zu beanstanden. Ebenso läßt die weitere Interessenabwägung keine Rechtsfehler erkennen. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht auch für den Fall, daß die Klägerin durch ihre Kollegin mit den Worten, sie sei hysterisch, provoziert worden sein sollte, die Tätlichkeiten für schwerwiegend genug angesehen hat, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit hat es zutreffend als erschwerend berücksichtigt, daß sich die Tätlichkeiten vor den Augen der der Klägerin anvertrauten Kinder abgespielt haben. Auch die Revision erhebt gegen die Würdigung des festgestellten Sachverhalts durch das Berufungsgericht keine Rügen. Sie beanstandet lediglich erfolglos, die Vernehmung auch nur eines der Kinder hätte einen anderen, für die Beurteilung des Verhaltens der Klägerin günstigeren Geschehensablauf ergeben.

Hillebrecht Triebfürst

zugleich für den durch

Urlaub an der Unterschrift

verhinderten

Richter Ascheid

Nipperdey Rupprecht

 

Fundstellen

DB 1988, 658-659 (LT1-2)

AiB 1988, 69-70 (L1-2, S1)

JR 1988, 176

NZA 1988, 137-138 (LT1-2)

RdA 1987, 381

RzK, III 1e 11 (LT1-2)

AP § 102 BetrVG 1972, Nr 47

EzA § 102 BetrVG 1972, Nr 71 (LT1-2)

EzBAT § 54 BAT Anhörung des Personalrats, Nr 2 (LT1-2)

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